Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4627 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Stephan Bothe (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung Personen mit Impfschäden in Niedersachsen Anfrage des Abgeordneten Stephan Bothe (AfD), eingegangen am 14.08.2019 - Drs. 18/4367 an die Staatskanzlei übersandt am 19.08.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung vom 20.09.2019 Vorbemerkung des Abgeordneten Die Impfquoten nehmen seit 2014 u. a. bei Diphtherie, Tetanus, Pertussis und anderen leicht ab.1 Dies hat verschiedene Gründe. Immer wieder taucht das Argument auf, sich gegen einen Impfschutz zu entscheiden, weil Risiken aufgrund möglicher schwerer Nebenwirkungen von Impfungen bestünden. Vorbemerkung der Landesregierung Impfungen zählen mit zu den wichtigsten präventiven Maßnahmen der Gesunderhaltung, die in der Medizin verfügbar sind. Moderne Impfstoffe sind gut verträglich; bleibende gravierende unerwünschte Arzneimittelwirkungen werden nur in sehr seltenen Fällen beobachtet. Dennoch nehmen nicht alle Menschen den Vorteil des Impfschutzes für sich in Anspruch. Die Gründe dafür können unterschiedlich sein und werden z. B. von folgenden Faktoren beeinflusst: – Vertrauen in die Sicherheit der Impfung, – geografische, zeitliche und finanzielle Barrieren, – Fehleinschätzung der Risiken einer Impfung im Vergleich zu den Risiken der zu verhütenden Krankheit, – erschwerte Entscheidungsfindung aufgrund widersprüchlicher Informationsquellen zu Impfungen . Die Schutzwirkung ist für die Geimpften nicht spürbar, da die Krankheit im besten Falle gar nicht auftritt. Dies gilt umso mehr in einem Umfeld, in dem die Krankheiten, gegen die geimpft wird, kaum noch als Bedrohung wahrgenommen werden. Daher können Einzelberichte über tatsächliche aber auch vermeintliche unerwünschte Wirkungen von Impfungen verunsichern, mit der Folge, sich nicht impfen zu lassen. Bei der Nutzen-Risiko-Abwägung von Impfungen steht der individuelle Schutz als auch der Schutz Dritter, die nicht geimpft werden können, deutlich im Vordergrund und das Risiko für unerwünschte Wirkungen durch eine Impfung ist erheblich geringer als das Risiko einer gesundheitlichen Schädigung durch eine natürliche Infektion. Diese Nutzen-Risiko-Bewertung findet kontinuierlich auch nach der Zulassung durch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und der Empfehlung durch die Ständige Impfkommission (STIKO) statt. Dabei fließen alle Erkenntnisse über erwünschte und unerwünschte Arzneimittelwirkungen ein. Ein Mittel der Kommunikation von Impfgegnern ist es, 1 https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2019/Ausgaben/18_19.pdf?__blob=publicationFile, zuletzt abgerufen am 07.08.2019 Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4627 2 diese nach wissenschaftlichem Standard durchgeführte Nutzen-Risiko-Bewertung anzuzweifeln und damit das Vertrauen in die Arbeit der Behörden zu unterminieren (s. oben erster Spiegelstrich). Der Trend abnehmender Durchimpfungsquoten bei den vom Fragesteller aufgeführten Impfungen zeigt sich auch in Niedersachsen (siehe Impfreport 2018 www.nlga.niedersachsen.de > Gesundheitsberichterstattung > Gesundheitsberichte > Impfreport). Die Gründe hierfür sind noch nicht vollständig geklärt. Ein Grund könnten neue Fachempfehlungen zu einzelnen Impfstoffen sein, nach denen es ausreichend ist, dass eine Impfung weniger verabreicht werden muss. Dies ist jedoch noch nicht in den Empfehlungen der STIKO und der Erhebung im Rahmen der Schuleingangsuntersuchungen berücksichtigt, sodass diese Kinder als „nicht vollständig geimpft“ erfasst werden. Im Rahmen des niedersächsischen Impfprogramms „Impfen. Klar.