Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/5117 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Dr. Marco Genthe und Dr. Stefan Birkner (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Arbeit mit dem Schengener Informationssystem (SIS) in Niedersachsen? Anfrage der Abgeordneten Dr. Marco Genthe und Dr. Stefan Birkner (FDP), eingegangen am 21.10.2019 - Drs. 18/4913 an die Staatskanzlei übersandt am 22.10.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 15.11.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten Nachdem mit dem Schengener Durchführungsübereinkommen 1990 die Grenzkontrollen weggefallen sind, wurden gleichzeitig Ausgleichsmaßnahmen geschaffen, um die innereuropäische Sicherheit aufrechtzuerhalten. „Eine dieser Maßnahmen war die Einrichtung eines gemeinsamen Fahndungs - und Informationssystems. Heute können Polizeibeamte aus 30 Staaten rund um die Uhr auf über 80 Millionen Fahndungsdaten zugreifen. Das SIS leistet so einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit in der Europäischen Union“ (https://www.bka.de/DE/UnsereAufgaben/Aufgabenberei che/InternationaleFunktion/SchengenerAbkommen/SISII/schengenSISII.html;jsessionid=59FF78AA 74BAB2C2A8FC3DF7042D7F79.live2292?nn=30074#doc20816bodyText6). Inzwischen ist die zweite Generation des SIS in Betrieb. In jedem der teilnehmenden Staaten wurde eine nationale Zentralstelle, eine sogenannte SIRENE, eingerichtet, die für einen reibungslosen Ablauf sorgen soll. In das SIS können Personen- und Sachfahndungen eingestellt werden. Derzeit sind ca. 80 Millionen Datensätze gespeichert. „Zugang zum SIS haben nationale Strafverfolgungs-, Justiz- und bestimmte Verwaltungsbehörden. (…) Die Behörden, welche im Rahmen ihrer Zuständigkeiten Daten in das SIS eingeben, sind für die Qualität der Daten verantwortlich. Werden personenbezogene Daten gespeichert, kann die betroffene Person um Auskunft zu diesen Daten und um Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Speicherung ersuchen. Sind Daten nicht rechtmäßig gespeichert , ist die betroffene Person berechtigt, die Korrektur oder Löschung der Daten zu verlangen“ (https://www.bka.de/DE/UnsereAufgaben/Aufgabenbereiche/InternationaleFunktion/Schengener Abkommen/SISII/schengenSISII.html;jsessionid=59FF78AA74BAB2C2A8FC3DF7042D7F79. live2292?nn=30074#doc20816bodyText6). Vorbemerkung der Landesregierung Das Schengener Informationssystem (SIS) trägt wesentlich zur Sicherheit in Europa bei und ist bereits eine Erfolgsgeschichte in der Sicherheitskooperation der Europäischen Union. Das SIS unterliegt einer ständigen Weiterentwicklung. So nahm das SIS der zweiten Generation (SIS II) am 09.04.2013 seinen Wirkbetrieb auf. Das SIS II besteht technisch aus einer Zentraleinheit (Central Unit) mit Standort in Straßburg und den jeweiligen Schnittstellen zu den nationalen Servern der Mitgliedstaaten. Die nationale Zentralstelle SIRENE ist im Bundeskriminalamt in Wiesbaden angesiedelt . Das SIS hat sich in der Vergangenheit als technisch stabiles System erwiesen. Vor diesem Hintergrund werden zukünftig die neu zu implementierenden Systeme des Grenzmanagements über das SIS II betrieben. Dies beinhaltet auch die Übermittlung biometrischer Daten. Des Weiteren werden durch drei neue EU-Verordnungen für die Bereiche „Rückkehr“, „Grenzkontrollen“ und „polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit“ die bisherigen Rechtsakte sukzessive ersetzt. Beispielhaft seien Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/5117 2 für den Bereich „Grenzkontrollen/Grenzmanagement“ das Entry-Exit-System und das European Travel Information and Authorisation System erwähnt. Die technische Umsetzung und Integration dieser beiden Systeme in das SIS erfolgt durch die „Europäische Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ mit Hauptsitz in Tallin und dem technischen Standort in Straßburg. Für beide Systeme ist die Aufnahme des Wirkbetriebs für das Jahr 2022 vorgesehen. 