Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4697 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Horst Kortlang und Hermann Grupe (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung Wie groß ist die natürliche Arealgröße der Gemeinen Fichte (Picea abies) in Niedersachsen? Anfrage der Abgeordneten Horst Kortlang und Hermann Grupe (FDP), eingegangen am 27.08.2019 - Drs. 18/4439 an die Staatskanzlei übersandt am 30.08.3019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung vom 01.10.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten In der Pressemitteilung Nr. 101/2019 des MU spricht Umweltminister Lies von einem großflächigen Sterben der Fichten in den niedersächsischen Wäldern und „plädiert für einen naturnahen und ökologischen Umbau der Wälder in Niedersachsen“ (PM Nr. 101/2019 des MU, 15.08.2019). Und weiter : „Deshalb müssen wir auch in Niedersachsen mehr Bäume anpflanzen, nicht nur in Forsten, sondern auch bei der Stadtbegrünung…“ (ebenda). Gemäß dem „Kartierschlüssel für Biotoptypen in Niedersachsen“, Olaf von Drachenfels, Stand März 2011, gibt es die Fichten-Lebensräume „Obermontaner bodensaurer Fichten-Buchenwald (WLF)“ und die Haupteinheiten „Hochmontaner Fichtenwald bodensaurer Mineralböden (WF)“ sowie „Hochmontaner Fichten-Moorwald (WO)“. Diese Haupteinheiten gliedern sich in weitere Untereinheiten auf. Die natürlichen Fichtenlebensräume in Niedersachsen beginnen in der Regel ab einer Höhe von 700/750 (in Ausnahmen ab 600 m) m ü. NN. Eine Ausnahme bildet der Lebensraum „Sekundärer Fichten-Sukzessionswald (WPF)“, der „außerhalb der natürlichen Fichtenwald- Vorkommen“ durch Samenanflug entsteht. Vorbemerkung der Landesregierung Der Aufbau unserer Wälder ist ein Spiegelbild der Waldgeschichte und der Ansprüche vergangener Generationen an den Wald. Dies zeigt sich deutlich an dem hohen Flächenanteil der heute 60- bis 80-jährigen Fichten- und Kiefernreinbestände in Deutschland, die auf Aufforstungen auf großen Freiflächen zurückgehen, die nach den Übernutzungen in der NS-Zeit und den Reparationshieben der Alliierten entstanden waren. Sie waren und sind noch heute eine wichtige ökonomische Säule der Forst- und Holzwirtschaft und Quelle für die Bereitstellung von dringend benötigtem Bau- und Nutzholz, die Importe aus nicht nachhaltiger Nutzung vermeiden helfen. Nur durch eine Anpassung der Wälder an den fortschreitenden Klimawandel lassen sich die vielfältigen Ökosystemleistungen der Wälder und Forstbetriebe sichern, die von der Bereitstellung des nachwachsenden Rohstoffes Holz über den Erhalt wertvoller Lebensräume, die Biodiversität und den Artenschutz, die Kohlenstoffspeicherung, den Wasser- und Bodenschutz bis hin zur Erholung reichen. Die standortsgerechte Waldentwicklung ist eine langfristige Aufgabe, die sich über Jahrzehnte hinziehen wird. Der damit verbundene Waldumbau wird über lange Jahre hohe Kosten verursachen. In der Regel sollten Mischbestände begründet werden mit Baumarten und Herkünften, die nach heutigem Stand des Wissens geeignet sind, sowohl dem herrschenden als auch dem künftigen Klima gerecht zu werden. