Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4925 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Dr. Stefan Birkner (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung Wie ist der Sachstand bezüglich der Verfügbarkeit von Polderflächen am Steinhuder Meer? Anfrage des Abgeordneten Dr. Stefan Birkner (FDP), eingegangen am 25.09. - Drs. 18/4658 an die Staatskanzlei übersandt am 26.09.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung vom 23.10.2019 Vorbemerkung des Abgeordneten „Amt sucht neue Polderflächen“ (NP, 17.02.2014), „Nachhaltige Sanierung gefordert“ (Schaumburger Nachrichten, 18.03.2017), „Wohin mit dem Schlamm aus dem Steinhuder Meer?“ (HAZ, 08.03.2019) lauten beispielhaft, wiederkehrend und pünktlich zum Saisonstart die Überschriften zum Steinhuder Meer. In den Beiträgen werden regelmäßig die drei Hauptprobleme Schlamm, mögliche Schlammbelastung und Verfügbarkeit von Polderflächen thematisiert. Eine umfassende, problemgerechte und befriedigende Lösung zeichnet sich, auch nach Jahren des Engagements der beteiligten Institutionen und Akteure, nicht ab. Die angekündigte regelmäßige Entnahme von jährlich durchschnittlich 40 000 m3 Schlamm (Drucksache 18/4151, Seite 7) ist hierbei im Verhältnis des vorhandenen Gesamtvolumens von 14 Millionen m3 Schlamm, dessen aktueller Auswirkungen auf das Gewässer und die Befahrbarkeit sowie der jährlichen Neubildungsrate in Höhe von 40 000 m3 Schlamm als Gesamtzusammenhang zu betrachten. Vorbemerkung der Landesregierung Das Steinhuder Meer hat eine hohe Bedeutung für den Natur- und Landschaftsschutz und ist durch verschiedene Schutzkategorien geschützt. Gleichzeitig erfüllt das Steinhuder Meer wichtige Funktionen als Naherholungsraum für die Region Hannover und als touristisches Ziel. Weiterhin hat das Steinhuder Meer für die Ausübung unterschiedlichster Wassersportaktivitäten und für die Berufsund Sportfischerei große Bedeutung. Mit einer Seefläche von 29,1 km2 bei einer mittleren Tiefe von 1,35 m ist es der größte Flachsee Deutschlands. Da das Steinhuder Meer ein verlandender Flachsee ist, ist der vorhandene Schlamm ein an sich natürlicher Bestandteil des Meeres. Wesentliches Problem am Steinhuder Meer ist die sogenannte Treibmudde, die nach Verschwinden der Unterwasservegetation vor Jahrzehnten seitdem zu erheblichen Problemen in den strömungsberuhigten Bereichen führt. Unter Treibmudde versteht man durch Wind und Wellen aufgewirbelten Schlamm, der durch Strömungen im See verdriftet wird. Es können je nach Wettersituationen mehr als 100 000 m3 Treibmudde im See mobilisiert werden. Durch die Verlangsamung der Strömung in Buchten, durch Steganlagen und dort liegende Boote kommt es zu einer verstärkten Sedimentation, die die touristische Nutzung erheblich einschränken kann. Die bisherigen Schlammentnahmen dienen dazu, die oben genannten Einschränkungen bei der touristischen Nutzung zu entschärfen. Ziel ist es außerdem, durch eine Reduzierung der Nährstoffeinträge die Entwicklungsziele der WRRL-Rahmen zu erreichen; die Unterhaltungsarbeiten durch Schlammentnahmen können dabei nur flankierend wirken. Das Steinhuder Meer gehört als EU-Vogelschutzgebiet V42 „Steinhuder Meer“ und mit dem FFH-Gebiet 94 „Steinhuder Meer mit Randbereichen“ zur Kulisse der Natura- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4925 2 2000-Gebiete. Vor diesem Hintergrund ist für die periodisch wiederkehrenden Teilentschlammungen 2016 eine FFH-Verträglichkeits-Vorprüfung durchgeführt worden, die auch weiterhin Bestand hat. 1. Wie lange suchen die beteiligten Institutionen