Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/5142 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Hermann Grupe (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung Welche Mengen an ungeklärtem Haushaltsabwasser und Nährstofffrachten werden jährlich legal in Niedersachsens Gewässer eingelassen? Anfrage des Abgeordneten Hermann Grupe (FDP), eingegangen am 14.10.2019 - Drs. 18/4851 an die Staatskanzlei übersandt am 17.10.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 18.11.2019 Vorbemerkung des Abgeordneten In der Antwort der Landesregierung (Drucksache 18/4640) auf die Kleine schriftliche Anfrage von Abgeordneten der FDP-Fraktion „Werden auch in Niedersachsens Oberflächengewässer ungeklärte Haushaltsabwässer eingeleitet“ schreibt die Landesregierung in der Antwort auf Frage 1, dass bei Starkregenereignissen Mischwasserabschläge in Gewässer erfolgen, um die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Abwasseranlage erhalten zu können. Aus dem „Lagebericht 2019 zur Beseitigung von kommunalen Abwässern in Niedersachsen“ geht hervor, dass viele niedersächsische Großstädte (u. a. Braunschweig und Oldenburg) hohe Mengen an Frachten im Ablauf haben. Vorbemerkung der Landesregierung Grundsätzlich wird auf die Ausführungen in der Drucksache 18/4640 verwiesen. Die Ableitung von häuslichen Abwässern erfolgt in Niedersachsen überwiegend im Trennsystem. Häusliches Schmutzwasser und gesammeltes Niederschlagswasser werden hierbei in getrennten Kanälen abgeleitet. Hauptsächlich in den Kernbereichen der Städte sind noch Mischwasserkanalisationen zu finden, bei denen Schmutz- und Niederschlagswasser gemeinsam abgeleitet werden. In Niedersachsen sind lediglich 7,1 % der Bevölkerung (Stand 2016) noch an eine Mischwasserkanalisation angeschlossen. Gemäß § 60 Abs. 1 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) sind Abwasseranlagen so zu errichten, zu betreiben und zu unterhalten, dass die Anforderungen an die Abwasserbeseitigung eingehalten werden. Sie müssen daher so beschaffen sein und eingesetzt werden, dass mindestens die Anforderungen nach § 57 Abs. 1 in Verbindung mit der auf die §§ 57 Abs. 2, 23 Abs. 1 Nr. 3 WHG gestützten Rechtsverordnung, der Verordnung über Anforderungen an das Einleiten von Abwasser in Gewässer - Abwasserverordnung (AbwV) -, eingehalten werden können. Für die Errichtung, den Betrieb und die Unterhaltung von Abwasseranlagen gelten gemäß § 60 Abs. 1 Satz 2 WHG die allgemein anerkannten Regeln der Technik als Mindeststandard. Allgemein anerkannte Regeln der Technik sind Prinzipien und Lösungen, die in der praktischen Anwendung erprobt und bewährt sind und sich in den einschlägigen Fachkreisen durchgesetzt haben. Dies sind vor allem die technischen Bestimmungen, die von Fachausschüssen und von Sachverständigengremien erarbeitet und bekannt gegeben worden sind. Dazu zählen beispielsweise DIN-Vorschriften oder die technischen Regelwerke der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft und Abfall (DWA). Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/5142 2 Das DWA-Arbeitsblatt A128 (Bemessung und Gestaltung von Regenentlastungen in Mischwasserkanälen ) gilt als allgemein anerkannte Regel der Technik für die Errichtung, den Betrieb und die Unterhaltung von Anlagen für Mischwasserabschläge. Um bei Starkregenereignissen die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Abwasseranlage erhalten zu können, erfolgen bei Mischwassersystemen Abschläge in die Gewässer. Daher werden diese in Anpassung an die zu erwartenden Niederschlags- und Abwasserverhältnisse unter technischbetrieblichen Gesichtspunkten dimensioniert. Wirtschaftliche und technische Aspekte bei Bau und Betrieb begrenzen die Dimensionierung, sodass Mischwasserkanalisationen nicht unbegrenzt groß ausgeführt werden können. Deshalb ist es technisch bedingt, dass bei besonderen Starkregenereignissen ein Teil des stark verdünnten Abwassers zur Entlastung der Mischwasserkanalisation