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4697 2 1. In welchen niedersächsischen naturräumlichen Regionen kommt die Gemeine Fichte (Picea abies) natürlicherweise vor und in welchen nicht? Die Gemeine Fichte (Picea abies) kommt in den Naturräumen Harz (Teilnaturräume Mittel- und Oberharz) auf größeren Teilflächen sowie im Naturraum Lüneburger Heide (Teilnaturraum Südheide ) kleinflächig natürlicherweise vor. 2. Welche Lebensraum- bzw. Standortansprüche stellt Picea abies, und in welchem Verbreitungsgebiet (u. a. Höhenlagen, Bodenarten, klimatische Voraussetzungen) kommt die Gemeine Fichte in Niedersachen natürlicherweise vor? Im Harz besiedelt die Fichte als bestandsbildende Baumart des Reitgras-Fichtenwaldes und als Mischbaumart des Reitgras-Fichten-Buchenwaldes trockene bis nasse, basenarme bis mäßig basenarme Silikatstandorte. Der Rauschbeeren-Fichtenwald kommt auf nährstoffarmen Nieder- und Anmooren sowie auf schwach entwässerten Hochmooren und Hochmoorrändern vor. Der Verbreitungsschwerpunkt der genannten Waldtypen liegt oberhalb von 600 m ü. NN in der ober- bis hochmontanen Stufe. Im Naturraum Lüneburger Heide sind ganz lokal natürliche Vorkommen der Fichte ausschließlich im Bereich von Moorstandorten zu finden. Diese Vorkommen liegen in der planaren Stufe auf ca. 50 bis 100 m ü. NN. 3. In welchen naturräumlichen Regionen Niedersachsens kommt die Gemeine Fichte als Forstbaum in waldartigen Beständen tatsächlich vor? Die Gemeine Fichte tritt als Forstbaum in allen naturräumlichen Regionen Niedersachsens auf. 4. Handelt es sich hierbei um sogenannte Altersklassenforste oder um strukturreiche Fichtenwälder auf natürlichen Fichtenwaldstandorten? Sowohl gleichaltrige Reinbestände als auch ungleichaltrige, strukturreiche Fichtenwälder auf natürlichen Fichtenstandorten kommen vor. Auch außerhalb des natürlichen Fichtenareals existieren in Niedersachsen ungleichaltrig strukturierte Fichtenbestände sowie Laub-Nadel-Mischbestände unter Beteiligung der Fichte. 5. Kommt die Gemeine Fichte bestandsbildend auf Flächen der Landesforsten vor, und falls ja, in welcher Flächengröße und wo? Die Fichte nimmt etwa 24 % der Waldfläche der Niedersächsischen Landesforsten (NLF) ein. In Summe stellt die Fichte auf ca. 70 000 ha die Hauptbaumart; rund 40 000 ha davon sind Fichtenreinbestände . Verbreitungsschwerpunkte sind Harz und Solling, wobei die Fichte dort sowohl bestandsbildend als auch als Mischbaumart verbreitet ist. Darüber hinaus kommt die Fichte auch in anderen Regionen auf Flächen der NLF vor. 6. Welche der mit Fichten bepflanzten Flächen der Landesforsten liegen außerhalb und welche innerhalb des natürlichen Verbreitungsgebietes von Picea abies? In Niedersachsen sind lediglich die Hochlagen des Harzes oberhalb von 700 m bis 750 m, in Kaltlufttälern ab 600 m natürliches Verbreitungsgebiet der Fichte. Der Großteil der Fichtenfläche der NLF liegt auf geringerer Seehöhe und damit außerhalb des natürlichen Verbreitungsgebietes der Baumart. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4697 3 7. In welchen Landkreisen kommt die Gemeine Fichte natürlicher Weise in Niedersachsen vor, und welche Arealgrößen würde die Gemeine Fichte, bei natürlicher Verbreitung, in diesen Landkreisen ungefähr einnehmen können? Die Fichte kommt in den Landkreisen Goslar, Göttingen und Celle natürlicherweise vor. Im Landkreis Goslar würden natürliche Fichtenwälder als potenziell natürliche Vegetation eine Fläche von 8 527 ha einnehmen, im Landkreis Göttingen von 1 671 ha und im Landkreis Celle liegen Vorkommen nur vereinzelt auf Kleinstflächen vor. 8. Welche Arealgröße haben sekundäre Fichten-Sukzessionswälder derzeit in Niedersachsen , und welche Bedeutung misst die Landesregierung ihnen bei? Zur Beantwortung dieser Frage liegen weder flächendeckende Informationen noch repräsentative Stichprobenerhebungen für Niedersachsen vor. Allgemein lässt sich festhalten, dass der Fichtenanteil im Jungwuchs nach den Ergebnissen der dritten Bundeswaldinventur (BWI3) lediglich bei 11 % liegt und Laubbäume mit 75 % den Jungwuchs beherrschen. 9. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung in der laufenden Legislaturperiode für einen wirksamen naturnahen und ökologischen Umbau der Wälder in Niedersachsen? Seit nahezu 30 Jahren wird in Niedersachsen der Landeswald nach dem Regierungsprogramm der langfristigen ökologischen Waldentwicklung (LÖWE) umgebaut. Die Landesregierung fördert anlehnend an LÖWE bereits seit Jahren den Waldumbau hin zu strukturreichen, widerstandsfähigen und klimastabilen Mischwäldern im Privat- und Körperschaftswald. Die Standortkartierung - als entscheidende Grundlage für eine standortgemäße Baumartenwahl - wurde intensiviert und auf die Hauptschadensregion konzentriert. Diesen Wiederaufforstungs- und Umbaumaßnahmen kommt in den nächsten Jahren eine besondere Prioritätensetzung zu. 10. Wie werden forstliche/holzwirtschaftliche Aspekte beim beabsichtigten naturnahen und ökologischen Umbau der Wälder in Niedersachsen berücksichtigt? Der Waldumbau dient der Entwicklung stabiler, ertragreicher und naturnaher Wälder, die die an sie gestellten Ansprüche in Bezug auf ihre Schutz-, Erholungs- und Nutzfunktion gemäß NWaldLG auch unter geänderten klimatischen Bedingungen erfüllen können. Bei der Baumartenwahl auf standörtlicher Grundlage finden zahlreiche Baumarten stets in Mischung miteinander Berücksichtigung , was durch Risikoverteilung nicht nur der Klimaresistenz und Resilienz, sondern auch der Diversifizierung des Rohholzangebotes dient. Im engeren Sinne werden die Aspekte der Nutzfunktion auch durch die Verwendung hochwertigen Vermehrungsgutes gesicherter Herkunft berücksichtigt . So ist gewährleistet, dass die daraus erwachsenden Bestände nicht nur vital, sondern auch qualitativ mit Blick auf Verwendungsmöglichkeiten ihres Holzes zufriedenstellen. 11. Was verbirgt sich konkret hinter der Forderung der Landesregierung: „Deshalb müssen wir auch in Niedersachsen mehr Bäume anpflanzen, nicht nur in den Forsten, sondern auch bei der Stadtbegrünung - dies ist wichtig für das Stadtklima und hätte außerdem einen kühlenden Effekt“ (PM Nr. 101/2019 des MU)? In niedersächsischen Wäldern werden der Klimawandel und daraus resultierende vielfältige Schäden im Bestand zunehmend sichtbar. Wir brauchen daher stabile, widerstandsfähige und naturnahe Wälder, die als CO2-Senke einen Klimaschutzbeitrag leisten und überlebenswichtige Funktionen wie den Schutz der biologischen Vielfalt und die Grundwasserneubildung übernehmen. Insofern bedarf es großer Anstrengungen bei Wiederbewaldung und Waldumbau und - soweit möglich - auch bei der Ausweitung der vorhandenen Waldfläche. Des Weiteren gilt es nach Auffassung der Landesregierung im Zuge der sich abzeichnenden klimatischen Erwärmung auch das Thema Stadtbegrünung besonders in den Blick zu nehmen. Denn die sogenannten Ökosystemleistungen, d. h. der Nutzen, den Menschen von Stadtbäumen erhalten, sind vielseitig und bedeutend. Bäume Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4697 4 haben eine hohe ästhetische Wirkung, sie prägen die Umwelt und verleihen einer Stadt einen bestimmten Charakter. Bäume filtern und kühlen außerdem die Luft, bieten Schatten und Windschutz und tragen so zu einer Verbesserung des Stadtklimas bei. Stadtgrün ist insofern zu erhalten und nach Möglichkeit zu vermehren. Diese Anforderungen werden bei der Fortschreibung der niedersächsischen Anpassungsstrategie an den Klimawandel Berücksichtigung finden. 