bereits nach neuen Polderflächen? Die Entschlammung am Steinhuder Meer erfolgt seit ca. 1980. Bis 1997 wurde dabei mit dem gewonnenen Sediment sehr unterschiedlich verfahren. Neben einer Aufbringung auf landwirtschaftliche Flächen fanden Umlagerungen im See statt sowie Versuche der Volumenreduzierung durch Fällung und Flockung und anschließende externe Entsorgung. Seit 1997 wird das Material ausschließlich auf Spülfelder verbracht. Parallel zu den Entschlammungsmaßnahmen fand immer eine Suche nach geeigneten Polderflächen statt. Das begrenzende Kriterium ist dabei, dass Polderflächen ausschließlich im Wassereinzugsgebiet des Steinhuder Meeres errichtet werden können, um den rechtlichen Vorgaben Rechnung zu tragen. 2. Welche Ergebnisse hat die Suche nach neuen Polderflächen bisher erzielt? Das Ergebnis der Suche nach geeigneten Polderflächen spiegelt sich im inzwischen stillgelegten Spülfeld Mardorf und den zurzeit in Betrieb befindlichen Spülfeldern in Großenheidorn und Kolkdobben (Mardorf) wieder. In Steinhude, Mardorf, Rehburg, Hagenburg und Münchehagen wurden in den letzten Jahren landwirtschaftliche Nutzflächen in einer Größenordnung von ca. 25 ha für Tauschzwecke erworben. In Wunstorf hält das Land zudem Streubesitzflächen für dieses Ansinnen zurück. Bislang ist es trotz umfangreicher Verhandlungen nicht gelungen, lagerichtige Polderflächen zu vertretbaren Konditionen zu erwerben bzw. einzutauschen. Einerseits sind an die Lage diverse Voraussetzungen geknüpft (Lage im Wassereinzugsgebiet, naturschutzfachliche und -rechtliche Ausschlusskriterien usw.), andererseits fehlt die Bereitschaft vieler Grundstückseigentümer zur Flächenabgabe in einem zurzeit sehr angespannten Bodenmarkt. 3. Was ist für eine dauerhafte Lösung des Polderproblems erforderlich, und was bildet den „Flaschenhals“ zur Lösung des Problems? In der Vergangenheit konnten die notwendigen Polderflächen flankierend zu den Entschlammungsmaßnahmen unter Einbeziehung der notwendigen Rechtsverfahren zeitgerecht in Betrieb genommen werden. Wesentliches Problem vor der Erstellung von Polderflächen ist die Flächenverfügbarkeit . 4. Wie sehen die weiteren Schritte der beteiligten Institutionen zur Lösung des Polderproblems aus, und welche zeitliche Planung wird hierbei verfolgt? Die Bemühungen zum Erwerb lagerichtiger Flächen für die Erweiterung oder den Neubau von Poldern werden fortgeführt, denn im Rahmen der fortlaufenden Entschlammung sind die Polderkapazitäten der entscheidende Faktor. Wichtig war darüber hinaus, dass die beiden bestehenden Polder langfristig nutzbar sind. Der Polder in Mardorf ist von Anfang an unbefristet genehmigt worden, für den Polder in Großenheidorn wurde die Entfristung beantragt und in diesem Jahr genehmigt. Beide Polder zusammen haben eine Nettofläche von ca. 16 ha und ein Fassungsvermögen von ca. 330 000 m3. Damit ist die Entschlammung im gegenwärtigen Umfang mittelfristig gesichert (vgl. Drs. 18/4151, Antwort zu Frage 28). Für eine langfristige Sicherung der zurzeit durchgeführten Entschlammung sind geschätzt weitere 10 bis 15 ha Spülfelder notwendig. Voraussetzung für die Errichtung weiterer Spülfelder ist die Beschaffung der entsprechenden Bauflächen, die auch die fachlichen Voraussetzungen erfüllen. Dabei ist davon auszugehen, dass geeignete Bauflächen unter Berücksichtigung der zu beachtenden haushaltsrechtlichen Rahmenbedingungen bei Verfügbarkeit erworben werden. Da ausschließlich ein am Markt orientierter Flächenerwerb möglich ist, sind zeitliche Perspektiven hypothetisch. