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kleineAnfragen
Niedersächsischer Landtag
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Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung
gemäß § 46 Abs. 1 GO LT
mit Antwort der Landesregierung
Anfrage des Abgeordneten Harm Rykena (AfD)
Antwort des Niedersächsischen
Kultusministeriums
namens der Landesregierung
Dürfen Linksextremisten an niedersächsischen Schulen über Rechtsextremismus
„aufkl
ä-
ren
“?
Anfrage
des
Abgeordneten Harm Rykena (AfD), eingegangen am 13.09.2019 -
Drs. 18/4639
an die Staatskanzlei übersandt am
25.09.2019
Antwort des Niedersächsischen Kultusministeriums
namens der Landesregierung
vom 24.10.2019
Vorbemerkung
des
Abgeordneten
Am 21. Juni 2019 berichtete die Mediengruppe Kreiszeitung auf ihrer Internetseite über einen Vor-
trag von Andrea Röpke (Link
: https://www.kreiszeitung.de/lokales/diepholz/twistringen
-ort47316/ge
walt
-alltaeglich-aber
-kaum
-praesent
-12584626.html
).
Der AfD
-Landtagsfraktion wurde von einem Schüler eine Audio-Aufnahme des Vortrags von Frau
Andrea Röpke vom 20. Juni 2019 über die Informationsplattform www.neutrale-lehrer.de
zugesen-
det. Hierzu hat die Frak
tion eine Niederschrift angefertigt, die auf Anfrage eingesehen werden
kann.
Frau Röpke ist Mitglied des Vereins
„Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
- Bund der Ant
i-
faschistinnen und Antifaschisten“, die u.
a. in Bayern vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Die
Vereinigung ist Herausgeber des Magazins
Antifa
.
Aus dem niedersächsischen Verfassungsschutzbericht 2018 geht hervor, dass viele linksextremi
s-
tische Gruppen unter
„Antifaschismus
“ vor allem den Kampf gegen die AfD sehen.
„Wie in den Jahren z
uvor, konzentrierte sich die autonome Szene auch 2018 auf ihre ‚Antifaschi
s-
mus
-Arbeit‘, insbesondere auf die direkte Auseinandersetzung mit der AfD.
“ (S. 73)
Im bayerischen Verfassungsschutzbericht von 2018 (S.
235 bis 236) ist über die VVN
-BdA zu l
e-
sen:
„Der VVN
-BdA ist die bundesweit größte linksextremistisch beeinflusste Organisation im Bereich
des Antifaschismus. Sie arbeitet mit offen linksextremistischen Kräften zusammen. In der VVN
-BdA
wird nach wie vor ein kommunistisch orientierter Antifaschismus v
erfolgt. Diese Form des Antif
a-
schismus dient nicht nur dem Kampf gegen den Rechtsextremismus. Vielmehr werden alle nicht
marxistischen Systeme -
also auch die parlamentarische Demokratie -
als potenziell faschistisch,
zumindest aber als eine Vorstufe zum F
aschismus betrachtet, die es zu bekämpfen gilt.
Danach verweist der Bericht auf den 22. Parteitag der DKP, der die engen personellen Über-
schneidungen und eine Zusammenarbeit zwischen DKP und VVN
-BdA beweist.
„Auf dem 22. Parteitag der DKP bezeichnete der DKP
-Parteivorsitzende Patrik Köbele in seiner
Rede die VVN
-BdA als wichtigsten Bündnispartner der DKP. Es sei gut und richtig, dass viele G
e-
nossinnen und Genossen Mitglied der VVN
-BdA seien.
Aus der Darstellung des bayerischen Verfassungsschutzes geht ein
e enge personelle Überschnei-
dung und Zusammenarbeit des VVN
-BdA zu linksextremistischen Gruppierungen wie der DKP her-
vor, die auf Grundlage des Verfassungsschutzberichtes 2018 für das Bundesland Niedersachsen
nicht ausgeschlossen werden kann. Dort wird die
Deutsche Kommunistische Partei (DKP) als
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„Marxistisch
-Leninistische Organisation“
bezeichnet und dem Linksextremismus zugeordnet
(S.
68
ff.).