12. Was wird die Landesregierung konkret in der laufenden Legislaturperiode unternehmen , damit sich der Waldanteil in Niedersachsen messbar erhöht? Die Walderhaltung und -mehrung ist im Niedersächsischen Gesetz über den Wald und die Landschaftsordnung (NWaldLG) verankert. ML hat auf dieser Grundlage das Landeswaldprogramm erstellt , welches fortgeschrieben wird. Ziel des Programms ist, den Waldanteil zu erhöhen. Dies schlägt sich auch in den Vorgaben des LROP nieder. Zahlreiche Regionalplanungen greifen diese Zielsetzung der Fachplanung auf. Um die Aufforstungsbereitschaft der Grundbesitzenden zu erhöhen , gibt es eine Förderung bei der Neuanlage von Wald von 85 % bei reinen Laubwaldkulturen und 80 % bei Mischwaldkulturen. 13. Wie groß ist die Waldfläche (in km2) derzeit in Niedersachsen, und welche Größenordnung /welchen Zuwachs des Waldanteils an der Bodennutzung (in Prozent) strebt die Landesregierung bis wann an? Für Niedersachsen wurde über die Bundeswaldinventur eine Waldfläche von 12 000 km2 ermittelt. Damit liegt Niedersachsen mit einem Bewaldungsprozent von 25 % unter dem Bundesdurchschnitt von 32 %. Ein erklärtes Ziel der Fachplanung ist die Erhaltung des Waldes (siehe Antwort zu Frage 12). In waldarmen Teilräumen sollen Waldflächen vergrößert und der Waldanteil erhöht werden. 14. Wie hat sich der Waldanteil (in km2) in Niedersachsen seit der Gründung des Bundeslandes 1946 entwickelt, und wie war die Zu-/Abnahme in Prozent im Laufe der vergangenen Jahrzehnte? Die Waldfläche lag zu Zeiten der Gründung des Bundeslandes Niedersachsen bei rund 8 800 km2 (Quelle: Landeswaldprogramm). Die BWI3 weist aktuell eine Waldfläche von rund 12 000 km2 aus. Zu verzeichnen ist damit eine positive Waldflächenentwicklung in Niedersachsen. Ein unmittelbarer Vergleich der beiden Zahlen sowie die Anteilsberechnung verbieten sich aber aufgrund unterschiedlicher Erhebungsverfahren. 15. Inwiefern unterscheidet die Landesregierung hierbei zwischen Wäldern als natürlichem Lebensraum und Forstflächen/Forstwirtschaft als Nutzungsart? Eine solche Unterscheidung gibt es nicht. Grundlage ist das NWaldLG. 16. Wie ist die aktuelle Flächenaufteilung zwischen Urwald, naturnahen Wäldern, naturfernen Wäldern/Sekundärwäldern und Forstflächen in Niedersachsen? Urwälder im engeren Sinne existieren in Niedersachsen schon lange nicht mehr. Um Aussagen zum Flächenanteil unterschiedlich naturnaher Waldbestände treffen zu können, ist zunächst klarzustellen , wie Naturnähe definiert wird. Nach der Definition der BWI für die Naturnähe der Baumartenzusammensetzung liegt der Anteil naturnaher Wälder in Niedersachsen bei 30 % der Waldfläche . Kulturbetonte bzw. kulturbestimmte Wälder haben im Land einen Anteil von 18 %. Die andere Hälfte der Waldfläche wurde im Übergang zwischen naturfern und naturnah als bedingt naturnah eingestuft. Im Landeswald wurden im Zuge der Umsetzung der nationalen Biodiversitätsstrategie 10 % der Waldfläche aus der Nutzung genommen. Diese Flächen dienen als Referenzflächen für die Langzeitbeobachtung eigendynamischer Prozesse in der Naturwald- und Biodiversitätsforschung . Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4697 5 17. Welche Waldtypen der potenziellen natürlichen Vegetation sollen/sollten in welcher naturräumlichen Region besonders gefördert werden? Der Landeswald mit seiner speziellen Gemeinwohlorientierung hat sich die Selbstverpflichtung auferlegt , auf rund einem Drittel seiner Fläche (100 000 ha) in sogenannten Naturwirtschaftswäldern dauerhaft mit Baumarten der natürlichen Waldgesellschaften zu wirtschaften. Für die Gesamtwaldfläche gibt es keine besonderen Zielvorgaben. 18. Welche Waldtypen sind in welchen naturräumlichen Regionen derzeit als Klimaxgesellschaften ausgeprägt (gegebenenfalls Arealgröße), und welche Ziele verfolgt die Landesregierung bezüglich der Waldentwicklung mit Bezug auf das Klimaxstadium? Für den Wald in Niedersachsen gibt es hierzu weder eine belastbare Datengrundlage noch Zielvorgaben der Landesregierung. 