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4925 3 5. Welche unterschiedlichen Szenarien werden hierbei durch die beteiligten Institutionen betrachtet, und wie werden diese gewichtet? Die bisher am Steinhuder Meer praktizierte Entschlammung im Saug- und Spülverfahren und Deponierung auf einem Spülfeld ist die für das Gewässer schonendste und im Hinblick auf die Ablagerung wirtschaftlichste Variante. Sofern in Zukunft diese Vorgehensweise z. B. wegen nicht verfügbarer Spülfelder ausscheiden sollte, wären andere technische Optionen zu prüfen, die jedoch im Regelfall wesentlich kostenintensiver sein dürften. 6. Inwieweit spielt bei der Lösung der Schlamm- und Polderproblematik die Erfahrung von Anliegern, Nutzern und Sachverständigen eine Rolle? Die eigentlichen Entschlammungsmaßnahmen im Steinhuder Meer finden aufgrund von Hinweisen der Nutzer, eigenen Erfahrungen (NLWKN/Domänenverwaltung) und ergänzenden Vermessungen statt. Bei der Deponierung des Materials werden Hinweise aus der Region regelmäßig geprüft. Die Gesamtthematik ist jedoch relativ komplex, sodass ein rechtssicherer Umgang mit dem gewonnenen Material nur auf der Grundlage entsprechender Aussagen von Sachverständigen möglich ist. Grundsätzlich erfolgt eine offene und zielgerichtete Kommunikation mit den erfahrenen, ortskundigen Stegbetreibern und Wassersportlern und den beiden angrenzenden Kommunen sowie der Region Hannover. 7. Wie viel Schlamm kann vor dem Hintergrund der Erfahrungen der letzten Entschlammungsmaßnahmen und bei einem ungestörten Betriebsablauf pro Monat aus dem Steinhuder Meer entnommen werden? Die bisherigen Entschlammungsarbeiten erfolgen lediglich im Bereich strömungsberuhigter Zonen und haben eine Vielzahl von Einbauten (Stege, Heckpfähle usw.) zu berücksichtigen. Je nach Entschlammungsbereich sind dabei unterschiedliche Randbedingungen zu beachten, bevor der Saugund Spülbagger seine eigentliche Arbeit aufnimmt. Eine Abschätzung der möglichen Schlammmenge , die innerhalb einer bestimmten Zeit entnommen werden kann, ist daher in jedem Einzelfall aus technischer Sicht nur unter Berücksichtigung sämtlicher Randbedingungen möglich. Unabhängig davon sind außerhalb intensiv genutzter touristischer Bereiche die naturschutzfachlichen Vorgaben zu berücksichtigen. 8. Wie viel Schlamm könnte auf dieser Grundlage bei einem ungestörten Betriebsablauf theoretisch, d. h. ohne Berücksichtigung einschränkender Rahmenbedingungen, in zwölf Monaten aus dem Steinhuder Meer entnommen werden? Siehe Antwort zu Frage 7. 9. Welche Rahmenbedingungen beschränken die Entschlammung des Steinhuder Meers, und welche dieser Rahmenbedingungen haben appellativen und welche regulativen Charakter? Die Entschlammungsarbeiten am Steinhuder Meer erfolgen im Rahmen der Gewässerunterhaltung. Seitens des Tourismus und unter Berücksichtigung des Wassersports wird eine Entschlammung außerhalb der Saison angestrebt, um Störungen durch den Saugbagger und die entsprechende Infrastruktur möglichst zu vermeiden. Gleichzeitig wird auf der Grundlage der FFH-Verträglichkeitsvorprüfung eine Entschlammung im Zeitraum von Oktober bis in den März des Folgejahres favorisiert , um unnötige Störungen zu vermeiden. Die gewünschten Zeiträume fallen also grundsätzlich zusammen. Aufgrund der natürlichen Wasserstandsdynamik kann dies jedoch auch dazu führen , dass wegen mangelnder Wassertiefen eine Entschlammung nicht durchgeführt werden kann. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4925 4 10. Was steht einer ganzjährigen Entschlammung entgegen? Neben den naturschutzfachlichen Begrenzungen und den touristischen Wünschen benötigen die im Rahmen der Entschlammung beauftragten Spülfelder gewisse Konsolidierungsphasen, um ausreichend zu entwässern, damit sie wieder aufnahmefähig sind. 11. Wie oft ist die Entschlammung seit 2014 durchgeführt und unterbrochen worden, bzw. in welchen Kalenderwochen seit 2014 wurde die Entschlammung durchgeführt, und wann war sie unterbrochen? Der Bauabschnitt 2014 ist am 09.10.2014 beauftragt worden; die Schlussrechnung lag am 21.09.2015 vor. Der Bauabschnitt 2016 ist am 01.12.2016 beauftragt worden und am 06.07.2017 abgerechnet worden. Der Bauabschnitt 2018 am 26.09.2018 beauftragt und befindet sich gegenwärtig noch in der Ausführung. Die beauftragten Firmen erhalten auf der Grundlage von Vorpeilungen entsprechende Zielgebiete zur Entschlammung; die Abrechnung erfolgt dann auf der Grundlage von Nachpeilungen. Dabei wird ausschließlich ein Leistungspreis pro Kubikmeter entnommener Schlamm gewährt. Der dafür erforderliche Zeitaufwand wird im Regelfall nicht dokumentiert. 12. Welche Schlammmengen wurden seit 2014 aus dem Steinhuder Meer entnommen, und wie viele Arbeitstage waren hierfür notwendig? Seit 2014 wurden bis einschließlich 2019 (laufende Maßnahme) rund 230 000 m3 Schlamm entnommen ; hinzuzurechnen ist noch die Umlagerung von Sand in einer Größenordnung von rund 6 800 m3 und kleinflächige Sandentnahmen. Im Hinblick auf die dafür erforderlichen Arbeitstage siehe Antwort auf Frage 11. 13. Mit welchen Konsequenzen/Aufwendungen (z. B. Einrichten der Baustelle) sind Unterbrechungen der Schlammentnahme verbunden, und wie schlagen sich solche Arbeitsunterbrechungen als Kostenposition nieder? Die Entschlammungsarbeiten werden öffentlich ausgeschrieben. Im Vorfeld der Ausschreibung findet eine Kalkulation statt, die sämtliche bekannten Rahmenbedingungen betrachtet. Diese Sachverhalte werden entsprechend in den Ausschreibungsunterlagen abgebildet, sodass lediglich nicht vorhersehbare Unterbrechungen, die zulasten des Auftraggebers gehen, zu Mehrkosten führen. Hierfür werden in Ausschreibungen entsprechende Positionen für sogenannte Stillstandszeiten ausgewiesen. 14. Stellen Unterbrechungen der Entschlammung einen arbeitstechnischen Mehraufwand dar und, falls ja, wie beurteilt die Landesregierung diesen Mehraufwand, z. B. mit Bezug auf die Notwendigkeit/Vermeidbarkeit? Die Entschlammungsarbeiten im Steinhuder Meer sind, wie bei Frage 13 dargestellt, gewissen Rahmenbedingungen unterworfen. Entsprechend stellen Unterbrechungen der Entschlammung sowohl arbeitstechnische als auch kostenmäßige Mehraufwendungen dar. Soweit eine Vermeidbarkeit gegeben ist, wird dies in den Ausschreibungsunterlagen entsprechend dargestellt; unvorhergesehene Maßnahmen finden ihren Niederschlag in entsprechenden Stillstandszeiten. 15. Stellen Unterbrechungen der Entschlammung einen kostenmäßigen Mehraufwand dar und, falls ja, wie beurteilt die Landesregierung diesen Mehraufwand, z. B. mit Bezug auf die Notwendigkeit/Vermeidbarkeit? Siehe Antwort zu Frage 14. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4925 5 16. Welche Faktoren der Entschlammung, z. B. Länge der Pumpleitungen, sind kostentreibend , und welche davon lassen sich beeinflussen? Im Vorfeld der Entschlammungsarbeiten werden die geplanten Bereiche durch Vorpeilungen ermittelt . Die daraus resultierenden Rohrleitungslängen ergeben sich aus dem jeweils gewählten Polder. Angestrebt wird dabei, dass möglichst kurze Spülrohrleitungen erforderlich sind, da jegliche Förderlänge sich auf die Kosten auswirkt. 