Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4970 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Christopher Emden und Stefan Henze (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Demonstration „Es reicht“ am 24.08.2019 in Hannover Anfrage der Abgeordneten Christopher Emden und Stefan Henze (AfD), eingegangen am 27.09.2019 - Drs. 18/4719 an die Staatskanzlei übersandt am 04.10.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 29.10.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten Am 24.08.2019 versammelten sich mehrere hundert Teilnehmer zu einer Demonstration unter dem Motto „Es reicht“ in Hannover auf dem Platz der Göttinger Sieben und gingen anschließend durch die Innenstadt. Nach Beendigung wurden die Demonstrationsteilnehmer von der Polizei aufgefordert , die Veranstaltung in Gruppen bis zu fünf Personen zu verlassen. Die Demonstrationsteilnehmer waren dabei von ca. 200 Gegendemonstranten aus der linksextremen Szene umgeben, die bereits zuvor auf die Polizei und einzelne Demonstrationsteilnehmer übergegriffen hatten. Durch die geforderte Aufteilung in Kleingruppen waren die Teilnehmer faktisch schutzlos den gewaltbereiten Demonstranten ausgeliefert, und es kam zu Übergriffen gegenüber einigen Demonstrationsteilnehmern . Vorbemerkung der Landesregierung Die Kleine Anfrage bezieht sich auf einen Einsatz der Polizeiinspektion Hannover-Mitte vom 24.08.2019, der anlässlich einer angezeigten sich fortbewegenden Versammlung der Partei „Alternative für Deutschland (AfD)“ zum Thema „Zunehmende Gewaltdelikte in Deutschland“ durchgeführt wurde. Die Versammlung wurde am 12.08.2019 für die Zeit von 17:30 bis 19:15 Uhr angezeigt . Erwartet wurden 500 Teilnehmer. Tatsächlich versammelten sich am Ort der Auftaktkundgebung (Platz der Göttinger Sieben) ca. 300 Personen. Gegen 16:30 Uhr bildete sich im Bereich der Karmarschstraße - in unmittelbarer Nähe zum Platz der Göttinger Sieben - mit zunächst ca. 30 friedlich teilnehmenden Personen eine bei der zuständigen Versammlungsbehörde nicht angezeigte (Gegen-)Versammlung. Bei dieser Versammlung, die letztendlich auf ca. 270 Teilnehmende anwuchs, gab sich trotz Nachfrage ein Versammlungsleiter oder eine Versammlungsleiterin nicht zu erkennen. Während der stationären Phase am Platz der Göttinger Sieben artikulierten die Teilnehmenden der Gegendemonstration ihren Protest teilweise in lautstarker Form. Drei Personen aus der Gegendemonstration , die sich zunächst unbemerkt in die angezeigte Versammlung begaben, wurden nach Identifizierung von der weiteren Teilnahme ausgeschlossen. Wiederholt kam es zu teilweise gegenseitigen verbalen Provokationen von Angehörigen beider Versammlungen, in einem Fall auch zu einer strafrechtlich relevanten Beleidigung zum Nachteil eines Teilnehmers der nicht angezeigten Gegenversammlung. Gegenüber den Teilnehmenden der Anlassversammlung wurde außerdem eine Körperverletzung gemäß § 223 StGB durch Schläge auf den Kopf und eine versuchte gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 StGB durch einen verfehlten Flaschenwurf in die Menge der Teilnehmenden der Versammlung registriert. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4970 2 Gegenüber den eingesetzten Kräften wurden fünf tätliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamte gemäß § 114 StGB sowie zwei Widerstände gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 StGB mit sechs Polizeibeamten als Opfer zur Anzeige gebracht. Nach Beendigung des Aufzugs der Versammlung „Es reicht“ am Goseriedeplatz kündigte die Versammlungsleiterin an, eine weitere versammlungsrechtliche Aktion in Form eines Aufzuges zurück zum Ausgangsort zum Platz der Göttinger Sieben durchführen zu wollen. Da dieses zuvor nicht gegenüber der Versammlungsbehörde angezeigt und durch diese auch nicht bestätigt worden war sowie aktuelle einsatztaktische Gründe dieses Vorhaben als nicht opportun erscheinen ließen, wurde diesem Antrag vom Polizeiführer, in der Funktion als Vertreter der aktuell zuständigen Versammlungsbehörde (Polizei), nicht statt gegeben. 