Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/5144 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Jens Ahrends (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Neue Flüchtlingswelle Anfrage des Abgeordneten Jens Ahrends (AfD), eingegangen am 09.10.2019 - Drs. 18/4804 an die Staatskanzlei übersandt am 16.10.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 18.11.2019 Vorbemerkung des Abgeordneten Bundesinnenminister Horst Seehofer befürchtet eine größere „Flüchtlingswelle“ als 20151, als laut Mitteilung des Statistischen Bundesamtes2 knapp 2 Millionen ausländischer Personen in die Bundesrepublik einwanderten, woraus der höchste Wanderungsüberschuss ausländischer Personen in der Geschichte der Bundesrepublik folgte. Die Migranten werden auf Grundlage des Quotensystems „EASY“ verteilt, das für Niedersachsen im Jahre 2019 eine Quote von 9,40993 % vorsieht3. Nach Angaben der Europäischen Union sei der Zuzug von Migranten aus der Türkei in die EU im Vergleich zum Vorjahr um 23 % gestiegen4. Seehofer plant eine stärkere Zusammenarbeit mit der Türkei und sagte der türkischen Regierung zu, für weitere Finanzhilfen zugunsten der Türkei bei der EU-Kommissionspräsidentin zu werben5. Gleichzeitig kündigt der türkische Staatspräsident Erdogan eine baldige Boden- und Luftoffensive gegen kurdisch kontrollierte Gebiete auf syrischem Staatsgebiet an6. Vorbemerkung der Landesregierung In der zitierten Presseinformation des Statistischen Bundesamtes ging dieses davon aus, dass bis Ende 2015 knapp 2 Millionen ausländischen Personen nach Deutschland zugezogen sind. Unter Berücksichtigung wegziehender Ausländerinnen und Ausländer habe dies jedoch zu einer tatsächlichen Zugangszahl von rund1,14 Millionen ausländischer Personen im Jahr 2015 geführt. Bundesinnenminister Seehofer thematisiert in Wahrnehmung der verfassungsrechtlichen Rolle des Bundes die auch im Jahr 2019 noch fortbestehende Notwendigkeit einer besseren Unterstützung der an den EU-Außengrenzen gelegenen Staaten. Es geht in der angegebenen Medienberichterstattung um sein Bemühen, mehr Mitgliedstaaten für eine gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik zu gewinnen. Die Landesregierung begrüßt diese Bemühungen. 1 Vgl. https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-10/griechenland-horst-seehofer-fluechtlingspolitik-eu-aussen grenzen. 2 https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2016/03/PD16_105_12421.html. 3 http://www.bamf.de/DE/Fluechtlingsschutz/AblaufAsylv/Erstverteilung/erstverteilung-node.html. 4 Vgl. https://www.dw.com/de/eu-immer-mehr-migranten-kommen-%C3%BCber-die-t%C3%BCrkei-in-dieeu /a-50710005. 5 Vgl. https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-10/griechenland-horst-seehofer-fluechtlingspolitik-eu-aussen grenzen. 6 Vgl. https://www.spiegel.de/politik/ausland/tuerkei-recep-tayyip-erdogan-kuendigt-militaereinsatz-in-syrienan -a-1290174.html. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/5144 2 Sie macht sich jedoch die Verwendung des Wortes „Flüchtlingswelle“ nicht zu eigen, weil dies die gebotene Betrachtung des jeweiligen Einzelschicksals vermeidet und den Umstand verkennt, dass es sich bei Flüchtlingen um Menschen handelt, die sich aufgrund von Ereignissen aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Staatszugehörigkeit oder wegen politischer Überzeugung außerhalb ihres Heimatlandes befinden oder die ihre Heimat verlassen mussten und Angst davor haben, wieder zurückzukehren. Flüchtende Menschen haben insbesondere die gleichen vollen Menschenrechte auf Schutz vor Folter und menschenunwürdiger Behandlung, das Recht auf freie Meinungsäußerung, Religionsfreiheit und das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit . 1. Teilt die Landesregierung die Einschätzung des Bundesinnenministers, dass der Europäischen Union und somit auch der Bundesrepublik und Niedersachsen eine dem Jahre 2015 vergleichbare „Flüchtlingswelle“ bevorsteht? Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. Im Übrigen befinden sich laut UNHCR-Flüchtlingsbericht derzeit weltweit mehr als 70 Millionen Menschen auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung und Konflikten. Insbesondere die aktuelle Lage im türkisch-syrischen Grenzgebiet und in Afghanistan ist unübersichtlich . Daraus resultiert ein unverändert hoher Migrationsdruck auf Europa, der sich seit einigen Monaten auch wieder auf den griechischen Inseln deutlich zeigt. Durch die Militäroffensive der Türkei hat sich die ohnehin angespannte Situation aktuell verschärft. Angesichts dieser nicht verlässlich abzuschätzenden Entwicklungen ist eine Einschätzung künftiger Fluchtbewegungen, insbesondere von Ausmaß und Fluchtrouten, nicht möglich Die Landesregierung begrüßt insoweit alle Aktivitäten der Bundesregierung, die das Ziel verfolgen, zu einer Stabilisierung in den Herkunftsländern, in den Transitländern und an den EU- Außengrenzen beizutragen sowie eine faire Lastenverteilung zwischen den EU-Mitgliedstaaten voranzubringen . 2. Sind die niedersächsischen Behörden und die in Niedersachsen befindlichen Außenstellen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge nach Ansicht der Landesregierung ausreichend vorbereitet, um einen Zustrom wie 2015 zu bewältigen? Die Situation im Jahr 2015 führte in Deutschland zu einer engen Zusammenarbeit auf allen Ebenen von Bund, Ländern und Kommunen. Neue Mechanismen zur Aufnahme Geflüchteter wurden initiiert und haben sich bewährt. So hat die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen seit 2016 zwei Ankunftszentren und auch Reserveliegenschaften zu ihren Erstaufnahmeeinrichtungen geschaffen. Auch sind die Instrumente und Verfahren zu einer Identifizierung und Registrierung der Ankommenden verbessert worden. Auf einen Anstieg der Flüchtlingszahlen wäre die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen daher vorbereitet. Die aktuellen Zugangszahlen spiegeln jedoch einen Anstieg nicht wieder; so liegt die Zahl der Zugänge in Niedersachsen zum Stand 31.10.2019 fast 16 % niedriger als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres und beträgt derzeit rund 10 % der Zugangszahlen des Jahres 2015. Der Bund hat den Bundesländern seit 2016 eine nach § 44 Abs. 2 des Asylgesetzes vorgesehene Prognose zur voraussichtlichen Entwicklung der Zugänge nicht mehr mitgeteilt. Daher entzieht es sich der Kenntnis des Landes, ob und inwiefern er von steigenden Zahlen ausgeht und welche konkreten Vorbereitungen er unternimmt oder bereits unternommen hat. 3. Plant die Landesregierung vor dem Hintergrund eines möglichen Flüchtlingszustroms vorbereitende Maßnahmen? Bejahendenfalls, welche sind dies? Siehe Antwort zu Frage 2. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/5144 3 4. Wie bewertet die Landesregierung die finanzielle Unterstützung der Türkei, während diese zugleich militärische Maßnahmen in Syrien vorbereitet? Wird die Landesregierung ihre Position auf Bundesebene und/oder europäischer Ebene mit Nachdruck vertreten ? Artikel 32 und 73 des Grundgesetzes weisen die Pflege der auswärtigen Angelegenheiten und die diesbezügliche Gesetzgebungskompetenz dem Bund zu. Staatsminister Annen hat am 16.10.2019 im Deutschen Bundestag auf die dadurch verursachte Gefährdung des UN-Friedensprozesses für Syrien, die Möglichkeit einer Erstarkung des IS und die Konsequenzen für die Sicherheitslage in Europa und Deutschland hingewiesen. Er hat auch die innenpolitische Lage in der Türkei sowie die langfristigen Sicherheitsinteressen einschließlich der NATO-Partnerschaft der Türkei in diesen Gesamtkontext gestellt. Gleichzeitig spielt die Türkei eine große Rolle bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise. Hierzu gehört die Aufnahme von über 3,5 Millionen Flüchtlingen in der Türkei, die den Betroffenen dadurch einen sicheren Platz bis zum Kriegsende nahe ihren Heimatländern gewährt. In diesem Spannungsgefüge wird jedes Handeln der Bundesregierung dem Ziel der Vermeidung einer Verschärfung der humanitären Lage und dem Schutz eigener Sicherheitsinteressen unter Achtung geltenden Rechts dienen müssen. Soweit es im Rahmen der Kompetenzordnung des Grundgesetzes möglich ist, wird die Landesregierung die Bundesregierung bei dieser anspruchsvollen Aufgabe unterstützen 5. Welche Auswirkungen hätte nach Ansicht der Landesregierung eine weitere türkische Militärintervention auf den Zustrom syrischer Flüchtlinge in die Bundesrepublik und Niedersachsen? Siehe Antwort zu Frage 1. 6. Welche Rückschlüsse zieht die Landesregierung vor dem Hintergrund des gestiegenen Zuzugs von Migranten aus der Türkei auf die zu erwartende Anzahl in Niedersachsen ankommender Migranten im Jahr 2020? Siehe Antwort zu Frage 1. (Verteilt am 20.11.2019) Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LTmit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Jens Ahrends (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Neue Flüchtlingswelle