1. Welche Behörden/Behördenteile in Niedersachsen haben Zugang zum SIS? Der Zugang zum SIS ist für Ausschreibungen im Rahmen der justiziellen und polizeilichen Zusammenarbeit im Artikel 40 des Beschlusses 2007/533/JI des Rates vom 12.06.2007 über die Einrichtung , den Betrieb und die Nutzung des SIS II geregelt. Für Ausschreibungen im Rahmen ausländerrechtlicher Zuständigkeiten ist der Zugang zum SIS im Artikel 27 der EG VO Nr. 1987 vom 20.12.2006 geregelt. Alle niedersächsischen Polizeibehörden und Polizeidienststellen haben somit rechtlich und technisch Zugang zum SIS. Der Zugang zum SIS erfolgt in Deutschland über das bundesweite Informationssystem der Polizei (INPOL) und somit in Niedersachsen über das Polizeiliche Auskunftssystem (POLAS). Alle kommunalen Ausländerbehörden in Niedersachsen, die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen und die Fachabteilung des Ministeriums für Inneres und Sport haben über eine Schnittstelle im Ausländerzentralregister (AZR) Zugriff auf das SIS, der sich allerdings ausschließlich auf Leserechte beschränkt. Sie sind also nicht berechtigt, Eintragungen in das SIS vorzunehmen. Die Zuständigkeit für die technische Einrichtung des AZR liegt beim Bundesverwaltungsamt (BVA). Grundsätzlich haben auch die niedersächsischen Justizbehörden gemäß den oben genannten Rechtsgrundlagen die Möglichkeit des lesenden Zugriffs auf das SIS. Diese Möglichkeit ist in Niedersachsen jedoch derzeit technisch noch nicht umgesetzt worden. 2. Wie viele Personen sind in Niedersachsen zugriffsberechtigt? Auf Grundlage einer Selektion der Zentralen Polizeidirektion Niedersachsen bezüglich der aktiven POLAS-Nutzerkennungen vom 04.11.2019 haben 23 056 Bedienstete der niedersächsischen Polizei grundsätzlich lesenden Zugriff auf das SIS. 2 194 Bedienstete der niedersächsischen Polizei haben grundsätzlich auch ändernden Zugriff auf das SIS und können Daten eingeben, verändern und löschen. Zum Stichtag 30.10.2019 waren beim BVA für alle kommunalen Ausländerbehörden in Niedersachsen , die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen und die Fachabteilung des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport insgesamt 1 125 Nutzer registriert. Da die Verwaltung der Nutzer den einzelnen Behörden selbst obliegt, kann sich die Anzahl der berechtigten Personen allerdings laufend ändern. Der Landesregierung ist die genaue Anzahl der jeweils tagesaktuell berechtigten Nutzer nicht bekannt. 3. Wurden diese Personen im Umgang mit dem SIS geschult? Wenn ja, in welcher Form? Wenn nein, warum nicht? Innerhalb der Polizei in Niedersachsen ist der sichere Umgang mit polizeilichen Informations- und Datensystemen, hierzu gehört auch das SIS, unabdingbare Voraussetzung u. a. für eine erfolgreiche polizeiliche Einsatzbewältigung. Die Abfragemöglichkeiten, Suchstrategien und Recherchemöglichkeiten in praxisbezogener Anwendung werden im Studium an der Polizeiakademie Niedersachsen im Teilmodul „Grundlagen der Vorgangsbearbeitung und Spurensicherung“ und im Rahmen der Fortbildung im Seminar „Handling polizeilicher Auskunftssysteme“ vermittelt. Die Nutzung des AZR und damit der Leserechte im SIS über die im AZR enthaltene Schnittstelle erfolgt bei den berechtigten Behörden (kommunale Ausländerbehörden in Niedersachsen, die Lan- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/5117 3 desaufnahmebehörde Niedersachsen). Aufgrund der ausschließlichen Leseberechtigung der berechtigten Behörden dürfte eine fachliche Schulung in der Regel obsolet sein; die Entscheidung darüber obliegt den berechtigten Behörden in eigener Zuständigkeit. 