Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4680 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Christian Grascha (FDP) Antwort des Niedersächsischen Finanzministeriums namens der Landesregierung Potenzielle Mehreinnahmen aus der Grunderwerbsteuer durch Ende von Share Deals Anfrage des Abgeordneten Christian Grascha (FDP), eingegangen am 10.09.2019 - Drs. 18/4587 an die Staatskanzlei übersandt am 13.09.2019 Antwort des Niedersächsischen Finanzministeriums namens der Landesregierung vom 30.09.2019 Vorbemerkung des Abgeordneten Im Rahmen eines Gesetzentwurfs plant die Bundesregierung die Eindämmung von Steuergestaltungen mittels Share Deals im Rahmen der Grunderwerbsteuer (Bundesrats-Drucksache 355/19). Mit dem Gesetz möchte die Bundesregierung missbräuchliche Steuergestaltungen bei der Grunderwerbsteuer eindämmen. Um das zu erreichen, möchte sie die Voraussetzungen für sogenannte Share Deals strenger fassen , wofür sie unterschiedliche Maßnahmen vorsieht. Darunter fallen beispielsweise eine Absenkung der Prozentgrenze in den Ergänzungstatbeständen von 95 auf 90 %, die Einführung eines neuen Ergänzungstatbestands zur Erfassung von Anteilseignerwechseln in Höhe von mindestens 90 % bei Kapitalgesellschaften oder eine Fristverlängerung von fünf auf zehn Jahre. Bei Verabschiedung des Gesetzes ist nach Einschätzung von Fachleuten mit deutlichen Mehreinnahmen aus der Grunderwerbsteuer zu rechnen. Vorbemerkung der Landesregierung Die Grunderwerbsteuer ist eine am Zivilrecht ausgerichtete Rechtsverkehrsteuer und fällt an, wenn ein Grundstück zivilrechtlich den Eigentümer wechselt. Hierunter fallen im Grundfall Grundstückskaufverträge („Asset Deals“). Bei den „Share Deals“ handelt es sich dagegen um Sachverhalte, bei denen sich ein Grundstück im zivilrechtlichen Eigentum einer Gesellschaft befindet und nicht das Grundstück selbst, sondern nur Anteile an dieser Gesellschaft übertragen werden. Um zu vermeiden, dass die Grunderwerbsteuer durch bestimmte, tatsächlich als missbräuchlich einzustufende Share Deals umgangen wird, existieren bereits heute im Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) die sogenannten Missbrauchsverhinderungsvorschriften des § 1 Abs. 2 a bis 3 a GrEStG. Sie geben klare Gestaltungsgrenzen zur Missbrauchsverhinderung vor und führen die tatsächlich missbräuchlichen Share-Deal-Gestaltungen im Wege einer Fiktion der Besteuerung zu. Bei einem Share Deal liegt zivilrechtlich kein Eigentümerwechsel vor, da die Gesellschaft weiterhin Eigentümerin des Grundstücks bleibt. Ein Eigentümerwechsel wird nur dann im Wege einer grunderwerbsteuerlichen Fiktion angenommen, wenn mindestens 95 % der Anteile an der Gesellschaft übertragen werden. Der aktuell in der politischen Diskussion stehende Share Deal bleibt unter dieser Grenze (Erwerb von 94,9 % der Anteile). Bei den bereits heute im GrEStG vorhandenen Missbrauchsverhinderungsvorschriften ist zu bedenken , dass sich ihr Anknüpfungspunkt (Anteilsübergänge) schon weit vom eigentlichen Besteuerungsgegenstand der Grunderwerbsteuer - nämlich dem besagten zivilrechtlichen Eigentümerwechsel bei einem Grundstück - entfernt hat. Gerade wegen dieser großen inhaltlichen Entfernung der Share-Deal-Gestaltung vom eigentlichen Besteuerungsgegenstand steht der Gesetzgeber vor einer besonderen Herausforderung - insbesondere verfassungsrechtlicher Art. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4680 2 Nichtsdestotrotz haben sich die Finanzminister der Länder dieser Herausforderung gestellt und eine Reihe von Maßnahmen erarbeiten lassen, wie eine Besteuerung von Share Deals grundsätzlich möglich sein könnte. Die erarbeiteten Lösungsansätze wurden jedoch zu einem Großteil im Rahmen einer von den Ländern beauftragten verfassungsrechtlichen Begutachtung durch Herrn Prof. Dr. Drüen - gerade wegen der fehlenden Vergleichbarkeit mit einem Grundstückserwerb - als nicht verfassungskonform bewertet. Klar ist inzwischen auch, dass es sich bei den im Fokus der Diskussion stehenden Share Deals nicht um einen Gestaltungsmissbrauch handelt, sondern allenfalls um politisch ungewollte Gestaltungen. Die verbliebenen Maßnahmen