“ soll unter vielen weiteren Maßnahmen auch dieser Frage weiter nachgegangen werden. Gemäß Arzneimittelgesetz sind die zuständigen Bundesbehörden, im Fall von Impfstoffen das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), zur Erfassung und Auswertung möglicher Risiken sowie zur Koordination der notwendigen Maßnahmen verpflichtet. Dabei erhält das PEI Meldungen zu möglichen unerwünschten Arzneimittelwirkungen über mehrere Meldewege, die gesetzlich im Arzneimittelgesetz, der Berufsordnung für Ärztinnen und Ärzte, der Berufsordnung für Apothekerinnen und Apotheker sowie im Infektionsschutzgesetz vorgeschrieben sind. Die Expertinnen und Experten im PEI prüfen jede Meldung und beurteilen aufgrund der gemeldeten und gegebenenfalls recherchierten Informationen, ob ein ursächlicher Zusammenhang mit der Impfung als gesichert, wahrscheinlich, möglich, unwahrscheinlich oder auch wegen fehlender Daten nicht zu beurteilen ist. Ziel dieser Bewertungen ist es, mögliche Risikosignale bei einem Impfstoff frühzeitig zu erkennen, um Maßnahmen zur Risikominimierung ergreifen zu können. Die Zulassungsbehörden in der EU müssen dafür sorgen, dass mögliche Arzneimittelrisiken adäquat abgebildet werden. Ziel der Erfassung ist dabei nicht eine regionale Darstellung der jeweiligen unerwünschten Arzneimittelwirkung, sondern die Frage, ob für den jeweiligen Impfstoff in Bezug auf die Zulassung Konsequenzen gezogen werden müssen. Dem PEI ist auf Anfrage die regionale Zuordnung nicht möglich, da der Großteil der Meldungen in anonymisierter Form vorliegt. Das PEI veröffentlicht Daten zu Impfkomplikationen in unterschiedlicher Form. In einer Datenbank sind die gemeldeten Verdachtsfälle von Impfkomplikationen und Impfnebenwirkungen aufgeführt. Die Verdachtsfälle in der Datenbank des PEI beziehen sich auf in Deutschland für die Anwendung am Menschen zugelassene Impfstoffe. Grundsätzlich handelt es sich bei den vorliegenden Daten um gemeldete Verdachtsfälle. Ein in der Datenbank aufgeführtes Ereignis ist ein gemeldeter Verdachtsfall einer unerwünschten Reaktion im zeitlichen Zusammenhang mit einer Impfung. Dies bedeutet also nicht ohne weiteres, dass ein ursächlicher Zusammenhang existiert. Begrenzte Auswertungen der Daten sind über www.pei.de/db-uaw möglich. Darüber hinaus werden detailliertere Auswertungen in unregelmäßigen Abständen veröffentlicht, wie z. B. im Bulletin zur Arzneimittelsicherheit oder auch im Bundesgesundheitsblatt. Ein direkter Bezug zu verabreichten Impfstoffdosen kann nur begrenzt hergestellt werden. Vom Robert Koch- Institut wird jedoch angegeben, dass im Jahr 2011 in Deutschland rund 35 Millionen Impfstoffdosen mit den gesetzlichen Krankenversicherungen abgerechnet wurden. Unabhängig davon ist ein Impfschaden nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) wie folgt definiert: Die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung; ein Impfschaden liegt auch vor, wenn mit vermehrungsfähigen Erregern geimpft wurde und eine andere als die geimpfte Person geschädigt wurde. Nach § 60 IfSG besteht im Falle eines Impfschadens unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes . Diese Anträge werden im Landesamt für Soziales bearbeitet und können daher, im Gegensatz zu den eingangs beschriebenen Daten des PEI, bezogen auf Niedersachsen ausgewertet werden. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4627 3 1. Wie viele Personen, die aufgrund einer Impfung körperliche Schäden davongetragen haben, gibt es seit dem Jahr 2000 in Niedersachsen (bitte nach Jahr und Altersgruppe einzeln aufschlüsseln, insbesondere Kleinkinder und Kinder separat aufführen)? Altersgruppen: A Kleinkinder bis drei Jahren B Kinder von vier bis sechs Jahren C Kinder und Jugendliche zwischen sieben und 17 Jahren D Erwachsene zwischen 18 und 29 Jahren E Erwachsene zwischen 30 und 49 Jahren F Erwachsene zwischen 50 und 64 Jahren G Erwachsene im Alter von 65 Jahren und älter Jahr Personenzahl Altersgruppe 2001 1 Person C 2002 3 Personen 2xA, C 2006 1 Person F 2008 2 Personen C, D 2009 1 Person A 2010 3 Personen A,E,F 2011 1 Person E 2012 5 Personen C,D, 3xE 2013 3 Personen C,D,E 2014 2 Personen 2xD 2015 3 Personen D,E,F 2016 3 Personen E,F,G Quelle: Landesamt für Soziales, Jugend und Familie Im Jahr 2017 wurden fünf Anträge auf Impfschadensausgleich gestellt, wobei sich drei im Klageverfahren befinden und bei zwei Anträgen die gutachterliche Prüfung noch läuft. Im Jahr 2018 wurden sieben Anträge gestellt, wovon sich einer im Widerspruchsverfahren, einer im Klageverfahren und einer im Berufungsverfahren befindet. Bei drei Anträgen ist die gutachterliche Prüfung noch nicht abgeschlossen. Die sechs in diesem Jahr gestellten Anträge werden zurzeit gutachterlich geprüft. 