Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4951 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Jens Ahrends (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Gefahren durch Salafisten und islamistische Rückkehrer in Niedersachsen Anfrage des Abgeordneten Jens Ahrends (AfD), eingegangen am 25.09.2019 - Drs. 18/4687 an die Staatskanzlei übersandt am 02.10.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 25.10.2019 Vorbemerkung des Abgeordneten In einem Interview mit der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 13. September 2019 erklärt der Präsident des niedersächsischen Verfassungsschutzes, Bernhard Witthaut, dass die Bundesrepublik Deutschland weiterhin im Fokus islamistischer Terroristen stehe und jederzeit auch in Niedersachsen mit einem Anschlag zu rechnen sei. Nach dem Verbot des „Deutsch-Islamischen-Kulturvereins“ in Hildesheim (DIK Hildesheim) gebe es weiterhin ein salafistisches Personenpotenzial. Personen aus dem Umfeld des DIK Hildesheim suchten jetzt andere Objekte in Niedersachsen auf. Weiterhin seien 39 Islamisten und 18 Minderjährige mit ihren Eltern oder einem Elternteil aus Syrien nach Niedersachsen zurückgekehrt. Es werde in jedem Einzelfall ein „individuelles Maßnahmenkonzept repressiver und präventiver Art erarbeitet“. 1. Welche sind die Vereinigungen, die Personen aus dem Umfeld der DIK Hildesheim nunmehr aufsuchen? Bitte auflisten nach Namen der Vereinigung unter Angabe ihres Sitzes und der Anzahl der jeweils aufgenommenen Personen aus dem DIK-Umfeld. Nach dem Verbot des ehemaligen „Deutschsprachigen Islamkreises Hildesheim e. V.“ sind Wanderungsbewegungen von Einzelpersonen aus dem ehemaligen DIK-Umfeld, die jetzt andere Objekte in Niedersachsen aufsuchen, festzustellen. Die Frage, welche konkreten Vereinigungen von Einzelpersonen aus dem Umfeld des ehemaligen „Deutschsprachigen Islamkreis Hildesheim e. V.“ nunmehr frequentiert werden, kann im Rahmen dieser Anfrage nicht beantwortet werden. Gemäß Artikel 24 Abs. 3 der Niedersächsischen Verfassung braucht die Landesregierung einem Auskunftsverlangen von Mitgliedern des Landtags nicht zu entsprechen, wenn durch das Bekanntwerden von Tatsachen dem Wohl des Landes oder des Bundes Nachteile zugefügt werden. Eine entsprechende Beantwortung könnte zu einer Offenlegung der Arbeitsweise und Zielsetzung der Sicherheitsbehörden sowie einer weiteren Sensibilisierung der Szene führen. Die weiterhin notwendige Gewinnung von Informationen über das salafistische Personenpotenzial in Hildesheim könnte so gefährdet oder zumindest wesentlich erschwert werden. Weiterführende Aussagen zu Erkenntnissen im Hinblick auf die Moscheebesuche von Einzelpersonen der Hildesheimer salafistischen Szene können lediglich in vertraulicher Sitzung des zuständigen Ausschusses des Niedersächsischen Landtages erfolgen. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4951 2 2. Welche der Vereinigungen sind Beobachtungsobjekte des niedersächsischen Verfassungsschutzes ? Siehe Beantwortung der Frage 1. 3. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um Gefahren durch islamistische Rückkehrer aus Kriegsgebieten zu minimieren? Bitte auflisten nach Art und Anzahl der bislang ergriffenen Maßnahmen. Die Art und der Umfang von Maßnahmen der niedersächsischen Sicherheitsbehörden gegen Rückkehrer aus den Jihadgebieten orientiert sich an einer differenzierten Einzelfallbetrachtung und richtet sich nach geltendem Recht. Im Zuge der Interventionsplanung werden mitunter verschiedenste präventive und repressive Maßnahmen in umfassender Hinsicht geprüft, sodass an dessen Ende ein individuelles Maßnahmenkonzept staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen steht. Entscheidend für die Bewertung der von einem Rückkehrer ausgehenden Gefahr ist der Charakter seines Aufenthalts in Syrien und das Verhalten nach seiner Rückkehr in Deutschland. Im Umgang mit Rückkehrern aus Syrien/Irak ist die Kompetenzstelle Islamismusprävention (KIP NI) ein maßgeblicher Akteur auf Landesebene. Die KIP NI tritt dann auf den Plan, wenn es konkret um Prävention und Deradikalisierung geht. Dabei hat die KIP NI in erster Linie eine Koordinierungsrolle . Zielrichtung ist es, die Personen gesellschaftlich zu