Weiterhin hat die Fraktion eine Kopie eines Informationsschreibens der Schulleitung erhalten, wel-
ches belegt, da
ss es sich um eine Pflichtveranstaltung der Jahrgänge 10 und 11 handelte.
In ihrem Vortrag führte Frau Röpke aus, dass sie im Auftrag eines öffentlich-rechtlichen Senders
eine Bürgerrechtsinitiative aus Schwanewede beobachtete. Wörtlich sagte sie:
„wir haben für Radio
Bremen, für Buten un‘ Binnen, einige der Gruppen beobachtet, z.
B. in Schwanewede“.
Sie äußerte sich auch unmittelbar zur Partei AfD auf folgende Art und Weise:
„... diese Eskalation auf der Straße, diese Wut auf die Geflüchteten
- tatsächlich
sind sehr viele
Menschen gekommen, es gibt Bürgerkrieg, es gibt Nöte, es gibt Menschen, die einfach besser l
e-
ben wollen -
wir müssen uns damit auseinandersetzen, wir brauchen nachhaltige politische Lösu
n-
gen, die aber human sein müssen. Wir brauchen keine bürgerlichen Scharfmacher, der Alternative
für Deutschland, der ist es gelungen, tatsächlich mit dieser Angstmacherei, mit dieser Panik, mit
dem aufkeimenden Hass davon zu profitieren, sich aber keiner Verantwortung zu stellen. Die AfD
hat für keine Ausschr
eitungen der Gewalt die Verantwortung übernommen.
Sie führt dann weiter aus, die AfD würde von Gewalt und Hass profitieren:
„Das heißt, sie profitiert. Sechs Millionen Menschen in Deutschland haben bei der letzten Bundes-
tagswahl die AfD gewählt. Und ich f
ürchte, es wird noch weiter gehen, gerade die Landtagswahlen
im Herbst stehen an, und in einigen Bundesländern hat die CDU schon Bereitschaft signalisiert, mit
der AfD zusammenzugehen
- dann werden wir erleben, wenn es der AfD wirklich gelingt
- das kann
man an ihrer eigenen Satzung, ihrem eigenen Programm analysieren, dann werden wir erleben,
dass die anfangen, im Schulbereich, im Bereich der Vielfalt, im Bereich der Frauenrechte usw. vor-
zunehmen, das kündigen die an, das ist kein Geheimnis, darauf müssen
wir eingestellt sein, was
uns dann erwartet. Ich war selbst im September letzten Jahres in Chemnitz
- Sie haben vielleicht
Bilder gesehen von den Ausschreitungen, Sie sehen auch hier, wie die aufgebracht sind, sie sehen
sich im Recht, sie meinen, jetzt ist
die Zeit da, sie können jetzt gewalttätig auf die Straße gehen,
dieses System bekämpfen, und diese Brut wird angeheizt von Menschen wie Andreas Kalbitz von
der AfD, Spitzenkandidat in Brandenburg, oder von Björn Höcke, Alexander Gauland, den Köpfen
der Af
D.“
In diesem für die Schüler des 10. und 12. Jahrgangs verpflichtenden Vortrag sagte Frau Röpke in
Bezug auf die Partei AfD:
„wir brauchen keine bürgerlichen Scharfmacher
“, warf ihr vor, Angst zu
verbreiten und von einem „aufkeimenden Hass
“ zu profitieren.
Später gab es eine Diskussion mit der Vortragenden, in welcher eine Lehrperson fragt, wie viele
rechtsgesinnte Lehrer es in Niedersachsen gebe und ob es hierzu Statistiken gebe. Ihre Antwort:
„Gibt es nicht, wir haben aber recherchiert
- im LK Diepholz und auch im LK Vechta sind bei der
AfD erstaunlich viele Pädagogen dabei, Studienräte sind keine Seltenheit.
Während der gesamten Veranstaltung gab es keine Initiative seitens des Gastgebers oder der Vor-
tragenden, die gestellten Thesen kontrovers zu diskut
ieren oder eine Ausgewogenheit der Darstel-
lung herzustellen.
Im Bereich der politischen Bildung sind Schulen über die Kerncurricula zur Einhaltung der Prinz
i-
pien des Beutelsbacher Konsenses verpflichtet. Diese sind das Überwältigungsverbot, das Kontr
o-
vers
itätsgebot und die Schülerorientierung.
