Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/494 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Detlev Schulz-Hendel (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung namens der Landesregierung Extradieselförderung: Will die Landesregierung so gegen Fahrverbote in den Städten vorsorgen ? Anfrage des Abgeordneten Detlev Schulz-Hendel (GRÜNE), eingegangen am 02.02.2018 - Drs. 18/279 an die Staatskanzlei übersandt am 13.02.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung namens der Landesregierung vom 14.03.2018, gezeichnet Dr. Bernd Althusmann Vorbemerkung des Abgeordneten Laut aktuellen Medienberichten wollen einige Bundesländer den Absatz von Dieselfahrzeugen der Euro-6-d-Norm in Deutschland mit Steuergeld fördern. Laut BR-Recherche hat das Wirtschaftsministerium in Niedersachen dazu ein entsprechendes Konzept erarbeitet. Bayern soll das Konzept unterstützen, das eine Förderprämie in Höhe von 2 000 Euro für den Umstieg von einem älteren Dieselfahrzeug auf ein Fahrzeug der Euro-6-d-Norm vorsieht. Zahlen sollen die Prämie je zur Hälfte der Bund und die Autohersteller. Die zur Hälfte aus Steuergeld finanzierte Prämie soll aus Sicht der rot-schwarzen Landesregierung „ein Anreiz für die Automobilhersteller sein, zügiger als bisher entsprechende Fahrzeuge auf den Markt zu bringen“. Vorbemerkung der Landesregierung Am 02.08.2017 hat das Nationale Forum Diesel unter Mitwirkung von Herrn MP Weil umfangreiche Verabredungen mit der deutschen Automobilindustrie getroffen, um möglichst schnell und wirksam zu Schadstoffreduzierungen zu gelangen. Die Politik hat eine Schadstoffminderung durch Software- Updates um 20 % als ersten wirksamen Schritt gewürdigt. Um eine weitere, zügige Entlastung besonders betroffener städtischer Bereiche zu erreichen, soll der derzeitige Fahrzeugbestand schnell mit am Markt befindlichen schadstoffärmeren Fahrzeugen modernisiert werden. Die Original Engine Manufacturer (OEM) haben dazu mittlerweile umfangreiche Austauschprogramme gestartet. Daneben bestehen die Verkaufsanreize für die Anschaffung von elektrischen und teilelektrischen Fahrzeugen weiter. Diese Diesel-Absatzprämien der OEM allein führen bei aller Würdigung noch nicht zu der erforderlichen Abgasreduktion, da auch Fahrzeuge begünstigt werden, die nicht den neuesten Normen oder dem neuesten Stand der Technik entsprechen. In vier Expertenrunden (Runde I: Emissionsreduzierung in den im Verkehr befindlichen Fahrzeugen , Runde II: Verkehrslenkung, Digitalisierung und Vernetzung, Runde III: Umstieg öffentlicher Fahrzeugflotten auf emissionsarme Mobilität, Runde IV: Optimierung von Antriebstechnologien und alternative Kraftstoffe) hat sich das Nationale Forum Diesel deshalb u. a. mit Machbarkeit und Fördermodellen für die Hardware-Umrüstung von älteren Fahrzeugen (Pkw, Busse) sowie mit der Förderung der Neuanschaffung abgasarmer Fahrzeuge beschäftigt. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/494 2 Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung (MW) hat in diesem Rahmen den Auftrag angenommen, ein Fördermodell für die Anschaffung u. a. abgasarmer Diesel neuesten Standards zu entwickeln. Es will ein klares Signal setzen: Es kann nicht Ziel des Nationalen Forums Diesel sein, moderne Dieseltechnologie per se aus den Innenstädten zu verbannen. Die Dieselantriebe neuester Bauart sind normgerecht und sind in ihren CO2-Werten günstiger als Benziner, also weniger klimaschädlich. Wir gehen davon aus, dass die hervorragende Dieseltechnologie deutscher Bauart noch sehr lange die individuelle Mobilität in Deutschland prägen wird. Das MW zieht es für eine zügige Lösung vor, die Neuanschaffung statt der Hardware-Nachrüstung zu