integrieren und das Wiedereintauchen in die extremistische Szene zu verhindern. Hierbei sind Fallkonferenzen das elementare Instrument der KIP NI unter Federführung des LKA NI. Gerade wenn es um minderjährige Rückkehrer bzw. Rückkehrerkinder geht, dann sind keinesfalls nur die Sicherheitsbehörden, sondern eine Vielzahl von Stellen und Einrichtungen vor Ort gefragt. Vor allem die Jugendämter sind in diesem Bereich mit ihren Kompetenzen und Instrumenten ganz wesentlich gefordert. Aber auch Schulen, Kindergärten, Beratungsstellen, Aussteigerprogramme etc. sind für eine effektive Radikalisierungsprävention vor Ort unverzichtbar. Die besondere Herausforderung mit Blick auf Fallkonferenzen besteht zum einen darin, bei einer Vielzahl von Akteuren den Informationsaustausch datenschutzkonform zu gestalten, d. h. die gesetzlichen Übermittlungsvorschriften zu beachten. Zum anderen können nur durch ein multidisziplinäres Herangehen Rückkehrer-Sachverhalte, insbesondere Fälle von zurückgekehrten Frauen und Kindern, sachgerecht bewertet und wirksame Maßnahmen der Prävention und Deradikalisierung getroffen werden. Aussagen zu konkreten einzelfallbezogenen Maßnahmen der Sicherheitsbehörden können in öffentlich zugänglicher Form verständlicherweise nicht getätigt werden. Kernmaßnahmen im Überblick: – Erfassung und fortlaufende Aktualisierung aller ausgereisten und zurückgekehrten Personen (sogenannte „Syrien-Liste“). – Im Rahmen von Einzelfallkonferenzen werden die Sachverhalte entsprechend dem individuellen Einzelfall mit allen beteiligten Behörden (neben den Sicherheitsbehörden auch Jugend- und Sozialämter sowie Bildungseinrichtungen) erörtert. – Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel gemäß § 14 NVerfSchG. – Einleitung gefahrenabwehrender Maßnahmen. – Konsequente Strafverfolgung, z. B. Erwirkung von Haftbefehlen. – Entzug bzw. Verweigerung von Aufenthaltstiteln bei Drittstaatangehörigen. – Ausschreibung in einschlägigen Datenbanken. – Neben der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr erfolgen auch Maßnahmen der Deradikalisierung und der Prävention. – Prüfung/Anregung von Maßnahmen der systemischen Familienberatung bzw. zur Stärkung des Umfeldes radikalisierter Personen (wichtiger Akteur: beRATen e. V.). Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4951 3 – Prüfung/Anregung des Einsatzes von Aussteigerprogrammen (wichtiger Akteur: „Aktion Neustart “ des Niedersächsischen Verfassungsschutzes). – Prüfung/Anregung des Einsatzes von kommunalen Beratungsstellen (z. B. Dialogstelle Extremismusprävention in Wolfsburg). – Einbindung des Jugendamtes und Familiengerichtes zwecks Initiierung von Maßnahmen (z. B. Hausbesuche, Prüfung möglicher Kindeswohlgefährdung; aber auch Installierung von Familienhilfen ). – Hinzuziehung des Gesundheitsamtes zur Untersuchung des Gesundheitszustands bzw. der psychologischen Befindlichkeit von Rückkehrerkindern. – Sicherstellen bzw. Gewährleisten des Informationsflusses zwischen einzelnen Akteuren; regelmäßige Durchführung von Fallbesprechungen/-konferenzen. – Einbindung der Landesschulbehörde, der Schulen sowie der Fachberatung KiTa bei der betroffenen Kommune, als auch der Kindertagesstätte an sich, um u. a. Verhaltensauffälligkeiten erkennen, einordnen und diesen begegnen zu können. Darauf aufbauend die Gewährleistung eines sicheren Umgangs mit den jeweiligen Erziehungsberechtigten. – Durchführung von Sensibilisierungsveranstaltungen an betroffenen Schulen und Kindergärten zur Stärkung der Handlungssicherheit (Radikalisierung erkennen; Gefahren abwenden; Meldewege erläutern). – Grundlage des staatlichen Handelns ist u. a. der Maßnahmenkatalog der niedersächsischen Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit salafistischen Brennpunkten sowie Jihadreisenden und Rückkehrern. – Bundesweit wurde unter Beteiligung von Niedersachsen ein Entwurf von Leitlinien zum Umgang mit Rückkehrern aus den jihadistischen Kampfgebieten ausgearbeitet, der ebenfalls als Bearbeitungsgrundlage dient. 4. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um Minderjährige vor dem Einfluss islamistischer Eltern zu schützen? Bitte auflisten nach Art und Anzahl der bislang ergriffenen Maßnahmen. Der Umgang mit Minderjährigen in salafistisch geprägten Familien ist ein wichtiges Thema, dass auch im Rahmen der Kompetenzstelle Islamismusprävention (KIP NI) behandelt wird. So hat die KIP NI unter Federführung des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung eine Arbeitsgruppe zu „Prävention und Intervention bei Familien mit Radikalisierungstendenzen“ eingerichtet , an der auch der niedersächsische Verfassungsschutz teilgenommen hat. Eine Broschüre zu dieser Thematik mit dem Titel „Jugend und Familie im Salafismus“ wird demnächst vom niedersächsischen Verfassungsschutz veröffentlicht. Generell bietet der niedersächsischen Verfassungsschutz auf Anfrage Informationsveranstaltungen zum Themenbereich Islamismus/Salafismus an. Dabei werden beispielsweise pädagogische Fachkräfte an Schulen und in KiTas sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Jugendämtern über das Phänomen und spezielle Facetten wie Rückkehrinnen und Rückkehrer und deren Kinder informiert und sensibilisiert. Bereits 2018 hat sich die KIP NI der Thematik Rückkehrerinnen und Rückkehrer aus Syrien/dem Irak angenommen und eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe zum „Umgang mit Rückkehrern und Rückkehrerinnen aus Syrien/dem Irak“ eingerichtet. Hierbei wurden u. a. auch die Maßnahmen erörtert, die auf die Reintegration von zurückkehrenden Kindern abzielen. Innerhalb der Arbeit der KIP NI finden vom LKA Niedersachsen koordinierte multiprofessionelle Fallkonferenzen für den Einzelfall statt, in deren Rahmen spezifische Maßnahmen mit allen relevanten Akteuren festgelegt und abgestimmt werden. Bei Fällen mit Kindesbezug sind u. a. Vertreterinnen und Vertreter des jeweils zuständigen Jugendamtes beteiligt, um ihre Expertise mit einzubringen und Maßnahmen abzustimmen. Auch das Aussteigerprogramm „Aktion Neustart - Islamismus “ des niedersächsischen Verfassungsschutzes übernimmt in solchen Fallkonstellationen, sofern fachlich angezeigt, eine beratende Funktion. Niedersächsis ahlperiode Drucksache 18/4951 4 Du G sa tu sie pr Re „V Di re le Ha Di da ch tie ru st un no (V cher Landtag – 18. W rch die am 10.12.2014 unter Federführung des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und leichstellung gegründete und von dort finanzierte landesweite Beratungsstelle zur Prävention neolafistischer Radikalisierung - beRATen e. V. - wurden außerhalb der Sicherheitsbehörden Strukren für Beratungs- und Begleitungsprozesse geschaffen, die junge Menschen vor einer Radikalirung durch islamistische Einflüsse bewahren sollen. Dabei gilt es insbesondere Distanzierungsozesse zur Abwendung von gewaltbezogener und extremistischer Ideologie zu stärken und eine integration in die Gesellschaft zu ermöglichen. Die Trägerschaft der Beratungsstelle liegt beim erein für jugend- und familienpädagogische Beratung Niedersachen - beRATen e. V.“. e Beratungsstelle unterstützt u. a. Akteurinnen und Akteure im schulischen Kontext sowie im Beich der Jugendarbeit vor allem mit dem Instrument der Fachberatung. Hierbei werden u. a. Schulitungen , Lehrerkollegien sowie Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe unterstützt, um geeignete ndlungsansätze bezüglich radikalisierter Familien zu entwickeln und umzusetzen. e Jugend- und Familienministerkonferenz (JFMK) hat auf ihrer Sitzung im Mai 2018 festgestellt, ss sich die Kinder- und Jugendhilfe zunehmend mit dem Aufwachsen von Kindern und Jugendlien in Familien mit radikalisierten Eltern, Geschwistern oder anderen Familienmitgliedern konfronrt sieht und deshalb beschlossen, eine fachliche Orientierungshilfe zu erstellen. Die Orientiengshilfe , die vorrangig für Fachkräfte in Jugendämtern vorgesehen ist, soll Ende 2020 fertiggeellt sein. Der JFMK-Beschluss erfolgte auf Anregung des Ministeriums für Soziales, Gesundheit d Gleichstellung, das in der Folge die Koordination zur Erstellung der Orientierungshilfe übermmen hat. erteilt am 29.10.2019) Drucksache 18/4951 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Gefahren durch Salafisten und islamistische Rückkehrer in Niedersachsen Anfrage des Abgeordneten Jens Ahrends (AfD), eingegangen am 25.09.2019 - Drs. 18/4687 an die Staatskanzlei übersandt am 02.10.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 25.10.2019