Gemäß dem Überwältigungsverbot dürfen Lehrer oder Vortragende ihre Meinung den Schülern
nicht aufzwingen. Das Kontroversitätsgebot fordert eine ausgewogene Behandlung gegensätzlicher
Meinungen. Schließlich sollen gemäß dem Grundsatz der Schülerorientierung die Schüler in die
Lage versetzt werden, sich selbst eine Meinung zu bilden.
Der Fragesteller hatte am 09.07.2019 eine Beschwerde bei der Hildegard-von
-Bingen-Schule und
der Landesschulbehörde wegen eines Neutralit
ätsverstoßes eingereicht und erhielt jeweils am
19.07. von der Schulstiftung Osnabrück und am 12.08. eine Antwort von der Landesschulbehörde
(H1 R.20 -
82020 [01/19]).
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Der Vorstand der Schulstiftung Osnabrück negiert in seiner Antwort die Anwendbarkeit des Erla
s-
ses und die Verpflichtung zur Neutralität. Sie begründet dies mit der Rechtsstellung als Schule in
freier Trägerschaft und damit dass sie dementsprechend nicht an Erlasse oder Runderlasse aus
dem Kultusministerium gebunden sei, da diese nur für nach
geordnete Behörden gelte. Er schreibt:
„Bei dem Gymnasium handelt es sich um eine Schule in freier Trägerschaft, eine sogenannte E
r-
satzschule in kirchlicher Trägerschaft, die aus einer öffentlichen Schule hervorgegangen ist (vgl.
§§
154 ff. Nds. Schulgeset
z). Erlasse sind
- ebenso wie der von Ihnen angesprochene Runderlass -
eine Anweisung einer obersten Bundes
- oder Landesbehörde
- hier des Nds. Kultusministeriums -
an die nachgeordneten Behörden im jeweiligen Geschäftsbereich. Die Schulstiftung im Bistum
Osnabrück stellt als rechtsfähige kirchliche Stiftung des öffentlichen Rechts keine solche nachge-
ordnete Behörde dar.
Etwas weiter schreibt der Stiftungsvorstand:
„Bei der Schulstiftung im Bistum Osnabrück handelt es sich jedoch nicht um ein Staatsorgan,
son-
dern um eine kirchliche Einrichtung; sie unterliegt damit nicht der Neutralitätsverpflichtung staatl
i-
cher Organe.
Außerdem negiert der Stiftungsvorstand das Recht des Abgeordneten, die Schule im Rahmen des
Erlasses
„Besuche von Politikerinnen und Poli
tikern in Schulen“
(RdErl. d. MK vom 01.08.2012 -
35-81 704 (SVBl. 8/2012 S.
426), geändert durch RdErl. vom 01.08.2014 (SVBl. 9/2014 S. 458)
-
VORIS 22410 -) zu besuchen.
„Das von Ihnen unterstellte Schulbesuchsrecht ergibt sich ebenfalls nicht aus dem v
on Ihnen g
e-
nannten Erlass oder vergleichbaren Nachfolgeregelungen mangels Anwendbarkeit derselben (s.o.).
Es bleibt von hier aus nur der Hinweis auf das sich aus § 5 Abs. 1 Satz 3 des Stiftungsschulgeset-
zes normierte Hausrecht des Schulleiters
“.
Die Antwor
t der Landesschulbehörde bestätigte die Ausführungen des Vorstandes der Schulsti
f-
tung im Bistum Osnabrück.
Daraus ergeben sich folgende Fragen.
1.
Ist der Landesregierung bekannt, dass Frau Röpke Mitglied in der VVN
-BDA ist?
Die Landesregierung erteilt grundsätzlich keine Auskünfte zu Einzelpersonen.
Im Übrigen wird angemerkt, dass
der Fragesteller die erbetene
Information im dritten Absatz seiner
Vorbemerkung
zuvor
als Tatsache bekannt gemacht
hat
.
2.
Geht nach Ansicht der Landesregierung von der „
linksextremistisch beeinflussten O
r-
ganisation
“ VVN
-BDA eine Gefahr für die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutsc
h-
land aus?
Bei dem Verein „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes -
Bund der Antifaschistinnen und A
n-
tifaschisten“
(VVN
-BDA) handelt es sich nicht um ein Beobachtungsobjekt des
niedersächsischen
Verfassungsschutzes.
Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, die belegen, dass durch
die Aktivitäten des VVN
-BDA in Niedersachsen eine Gefährdung für die Rechtsordnung der Bun-
desrepublik Deutschland besteht.
3.
Sind nach Ansicht der Landesregierung Personen, die antifaschistischen Organisati
o-
nen oder Gruppen angehören, geeignet, Vorträge an Schulen zum Thema Extremismus
zu halten? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum ni
cht?
Aufgrund der in Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit sehr heterogenen Verwendungsweise der
Begriffe
„Antifaschismus
“ und
„antifaschistisch“
lässt sich
diese Frage nicht pauschal beantworten
.
Generell ist festzustellen, dass Antifaschismus, allgemein verstanden als Gegnerschaft gegen
Fa-
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schismus und Rechtsextremismus
, u. a. h
istorisch bedingt
ein
wesentliches
Element
unseres d
e-
mokratischen Grundverständnisses
ist
und damit auch ein wichtiges Thema an Schulen.
4.
Sieht die Landesregierung die
Neutralitätspflicht durch die Art und Weise des Vortr
a-
ges von Frau Röpke verletzt? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht?
Eine kritische
Auseinandersetzung
an Schulen
mit kontroversen Diskussionen in Politik und Gesel
l-
schaft ist
von der Landesregierung
ausd
rücklich erwünscht. D
azu gehört
selbstverständlich auch
die
kritisch
-reflektierte
Auseinandersetzung
mit Rechtsextremismus, jeder Form gruppenbezogener
Menschenfeindlichkeit oder Angriffen auf die demokratische Grundordnung. D
en eigenverantwortl
i-
chen Schul
en
steht es
generell
frei, aus ihrer Sicht geeignete Vortragende
auszusuchen und einz
u-
laden
, um diese Auseinandersetzung im Sinne eines kritischen Diskurses
anzuregen und
zu berei-
chern.
Mit Bezug auf die Vorbemerkung des
Fragestellers
ist im Übrigen
festzu
stellen, dass Frau Röpke
nach Kenntnis der Landesregierung nicht als Parteipolitikerin, sondern als Journalistin und Expertin
eingeladen wurde
und insofern die Neutralitätspflicht
, wie sie im Erlass
„Besuche von Politikerinnen
und Politikern in Schulen“
(RdErl. d. Kultusministeriums v. 01.08.2012 [
SVBl. S. 426
], geändert
durch RdErl. vom 01.08.2014
[SVBl. S. 458
], dargelegt ist, keine Anwendung findet
. Der genannte
Erlass
entfaltet
für Schulen in freier Trägerschaft keine rechtliche Bindung. Siehe hierzu
auch
die
Antworten zu den Fragen
12 und 13.
Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage
11 verwiesen.
5.
Sieht die Landesregierung es gegebenenfalls als erforderlich an, die Ausgewogenheit
der politischen Meinungsbildung am Hildegard
-von
-Bingen
-Gymnasium i
n Twistringen
wiederherzustellen? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht?
Vor dem Hintergrund der Antwort zu
Frage
4 sieht die Landesregierung hierzu keine Veranlassung.
6.
Wie bewertet die Landesregierung die Aussage von Frau Röpke, dass sie sie im Au
f-
tra
g von Radio Bremen, mit dem der NDR eine Kooperationsvereinbarung hat, Mitgli
e-
der einer Bürgerinitiative in Schwanewede ohne ihre Einwilligung
„beobachtet
“ und
„filmt
“?
Die Landesregierung hat keine eigenen Erkenntnisse darüber, ob die vom Fragesteller zitierte Au
s-
sage der Journalistin Andrea Röpke sachlich zutreffend ist. Unabhängig davon bewertet die La
n-
desregierung die redaktionelle Arbeitsweise öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten, auch mit
Rücksicht auf deren Staatsferne, grundsätzlich nicht. Di
e rechtlichen Rahmenbedingungen des ge-
schilderten Sachverhalts stellen sich wie folgt dar: Der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
ist in §
11 des Rundfunkstaatsvertrags (RStV) geregelt. Danach haben die öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten in
ihren Angeboten einen umfassenden Überblick über das internationale, eur
o-
päische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben
(§ 11 Abs.