in den Vorfluter abgegeben werden muss. 1. Wie viele Einleitungsstellen für ungeklärte Haushaltsabwässer gibt es in Niedersachsen (bitte detailliert aufführen)? Das Landesamt für Statistik Niedersachsen gibt alle drei Jahre den „Statistischen Bericht Niedersachsens zur Öffentlichen Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung“ heraus. Der letzte Bericht ist im dritten Quartal 2019 erschienen. Detaillierte Angaben zu Regenentlastungen in Niedersachsen können der beigefügten Anlage entnommen werden. Den kompletten Bericht finden Sie unter https://www.statistik.niedersachsen.de/startseite/themen/ umwelt_und_energie/umwelt-und-energie-statistische-berichte-q-i-1-178916.html. 2. Wie oft und welche Mengen an ungeklärtem Haushaltsabwasser wurden seit Anfang 2018 über diese Einleitungsstellen in niedersächsische Gewässer eingeleitet, und welche Nährstofffrachten beinhalteten diese Einleitungen? Der Landesregierung liegen hierzu keine Daten vor. 3. Vor dem Hintergrund, dass es aufgrund des Klimawandels zu vermehrten Starkregenereignissen kommen kann und dass laut Landesregierung „durchaus Anpassungsbedarf im Hinblick auf Starkregenereignisse“ bestehe (vgl. Antwort auf Frage 6 Drucksache 18/4640): Ist geplant, die Investitionen von ‚mehreren Milliarden Euro‘ zu tätigen, um zukünftige Einleitungen von ungeklärtem Mischwasser in niedersächsische Oberflächengewässer zu verhindern bzw. auf ein absolutes Minimum zu begrenzen, gegebenenfalls wann (vgl. die Antwort auf Frage 7, Drucksache 18/4640)? Eine Auslegung der Kanalisationssysteme auf seltene extreme Niederschlagsereignisse ist unwirtschaftlich und aus technischer Sicht oftmals nicht möglich (z. B. im innerstädtischen Bereich). Daher ist eine ganzheitliche Betrachtung dieser Problematik erforderlich. Bei der Planung und Sanierung von Entwässerungssystemen ist abzuwägen, welches Konzept ökologisch sinnvoll, technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar ist. 4. Wie ist es zu erklären, dass insbesondere im Bereich von Großstädten wie Braunschweig hohe Nährstofffrachten im Ablauf wiederzufinden sind? Die Nährstofffracht ist das Produkt aus der Abwassermenge und der Nährstoffkonzentration. Es handelt sich um die Masse der mit dem Abwasser abgeleiteten Stoffmengen. Durch die große Anzahl der angeschlossenen Anwohner bzw. Einwohnerwerte1 und die dadurch große Abwassermenge erreicht eine hohe Nähstofffracht die Kläranlage. Auch mit einer Reini- 1 Der Einwohnerwert ist der gebräuchliche Vergleichswert für die im Abwasser enthaltene Schmutzfracht. Mit Hilfe des Einwohnerwertes lässt sich die Belastung einer Kläranlage abschätzen. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/5142 3 gungsleistung von über 90 % durch die Kläranlage ist die Nährstofffracht, die über den Ablauf das Gewässer erreicht, größer als bei einer entsprechend kleineren Anlage. Aussagekräftiger ist die Nährstoffkonzentration, die für Braunschweig für Stickstoff einen Wert von 5,9 mg/l aufweist. Dieser Wert liegt weit unter der Mindestanforderung der AbwV von 13 mg/l, der für eine Kläranlage dieser Größenklasse gefordert ist. 5. Sind die genannten Einleitungen konform mit der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL)? Auf die Antwort zu Frage 7 wird verwiesen. 6. Welche Rolle spielen diese Werte bei den Nährstofffrachten in die Nordsee? Die Werte spielen bei den Nährstofffrachten in die Nordsee nur eine untergeordnete Rolle. Kläranlageneinleitungen machen in Niedersachsen in Bezug auf Gesamtstickstoff lediglich 3 % der Einträge in die Nordsee bzw. in Bezug auf Phosphor 11 % aus. Der weit überwiegende Anteil der Nährstofffrachten in die Nordsee stammt aus den sogenannten diffusen Einträgen: dem Grundwasser und Drainagen, dem Zwischenabfluss sowie (bei Phosphor) der Erosion. Weitere Informationen sowie grafische Darstellungen der Nährstofffrachten der Flussgebiete, die in die Nordsee entwässern und an denen Niedersachsen beteiligt ist, sind der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage „Meeresschutz in Niedersachsen - Nordsee sauber halten Schadstoffbelastung der Nordsee senken“ (Drs. 16/2670) zu entnehmen. 