17. Wie würde die optimale Entschlammung/ein optimierter Betriebsablauf für die Entschlammung des Steinhuder Meers (Zeitfenster/Dauer, Leitungslänge, Polderverfügbarkeit etc.) aussehen? Eine optimale Entschlammung des Steinhuder Meeres setzte in technischer Hinsicht voraus, dass unter Berücksichtigung der zum Teil sehr unterschiedlichen Interessen und Rechtslagen ein langer zeitlicher Entschlammungskorridor festgelegt würde sowie ausreichend Polderkapazität zur Verfügung stünde. 18. Welche Schadstoffe sind im Schlamm des Steinhuder Meers nachgewiesen worden? Der Schlamm des Steinhuder Meeres wird aus unterschiedlichen Gründen im Hinblick auf verschiedene Stoffe untersucht. Auf der einen Seite gibt es Untersuchungen zur Beurteilung des Sees im Hinblick auf prioritäre Stoffe und auf der anderen Seite konkret aus Entschlammungsmaßnahmen abzuleitende Probenahmen, um Entscheidungen über Verwendung, Verwertung und Entsorgung des Materials zu treffen. Der Schlamm des Steinhuder Meeres ist wasserreich. Die oberste Schicht ist dünnflüssig mit ca. 95 % Wasser und als „Treibmudde“ ständig in Bewegung, was eine fast ganzjährige Trübung des Wasserkörpers zur Folge hat. Der darunterliegende Schlamm mit ca. 90 bis 93 % Wassergehalt wird nur bei größeren Windstärken mit entsprechenden Wellenhöhen aufgewirbelt. Die eher schlechte Entwässerung des Schlamms ist auf den hohen Anteil organischer Substanz zurückzuführen . Der hohe organische Anteil deutet allerdings nicht auf eine geringe Abbaurate hin, sondern ist eher dem geringen Anteil anorganischer Substanzen geschuldet. Eine Eigenart des Schlamms im Steinhuder Meer ist sein erhöhter Gehalt an Schwermetallen (z. B. Blei, Cadmium, Chrom, Zink), was wiederum seine Ursache im hohen organischen Anteil hat. Diese Schwermetallproblematik relativiert sich, wenn man sie in Beziehung zum Anteil organischer Verbindungen setzt. 19. Auf welcher Basis/Untersuchung (Datum, Menge der Proben, Art der Auswertung etc.) beruht die qualitative und quantitative Einschätzung der Schadstoffbelastungen des Schlamms des Steinhuder Meers? Grundlage einer Einschätzung der Schadstoffbelastung sind Schlammanalysen in den Jahren 2010 und 2011 aus beiden Poldern nach mehreren Beschlammungen. Die Proben sind von einem zertifizierten Unternehmen genommen und ausgewertet worden. Das Institut hat zunächst eine Probenahme des im Spülfeld abgelagerten Baggerguts durchgeführt. Dann erfolgte eine ergänzende Probenahme/Analytik aus dem inzwischen zu Mieten abgesetzten Material. Die Probennahmen erfolgten gemäß LAGA 2004/TR Boden, Deponieverordnung sowie auf verdachtsspezifische Parameter . Im Rahmen der Untersuchungen zeigt sich, dass eine wirtschaftliche Verwertung der Sedimente aufgrund der Überschreitungen der Vorsorgewerte nach BBodSchG nicht möglich sein würde . 20. Sind diese Untersuchungen repräsentativ für das gesamte Steinhuder Meer? Die Untersuchungen sind im Regelfall nach der Entnahme des Schlamms aus dem See und Lagerung im Polderbereich entnommen worden. Sie sind daher repräsentativ für die entsprechenden Entnahmebereiche. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4925 6 21. Welche Schadstoffe und welche Schadstoffmengen lagern demnach im Bereich der beiden Polder am Steinhuder Meer? Der Schlamm aus dem Steinhuder Meer wird mit dem Saugspülverfahren entnommen. Bereits das Material im Meer hat einen Feststoffgehalt von weniger als 10 %. Im Rahmen des Saugverfahrens erfolgt eine weitere Verdünnung um den Faktor 4-6, um die Pumpfähigkeit des Materials sicherzustellen . Die vorliegenden Analysewerte beziehen sich grundsätzlich auf die trockene Substanz des gewonnenen Materials. In Anbetracht der oben genannten Rahmenbedingungen ist eine Hochrechnung von Stoffgehalten in einem seriösen Umfang nicht möglich und für die weitere Behandlung des Materials auch wenig sachgerecht, da die eigentliche Verwertungsentsorgung sich aus den Mischproben des abgelagerten Materials ableitet. 