Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/5051 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Dr. Marco Genthe (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Kommt das Land Niedersachsen seiner Fürsorge- und Treuepflicht gegenüber seinen Polizeibeamten umfänglich nach? Teil 3 Anfrage des Abgeordneten Dr. Marco Genthe (FDP), eingegangen am 02.10.2019 - Drs. 18/4732 an die Staatskanzlei übersandt am 08.10.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 11.11.2019 Vorbemerkung des Abgeordneten Mit der Drucksache 18/4641 antwortete die Landesregierung auf eine Anfrage von Abgeordneten der FDP-Fraktion, die sich mit der Fürsorge- und Treuepflicht gegenüber Polizeibeamten befasste. Aufgrund der Antwort der Landesregierung haben sich weitere Nachfragen ergeben. 1. Das Land Niedersachsen nimmt als Dienstherr Schädiger in Regress. In einem solchen Prozess könnten gleichzeitig auch die Ansprüche des verletzten Polizeibeamten geltend gemacht werden. Werden solche Verfahren zusammen eingeleitet und verfolgt? Falls ja, wie oft in den Jahren 2015, 2016, 2017, 2018 und in der ersten Jahreshälfte 2019? Falls nein, warum nicht? Eine gleichzeitige Geltendmachung von Ansprüchen der verletzten Polizeibeamtinnen und -beamten ist aus den nachfolgenden Gründen nur bedingt möglich: Eine Geltendmachung von Ansprüchen der verletzten Polizeibeamtinnen und -beamten ist lediglich unter den in § 52 des Niedersächsischen Beamtengesetzes (NBG) genannten Voraussetzungen möglich. Hierunter ist insbesondere die Erstattung von Heilbehandlungs- und Dienstausfallkosten zu fassen. Das hierzu generierte Zahlenwerk wurde in der vorangegangenen Anfrage (Drs. 18/4532) übermittelt. Durch Dritte beschädigte oder zerstörte Gegenstände sowie Kleidungsstücke der Polizeibeamtin oder des Polizeibeamten können durch den Dienstherrn gemäß § 83 Abs. 2 NBG und § 36 des Niedersächsischen Beamtenversorgungsgesetzes (NBeamtVG) unter den dort genannten Voraussetzungen erstattet werden. Diese Kosten werden sodann gegenüber der Schädigerin oder dem Schädiger geltend gemacht. Darüber hinausgehende Ansprüche sind durch die jeweils betroffene Person eigenständig geltend zu machen. Seit dem 01.01.2019 bietet § 83 a NBG die Möglichkeit, Schmerzensgeldansprüche, welche die betroffene Polizeibeamtin oder der betroffene Polizeibeamte zuvor zivilgerichtlich zugesprochen bekommen hat, unter bestimmten Voraussetzungen im Wege der beim Dienstherrn zu beantragenden Erfüllungsübernahme an die betroffene Polizeibeamtin / den betroffenen Polizeibeamten auszuzahlen und anschließend gegenüber der verantwortlichen Schädigerin / dem verantwortlichen Schädiger geltend zu machen. Die Erfüllungsübernahme erfolgt ab einem Betrag i. H. v. 250 Euro und setzt einen erfolglosen Vollstreckungsversuch voraus. Von den Polizeibehörden und der Polizeiakademie Niedersachsen wurden keine über die in der Drs. 18/4641 genannten Fälle benannt. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/5051 2 2. Ansprüche von verletzten Beamten könnten auch im Wege des Adhäsionsverfahrens geltend gemacht werden. Wie oft wurden Ansprüche in dieser Verfahrensweise in den Jahren 2015, 2016, 2017, 2018 und in der ersten Jahreshälfte 2019 von verletzten Polizeibeamten verfolgt? Das Adhäsionsverfahren eröffnet den betroffenen Polizeibeamtinnen und -beamten die Möglichkeit der Geltendmachung persönlicher Ansprüche. Eine Beteiligung des Dienstherrn ist dabei nicht vorgesehen . Demgemäß können keine Aussagen zu der Anzahl solcher Verfahren getroffen werden. 