7. Inwiefern wurde in dem Maßnahmenpakt zur Einhaltung der WRRL der Einfluss der Kläranlagen berücksichtigt? Einleitungen aus kommunalen Kläranlagen spielen bei den signifikanten Belastungen der Oberflächenwasserkörper aufgrund des technischen Standards der niedersächsischen Kläranlagen nur an wenigen Wasserkörpern eine Rolle. Im niedersächsischen Beitrag zu den Bewirtschaftungsplänen 2015 bis 2021 der Flussgebiete Elbe, Weser, Ems und Rhein (Dezember 2015) wurde lediglich für 13 Wasserkörper von insgesamt 1 562 Wasserkörpern eine signifikante Belastung aus Punktquellen insbesondere im Hinblick auf Nährstofffrachten festgestellt. Ursächlich dafür waren insbesondere Kläranlagen, die in Gewässer mit geringer Leistungsfähigkeit einleiten oder deren Reinigungsleistung zu verbessern ist. Daher werden im aktuellen niedersächsischen Beitrag zu dem Maßnahmenprogramm 2015 bis 2021 der Flussgebiete Elbe, Weser, Ems und Rhein (Dezember 2015) nur in sehr geringem Umfang Maßnahmen als notwendig erachtet. Gleichwohl sind die konkreten signifikant belasteten Wasserkörper und notwendige Maßnahmen aufgezeigt. Aktuell bzw. im Rahmen der Aktualisierung der Berichte für den dritten Bewirtschaftungsplan wird die Signifikanz der Belastung überprüft und auch hier eine Maßnahmenableitung konkretisiert. 8. Welche Auswirkungen haben diese Werte auf die Ausweisung der „roten Gebiete“? Keine. 9. Was wurde bislang unternommen, um diese Nährstofffrachten zu minimieren? Die niedersächsischen Kläranlagen erfüllen die gesetzlichen Vorgaben. Die Mindestanforderungen an das Einleiten von Abwasser in ein Gewässer aus kommunalen Kläranlagen sind im Anhang 1 der Abwasserverordnung festgelegt. Eine Erlaubnis für das Einleiten von Abwasser in ein Gewässer darf von den zuständigen Wasserbehörden nur erteilt werden, wenn mindestens diese Anforderungen eingehalten werden. Sofern der Gewässerschutz es verlangt, können für die im Anhang 1 der Abwasserverordnung aufgeführten Parameter auch strengere Anforderungen gestellt werden. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/5142 4 Eine weitergehende Nährstoffelimination wird für Kläranlagen mit einer Ausbaugröße von mehr als 10 000 EW vorgeschrieben. Das betrifft in Niedersachsen 304 Kläranlagen mit einer Kapazität von insgesamt über 14,0 Millionen EW - also etwa 94 % der Kläranlagenkapazität. Der Nährstoffabbau, insbesondere der des Stickstoffs, wird darüber hinaus auch häufig bei kleineren Kläranlagen gefordert , wenn dies im Interesse des örtlichen Gewässerschutzes geboten ist. In Niedersachsen leisten alle kommunalen Kläranlagen mit einer Ausbaugröße ab 2 000 EW folgenden Frachtabbau (gewichtete Mittelwerte; Stand: 2017): – 95,5 % beim CSB, – 94,5 % beim Phosphor gesamt (Pges), – 91,5 % beim Stickstoff gesamt (Nges, gemessen als NH4-N, NO2-N, NO3-N). Sowohl die organische Schmutzbelastung - gemessen als CSB - als auch die Nährstoffbelastung werden in den Abwasserbehandlungsanlagen zu über 90 % reduziert. 10. Was ist gegebenenfalls geplant, um diese Nährstofffrachten zukünftig zu minimieren? Derzeit beschäftigt sich eine Kleingruppe des Bund-Länder-Arbeitskreises Abwasser, an der auch Niedersachsen mitarbeitet, mit der Überprüfung des „Stands der Technik“ für die Anforderungen an Nährstoffe in Anhang 1 der Abwasserverordnung. Die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe bleiben abzuwarten . Weiterhin wird auf die Antwort zu Frage 9 wird verwiesen. (Verteilt am 20.11.2019) Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LTmit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Hermann Grupe (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung Welche Mengen an ungeklärtem Haushaltsabwasser und Nährstofffrachten werden jährlich legal in Niedersachsens Gewässer eingelassen?