22. Liegen diese Polder in einem Schutzgebiet und, falls ja, in welcher Schutzgebietskategorie findet diese Lagerung statt? Der Polder Kolkdobben liegt im Landschaftsschutzgebiet Steinhuder Meer. Der Polder Großenheidorn liegt im NSG/FFH-Gebiet des Steinhuder Meers. Die jeweiligen Flächen sind jedoch von den Regelungen der Schutzgebietsverordnungen ausgenommen. 23. Wie lauten die Untersuchungsergebnisse der Schadstoffuntersuchungen des Schlamms im Steinhuder Meer, und wie lauten die gesetzlichen Grenzwerte der jeweiligen Schadstoffe? Die entsprechenden Grenzwerte sind dem Bodenschutzrecht, dem BImSch-Recht bzw. dem Deponierecht zu entnehmen. Die Schlammanalysen zeigen, dass die Vorsorgewerte nach Bundesbodenschutzgesetz vorrangig bei den Schwermetallen Blei, Cadmium, Chrom und Zink, im Einzelfall Kupfer nicht eingehalten werden können. Nach LAGA 2004/TR Boden sind u. a. der TOC-Gehalt (Gesamter organischer Kohlenstoff), der niedrige pH-Wert des Materials und die o. g. Schwermetalle dafür verantwortlich, dass die Einstufung in die Zuordnungsklasse 2 (Z2) nicht einzuhalten ist. Bei der Einstufung nach Deponieverordnung zeigen die Analysen, dass der organische Teil vor allem erhöhte TOC-Gehalte und hohe Heizwerte aufweist, die zu einer Einstufung größer Deponieklasse (DK) 3 führen. Einige Schwermetalle liegen hierbei in DK 2, im Einzelfall in DK 1 oder DK 3. Prinzipiell schließt der hohe Organik-Anteil eine Deponierung aus. 24. Inwieweit haben die gemessenen Schadstoffe im Schlamm des Steinhuder Meers Auswirkungen auf den Umgang/die Verwendbarkeit und Verwertbarkeit des Schlamms? Die Analysedaten führen dazu, dass bis auf unbelastete Sandfraktionen (in den Einspülbereichen der Polder zu finden) kein Material ohne Vorbehandlung verwertbar ist. Spezialvorschriften im Deponierecht ermöglichen es, auch für nicht verwertbare organikreiche Sedimente , wie sie beim Ausbaggern des Steinhuder Meeres anfallen, Lösungen für deren Beseitigung zu finden. 25. Kann der getrocknete Schlamm aus dem Steinhuder Meer theoretisch, z. B. als Beimischung /Zuschlagsstoff für verschiedene Erdsubstrate, welche nicht im Erwerbsgartenbau Verwendung finden, verwendet werden (bitte mit Begründung)? Im Abfallrecht gilt fast ausnahmslos ein Verschneidungsverbot für belastete Abfälle. Berücksichtigt man die Grenzwerte für Schwermetalle in der Bioabfallverordnung, ist der Einbau des Baggergutes in erster Linie durch die zu hohen Gehalte an Cadmium und Chrom ausgeschlossen. Grundsätzlich sind bei einer Beimischung zu verschiedenen Erdsubstraten die Vorgaben des Bioabfallrechtes , des Bodenschutzrechtes und im Fall einer Nutzung als Düngemittel die Vorgaben des Düngerechtes einzuhalten. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4925 7 26. Welche Schadstoffgrenzwerte gelten für Zuschlagsstoffe bei der Herstellung von Kultursubstraten für die Verwendung auf nicht privaten Flächen, z. B. Straßenböschungen ? Wie in der Antwort zu Frage 25 dargestellt, würden sich Grenzwerte je nach konkreter Verwendung aus der Bioabfallverordnung und dem Bodenschutzrecht ergeben. 