Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4642 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Susanne Victoria Schütz, Björn Försterling und Sylvia Bruns (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur namens der Landesregierung Kostenverteilung nach dem Veranlasserprinzip bei Kulturdenkmal-Funden in Niedersachsen Anfrage der Abgeordneten Susanne Victoria Schütz, Björn Försterling und Sylvia Bruns (FDP), eingegangen am 27.08.2019 - Drs. 18/4434 an die Staatskanzlei übersandt am 30.08.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur namens der Landesregierung vom 24.09.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten Werden auf Grundstücken in Niedersachsen, die bebaut werden sollen, Kulturdenkmale entdeckt, gilt das Veranlasserprinzip: „Soll ein Kulturdenkmal ganz oder teilweise zerstört werden, so ist der Veranlasser der Zerstörung im Rahmen des Zumutbaren zur fachgerechten Untersuchung, Bergung und Dokumentation des Kulturdenkmals verpflichtet“ (NDSchG, § 6 Abs. 3). Die in diesen Fällen anfallenden Kosten archäologischer Arbeiten sind somit mindestens anteilig vom Veranlasser der Bautätigkeit zu tragen. Seit der Umsetzung der „Europäischen Konvention zum Schutz des archäologischen Erbes“ (Konvention von Malta) von 1992 wurde in einzelnen Bundesländern ein erhöhtes Ausgrabungsaufkommen festgestellt, welches auf die Kostenverteilung durch das Veranlasserprinzip zurückgeführt wird (http://www.dguf.de/fileadmin/user_upload/Pres sematerialien/DGUF-Dok_Pressematerial-Verursacherprinzip-Veranlasserprinzip.pdf). Aus der Antwort der Landesregierung (Drucksache 18/2462, 20.12.2018) zur Anfrage „Wer ist in Niedersachsen für die Aufbewahrung archäologischer Funde zuständig?“ (Drucksache 18/2166, 26.11.2018) lässt sich eine Dringlichkeit beim Ausbau der Magazinflächen ableiten. Hier heißt es: „Da in den nächsten Jahren durch Großprojekte (Trassen für Stromleitungen, Autobahnbau sowie Bahntrassen) ein erheblicher Zuwachs an landeseigenen archäologischen Funden zu erwarten ist, sind die zuständigen Landesmuseen in Verhandlungen mit den zuständigen Stellen des Landes Niedersachsen, um geeignete zusätzliche Magazinflächen zu erhalten.“ Vorbemerkung der Landesregierung Grundlage für das Veranlasserprinzip ist das Europäische Übereinkommen zum Schutz des archäologischen Erbes vom 16.01.1992, auch Übereinkommen von Malta oder Konvention von La Valetta genannt. Vorgänger dieses Übereinkommens war das Europäische Übereinkommen vom 06.05.1969 zum Schutz archäologischen Kulturguts. Am 09.10.2002 wurde es vom Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates in nationales Recht übertragen und bindet den Bund und die Bundesländer . Mit der Novelle des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes (NDSchG) vom 26.05.2011 wurde die Norm in das Landesrecht in § 6 Abs. 3 NDSchG umgesetzt. Zuständig für die Umsetzung - d. h. Genehmigung von der Zerstörung von Bodendenkmalen mit der Auflage einer Veranlassergrabung - sind die unteren Denkmalschutzbehörden bei den Landkreisen und den kommunalen Gebietskörperschaften mit unterer Bauaufsicht (§ 19 Abs. 1 i. V. m. § 20 Abs. 1 NDSchG). Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4642 2 Die unteren Denkmalschutzbehörden ohne eigene Kommunalarchäologien haben gemäß § 20 Abs. 2 NDSchG in allen Fällen der Bodendenkmalpflege, also auch den Fällen von Zerstörung und daraus folgender Veranlassergrabung, das Benehmen mit dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege herzustellen. Das Niedersächsische Denkmalschutzgesetz schreibt in § 1 fest, dass Kulturdenkmale zu schützen und zu pflegen sind. Dem Land sowie den kommunalen Gebietskörperschaften kommt dabei eine Vorbildfunktion zu (§ 2 Abs. 2 NDSchG). Gemäß § 6 Abs. 1 und 2 NDSchG sind Kulturdenkmale vor Gefährdung zu schützen, instand zu halten und zu pflegen. Diese Aufgabe kommt dem Eigentümer zu. Die Gefährdung oder Zerstörung wird ausdrücklich untersagt. § 6 Abs. 3 NDSchG geht mit der notwendigen Abwägung aller öffentlichen Belange um, die dazu führen kann, dass Kulturdenkmale zerstört werden. In diesem Fall ist der Veranlasser im Rahmen der Zumutbarkeit verpflichtet, die Kosten für die fachgerechte Untersuchung, Bergung und Dokumentation zu tragen. Die Gesetzesbegründung der Novelle des NDSchG von 2011 definiert die Grenze der Zumutbarkeit folgendermaßen: Bis zu 5 % der Gesamtkosten bei privaten Bauherren, die das Objekt selbst nutzen, und bis zu 15 % der Gesamtkosten bei Fällen mit Gewinnerzielungsabsicht . Ein Zusammenhang zwischen dem Veranlasserprinzip und der Steigerung archäologischer Ausgrabungen könnte nur dann festgestellt werden, wenn vorher Bodendenkmale nicht angemessen ausgegraben wurden. Ihr Schutz ist seit Bestehen des NDSchG festgeschrieben; ebenso die zwingende Notwendigkeit, ihre Zerstörung denkmalrechtlich genehmigen zu lassen. Letzteres hat auch vor der Übernahme des Veranlasserprinzips in das NDSchG zur Auflage wissenschaftlich durchgeführter Rettungsgrabungen geführt. Eine Zunahme von Rettungsgrabungen und von deren Veranlasser finanzierten Grabungen in Niedersachsen ist auf die gesteigerte Bautätigkeit sowie insbesondere auf die Großprojekte wie Erdgastrasse, Straßenbau, Stromtrassen zurückzuführen. Die im zitierten Papier der Deutschen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte (DGUF) aus dem Jahr 2013 genannte Steigerung ist vor dem Hintergrund der zu diesem Zeitpunkt intensiv debattierten Veränderungen im Denkmalschutzgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen zu betrachten. 1. Gibt es auch in Niedersachsen ein Anwachsen des Ausgrabungsaufkommens sowie der archäologischen Funde, und führt die Landesregierung dies ebenfalls auf das Veranlasserprinzip zurück? Auch in Niedersachsen hat die Anzahl der Rettungsgrabungen zugenommen. Die Ursache liegt nicht im Veranlasserprinzip, sondern in der deutlich erhöhten Anzahl von Baumaßnahmen. 2. Wie viel zusätzliche Magazinfläche wurde seit dem 01.01.2019 für den Zuwachs an landeseigenen archäologischen Funden geschaffen? Keine. 3. Wie viel zusätzliche Magazinfläche wird, nach Einschätzung der Landesregierung, benötigt , um dem Zuwachs an landeseigenen archäologischen Funden durch in den nächsten Jahren anstehende Großprojekte (Trassen für Stromleitungen, Autobahnbau sowie Bahntrassen) gerecht zu werden? Auf der Grundlage der bisherigen Einlieferungen ist von voraussichtlich 150 Regalmetern pro Jahr auszugehen. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4642 3 4. Wie bemisst sich der in § 6 NDSchG definierte „Rahmen des Zumutbaren“ für niedersächsische Kulturdenkmalfunde bei Bautätigkeit? Der „Rahmen des Zumutbaren“ findet sich in der Gesetzesbegründung zur Novelle von 2011: „bis zu 5 % der Gesamtkosten bei privaten Bauherren, die das Objekt selbst nutzen; bis zu 15 % der Gesamtkosten bei Fällen mit Gewinnerzielungsabsicht“. Unabhängig davon können Aspekte des jeweiligen Einzelfalls berücksichtigt werden. 