2. Welche Schäden sind bei den unter 1. genannten Personen aufgetreten, und welche dieser Personen haben einen dauerhaften Schaden (bitte nach Jahr und Altersgruppe einzeln aufschlüsseln, insbesondere Kleinkinder und Kinder separat aufführen)? Jahr Altersgruppe Gesundheitliche Schädigungen 2001 C Diabetes Mellitus 2002 A A C Hirnschädigung Krampfanfallsleiden Hirnentwicklungsdefizite 2006 F Guillain-Barré-Syndrom 2008 C D Myoklonien Polyneuropathie 2009 A Abzess Oberschenkel 2010 A E F Guillain-Barré-Syndrom Arthralgien im Knie Guillain-Barré-Syndrom 2011 E Lähmungserscheinungen Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4627 4 Jahr Altersgruppe Gesundheitliche Schädigungen 2012 C D E E E Bewegungseinschränkungen Hirnschädigung Guillain-Barré-Syndrom Narkolepsie Arterielle Durchblutungsstörung 2013 C D E Narkolepsie Narkolepsie Guillain-Barré-Syndrom 2014 D D Narkolepsie Hirnschädigung 2015 D E F Narkolepsie Querschnittslähmung Guillain-Barré-Syndrom 2016 E F G Narkolepsie Meningitis Miller-Fisher-Syndrom 3. Gibt es in Niedersachsen Sterbefälle bei den unter 1. genannten Personen? Nein. 4. Welche Impfungen sind für die Schäden bei den unter 1. genannten Personen verantwortlich (bitte nach Jahr und Altersgruppe einzeln aufschlüsseln, insbesondere Kleinkinder und Kinder separat aufführen)? Jahr Altersgruppe Impfstoff 2001 C MMR-Vax-B-Chiron-Behring 2002 A A C Quatro-Virelon-Impfung Mehrfachimpfung 4-Fach-Impfung 2006 F Influvac 05/06 2008 C D RepevaX Grippeschutz Ratipharm 2009 A Tebanobul 2010 A E F Pandemrix Twinrix Pandemrix 2011 E Boostrix 2012 C D E E E unbekannt Triplovax Repevax Pandemrix Grippeschutz Ratipharm 2013 C D E Pandemrix Pandemrix Boostrix 2014 D D Pandemrix unbekannt 2015 D E F Pandemrix Vaxigrip 4-Fach-Impfung 2016 E F G Pandemrix Stamaril 4-Fach-Impfung Alle festgestellten Impfschäden sind dauerhafte gesundheitliche Schädigungen. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4627 5 5. Welche Form des Schadenersatzes gab bzw. gibt es für die unter 1. genannten Personen ? Die Berechtigten erhalten Leistungen nach dem IfSG in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG), abhängig von dem Grad der Schädigungsfolgen (GdS). Ab einem GdS von 30 wird eine einkommensunabhängige Grundrente gezahlt und gegebenenfalls weitere, zum Teil auch einkommensabhängige Leistungen. 6. Im Zuge erhöhter Masernerkrankungen in Niedersachsen seit Anfang 2019: a) Wie viele Fälle gab es seit Jahresanfang in Niedersachsen? b) In welchen Gemeinden gab bzw. gibt es wie viele Erkrankungen? c) Gibt es Sterbefälle? Mit Stand 09.09.2019 wurden in Niedersachsen 2019 86 Fälle von Masern nach dem Infektionsschutzgesetz erfasst. In der nachfolgenden Tabelle sind die Landkreise und kreisfreien Städte sowie die Region Hannover mit der jeweiligen Anzahl der Erkrankungsfälle aufgeführt. In Hildesheim ist ein Todesfall zu beklagen. Landkreis/kreisfreie Stadt/ Region Hannover Anzahl LK Aurich 1 LK Cuxhaven 2 LK Emsland 2 LK Göttingen 5 LK Hameln-Pyrmont 1 LK Harburg 5 LK Hildesheim 45 LK Holzminden 1 LK Lüchow-Dannenberg 2 LK Lüneburg 1 LK Nienburg 1 LK Osterholz 1 LK Peine 9 LK Stade 1 LK Uelzen 1 LK Verden 1 Stadt Oldenburg 1 Region Hannover 6 gesamt 86 7. Falls eine statistische Erfassung im Sinne der Fragestellungen nicht erhoben wird oder die Landesregierung Fragen nicht beantworten kann: Welche Gründe gibt es hierfür? Siehe hierzu die Vorbemerkung. (Verteilt am 24.09.2019) Drucksache 18/4627 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Stephan Bothe (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung Personen mit Impfschäden in Niedersachsen