27. Welche Auswirkungen hat die Schadstoffbelastung des Schlamms im Steinhuder Meer auf die Nutzer (Badegäste an den Badestellen, Wassersportler, Sportfischer etc.), auf die fangbaren Speisefische und auf die Lebensräume am Steinhuder Meer und im Einzugsbereich des Abflusses des Steinhuder Meers? Die im Schlamm des Steinhuder Meers gemessenen Stoffe sind grundsätzlich in einer Vielzahl von Oberflächengewässern vorhanden. Wie auch dort, haben sie bisher nicht zu Beschränkungen geführt . Die Schwermetalle sind im sauerstoffarmen Schlamm wasserunlöslich festgelegt, haben also keine negativen Auswirkungen auf die Wasser- bzw. Badequalität. Die Badegewässereignung wird durch die zuständige Behörde (Region Hannover) überwacht. Nähere Informationen zu den sogenannten Badegewässerprofilen der zwei EU-Badestellen am Steinhuder Meer sowie alle Untersuchungsergebnisse der aktuellen und der vergangenen Badesaison werden für alle Badeinteressierten im Niedersächsischen Badegewässeratlas frei zugänglich auf der Internetseite des Niedersächsischen Landesgesundheitsamtes unter www.badegewaesseratlas.niedersachsen.de veröffentlicht. Die Badestellen „Weiße Düne Mardorf“ und „Badeinsel im Steinhuder Meer“ sind derzeit mit der bestmöglichen Qualitätseinstufung „ausgezeichnet“ der EU-Badewasserrichtlinie klassifiziert. Erkenntnisse über belastete Speisefische liegen nicht vor. 28. Welches Leitbild/welche Zielvorstellung verfolgt das Land/die Landesregierung als Eigentümer für sein Steinhuder Meer in Bezug auf Befahrbarkeit und Erlebbarkeit des Gewässers versus Verlandung und eingeschränkte Befahrbarkeit des Steinhuder Meers? Das Leitbild des Landes für das Steinhuder Meer hat sich grundsätzlich aus den gesetzlichen Rahmenbedingungen abzuleiten. Der ca. 30 km von Hannover gelegene Binnensee ist das Herzstück des Naturparks Steinhuder Meer und wegen seiner geschützten Naturbereiche und vielfältiger Erholungs- und Wassersportmöglichkeiten ein überregionales Ausflugsziel und ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für die Region Hannover um die Städte Wunstorf und Neustadt. Das Steinhuder Meer befindet sich in der Großlandschaft der Hannoverschen Moorgeest und ist mit den umliegenden Landflächen als bedeutendes Brut-, Überwinterungs- und Durchzugsgebiet für viele Wat- und Wasservogelarten bekannt und als Feuchtgebiet mit internationaler Bedeutung eingestuft. Es ist ein Vogelschutz- und FFH-Gebiet und umgeben von zahlreichen Naturschutz- und Landschaftsschutzgebieten . Tourismus, Wassersport und Natur erleben sorgen dafür, dass an Sommertagen teilweise mehr als 50 000 Tagesgäste das Steinhuder Meer besuchen. Das Land ist bestrebt, die Ziele von Erholung bzw. Tourismus/Wassersport, Naturschutz und Wasserwirtschaft in Einklang zu bringen . 29. Durch welche Zuflüsse wird das Steinhuder Meer gespeist? Dem Steinhuder Meer als Oberflächengewässer fließen der Bannseegraben (Norden), der Großenheidorngraben (Südosten) und der Winzlarer Grenzgraben (Südwesten) zu. Kleinere Zuflüsse erfolgen es aus dem Mardorfer Dorfgraben (Norden) und dem Toten Moor (Osten). Im Übrigen erfolgt eine Speisung aus dem Grundwasser. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4925 8 30. Wie groß ist das jeweilige Einzugsgebiet dieser Zuflüsse, und wie ist das jeweilige Einzugsgebiet nach Lebensräumen typisiert? Zufluss Einzugsgebiet Winzlarer Grenzgraben 1 279 ha Bannseegraben 1 231 ha Großenheidorngraben 1 304 ha Mardorfer Dorfgraben 550 ha Totes Moor 377 ha 31. Hat es im Vergleich zur Vergangenheit Veränderungen in Bezug auf die Zuflüsse zum Steinhuder Meer gegeben und, falls ja, wann und welche? Gemeint ist die Größe des Einzugsgebiets, Mengenzuflüsse, Grundwasserabsenkungen, Um- oder Ableitungen in andere Vorfluter etc. Die letzte umfangreiche Hydrologische Untersuchung am Steinhuder Meer ist vom Wasserwirtschaftsamt Hannover 1975 dargestellt worden. Durch eine Vielzahl von Maßnahmen aus unterschiedlichen Gründen im Umfeld des Meeres hat sich die Situation entsprechend verändert. 