sind Gegenstand des vom Bundeskabinett am 31. Juli 2019 beschlossenen Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStGÄndG-E). Das mit dem GrEStGÄndG-E verfolgte Ziel der Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen bei der Grunderwerbsteuer durch „Share Deals“ wird von der Landesregierung unterstützt. Allerdings sollten dabei nur solche Maßnahmen umgesetzt werden, die echte Gestaltungsmissbräuche aufgreifen und diese zielgenau - d. h. ohne Kollateralschäden für die Wirtschaft und Verwaltung - tatsächlich ausschalten. Zwei der im GrEStGÄndG-E vorgesehenen Maßnahmen werden diesem Anspruch gerecht. Es handelt sich dabei um die Anwendung des § 8 Abs. 2 GrEStG als Mindestbemessungsgrundlage bei weit unter dem Verkehrswert erfolgenden Veräußerungen von Grundstücken im ertragssteuerrechtlichen Rückwirkungszeitraum von Umwandlungsfällen und um die Aufhebung der Begrenzung beim Verspätungszuschlag. Der Maßnahme der Verlängerung der grunderwerbsteuerrechtlichen Fristen und der Vorbehaltensfrist des § 6 GrEStG könnte zugestimmt werden, wenn diese maßvoll statt auf zehn Jahre auf nur sieben Jahre bzw. bei der Vorbehaltensfrist statt auf fünfzehn Jahre auf nur zehn Jahre verlängert würden. Dies wäre ein noch praktikabler Kompromiss zwischen der allgemeinen Hemmwirkung der Maßnahmen auf die Wirtschaft und der eigentlich beabsichtigten gezielten Erschwerung des Gestaltungsmodells „Share Deals“. Zudem würden zusätzliche Bürokratie- und Administrationslasten, die durch Prüf- und Überwachungsaufwand entstehen, sowohl für die Wirtschaft als auch für die Verwaltung im Rahmen gehalten. Vor diesem Hintergrund hatte das Finanzministerium einen Antrag zur Änderung des GrEStGÄndG-E in das Bundesratsverfahren eingebracht, der allerdings keine Mehrheit gefunden hat. Der Antrag sah vor, nur die vorstehend genannten Maßnahmen umzusetzen und alle übrigen im Referentenentwurf enthaltenen Maßnahmen aus den nachfolgenden Erwägungen zu streichen. Die Maßnahme der Absenkung der 95-Prozent-Grenze in den Ergänzungstatbeständen des § 1 Abs. 2 a bis 3 a GrEStG auf 90 % einschließlich der entsprechenden Übergangsregelungen weist eine enorme Komplexität auf und ist mit erheblichen Folgelasten verbunden. Diese Regelung ist zudem alles andere als zielgenau. Sie trifft die Falschen, während die, die sie treffen soll, sich ihr durch leicht veränderte Gestaltungsmodelle weiterhin entziehen können. Die Maßnahme des neuen Ergänzungstatbestands des § 1 Abs. 2 b GrEStG-E sollte zunächst zwecks vertiefter Überprüfung zurückgestellt werden, um die zahlreichen, gerade erst andiskutierten noch offenen Fragen sorgfältig klären zu können. Hierzu gehören auch die Notwendigkeit einer „Börsenklausel“ und ihre gesetzliche Ausgestaltung sowie die Ausgestaltung der Übergangsregelung in § 23 Abs. 23 GrEStG-E. In diesem Zuge sollte sodann eine grundsätzliche Prüfung des Grunderwerbsteuerrechts hin zu einer konsequenten Gleichbehandlung von Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften erfolgen - zumindest in den Ergänzungstatbeständen. Das Ziel muss sein, eine in sich schlüssige, systematische und effektive Gesamtlösung zu finden. Die Ausgestaltung des GrEStG hin zu einer konsequenten Gleichbehandlung von Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften würde einen Beitrag zu mehr Steuergerechtigkeit leisten, da sämtliche Gesellschaften - unabhängig von der gewählten Rechtsform - der gleichen Besteuerung unterlägen. Den Grunderwerbsteuer-Gestaltungen mithilfe zivilrechtlich ausgestalteter Gesellschaftsformen wäre auf diese Weise ein Riegel vorgeschoben. Gleichzeitig müsste - und könnte - das Grunderwerbsteuerrecht vereinfacht und könnten Bürokratie- und Administrationslasten abgebaut werden. Durch die Zurückstellung könnte zumal vermieden werden, dass es mehrfach solche „Übergangsregelungspakete “ geben muss, wie sie mit dem vorliegenden Gesetzentwurf verbunden sind. Sie Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4680 3 sind für den Anwender nahezu unverständlich und für die Praxis eine Zumutung. Nur eine Gesamtlösung kann noch helfen, die dann ein einziges in sich stimmiges „Übergangsregelungspaket“ nach sich zieht und die Praxis auf lange Zeit berechenbar und transparent entlastet. Hervorzuheben ist, dass sämtliche Maßnahmen des GrEStGÄndG-E nicht in der Lage sind, die im Fokus stehende Share-Deal-Gestaltung zu verhindern. Sie können sie allenfalls erschweren - dies aber nur durch die Inkaufnahme ungewollter steuerlicher Mehrbelastungen bei kleinen und mittelständischen Unternehmen. 