empfehlen. Die Machbarkeit der Nachrüstung ist umstritten. Viele Rechtsfragen sind noch zu klären. Zudem lehnt die Landesregierung eine Diskriminierung älterer Fahrzeuge durch eine sogenannte Blaue Plakette ab. In Abstimmung auf Fachebene mit dem Bayerischen Wirtschaftsministerium, dem Baden-Württembergischen Wirtschaftsministerium und der Senatsbehörde für Wirtschaft Bremen wurde bei der Entwicklung des Konzepts darauf geachtet, dass die Förderhöhe mit 2 000 Euro unter der bestehenden Förderung von voll- oder teilelektrischen Fahrzeugen (4 000 bzw. 3 000) Euro liegt. Kein Abgas ist besser als wenig Abgas. Dies soll ein Anreiz für die Automobilhersteller sein, zügiger als bisher entsprechende Fahrzeuge auf den Markt zu bringen. Die Prämie soll zu je 50 % aus dem Bundeshaushalt und von den Herstellern finanziert werden. 1. Wann wird die Landesregierung die Mitglieder des Landtages über das Konzept des Wirtschaftsministeriums in vollem Umfang informieren, das dem bayrischen Rundfunk bereits vorliegt? Die Landesregierung hat den Bayerischen Rundfunk von dem Konzept nicht in Kenntnis gesetzt. Sobald die Expertenrunde I den Abschlussbericht verabschiedet haben wird, wofür noch kein Termin besteht, wird die Landesregierung den Landtag unterrichten. 2. In welcher Höhe werden laut dem Konzept Mittel aus dem Bundeshaushalt in welchen Jahren für die Dieselfahrzeugprämie insgesamt zur Verfügung gestellt? Das Konzept nennt keinen Betrag. Die Expertenrunden haben für ihre haushaltswirksamen Empfehlungen auf die Nennung von Beträgen verzichtet. Als Jahre kommen nur 2018 und 2019 in Betracht , da ab 2020 die Norm Euro 6d verpflichtend wird. 3. Wie viele Fahrzeughalter werden laut Prognosen der Landesregierung die Dieselfahrzeugprämie in Höhe von je 2 000 Euro nutzen und auf ein Dieselfahrzeug der Euro-6-d- Norm umsteigen: a) in den Jahren 2018, 2019 und 2020, b) bundesweit und c) in Niedersachsen ? Die Landesregierung hat keine Prognosen vorgenommen. Es liegt an der Industrie, in 2018 und 2019 ein Angebot an förderwürdigen Fahrzeugen zu schaffen, welches Grundlage für eine Prognose sein könnte. Ab 2020 würde es keine Prämie für Euro 6d mehr geben. 4. Wie schätzt die Landesregierung das notwendige Aufkommen an Steuergeldern für die vom niedersächsischen Verkehrsministerium geplante Dieselfahrzeugprämie niedersachsenweit für die Jahre 2019 bis 2021 ein? Die Prämie soll in Höhe von 1 000 Euro pro Zulassung aus den Bundeshaushalten 2018 und 2019 bestritten werden, für eine noch nicht bekannte Zahl von möglichen Zulassungen. Die Schätzung eines dafür erforderlichen spezifischen Steueraufkommens aus Niedersachsen ist nicht möglich. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/494 3 5. Ab wann soll nach Vorstellung des Wirtschaftsministeriums die Prämie für den Umstieg auf Automobile der Euro-6-d-Norm gezahlt werden? Da es sich um Bundesmittel handelt, kann die Landesregierung hierzu keine Aussage treffen. 6. Mit welcher Zielsetzung will Niedersachsen Steuergelder für den Kauf neuer Dieselfahrzeuge einsetzen? Die Senkung der NOx-Belastung in den Innenstädten und zugleich die Vermeidung der aus Sicht der Landesregierung diskriminierenden sogenannten Blauen Plakette. 7. Welche Auswirkungen wird aus Sicht der Landesregierung die Förderung von Dieselfahrzeugen der Euro-6-d-Norm auf die Emissionen in den niedersächsischen Städten haben, in denen Stickoxidgrenzwerte überschritten werden und in denen bald Fahrverbote drohen? Die NOx-Realemissionen von Dieselfahrzeuge der Euro-6-d-Norm werden geringer sein als die der Vorgängermodelle. Sofern diese geförderten Fahrzeuge in den von NO2-Grenzwertüberschreitungen betroffenen niedersächsischen Städten verkehren und dabei ältere Diesel ersetzen, werden die verkehrsbedingten dortigen NOx-Emissionen zurückgehen. In Folge daraus wird auch die NO2-Belastung gesenkt. 