19. Wird die Landesregierung die Anpflanzung von Stadtwäldern (Größe ab 0,5 ha, Mindestbreite 20 m) in Niedersachsen unterstützen/fördern und falls ja, wie? Die Fachplanung für Niedersachsen sieht vor, dass auch in dicht besiedelten Gebieten Wald vermehrt werden soll. Wald kann aber nur entstehen, wenn die mit Waldbäumen bestockte Grundfläche aufgrund ihrer Größe und Baumdichte die Entwicklung eines Naturhaushaltes mit eigenen Binnenklima erwarten lässt. Andernfalls entstehen lediglich sonstige Landschaftselemente. Die forstliche Förderung sieht daher für eine Neuanlage von Wald eine Mindestgröße von 1 ha vor. Im Anschluss an schon bestehende Stadtwälder wird die Neuanlage aber bereits ab 0,3 ha Mindestpflanzfläche gefördert, sofern diese die waldgesetzlichen Vorgaben erfüllt. Sonstige Landschaftselemente wären gegebenenfalls über Maßnahmen des Naturschutzes förderfähig. 20. Welche waldbildenden Baumarten sind in Niedersachsen heimisch, und welche Forstbaumarten sind in Niedersachsen verbreitet, aber nicht heimisch/fremdländisch? Folgende waldbildende Baumarten sind in Niedersachsen heimisch: Feld-Ahorn (Acer campestre), Spitz-Ahorn (Acer platanoides), Berg-Ahorn (Acer pseudoplatanus), Schwarz-Erle (Alnus glutinosa ), Sand-Birke (Betula pendula), Moor-Birke (Betula pubescens ssp. pubescens), Karpaten-Birke (Betula pubescens ssp. carpatica), Hainbuche (Carpinus betulus), Rot-Buche (Fagus sylvatica), Gewöhnliche Esche (Fraxinus excelsior), Wild-Apfel (Malus sylvestris), Gewöhnliche Fichte (Picea abies), Wald-Kiefer (Pinus sylvestris), Schwarz-Pappel (Populus nigra), Zitter-Pappel (Populus tremula ), Vogel-Kirsche (Prunus avium), Wild-Birne (Pyrus pyraster), Trauben-Eiche (Quercus petraea ), Stiel-Eiche (Quercus robur), Silber-Weide (Salix alba), Bruch-Weide (Salix fragilis), Gewöhnliche Eberesche (Sorbus aucuparia), Elsbeere (Sorbus torminalis), Gewöhnliche Eibe (Taxus baccata ), Winter-Linde (Tilia cordata), Sommer-Linde (Tilia platyphyllos), Berg-Ulme (Ulmus glabra), Flatter-Ulme (Ulmus laevis) und Feld-Ulme (Ulmus minor). Einige der genannten Arten sind in Niedersachsen von Natur aus jedoch nur auf Teilnaturräume oder Sonderstandorte beschränkt. Darüber hinaus gelten in Niedersachsen insbesondere die Europäische und Japan-Lärche (Larix decidua, L. kaempferi), Douglasie (Pseudotsuga menziesii), Weiß- und Küstentanne (Abies alba, A. grandis) sowie Rot-Eiche (Quercus rubra) als eingeführt. 21. Welche Rolle können/sollen nicht-heimische Forstbaumarten künftig in Niedersachsen übernehmen? Zielwerte sind für den Landeswald vorhanden. Vor dem Hintergrund des Klimawandels soll eingeführten Baumarten wie Rot-Eiche, Douglasie, Weißtanne oder Küstentanne im Landeswald künftig mehr Raum zugemessen und ihre Anbaufläche ausgeweitet werden. Die künftige Rolle der einzelnen Baumarten wird nach Standort und Waldbauregion differenziert beurteilt. Insbesondere die Douglasie soll dabei stets in Mischung mit anderen Baumarten angebaut werden. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4697 6 22. Welche Rolle kann/wird die Fichte zukünftig, nach Vorstellung der Landesregierung, in Niedersachsen einnehmen? Die Fichte ist von allen in Niedersachsen heimischen Baumarten am stärksten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen. Auf vielen Standorten soll sie wegen des gestiegenen Trockenstress -, Sturm- und Borkenkäferrisikos nicht mehr als führende Baumart angebaut werden. Als Wirtschaftsbaumart wird sie in Mischbeständen in einigen Waldbauregionen des Berg- und Tieflandes , in denen sie nach den Klimaszenarien noch standortgemäß ist, jedoch auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen. 