1. Mit welchen prozentualen Mehreinnahmen rechnet die Landesregierung, sollte der Gesetzentwurf der Bundesregierung verabschiedet werden? Übertragungen von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften, die die Voraussetzungen der Ergänzungstatbestände des § 1 Abs. 2 a bis 3 a GrEStG - z. B. wegen des Unterschreitens der 95-Prozent-Grenze - nicht erfüllen, werden nicht statistisch erfasst. Eine Beantwortung dieser Frage ist daher nicht möglich. Nach Auffassung der Landesregierung dürften die Maßnahmen, die die im Fokus stehende Share- Deal-Gestaltung höchstens erschweren könnten, kaum zu deutlichen Mehreinnahmen führen. Denn es ist davon auszugehen, dass die wenigen ungewollten Anteilskäufe auch weiterhin ohne Grunderwerbsteuer stattfinden werden, da sich in diesen wenigen Großfällen eine Ausweichgestaltung weiterhin wirtschaftlich lohnend umsetzen lassen wird. Soweit dagegen tatsächlich Mehreinnahmen entstehen werden, werden diese wegen ihrer breiten, nicht zielgenauen Streuwirkung vielmehr durch eine nicht beabsichtigte Belastung von Anteilsverkäufen generiert, die nicht im Fokus der „Share-Deal-Bekämpfung“ stehen (= Belastung des Mittelstands ). Eine Bezifferung ist wegen der fehlenden statistischen Erfassung auch hier nicht möglich. 2. Mit welchen absoluten Mehreinnahmen rechnet die Landesregierung, sollte der Gesetzentwurf der Bundesregierung verabschiedet werden? Siehe Antwort zu Frage 1. 3. Wie wird sich die Landesregierung bei einer anstehenden Abstimmung im Bundesrat verhalten? In der 980. Sitzung des Bundesrats am 20. September 2019 (TOP 32) hat der Bundesrat zum GrEStGÄndG-E Stellung genommen. Die Stellungnahme erfolgte entsprechend der BR-Drs. 355/1/19 mit den nachfolgenden Besonderheiten: – Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, spätestens zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes im Rahmen einer Evaluierung aufzuzeigen, ob die Korrektur der Anteilsgrenze von 95 % auf 90 % sowie die Verlängerung der Haltefrist von fünf auf zehn Jahre zu den intendierten Verhaltensänderungen bei den adressierten Marktakteuren geführt hat. Niedersachsen stimmte dafür. – Die Vorschrift des § 1 Abs. 2 a Satz 4 GrEStG soll dahin gehend ergänzt werden, dass für die Bestimmung der Neugesellschaftereigenschaft bei einer an einer grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaft lediglich Gesellschafterwechsel innerhalb eines Zeitraums entsprechend § 1 Abs. 2 a Satz 1 GrEStG und nicht unbefristet maßgebend sind. Niedersachsen stimmte dafür. – Die Ergänzungstatbestände des § 1 Abs. 2 a GrEStG und § 1 Abs. 2 b GrEStG-E sollen jeweils um eine „Börsenklausel“ ergänzt werden. Diese soll in- und ausländische börsennotierte Aktiengesellschaften aus dem Anwendungsbereich der Tatbestände ausschließen. Niedersachsen stimmte dafür. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4680 4 – Die Übergangsregelung gemäß § 23 Abs. 23 GrEStG-E zum neunen Ergänzungstatbestand des § 1 Abs. 2 b GrEStG-E soll dahin gehend ergänzt werden, dass Übergänge von Anteilen der Gesellschaft, die vor dem 1. Januar 2020 (Datum des Inkrafttretens) erfolgen, bei der Anwendung des § 1 Abs. 2 b GrEStG-E unberücksichtigt bleiben. Niedersachsen stimmte dafür. – Im weiteren Gesetzgebungsverfahren soll geprüft werden, wie § 6 a GrEStG angepasst werden kann, damit Umstrukturierungsmaßnahmen im Konzern steuerneutral erfolgen können. Niedersachsen stimmte dafür. Im Einzelnen siehe Beschluss zur o. g. Sitzung (BR-Drs. 355/19B). (Verteilt am 02.10.2019) Drucksache 18/4680 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Christian Grascha (FDP) Antwort des Niedersächsischen Finanzministeriums Potenzielle Mehreinnahmen aus der Grunderwerbsteuer durch Ende von Share Deals