4. Wie wird in Niedersachsen die Qualität der eingestellten Daten kontrolliert? Nationale Daten an das SIS werden aus dem jeweiligen Landessystem generiert. Das bedeutet, dass jeder niedersächsische SIS-Datensatz auf einen nationalen (niedersächsischen) POLAS-Datensatz referenziert werden muss. Die Datenqualität wird grundsätzlich durch umfangreiche systemimmanente Plausibilitäten gewährleistet. Diese wiederum folgen den jeweiligen rechtlichen Möglichkeiten. Daten aus dem SIS werden in das System INPOL übernommen und dann an die jeweiligen Landessysteme weitergeben. Auch hier wird durch Plausibilitäten die Datenqualität sichergestellt. 5. Gab es seit 2013 Anträge auf Korrektur oder Streichung von Daten? Wenn ja, wie viele? Ein Gesamtüberblick über die Anzahl von Korrektur- oder Löschungsanträge von Daten im SIS liegt im Ministerium für Inneres und Sport vor dem Hintergrund der möglichen direkten Anfrage bei verschiedenen nationalen und internationalen Stellen, u. a. direkt beim Bundeskriminalamt oder einem Konsulat eines beliebigen Schengen-Staates, nicht vor. Das Landeskriminalamt Niedersachsen (LKA NI) speichert, ändert oder löscht in Amtshilfe alle ausländerrechtlichen Fahndungen zur Aufenthaltsermittlung und Festnahme von Ausländerbehörden sowie alle staatsanwaltschaftlichen Fahndungen zur Aufenthaltsermittlung und Festnahme im SIS. In der Regel werden Ausschreibungen durch die niedersächsischen Ausländerbehörden veranlasst, soweit bisherige ausländerbehördliche Entscheidungen (z. B. Verfügung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots ) bestands- oder rechtskräftig geworden sind. Die Speicherungen, Änderungen oder Löschungen werden mittels Antrag der ersuchenden Stelle im LKA NI umgesetzt. Die rechtliche Verantwortung für die Ausschreibungen liegt bei den um Amtshilfe ersuchenden Stellen. Aus dem System sind die speichernde Stelle (LKA NI) und die verantwortliche Stelle (z. B. Ausländerbehörde ) ersichtlich. Somit ist es grundsätzlich möglich, dass Anträge auf Löschung oder Änderung von Daten auch direkt bei diesen Stellen eingehen. Eine entsprechende Auswertung steht für den angefragten Zeitraum im LKA NI nicht zur Verfügung . Soweit entsprechende Anträge dort eingegangen sind, wurden diese jedoch an die jeweiligen niedersächsischen Datenbesitzer (i. d. R. Ausländerbehörden) weitergeben. Durch die Landesregierung wird keine Statistik vorgehalten, wie häufig sich für eine Korrektur oder Streichung der zugrundliegenden ausländerbehördlichen Maßnahmen eingesetzt worden ist. Darüber hinaus können alle niedersächsischen Polizeidienststellen SIS-Personenfahndungen im Rahmen polizeilicher Beobachtungen oder Vermisstenangelegenheiten eigenverantwortlich speichern . Für den angefragten Zeitraum gab es gemäß Berichterstattung der niedersächsischen Polizeidirektionen , soweit dort eine entsprechende Auswertung ohne aufwendige händische Auswertung möglich war, keine Anträge auf Korrektur und Streichung von Daten im SIS. 6. Wie wird seitens der zugriffsberechtigten Personen die Handbarkeit des Systems bewertet ? Das LKA NI geht vor dem Hintergrund der Integration in das jeweilige Landessystem davon aus, dass das Handling entsprechend positiv bewertet wird, da es keine wesentlichen Unterschiede zu nationalen Datensätzen gibt. Ein wesentlicher Veränderungsbedarf am Handling dieses Systems ist nicht bekannt. (Verteilt am 19.11.2019) Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LTmit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Dr. Marco Genthe und Dr. Stefan Birkner (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Arbeit mit dem Schengener Informationssystem (SIS) in Niedersachsen?