Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/5203 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Julia Willie Hamburg, Belit Onay, Christian Meyer und Dragos Pancescu (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Rechte Straftaten im 3. Quartal 2019 Anfrage der Abgeordneten Julia Willie Hamburg, Belit Onay, Christian Meyer und Dragos Pancescu (GRÜNE), eingegangen am 24.10.2019 - Drs. 18/4942 an die Staatskanzlei übersandt am 28.10.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 26.11.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten Laut Presseberichten fand im September ein Konzert rechter Organisationen statt. Demnach wurden diverse Strafverfahren gegen Teilnehmerinnen und Teilnehmer und Organisatoren u. a. wegen Volksverhetzung eingeleitet.1 In Niedersachsen werden jede Woche zahlreiche politisch rechts motivierte Straftaten begangen. Nicht alle Geschehnisse erreichen die Öffentlichkeit. Vorbemerkung der Landesregierung Im Rahmen der Bekämpfung der politisch motivierten Kriminalität - rechts - und des Rechtsextremismus führen die niedersächsischen Sicherheitsbehörden im Rahmen ihrer Aufgabenbewältigung präventive, gefahrenabwehrende und strafverfolgende Maßnahmen durch und gehen niedrigschwellig im Rahmen der gesetzlichen und rechtlichen Voraussetzungen gegen diese Phänomene vor. In Bezug auf die in der Vorbemerkung aufgegriffene Berichterstattung zu polizeilichen Maßnahmen ergibt sich, dass im Bereich der Polizeidirektion Braunschweig bekannt geworden war, dass die sogenannte „Nationale Kameradschaft Harz“ zu einem Liederabend am 21.09.2019 in den „Raum Goslar“ eingeladen hatte. Der Veranstaltungsort konnte durch polizeiliche Maßnahmen festgestellt werden. Im Laufe der Veranstaltung wurden gesungene Textpassagen wahrgenommen, die den Anfangsverdacht einer Straftat nach § 130 des Strafgesetzbuchs (StGB) erfüllten. Es erfolgten polizeiliche Maßnahmen, u. a. Identitätsfeststellungen, die Anwendung unmittelbaren Zwangs, die Erteilung von Platzverweisen, und es wurden ein Strafverfahren wegen Volksverhetzung § 130 StGB gegen mehrere Beschuldigte sowie zwei Strafverfahren wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte § 113 StGB gegen je einen Beschuldigten eingeleitet. Straftaten, die aus einer politischen Motivation heraus begangen werden, werden über den Kriminalpolizeilichen Meldedienst Politisch motivierte Kriminalität (KPMD-PMK) erfasst. Ausgehend von den Motiven zur Tatbegehung und den Tatumständen werden politisch motivierte Taten mindestens einem, aber soweit zutreffend auch mehreren Themenfeldern zugeordnet sowie die erkennbaren ideologischen Hintergründe und Ursachen der Tatbegehung im Phänomenbereich abgebildet. 1 https://www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/polizei-sprengt-rechten-liederabend Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/5203 2 1. Wie viele rechte Straftaten wurden in Niedersachsen im dritten Quartal 2019 jeweils polizeilich registriert (bitte auflisten nach Landkreisen/kreisfreien Städten, bitte Stichtag nennen)? Zur Generierung der Fallzahlen führte das Landeskriminalamt (LKA) Niedersachsen mittels des polizeilichen Auswertesystems NIVADIS 2.0 eine Erhebung im Sinne der Fragestellungen durch. Es handelt sich um einen dynamischen Datenbestand, der fortlaufend Änderungen unterliegen kann. Mit Stichtag 30.10.2019 wurden im dritten Quartal 2019 insgesamt 326 Fälle rechtsmotivierter Straftaten polizeilich registriert, die sich entsprechend der Fragestellung wie folgt aufteilen: Landkreise/Kreisfreie Städte Anzahl Ammerland 4 Aurich 10 Braunschweig, Kreisfreie Stadt 22 Celle 1 Cloppenburg 6 Cuxhaven 9 Delmenhorst, Kreisfreie Stadt 2 Diepholz 12 Emden, Kreisfreie Stadt 4 Emsland 3 Friesland 5 Gifhorn 1 Goslar 8 Göttingen 29 Grafschaft Bentheim 1 Hameln-Pyrmont 6 Hannover, Landeshauptstadt 33 Hannover, Region 21 Harburg 8 Heidekreis 5 Helmstedt 2 Hildesheim 4 Holzminden 5 Leer 5 Lüchow-Dannenberg 1 