1. Hält die Landesregierung die vorbeschriebene Anweisung der Einsatzkräfte an die Demonstrationsteilnehmer im Kontext der Anwesenheit ersichtlich gewaltbereiter Linksextremisten für angemessen? Um der nicht gestatteten Bildung eines neuen Aufzuges formal entgegenzuwirken, erfolgte die polizeiliche Aufforderung, die beendete Versammlung in Gruppen bis zu fünf Personen zu verlassen. Erfahrungsgemäß durchmischen sich einzelne Personen und kleinere Personengruppen relativ schnell mit regulären Besuchern der Innenstadt und sind somit als ehemalige Teilnehmende der Versammlung nicht mehr erkennbar. Die anlassbezogen erteilte Anweisung diente vornehmlich der Gefahrenabwehr, nämlich in erster Linie dem Schutz der abwandernden Teilnehmenden der genehmigten Versammlung und in zweiter Linie der Vorbeugung vor einer nicht genehmigten Anschlussveranstaltung . Insofern war die Anweisung nicht nur angemessen im Sinne einer besonderen Prüfung der Verhältnismäßigkeit , sondern in diesem Falle auch erforderlich, weil Alternativen bei gleicher Wirksamkeit nicht infrage kamen. Übergriffe gegenüber Teilnehmenden der Anlassversammlung im Rahmen der Abwanderung nach Beendigung der Versammlung wurden der Polizei nicht bekannt. 2. Gibt es Schulungsmaßnahmen für Einsatzleiter von Polizeieinsätzen zur Sicherung angemeldeter Demonstrationen und ihrer Teilnehmer? Wenn ja, welche sind das? Der in Rede stehende Einsatz wurde durch einen Beamten der Laufbahngruppe 2, 2. Einstiegsamt (ehem. höherer Dienst) geleitet. Diese erhalten innerhalb eines zweijährigen Studiums an der Polizeiakademie Niedersachsen sowie an der Deutschen Hochschule der Polizei in Hiltrup auch eine grundlegende einsatztaktische und rechtliche Ausbildung. Zusätzlich werden in allen regionalen Polizeidirektionen - so auch in der PD Hannover - für bestimmte Zielgruppen durch speziell fortgebildete Multiplikatoren Fortbildungsveranstaltungen mit den inhaltlichen Schwerpunkten Versammlungsrecht und allgemeines Gefahrenabwehrrecht durchgeführt. Inhaltlich werden in diesen Veranstaltungen über die rechtlichen Grundlagen und Voraussetzungen hinaus auch taktische Aspekte, zum Schutz z. B. einer Versammlung und deren Teilnehmenden, im Sinne einer umfassend zu betrachtenden Einsatzlagenbewältigung vermittelt. Komplettiert wird das Angebot für die Zielgruppe der ersten Führungsfunktion durch eine Veranstaltung der Polizeiakademie Niedersachsen mit dem Titel „Versammlungsrechtliche Lagen und geschlossene Einsätze“. 3. Gibt es spezielle Vorgaben für das Verhalten der Einsatzkräfte nach Beendigung einer angemeldeten Demonstration? Bejahendenfalls, welche sind diese? Die Vorgaben für Führungs- und Einsatzkräfte im Rahmen eines polizeilichen Einsatzes ergeben sich aus den gesetzlichen Grundlagen, den allgemeinen polizeilichen Dienstvorschriften sowie den allgemeinen und konkreten Aufträgen im Rahmen eines Einsatzbefehls. Die dort formulierten Einzelaufträge aus dem aktuellen Einsatzanlass werden durch Einsatzleitlinien, Entscheidungsvorbe- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/4970 3 halte und sonstige Hinweise der oder des Einsatzführenden der Polizei konkretisiert und dienen allen eingesetzten Kräften der Orientierung. Im konkreten Fall lautete ein Einzelauftrag „Schutz/Begleitung an- und abwandernder relevanter Teilnehmergruppierungen“. 4. Wie viele gewalttätige Übergriffe der Gegendemonstranten hat die Polizei am 24.08.2019 registriert? Bitte die gewalttätigen Übergriffe aufschlüsseln nach Übergriffen gegen Einsatzkräfte bzw. Teilnehmer der angemeldeten Demonstration. Siehe Vorbemerkung. 5. War die Gegendemonstration am 24.08.2019 angemeldet? Falls nein: Warum haben die Einsatzkräfte nichts unternommen, die Veranstaltung, von der Gewalt ausging, zu unterbinden ? Angesichts des im Wesentlichen friedlichen Verlaufs der Versammlung, bei der nur einzelne gewaltsame Aktionen (siehe Vorbemerkung) festgestellt wurden, lagen die Voraussetzungen zur Auflösung dieser Gegendemonstration nicht vor. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. (Verteilt am 01.11.2019) Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LTmit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Christopher Emden und Stefan Henze (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Demonstration „Es reicht“ am 24.08.2019 in Hannover