Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/5182 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Imke Byl und Christian Meyer (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung Seltene Libellenart im Landkreis Gifhorn - Vorkommen der Vogelazurjungfer durch Ausweisung eines FFH-Gebiets schützen? Anfrage der Abgeordneten Imke Byl und Christian Meyer (GRÜNE), eingegangen am 02.10.2019 - Drs. 18/4747 an die Staatskanzlei übersandt am 09.10.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 21.11.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten In den Orten Darrigsdorf und Wollerstorf in der Stadt Wittingen, Landkreis Gifhorn liegt ein Grabengeflecht (Fulau und Ziegeleigraben in der Gemarkung Darrigsdorf), in dem die seltene Libellenart „Vogelazurjungfer“ vorkommt. Auf der Roten Liste Niedersachsen (2010) wird der Gefährdungsgrad der Vogelazurjungfer als „vom Erlöschen bedroht“ eingestuft. Die Vogelazurjungfer ist im Anhang II der Europäischen Flora-Fauna-Habitatrichtlinie (FFH) aufgeführt , der Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse beinhaltet, für deren Erhaltung besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen. Für die Anhang-II-Arten sind mit höchster Priorität Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen durchzuführen. Der Erhaltungszustand der Art wird in der atlantischen Region in Niedersachsen aktuell als schlecht bewertet. Demnach sind für den Erhalt der Art Maßnahmen innerhalb und außerhalb von FFH-Gebieten durchzuführen. „In Niedersachsen sind nur wenige Gebiete mit aktuellen Vorkommen bekannt. Alle aktuellen Vorkommen der Art sind vorrangig zu sichern.“1 Als Gebiet mit Priorität für die Umsetzung von Schutzmaßnahmen führt der NLWKN die Landkreise Gifhorn, Uelzen, Lüchow-Dannenberg sowie die kreisfreie Stadt Salzgitter auf. Vorbemerkung der Landesregierung Die Vogel-Azurjungfer gehört zur Familie Azurjungfern (Coenagrionidae). Ihre Körperlänge beträgt bis zu 30 Millimeter, Spannweite bis zu 48 Millimeter. Wie alle Azurjungfern ist sie kontrastreich schwarz-blau gefärbt. Besiedelt werden langsam fließende, besonnte, winterwarme Gräben und Bäche mit wintergrüner Unterwasservegetation. Die Eier werden in untergetauchte Blätter und Stängel gelegt. Die Larvalentwicklung dauert in Mitteleuropa ein, eventuell auch zwei Jahre. Die Hauptflugzeit der Azurjungfer erstreckt sich von Ende Mai bis Mitte Juli. Die Art erreicht in Deutschland den Rand ihres Verbreitungsgebietes und ist insgesamt sehr selten. Die Bestandssituation in Niedersachsen ist unklar, da die Art sehr leicht übersehen werden kann. Sie ist im Anhang II der FFH-Richtlinie gelistet und gehört zu den nach Artenschutzrecht streng geschützten Arten. 1 Vgl. Vollzugshinweise zum Schutz von Wirbellosenarten in Niedersachsen, Vogel-Azurjungfer (Coenagrion ornatum), (Stand November 2011), https://www.nlwkn.niedersachsen.de/download/50866 (abgerufen am 27.09.2019). Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/5182 2 1. Wie lauten die Erhaltungsziele für die Vogelazurjungfer in Niedersachsen? Ziele sind die Erhaltung und gegebenenfalls Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes des Lebensraumes, die Aufrechterhaltung und gegebenenfalls Wiederherstellung von stabilen, langfristig sich selbst tragenden Populationen sowie die Erhaltung bzw. Ausdehnung des Verbreitungsgebietes der Art. 2. Seit wann ist der Landesregierung das Vorkommen der Vogelazurjungfer in Darrigsdorf und Wollerstorf bekannt? Das Vorkommen der Art bei Mannhagen/Darrigsdorf/Wollerstorf wurde erst durch die Kartierungen der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV) ab 2009 im Zusammenhang mit den Planungen zur Bundesautobahn A 39 bekannt. 3. Findet derzeit eine Bestandsüberwachung des Vorkommens in Darrigsdorf und Wollerstorf statt? Ja, das Vorkommen der Vogel-Azurjungfer wird regelmäßig durch ein Berliner Planungsbüro im Auftrage des Geschäftsbereiches des NLStBV untersucht. Zudem finden vertiefte artenschutzfachliche Untersuchungen statt, um eine Einschätzung der Bedeutung des Gesamtsystems Fulau/Ziegeleigraben/Moosgraben für die Gesamtbeurteilung des Bestandes und der Raumnutzung der Vogel-Azurjungfer in dem in Rede stehenden Bereich vornehmen zu lassen. 