1 Satz
2 RStV). Daneben sind gegebenenfalls
weitergehende landesrechtliche Vor-
sch
riften und die allgemeinen Gesetze zu beachten. Wie die Rundfunkanstalten ihren Auftrag erfül-
len, ist Bestandteil ihrer
Programmautonomie.
Diese schließt
insbesondere auch die journalistische
Recherche
mit ein
. Das Recht am eigenen Bild als Unterfall der i
nform
ationellen Selbstbestimmung
aus Art
ikel
2 Abs.
1 des
Grundgesetz
es (GG
) i. V. m. Art
ikel
1 Abs. 1
GG ist
bundesrechtlich
insb
e-
sondere
durch die §§
22, 23 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden
Künste und der Photographie und §
201
a des
Strafgesetzbuch
s geschützt. Es besteht eine au
s-
führliche Judikatur zur Zulässigkeit und Unzulässigkeit von Aufnahmen von Personen. Die Rund-
funkanstalten können sich bei der Ausübung ihres Auftrags zudem auf die Rundfunkfreiheit des A
r-
tikels
5 A
bs. 1 Satz 2 GG berufen.
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7.
Ist der Landesregierung bekannt, ob auch der NDR seine Mitarbeiter für die Beobac
h-
tung von Mitgliedern von Parteien, Bürgerinitiativen, Bewegungen usw. einsetzt bzw.
eingesetzt hat?
Die Landesregierung hat keinen Überblick
darüber, wie der NDR seine Mitarbeiterinnen und Mitar-
beiter einsetzt. Es ist ihr aber natürlich bekannt, dass der NDR über in der politischen Öffentlichkeit
stehende Personen berichtet und dabei entsprechende journalistische Recherchen und Beobac
h-
tungen seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wiedergibt. Dies entspricht dem gesetzlichen Auftrag
des NDR, der in §
5 des NDR-
Staatsvertrags (NDR
-StV) fixiert ist. Danach hat der NDR den Rund-
funkteilnehmerinnen
und Rundfunkteilnehmern einen objektiven und umfasse
nden Überblick über
das internationale, europäische, nationale und länderbezogene Geschehen in allen wesentlichen
Lebensbereichen zu geben (§
5 Abs.
1 Satz
1 NDR-StV). Diesem Auftrag kommt der NDR im
Rahmen seiner Programmautonomie eigenständig, auch durch
journalistische Recherche, nach.
8.
Sieht die Landesregierung die Vorgaben des Beutelspacher Konsenses im Vortrag von
Frau Röpke verletzt? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht?
Wie im Rahmen der Beantwortung der Frage 4 dargelegt, steht
es
den Schulen
im Rahmen ihrer
Eigenverantwortlichkeit frei, aus ihrer Sicht geeignete Vortragende zu verschiedenen die Schulen
interessierenden Themen auszusuchen und einzuladen. Die Prinzipien des Beutelsbacher Konse
n-
ses
- Überwältigungsverbot, Kontroversitätsgebot, Int
eressen-und
Subjektorientierung
- werden
gemeinhin als Gestaltungsprinzipien des Politikunterrichts bzw. des schulischen Unterrichts im Al
l-
gemeinen verstanden. Vorträge an Schulen von externen Referentinnen
und
Referenten sollen im
Unterricht unter Berücks
ichtigung der Grundsätze des Beutelsbacher Konsenses vor
- oder nachb
e-
reitet werden. Der Landesregierung liegen keine Kenntnisse vor, dass dem in diesem Fall nicht so
war.
9.
Sieht die Landesregierung es gegebenenfalls als erforderlich an, die Ausgewogenh
eit
der politischen Meinungsbildung am Hildegard
-von
-Bingen
-Gymnasium in Twistringen
wiederherzustellen? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht?
Frage 9 ist identisch mit Frage
5. Auf die dort gegebene Antwort wird verwiesen.
10.
Gelten die Kerncurricula f
ür die Schulen in privater Trägerschaft in gleicher Weise wie
für die öffentlichen Schulen?
Das Niedersächsische Schulgesetz (NSchG) unterscheidet bei den Schulen in freier Trägerschaft
zwischen Ersatzschulen und Ergänzungsschulen.