8. Welche kurz- und langfristigen weiteren Maßnahmen zur Luftreinhaltung in den Städten enthält das Konzept des Wirtschaftsministeriums, das BR-Recherche vorliegt? Keine. Die Expertenrunde I hat das MW nur beauftragt, die Förderung der Anschaffung abgasarmer Diesel-Pkw zu konzipieren. 9. Welche weiteren Maßnahmen zur Luftreinhaltung in den niedersächsischen Städten plant die Landesregierung, wann will sie diese bekannt geben und umsetzen? Die Zuständigkeit für die Luftreinhalteplanung liegt bei den Kommunen. Die Städte, in denen der NO2-Grenzwert von 40 µg/m³ noch in 2017 überschritten wurde (Hannover, Hildesheim, Oldenburg und Osnabrück), sind gefordert, ihre bestehenden Luftreinhaltepläne um die durch die kommunalen Masterpläne aus dem Fonds „Nachhaltige Mobilität für die Stadt“ geförderten NO2-Minderungsmaßnahmen des „Sofortprogramms Saubere Luft“ für eine bessere Luftqualität nachzubessern und gegebenenfalls weitere Minderungsmaßnahmen zu erarbeiten. Erst wenn dieser Prozess abgeschlossen ist, ist eine Analyse weiter erforderlicher Maßnahmen möglich. 10. Wie bewertet die Landesregierung die Position des Bundeslandes Rheinland-Pfalz, wonach die Dieselprämie für Euro-6-d-Pkw nicht zielführend sei, weil es derzeit kaum Modelle dieser Art zu kaufen gebe? Die Landesregierung bewertet keine Positionen anderer Landesregierungen. Sie teilt ausdrücklich das Bedauern darüber, dass es „kaum Modelle dieser Art zu kaufen gibt“. Die Prämie soll deshalb die Nachfrage für Fahrzeuge, die die schärferen Abgasnormen der Zukunft erfüllen, steigern und damit die Produktion anreizen. 11. Welche Dieselfahrzeugmodelle von Volkswagen erfüllen nach Kenntnis der Landesregierung heute die Euro-6-d-Norm? Nach Auskunft der Volkswagen AG noch keine. Das Förderkonzept soll das ändern. Die Volkswagen AG verweist darauf, dass seit dem 1. September 2017 eine Typzulassung für neue Pkw-Modelle bzw. neue Motor-/Getriebe-Varianten in Europa nur noch nach dem neuen Fahrzyklus „WLTP“ Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/494 4 (Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure) erfolgen könne. Ab dem 1. September 2018 müssten dann alle Fahrzeuge bei Erstzulassung nach WLTP zertifiziert sein. Mit diesem Fahrzyklus würden sowohl die CO2-Emissionen und Verbräuche als auch die Abgasemissionen eines Fahrzeugs ermittelt. Zeitgleich mit WLTP setzte die neue Abgasnorm Euro-6d-temp (Anm. der Landesregierung: Vorläufer von 6d) ein. Die WLTP-Gesetzgebung dazu trat Ende Juli 2017 in Kraft, d. h. erst dann waren behördliche Typgenehmigungen möglich. Darauf aufbauend hat die Volkswagen AG nach eigenen Angaben einen markenübergreifend koordinierten Zeitplan für die Umstellung aller Fahrzeugmodelle festgelegt. Das erste Modell des Volkswagen Konzerns war der VW up! GTI. Erstes Dieselmodell ist der Audi A7 3.0 TDI. 12. Wie bewertet die Landesregierung die Kritik der Verbraucherzentrale Bundesverband, dass „ziemlich bizarr“ sei, jedes neue Auto mit einer Prämie zulasten der allgemeinen Steuerzahler anzureizen, statt die Hersteller als Verursacher des Dieselskandals für die Umrüstung älterer Dieselfahrzeuge bezahlen zu lassen? Die Landesregierung verweist zur Begründung des Anreizsystems auf die Vorbemerkung sowie auf die Beantwortung der vorangegangenen Fragen. (Verteilt am 15.03.2018) Drucksache 18/494 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Detlev Schulz-Hendel (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung Extradieselförderung: Will die Landesregierung so gegen Fahrverbote in den Städten vor-sorgen?