Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/5158 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Belit Onay, Anja Piel, Christian Meyer und Dragos Pancescu (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Welche Schlüsse zieht die Landesregierung aus dem aktuellen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Kennzeichnungspflicht für Polizistinnen und Polizisten? Anfrage der Abgeordneten Belit Onay, Anja Piel, Christian Meyer und Dragos Pancescu (GRÜNE), eingegangen am 17.10.2019 - Drs. 18/4910 an die Staatskanzlei übersandt am 22.10.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 20.11.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten Das Bundesverwaltungsgericht hat die Kennzeichnungspflicht für Polizeieinheiten in Brandenburg mit der Entscheidung BVerwG 2 C 32.18 - Urteil vom 26. September 2019 - für rechtmäßig erklärt. Zwei Polizeibeamte aus Brandenburg, die auch in geschlossenen Einheiten eingesetzt werden, hatten beim Polizeipräsidium erfolglos beantragt, von der Verpflichtung zum Tragen des Namensschilds und des Kennzeichens befreit zu werden. Ihre Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben . Das Bundesverwaltungsgericht hat auch die Revision der Kläger zurückgewiesen. Zwar greife die Verpflichtung zum Tragen des Namensschilds in das auch Beamten ungeschmälert zustehende Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein, weil sie verpflichtet sind, ihren Nachnamen gegenüber Dritten im Rahmen von Amtshandlungen zu offenbaren. Dieser Eingriff sei aber verfassungsgemäß, so das Urteil. Er beruhe auf einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage . Die Verpflichtung genüge dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie diene zum einen der Stärkung der Bürgernähe und der Transparenz der Arbeit der Polizei. Zum anderen gewährleiste sie die leichtere Aufklärbarkeit etwaiger Straftaten oder nicht unerheblicher Dienstpflichtverletzungen von Polizeivollzugsbeamten und beuge damit solchen vor, so heißt es weiter. Bei der Verpflichtung zum Tragen der Kennzeichnung trete der Gesichtspunkt der Prävention in den Vordergrund. Weiterhin sei wegen der Möglichkeit der Identifizierung auch gewährleistet, dass die Vielzahl rechtmäßig handelnder Beamter von einer Einbeziehung in Ermittlungen verschont bleibe. Die Kennzeichnungspflicht sei zudem eine Möglichkeit, der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Rechnung zu tragen. Vorbemerkung der Landesregierung Die Landesregierung bewertet die Rechtsverfahren anderer Bundesländer grundsätzlich nicht. Sie nimmt auch nicht zu Äußerungen des Bundesverwaltungsgerichts zu Rechtsverfahren anderer Bundesländer Stellung. Im Übrigen liegt die dieser Anfrage zugrunde liegende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) in ihrer schriftlichen Ausfertigung als Volltext noch nicht vor. Insofern wird darauf hingewiesen, dass Grundlage der Beantwortung der nachfolgenden Fragen inhaltlich die Pressemitteilung Nr. 67/2019 des BVerwG vom 26.09.2019 ist. Aktuell besteht für die Beschäftigten der Polizei des Landes Niedersachsen keine Pflicht zum Tragen einer individuellen Kennzeichnung, weder für den Bereich des Polizeieinzeldienstes noch für Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/5158 2 Einsätze von geschlossenen Einheiten. Es liegt jedoch im Interesse der Landesregierung und auch der Polizei selbst, mit einer bürgernahen Polizei das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Polizei durch Offenheit und Transparenz des Handelns zu stärken. Vertrauen schafft Akzeptanz für notwendige Maßnahmen. Aus diesem Grund wurden 1996 für die niedersächsischen Polizeibeamtinnen und -beamte Namensschilder eingeführt. Die Namensschilder fördern die zwischenmenschliche Begegnung mit dem Bürger und zeigen die Bereitschaft, Kritik am eigenen Handeln zu ermöglichen. Das Tragen der Namensschilder ist ausdrücklich erwünscht. Diese Verfahrensweise hat sich in der Praxis bewährt . Der von einer polizeilichen Maßnahme Betroffene hat aus dem Rechtsstaatprinzip heraus einen Anspruch, u. a. durch Einlegen von Rechtsmitteln die ihn belastende Maßnahme überprüfen und gegebenenfalls aufheben zu lassen. Hierzu gehört auch die Möglichkeit für jede Bürgerin und jeden Bürger, die einzelne Polizeibeamtin oder den einzelnen Polizeibeamten aus der Anonymität herauslösen und identifizieren zu können, um gegebenenfalls entsprechend vorzugehen. Mit dem Vorzeigen des Dienstausweises wird der Betroffenen oder dem Betroffenen u. a. diese Möglichkeit gegeben . Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 9. November 2017 (Individualbeschwerde Nr. 47274/15) legt bezüglich der fehlenden Individualkennzeichnung von behelmten Polizeibeamten lediglich fest, dass im Falle des Vorwurfs polizeilichen Fehlverhaltens an das anschließende Ermittlungsverfahren herausragende Sorgfaltsanforderungen zu stellen sind. Eine Verpflichtung zur zukünftigen Individualkennzeichnung ergibt aus dem Urteil nicht. Für Niedersachsen ergibt sich daher kein unmittelbarer Handlungsbedarf. 1. Welche Schlüsse zieht die Landesregierung aus dem aktuellen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Kennzeichnungspflicht? Siehe Vorbemerkung. 2. Wird die Landesregierung das Urteil zum Anlass nehmen, (gegebenenfalls auch untergesetzliche ) Regelungen zur Kennzeichnung von Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten in Niedersachsen zu überarbeiten oder neue einzuführen? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Siehe Vorbemerkung. 3. Teilt die Landesregierung die Rechtauffassung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach der betreffende Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung der Beamtinnen und Beamten auf einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage beruhe? Wenn nein, warum nicht? Siehe Vorbemerkung. 4. Teilt die Landesregierung die Rechtauffassung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Verpflichtung zum Tragen einer Kennzeichnung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genüge? Wenn nein, warum nicht? Siehe Vorbemerkung. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/5158 3 5. Teilt die Landesregierung die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Verpflichtung zum Tragen einer Kennzeichnung der Stärkung der Bürgerinnen- und Bürgernähe und Transparenz der Arbeit der Polizei diene? Wenn nein, warum nicht? Siehe Vorbemerkung. 6. Teilt die Landesregierung die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Kennzeichnung eine leichtere Aufklärbarkeit etwaiger Straftaten oder nicht unerheblicher Dienstpflichtverletzungen von Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten gewährleiste und diesen somit vorbeuge? Siehe Vorbemerkung. 7. Wie gewährleistet die Landesregierung gegenwärtig, dass rechtmäßig handelnde Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte ohne Kennzeichnung von der Einbeziehung in Ermittlungen verschont bleiben? Rechtmäßig handelnde Beamtinnen und Beamte können grundsätzlich im Rahmen von Ermittlungsverfahren auch als Zeugen befragt werden. 8. Wie bewertet die Landesregierung die Aussage des Bundesverwaltungsgerichts, dass die Kennzeichnungspflicht eine Möglichkeit sei, der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Rechnung zu tragen? Siehe Vorbemerkung. (Verteilt am ) (Verteilt am 25.11.2019) Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LTmit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Belit Onay, Anja Piel, Christian Meyer und Dragos Pancescu (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Welche Schlüsse zieht die Landesregierung aus dem aktuellen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Kennzeichnungspflicht für Polizistinnen und Polizisten?