3. Gewährte Darlehen an Polizeibeamte werden im Falle eines Freispruchs im Strafverfahren oder im Falle des Obsiegens im Zivilverfahren in einen Zuschuss umgewandelt und müssen nicht zurückgezahlt werden. Es kann auch zu einer Teilrückzahlung kommen, wenn ein Mitverschulden des Beamten festgestellt wurde. Vor diesem Hintergrund: Wie viele gewährte Darlehen wurden in den Jahren 2015, 2016, 2017, 2018 und in der ersten Jahreshälfte 2019 nicht bzw. nur teilweise zurückgefordert? Die nachstehenden Zahlen beziehen sich auf die im jeweiligen Kalenderjahr abgeschlossenen Verfahren . Jahr Anzahl nicht zurückgeforderter Darlehen Anzahl teilweise zurückgeforderter Darlehen 2015 27 4 2016 17 1 2017 18 2 2018 7 2 2019; 1 HJ 1 0 Es wird darauf hingewiesen, dass im Fall des Obsiegens bereits gewährte Darlehen nicht zwangsläufig in einen Zuschuss umgewandelt werden. Grundsätzlich hat der Verursacher neben dem Schmerzensgeld auch die entstandenen Kosten der Rechtsverteidigung der betroffenen Beamtinnen und Beamten zu tragen. Das vom Dienstherrn gewährte Darlehen wird zurückgefordert, wenn die betroffenen Beamten ebendiese Leistungen vom Verursacher erhalten. Sofern die betroffenen Beamten ihre Ansprüche jedoch titulieren, die tatsächlichen Kosten allerdings nicht erlangen können (z. B. Zahlungsunfähigkeit des Verursachers), werden diese Darlehen zunächst noch nicht zurückgefordert . 4. Die Anzahl der Anträge auf ein Darlehen erscheint im Verhältnis zu der Anzahl der verletzten Polizeibeamten als recht gering. Wie erklärt sich die Landesregierung die Anzahl der Anträge auf ein Darlehen? Gründe für ein Unterlassen der Antragstellung wurden bislang nicht erhoben. Möglicherweise liegt eine Ursache darin, dass nicht jede Verletzung eine vorübergehende Dienstunfähigkeit oder Kosten für Heilbehandlungen verursacht. 5. Benötigen die Polizeibeamten gegebenenfalls mehr Unterstützung durch den Dienstherrn bei der Stellung des Antrags auf Gewährung eines Darlehens, bzw. sollte der Ablauf leichter gestaltet werden? Die betroffenen Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten erhalten über das polizeiliche Intranet ausführliche Informationen über den Umgang mit Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte. Darüber hinaus halten die Polizeidienststellen flächendeckend Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für von Gewalt betroffene Personen vor. Eine landesweite Vereinheitlichung der Vorgehensweise wurde überdies durch die Einführung des Leitfadens „Information für Betroffene - Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte als Opfer von Gewalt“ sowie durch eine entsprechende Checkliste für Vorgesetzte sichergestellt. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/5051 3 6. In Nordrhein-Westfalen gibt es jetzt erstmals einen Polizeibeauftragten, der sich um die Sorgen und Nöte der rund 50 000 Beschäftigten der NRW-Polizei kümmern soll. Wäre ein solcher Polizeibeauftragter auch für Niedersachsen denkbar und sinnvoll? Im Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport wurde bereits zum 01.07.2014 eine „Beschwerdestelle für Bürgerinnen und Bürger und Polizei“ eingerichtet. Die Beschwerdestelle ist als Stabsstelle dem Staatssekretär direkt unterstellt. So wird die Unabhängigkeit von der Linienorganisation hervorgehoben und das Beschwerdemanagement als Institution nach außen hin dokumentiert . Neben Beschwerden und Hinweisen von betroffenen Bürgerinnen und Bürgern