32. Gibt es unterhalb des Wasserkörpers des Steinhuder Meers Grundwasserquellen und, falls ja, wo, wie viele und mit welcher Grundwassergabe? Es ist bekannt, dass ein Grundwasserzustrom in das Steinhuder Meer existiert, eine genaue Verortung von Grundwasserquellen im See liegt bisher nicht vor. 33. Wie hat sich der Grundwasserspiegel am Steinhuder Meer in den letzten 15 Jahren verändert /dargestellt? Gegenwärtig beträgt der Wasserstand im Steinhuder Meer NN +37,61m (14.10.2019). Vor allem das Fehlen ausreichender Frühjahrsniederschläge und die frühzeitige ansteigende Verdunstung ließen den Wasserspiegel auch in diesem Jahr wieder stark abfallen. Bezogen auf die aktuelle Situation bedeutete dies, dass nach dem niederschlagsarmen Jahr 2018 und auch dem defizitären Jahr 2019 eine Verbesserung der Situation zu erwarten ist, wenn sehr niederschlagsreiche Jahre folgen. 34. Wie beurteilt die Landesregierung die Aussage, dass im Verlauf der sogenannten Deipen (Tiefenrinnen in Ost-West-Richtung mit einer historischen Tiefe von 3 bis 4 m bzw. bis 2,5 m) Grundwasserquellen sein sollen? Die genauen Positionen von Grundwasserquellen sind nicht bekannt. 35. Welche Auswirkungen hat die aktuelle Verschlammung auf den Grundwasserzufluss/ Quellaustritt im Bereich des Steinhuder Meers? Es ist davon auszugehen, dass der Schlamm im Steinhuder Meer keinen Einfluss auf den Grundwasserzustrom hat. 36. In welcher Relation stehen die unterschiedlichen Arten der Zu- und Abflüsse ins/vom Steinhuder Meer zueinander? Gemeint sind u. a. Zuflüsse von Oberflächengewässern, Niederschläge, Grundwasser, Verdunstung, Abfluss und Wasserentnahmen. Der Wasserhaushalt des Steinhuder Meers wird von vielen Faktoren beeinflusst. Neben dem direkten Niederschlag über der Seeflächen (unterdurchschnittlich im Raum Steinhuder Meer), dem Zu- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4925 9 strom durch Quellen und der Verdunstung sind dies der Zufluss über die in Frage 29 genannten Zuflüsse und der planfestgestellte Abfluss über den Meerbach. 37. Welche Veränderungen der Wassertiefen im Steinhuder Meer haben sich, bezogen auf einen Wasserstand von +37,78 m ü. NN, durch die aktuell durchgeführte Messung 2019 in Bezug auf die Messungen Oktober/November 1962 sowie Juni 1963 (Bezug Gewässerkarte von 1963, Maßstab 1:10 000) ergeben? Die aktuell durchgeführte Tiefenmessung hat die Gesamtschlammmenge vorheriger Untersuchungen weitestgehend bestätigt. Eine tiefergehende Betrachtung der Ergebnisse und Schlussfolgerungen sind noch nicht erfolgt (Zeithorizont Jahresende 2019). Die sogenannten Deipen sind auch bei der aktuellen Messung noch erkennbar, sind aber in Teilbereichen verschlammt. 38. Welche Vorstellungen hat das Land als Eigentümer des Steinhuder Meers bezüglich der kurz-, mittel- und langfristigen Entwicklung der Wassertiefen im Steinhuder Meer? Hinsichtlich des Wasserstandes ist die winterliche Erreichung des planfestgestellten Höchstwasserstandes von 38,05 m ü. NN wünschenswert, was dann auch in niederschlagsärmeren Jahren in der Regel für auskömmliche Wasserstände reichen dürfte. (Verteilt am 24.10.2019) Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Dr. Stefan Birkner (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung Wie ist der Sachstand bezüglich der Verfügbarkeit von Polderflächen am Steinhuder Meer?