Nach §
142 Satz
2 NSchG
sind bei Ersatzschulen Abweichungen in den Lehr
- und Erziehungsm
e-
thoden
sowie im Lehrstoff
zulässig. Es wird eine Gleichwertigkeit der Lehrziele gefordert, eine stri
k-
te Bindung an Lehrpläne ist nicht geboten. Auch bei der Auswahl der Schulbücher sind die Ersat
z-
schule
n frei.
Da Ergänzungsschulen in ihren Lern-
und Erziehungszielen den
öffentlichen Schulen, die in Ni
e-
dersachsen vorhanden oder grundsätzlich vorgesehen sind, nicht entsprechen (vgl. §
158 Abs.
1
i. V. m. §
142 Satz
1 NSchG
), stellt sich bei diesen Schulen in freier Trägerschaft dies
e Frage
da-
gegen
nicht.
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11.
Ist die Auffassung der Schulstiftung im Bistum Osnabrück, es handle
„sich jedoch
nicht um ein Staatsorgan, sondern um eine kirchliche Einrichtung
“, sie unterläge dem-
nach
„nicht der Neutralitätsverpflichtung staatlicher Organe“
, zutreffend? Wenn nicht,
welche Konsequenzen ergeben sich für die Anwendung des Neutralitätsgebots in
Sch
ulen in privater Trägerschaft? Wenn ja, bedeutet dies, dass Schulen in privater Tr
ä-
gerschaft parteipolitisch unausgewogen unterrichten dürfen?
Mit
dem in der Vorbemerkung des Fragestellers erwähnten
Schreiben vom 19.07.2019
hat
die
Schulstiftung im Bistum Osnabrück dem Fragesteller Folgendes mit
geteilt
: „Bei der Schulstiftung im
Bistum Osnabrüc
k handelt es sich jedoch nicht um ein Staatsorgan, sondern um eine kirchliche
Einrichtung; sie unterliegt damit nicht der Neutralitätsverpflichtung staatlicher Organe.
Die Schulstiftung im Bistum Osnabrück ist eine rechtsfähige kirchliche Stiftung. Die A
ufsicht über
diese Stiftung
obliegt nicht dem Staat, sondern der nach Kirchenrecht zuständigen Kirchenbehörde.
Die von der Schulstiftung vertretene Auffassung wird insoweit
geteilt.
Die aus dieser Feststellung zum Status der Schuls
tiftung
im Bistum Osnabrück vom Fragesteller
her
geleiteten
zusätzlichen F
ragen
(„ Wenn nicht, ...
?“ bzw.
„Wenn ja, ...
?“) stehen
in keinem
kaus
a-
len Z
usammenhang
zu der
Ausgangsf
rage, weil sie sich auf die G
esamtheit der
Schulen in freier
Trägerschaft beziehen
und
nicht
lediglich
auf Schulen in Trägerschaft der Schulstiftung
im Bistum
Osnabrück
.
Dies vorausgeschickt, ist zu den Fragen Folgendes mitzuteilen:
Artikel
7 Abs.
4 GG sowie Artikel
4
Abs.
3 der
Niedersächsische
n Verfassung (
NV
) gewährleisten
ausdrücklich
das
Recht auf Erric
h-
tung von Schulen in freier Trägersc
haft. Zu d
ies
em Autonomierecht gehört auch das Recht zu be-
stimmen,
„wie
“ die Schule betrieben wird, sprich
mit welchen Bildungszielen und mit welchen Bi
l-
dungsinhalten. Dieses Recht gilt
allerdings
nicht un
beschränkt, es unterliegt z.
B. Grundrecht
s-
schranken
aus Artikel
2 GG und
weiteren
gesetzlichen Beschränkungen. So findet etwa
über
§ 141
Abs.
1 Satz
1 NSchG
der in §
2 NSchG niedergelegte Bildungsauftrag der Schule auch für Ersat
z-
schulen entsprechend Anwendung.
Schulen haben danach die Wertvorstellungen zu vermitteln, die
dem GG und der NV entsprechen. Neben der reinen Kenntnis
- und Wissensvermittlung soll
en
den
Schülerinnen und Schülern
auch
das Verständnis für die freiheitliche demokratische Grundordnung
der Bundesrepublik
Deutschland, Achtung, Toleranz und Respekt vor anderen Kulturen sowie eine
grundlegende Verantwortung gegenüber der Gesellschaft vermittelt werden.