werden auch die Eingaben von Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten sowie Verwaltungsbediensteten selbst - und zwar über alle Geschäfts- und Tätigkeitsbereiche des Innenministeriums hinweg - erhoben. Somit wird klargestellt, dass sich auch alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei selbst an die Beschwerdestelle wenden können. Mit dieser gibt es für sie eine unabhängige Instanz. Die Einrichtung einer weiteren Stelle wird seitens des Ministeriums für Inneres und Sport als nicht zielführend angesehen. Dem Ansatz folgend, dass alleinig die Aushändigung von Informationsmaterialien nicht hinreichend und allumfänglich dienlich ist, stehen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner „Gewalt“ in den Polizeidienststellen zur Verfügung. Diese haben ungeachtet der Verantwortung der Vorgesetzten die Aufgabe, den Polizeivollzugsbeamtinnen und-beamten die im Einzelfall erforderliche Beratung und Unterstützung zukommen zu lassen. Im Rahmen des Strategieprozesses 2020 haben sich die Polizeidirektionen u. a. mit Bearbeitungsstandards , der Einsatznachbereitung sowie der Betreuung der Kolleginnen und Kollegen im Kontext von Gewalt gegen Polizeivollzugbeamtinnen und -beamte befasst. Vorgesetzte sind hier insbesondere unter dem Aspekt der Gesunderhaltung der Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten aus Gründen der Fürsorgepflicht in der Verantwortung. Hierfür wurde u. a. eine Checkliste für Vorgesetzte entwickelt. Für eine zeitnahe und professionelle Unterstützung, Betreuung, Begleitung und auch Nachsorge der Betroffenen im Umgang mit belastenden Erlebnissen und deren Folgen können im Bedarfsfall die Regionalen Beratungsstellen, der Sozialwissenschaftliche Dienst oder auch der Kirchliche Dienst in Polizei und Zoll weitere Hilfestellungen sein. Diese Stellen unterstützen nach einem aktuellen Ereignis, wenn die Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten dies möchten. Sie beraten die Betroffenen in der aktuellen (persönlichen) Situation, entwickeln gemeinsam Bewältigungsstrategien und helfen professionell, sich mit dem Einsatz auseinanderzusetzen und so auch eventuelle Spätfolgen zu vermeiden. 7. Auch die Anzahl der gerichtlich durchgesetzten Ansprüche durch den Dienstherrn erscheint im Gegensatz zu der Anzahl der verletzten Polizeibeamten als eher gering. Wie erklärt die Landesregierung diese hohe Diskrepanz? Gründe, die die angesprochene Diskrepanz begründen können, sind vielseitig. Insbesondere die nachstehenden Gründe stehen einer gerichtlichen Durchsetzung z. B. entgegen: – die Verletzung verursacht keine Kosten, – die Ansprüche wurden außergerichtlich geltend gemacht (z. B. Einmal- oder Ratenzahlung), – Schädiger(-in)/Schuldner(-in) nicht ermittelbar, nicht bekannt oder ohne festen Wohnsitz, – Schädiger(-in)/Schuldner(-in) ist nicht deliktsfähig, – Schädiger(-in)/Schuldner(-in) ist schuldunfähig (§ 20 StGB), – Absehen von der Vollstreckung oder dem Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides wegen Geringfügigkeit (Rückstand oder Gesamtrückstand der Schuldnerin/des Schuldners von weniger als 25 Euro; Nr. 3.1 der Anlage zu VV Nr. 2.3.2 zu § 59 LHO). (Verteilt am 18.11.2019) Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LTmit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Dr. Marco Genthe (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Kommt das Land Niedersachsen seiner Fürsorge- und Treuepflicht gegenüber seinen Polizeibeamten umfänglich nach? Teil 3