4. Falls ja: a) Seit wann findet die Bestandsüberwachung statt, und welche Maßnahmen umfasst diese ? Die NLStBV hat in mehreren Gewässerabschnitten im Umfeld des Ziegeleigrabens auf der Trasse der geplanten Bundesautobahn A 39 seit 2009 regelmäßig intensiv kartieren lassen. Dazu finden in der Regel pro Jahr sechs Begehungen der Gewässer an sonnigen Tagen und während der Flugzeit der Art statt. Methodisch wird dabei im Bereich potenzieller Paarungs- und Eiablageplätze eine gezielte Suche unter Hilfe von Lebendfang vorgenommen. b) Welche Ergebnisse hat die Bestandsüberwachung seit ihrem Beginn erbracht? Die Population der Vogel-Azurjungfer im Ziegeleigraben hat sich in den vergangenen zehn Jahren - wenn auch mit den für diese Arten üblichen starken Schwankungen (zwischen null und ca. fünf bis sechs nachgewiesenen Individuen) - als relativ stabil erwiesen. In der Fulau wurden in einzelnen Jahren zum Teil stark schwankende Individuenzahlen festgestellt, es war jedoch keine durchgängige Besiedlung über den gesamten Zeitraum festzustellen. Die Fulau ist nach ersten, nicht abschließenden Einschätzungen als Ausweichhabitat einzustufen, das in erster Linie die Aufgabe hat, den Hauptlebensraum zu ergänzen und nach Extremereignissen wie z. B. Trockenfallen des Hauptgewässers oder anderen außergewöhnlichen Ereignissen das Überleben der Art und die Wiederbesiedlung des Hauptlebensraumes zu gewährleisten. Die vertieften artenschutzfachliche Untersuchungen zur Einschätzung der Bedeutung des Gesamtsystems Fulau/Ziegeleigraben/Moosgraben für den Bestand sowie die Raumnutzung der Vogel- Azurjungfer in dem in Rede stehenden Raum sind noch nicht abgeschlossen. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/5182 3 5. Wurde geprüft, ob eine Ausweisung des Gebiets als FFH-Gebiet rechtlich erforderlich ist? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Das Gebiet wurde Ende 2016 im Rahmen mehrerer Gebietskorrekturen und -nachmeldungen vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz als Neuvorschlag FFH-Gebiet 176 „Ziegeleigraben und angrenzende Gewässer“ vorgeschlagen. Da die Bedeutung des Gesamtsystems Fulau/Ziegeleigraben/Moosgraben für die Gesamtbeurteilung des Bestandes und der Raumnutzung der Vogel-Azurjungfer nicht abschließend zu beurteilen war, wurde die weitere Betrachtung für eine Nachmeldung des Gebietes aufgrund von offenen Fragen bezüglich der Gebietsabgrenzung zurückgestellt. Im Anschluss daran erarbeitet die NLStBV derzeit eine vertiefte artenschutzfachliche Einschätzung der Bedeutung des Gesamtsystems Fulau/Ziegeleigraben/ Moosgraben für die Gesamtbeurteilung bezüglich des Bestandes der Vogel-Azurjungfer in dem in Rede stehenden Raum (siehe Antwort zu Frage 4). Für eine Abgrenzung und Ausweisung des Gebietes als FFH-Gebiet fehlt es bislang an einer abschließenden Gesamtbeurteilung des Bestandes sowie der Raumnutzung der Vogel-Azurjungfer (siehe Antwort zu Frage 4). Insoweit ist bis zu einer möglichen Ausweisung durch jedwede Planung sicherzustellen, dass eine Ausweisung des Lebensraumes dieser Art nicht unmöglich gemacht wird. 6. Welche Flächenschutzinstrumente werden genutzt, um das Vorkommen im Landkreis Gifhorn zu schützen? Derzeit keine. Unabhängig hiervon gelten die Anforderungen des Artenschutzrechtes. 7. Welche wasserrechtlichen Instrumente werden genutzt, um das Vorkommen zu schützen ? Die Maßnahmen der Gewässerunterhaltung für die als Lebensraum fungierenden Gewässer werden intensiv zwischen der unterhaltungspflichtigen Kommune, dem zuständigen Unterhaltungsverband , einem ortsansässigen Biologen, der unteren Wasserbehörde und der unteren Naturschutzbehörde abgestimmt. 8. Welche Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen werden umgesetzt, um das Vorkommen zu schützen? Bei der Gewässerunterhaltung werden die Ansprüche der Vogelazurjungfer berücksichtigt. (Verteilt am 25.11.2019) Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LTmit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Imke Byl und Christian Meyer (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung Seltene Libellenart im Landkreis Gifhorn - Vorkommen der Vogelazurjungfer durch Ausweisung eines FFH-Gebiets schützen?