23. Wie beurteilt die Landesregierung Kurzumtriebsplantagen, sogenannten Niederwald mit Kurzumtrieb, in Bezug auf Wirtschaftlichkeit, Artenvielfalt und Klimaschutz? Flächen, auf denen Gehölze mit dem Ziel der baldigen Holzentnahme angepflanzt werden, sogenannte Kurzumtriebsplantagen (KUP), sind kein Wald im Sinne des NWaldLG. Anlage und Betrieb dieser Wirtschaftsform entsprechen nicht den Kennzeichen einer ordnungsgemäßen Forstwirtschaft . Wirtschaftlichkeit: Sinnvoll für individuelle Gesamtkonzepte zur dezentralen Energieversorgung (KWK) bei ganzjähriger Wärmeabnahme. Die Deckungsbeiträge konventioneller Feldfrüchte werden i. d. R. nicht erreicht. Artenvielfalt: Die Bewertung ist abhängig vom Vergleichs-Ökosystem. KUP können von zahlreichen Insekten, Vögeln, Wildtieren und anderen als (Sekundär-)Lebensraum genutzt werden. Verglichen mit einjährigen Feldfrüchten oder Intensivgrünland stellen KUP insbesondere in ausgeräumten Agrarlandschaften eine Bereicherung des Lebensraummosaiks dar. Verglichen mit Wald oder Extensivgrünland schneiden KUP hinsichtlich der Artenvielfalt schlechter ab, werden aus rechtlichen Gründen dort aber auch nicht angelegt. Weitere ökologische Wirkungen: Erosionsschutz (Wind & Wasser), Gliederung des Landschaftsbildes , extensiver bzw. kein PSM- und Düngemitteleinsatz. Klimaschutz: Der Beitrag für den Klimaschutz ist nicht genau quantifizierbar und hängt ab von der zu erwartenden Ertragsleistung sowie der späteren Nutzung der Biomasse. Die Vorteile, die durch den relativ extensiven Anbau und durch die Nutzungsdauer von 20 bis 30 Jahren bestehen, stehen einem geringeren Flächenertrag gegenüber. Während der Nutzungsdauer kommt es zu Humusanreicherung im Boden durch ausbleibende Bodenbearbeitung und Eintrag von Laubstreu. 24. Was ist, mit Bezug auf die langfristige Wirksamkeit/Entwicklung für die Sicherung der Artenvielfalt und den Klimaschutz, beim Waldumbau, bei Neupflanzungen und Wiederaufforstungen zu berücksichtigen/erforderlich? Zur Sicherung der Artenvielfalt sind ein angemessener Anteil von Wäldern mit naturnaher Baumartenzusammensetzung und Struktur von zentraler Bedeutung. Für den Klimaschutz ist waldbaulich eine Optimierung von CO2-Speicherung und -Bindung erforderlich. Pauschale Aussagen zu den Themenfeldern Waldumbau, Neupflanzungen und Wiederaufforstungen können in diesem Rahmen nicht gemacht werden. Ein differenziertes Vorgehen nach den jeweiligen Eigentümerzielen, den Standortbedingungen, der wirtschaftlichen Bedeutung sowie den Maßgaben des Klima- und Naturschutzes ist erforderlich. 25. In welchem Zustand befinden sich die Wälder Niedersachsens, welcher Zustand wird angestrebt, und was ist für die Zielerreichung kurz-, mittel- und langfristig erforderlich? Die landesweiten Erhebungen zum Waldzustand in Niedersachsen durch die Abteilung Umweltkontrolle der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt dokumentieren für 2019 eine dramatische Verschlechterung der Vitalität vieler Baumarten. Insbesondere in Fichtenwäldern, aber auch bei der Rotbuche und weiteren Baumarten sind die Kronen so stark verlichtet wie seit Jahren nicht Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4697 7 mehr. Der Anteil der Fichten und Buchen mit starken Schäden ist auf das hohe Niveau der frühen 90er-Jahre gestiegen, und der Anteil abgestorbener Bäume ist auffällig hoch und Besorgnis erregend . Besonders schwere Schäden treten landesweit in Fichtenbeständen auf. Diese haben unter Sturm-, Dürre- und Borkenkäferschäden am meisten gelitten, sodass Kahlflächen in großem Umfang entstanden sind. Für das Jahr 2019 wird mit einem Schadholzanfall bei der Fichte in Höhe von über 3 Millionen m3 gerechnet. Angestrebt werden standortsgerechte, klimaangepasste, vitale und strukturreiche Mischwälder. Nur multifunktional bewirtschaftete Wälder können ihre Leistungen für Natur, Forstwirtschaft, Erholung und Klimaschutz nachhaltig und in vollem Umfang erbringen. 