Dass die staatliche Neutralitätspflicht für Schulen in freier Trägerschaft nicht gilt, b
edeutet nicht
per
se, dass es für sie
keine Loyalität gegenüber der
verfassungsrechtlichen Ordnung geben muss.
Auch
Schulen
in freier Trägerschaft
sind dazu verpflichtet, für die freiheitlich-
demokratische Grund-
ordnung und damit die Werte des
GG
und der
NV
einzutreten
(vgl. §
145 Abs.
1 Nr.
2 Buchst.
b
NSchG)
. Zudem haben sie ebenfalls
die Aufgabe, Schülerinnen und Schüler im Geiste der Dem
o-
kratie, Menschenwürde und Gleichberechtigung zu erziehen. Die dafür notwendige Überparteilic
h-
keit ist nicht mit Wert
neutralität zu verwechseln.
Schulen in freier Trägerschaft
dürfen darüber hinaus, genau wie öffentliche Schulen, nicht
„partei-
politisch unausgewogen unterrichten“, auch für sie gilt das Sachlichkeitsgebot.
12.
Ist die Auffassung der Schulstiftung im Bis
tum Osnabrück, dass das Recht der Abg
e-
ordneten, die Schule im Rahmen des Erlasses „
Besuche von Politikerinnen und Polit
i-
kern in Schulen
“ (RdErl. d. MK v. 01.08.2012 -
35-81 704 (SVBl. 8/2012 S.
426), geändert
durch RdErl. vom 01.08.2014 (SVBl. 9/2014 S. 458)
- VORIS 22410
-) zu besuchen, nicht
gelte, zutreffend?
Ein Erlass ist eine Verwaltungsvorschrift, durch die eine übergeordnete Behörde einer oder mehr
e-
ren nachgeordneten Behörden oder Dienststellen
(staatliche
n Stellen
) allgemeine Anweisungen er-
teilt.
Der in Rede stehende Runde
rlass richtet sich an die Niedersächsische Landesschulbehörde und
an die öffentlichen Schulen
in
Niedersachsen.
Letztere sind nach §
1 Abs.
3 Satz
2 NSchG
nicht-
rechtsfähige Anstalten ihres kommunalen Trägers und des Landes. Der
Erlass
entfaltet für Schulen
in freier Trägerschaft keine Wirkung. Dementsprechend
teilt
die
Landesregierung die
Auffassung
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der Schulstiftung im Bistum Osnabrück, dass das Recht
des Fragestellers
, die Ersatzschule
im
Rahmen des Erlasses zu besuchen, nicht
gelte.
13.
Wenn ja, mit welcher Begründung wird das Besuchsrecht von frei gewählten Vertretern
des Volkes gerade an Schulen in privater Trägerschaft negiert? Wenn ja, sieht die Lan-
desregierung hier eine Handlungsnotwendigkeit, um dieses Demokratiedefizit
abz
u-
bauen?
Die Antwort
auf Frage
12 stellt die
vom Fragesteller
erfragte Rechtslage dar. Weder diese Antwort
noch die vom Fragesteller zitierte Antwort aus dem Schreiben des Vorstands der Schulstiftung im
Bistum Osnabrück
vom 19.07.2019
„negieren“
ein Bes
uchsrecht von frei gewählten Vertretern des
Volkes an Schulen in
freier
Trägerschaft. Beide Antworten stellen
vielmehr
klar, dass die hinterfrag-
te erlassliche Regelung für die Träger von Schulen in freier Trägerschaft keine rechtliche
Bindung
entfaltet. Es
bleibt Politikerinnen und Politikern unbenommen, beim Träger oder der Leitung einer
Schule in freier Trägerschaft einen Schulbesuch zu erbitten
. Diese haben das aus den Artikeln
13
und 14 GG abgeleitete Recht, frei darüber zu entscheiden, wer Zutritt zu i
hrer Einrichtung erhält.
Eine Handlungsnotwendigkeit, wie vom Fragesteller erfragt
, sieht die Landesregierung nicht
.
(
Verteilt
am
2
5.10.2019
)