5. Welche Instanz trifft die Entscheidung über die Höhe der zumutbaren Kosten für den Veranlasser der Bautätigkeit? Die gemäß § 20 Abs. 1 NDSchG für den Vollzug des Denkmalschutzgesetzes zuständigen unteren Denkmalschutzbehörden, die bei den Landkreisen und Gemeinden mit eigener unterer Bauaufsicht gemäß § 19 Abs. 1 die Aufgaben wahrnehmen. 6. Wem gehören die archäologischen Funde, die bei Veranlassergrabungen geborgen werden? Grundsätzlich gilt die Regelung zum Schatzfund nach § 984 BGB. Danach werden sowohl Grundstückseigentümer als auch Finder durch die Inbesitznahme des Bodenfundes gemeinsam Bruchteilseigentümer . Der Eigentumserwerb ist mit der Inbesitznahme verbunden. Durch das Auftragsverhältnis (Geschäftsbesorgungsvertrag) zwischen Bauherr/Investor und Grabungsfirma sind die Mitarbeiter der Grabungsfirma lediglich Besitzdiener für den Auftraggeber/Geschäftsherrn. Sie nehmen daher für den Bauherrn die Sache in Besitz. Deshalb ist in der Regel wird davon auszugehen , dass der Geschäftsherr und Auftraggeber auch Grundstückseigentümer ist. Dann erwirbt er volles Eigentum am Fund. Das Land erwirbt in den Fällen des § 18 NDSchG bei einem Fund Eigentum bei staatlichen Grabungen . Darüber hinaus sind auch Funde aus Grabungsschutzgebieten sowie Funde von besonderem wissenschaftlichem Wert Landeseigentum. Das Land kann auch das Geschenk von archäologischen Funden durch Dritte annehmen. 7. Welche Kosten hat ein Eigentümer zu tragen, um für Konservierung und Nachsorge eines Fundes aufzukommen, wenn es sich bei dem Fund nicht um Landeseigentum handelt ? Die Kosten für Konservierung und Erhalt liegen beim jeweiligen Eigentümer der Funde, so wie es in der jeweiligen Grabungsvereinbarung festgeschrieben wurde. Diese Kosten sind nicht Bestandteil von § 6 Abs. 3 NDSchG. 8. Existiert auch im Fall von Konservierung und Nachsorge des Fundes ein „Rahmen des Zumutbaren“, und wie wird dieser definiert? Siehe Antwort zu Frage 7. 9. Welche Definitionen für den „Rahmen des Zumutbaren“ sind der Landesregierung aus anderen Bundesländern bekannt und wie bewertet die Landesregierung diese? In jedem der 16 Denkmalschutzgesetze wird der Schutzinhalt nicht absolut gestellt, d. h. es gibt Grenzen der Zumutbarkeit. In Niedersachsen, dem Saarland und Sachsen-Anhalt wird die Grenze der Zumutbarkeit wirtschaftlich definiert. Immer muss der Einzelfall betrachtet werden. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4642 4 10. Welche anderen Vorgehensweisen, abweichend vom Veranlasserprinzip, sind der Landesregierung aus anderen Bundesländern bekannt, und wie bewertet die Landesregierung diese? Keine, da durch die Übertragung der Konvention von La Valetta in Bundesrecht der Rahmen definiert ist. Auch in Bayern und Baden-Württemberg wird faktisch dieses Instrument genutzt, sei es durch Verwaltungsvereinbarungen oder durch Erlass der obersten Denkmalschutzbehörde. (Verteilt am 25.09.2019) Drucksache 18/4642 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Susanne Victoria Schütz, Björn Försterling und Sylvia Bruns (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur Kostenverteilung nach dem Veranlasserprinzip bei Kulturdenkmal-Funden in Niedersachsen