26. Bevorzugt die Landesregierung, bei der großen „Sympathie für das höchst erfolgreiche Schwedische Modell, für einen gefällten Baum drei neue anzupflanzen“ (PM Nr. 101/2019 des MU), forstliche Aufforstungsmaßnahmen oder die natürliche Standortsukzession (bitte mit Begründung)? Ob bei der Waldentwicklung aktiv eingegriffen wird oder ob auf bestimmten Flächen eine natürliche Waldentwicklung zum Tragen kommen soll, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. 27. Welche Erfahrungen hat die Landesregierung in Bezug auf Sukzession und natürliche Waldbildung? Im gesicherten Nachwuchs unserer Wälder überwiegen mit Abstand die Laubbaumarten. Die Naturverjüngung von geeigneten Baumarten kann eine hohe Bedeutung für Stabilität, Vielfalt, Lebensraumangebot sowie Wasser- und Nährstoffangebot haben. Auch Pionierbaumarten und Mischungen auf Zeit können von hohem Wert sein. Nicht standortgerechte Naturverjüngungen werden im Rahmen von Pflegemaßnahmen zugunsten eingebrachter Arten sukzessive zurückgedrängt. 28. Welchen Beitrag kann die natürliche Sukzession bei der Waldbildung in Niedersachsen leisten, und was wäre für die Anwendung/Akzeptanz gegebenenfalls erforderlich? Niedersachsen hat mit der Umsetzung der nationalen Biodiversitätsstrategie mit 10 % Prozessschutzflächen im Landeswald Bereiche geschaffen, wo sich Wald im Zuge der natürlichen Sukzession unbeeinflusst entwickeln kann. Im Rahmen der ordnungsgemäßen Forstwirtschaft mit dem Ziel der Entwicklung multifunktionaler Wälder auf großer Fläche nimmt die ungesteuerte Sukzession, im Vergleich zur waldbaulich übernommenen Naturverjüngung, eine untergeordnete Rolle ein. 29. Was verbirgt sich konkret hinter der „Holzoffensive“ für Niedersachsen (PM Nr. 101/2019 des MU)? Die Aussage in der PM Nr. 101/2019 bezieht sich auf ein Interview mit Herrn Dr. Klaus Merker, Präsident der NLF, u. a. abgedruckt in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 12.08.2019. Thematisiert werden die derzeit in Niedersachsen, aber auch weltweit geschädigten Wälder und Ideen zu deren Rettung. Im Zuge dessen spricht sich Herr Dr. Merker für eine weltweite Holzoffensive aus, damit mehr Wälder aufgeforstet werden. Vor dem Hintergrund, dass auch in niedersächsischen Wäldern v. a. nach Orkanereignissen und Dürrephasen in den letzten Jahren vielfältige Schäden zu verzeichnen sind, zielt die Aussage darauf ab, dass erforderliche Wiederaufforstungen und die nachhaltige Waldentwicklung in besonderem Maße auch durch Förderprogramme und weitere Finanzierungsinstrumente wie Klimafonds unterstützt werden sollten. Ferner müsse es zu einer verstärkten nachhaltigen Holznutzung z. B. beim Hausbau kommen, um CO2 der Atmosphäre zu entziehen und auf diesem Wege mittel- und langfristig zu binden. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4697 8 30. Wann ist mit der Veröffentlichung der Neuauflage/Nachfolge des Niedersächsischen Landschaftsprogramms zu rechnen? Die Veröffentlichung des Niedersächsischen Landschaftsprogramms ist für 2020 geplant. Für den Wald hat die Aktualisierung des Waldprogramms begonnen. (Verteilt am 02.10.2019) Drucksache 18/4697 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Horst Kortlang und Hermann Grupe (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wie groß ist die natürliche Arealgröße der Gemeinen Fichte (Picea abies) in Niedersachsen?