Lüneburg 7 Nienburg (Weser) 8 Northeim 11 Oldenburg 4 Oldenburg(Oldb), Kreisfreie Stadt 7 Osnabrück 13 Osnabrück, Kreisfreie Stadt 8 Osterholz 1 Rotenburg (Wümme) 6 Salzgitter, Kreisfreie Stadt 7 Schaumburg 12 Stade 5 Vechta 6 Verden 8 Wesermarsch 2 Wilhelmshaven, Kreisfreie Stadt 4 Wittmund 4 Wolfenbüttel 2 Wolfsburg, Kreisfreie Stadt 4 Summe statistisches Zähldelikt* 326 * Im Rahmen des KPMD-PMK werden in Tateinheit und natürlicher Handlungseinheit begangene Straftaten als ein Fall erfasst. Werden durch eine Tathandlung Straftatbestände unterschiedli- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/5203 3 cher Deliktsqualität verwirklicht, wird der Tatbestand angeführt, der die höchste Deliktsqualität aufweist. 2. Wie viele der unter 1. genannten rechten Straftaten waren Gewaltdelikte (bitte auflisten nach Landkreisen/kreisfreien Städten, bitte Stichtag nennen)? Mit Stichtag 30.10.2019 sind acht rechtsmotivierte Gewaltdelikte registriert. Landkreise/Kreisfreie Städte Anzahl Aurich 1 Braunschweig, Kreisfreie Stadt 4 Hannover, Landeshauptstadt 2 Heidekreis 1 3. Wie viele der unter 1. genannten rechten Straftaten hatten einen rassistischen oder fremdenfeindlichen Hintergrund? 86 Vorgänge sind einem fremdenfeindlichen und 16 einem rassistischen Hintergrund zugeordnet. 4. Wie viele der unter 1. genannten rechten Straftaten hatten einen antisemitischen Hintergrund ? 29 Vorgänge sind einem antisemitischen Hintergrund zugeordnet. 5. Wie viele der unter 1. genannten Straftaten hatten einen islamfeindlichen Hintergrund? Zwölf Vorgänge sind einem islamfeindlichen Hintergrund zugeordnet. 6. Wie viele der unter 1. genannten Straftaten hatten einen antiziganistischen Hintergrund ? Ein solcher Fall ist nicht registriert. 7. Wie viele der unter 1. genannten Straftaten hatten einen homo-, trans- oder queerfeindlichen Hintergrund? Bezug nehmend auf die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage „Übergriffe und Straftaten gegen Menschen mit queeren Lebensentwürfen“ (Drs. 18/3640) können Straftaten der vorbezeichneten Art gemäß bundesweit gültigem „Definitionssystem Politisch motivierte Kriminalität“ des BKA (Stand: 29.11.2017) im Themenfeld „Hasskriminalität“ erfasst werden, wenn ihnen eine politische Tatmotivation zugrunde liegt. Fünf Vorgänge aus der Antwort zu Frage 1 sind einer sexuellen Orientierung zugeordnet, wobei sämtliche Delikte, unabhängig ob mit homo-, trans- oder queerfeindlichem Hintergrund, unter dem Oberthemenfeld „Hasskriminalität“ mit dem Unterthemenfeld „sexuelle Orientierung“ erfasst werden . 8. Wie viele der unter 1. genannten rechten Straftaten hatten einen behindertenfeindlichen Hintergrund? Einer der Vorgänge ist dem Hintergrund einer Behinderung zugeordnet. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/5203 4 9. Wie viele der unter 1. genannten Straftaten hatten einen sozialdarwinistischen Hintergrund ? 17 der Vorgänge sind einem sozialdarwinistischen Hintergrund zugeordnet. 10. Wie viele Tatverdächtige konnten zu den unter 1. genannten Straftaten ermittelt werden ? Zu den genannten Vorgängen wurden 158 Tatverdächtige ermittelt. 11. Zu wie vielen Verurteilungen kam es im Zuge der Ermittlungen? Eine Aussage über die Erledigung der bei der Polizei im dritten Quartal eingeleiteten Ermittlungsverfahren durch Staatsanwaltschaften und Gerichte ist aufgrund der Tatsache, dass eine sogenannte Verlaufsstatistik nicht geführt wird, nicht möglich. Aus der justiziellen Statistik ergibt sich, dass im dritten Quartal 2019 zwölf Verurteilungen wegen rechtsmotivierter Straftaten erfolgt sind. Auf Ebene der Staatsanwaltschaften werden seit dem 01.07.2017 elektronische Zusatzattribute hinsichtlich rechtsmotivierter Straftaten geführt. Aufgrund dessen ist seitdem eine Auswertung nach Quartalen möglich. Dieser Statistik ist nur die Anzahl der Verfahren zu entnehmen, die in diesem Quartal eingestellt worden sind bzw. in denen eine Verurteilung erfolgt ist. Es ist kein Rückschluss darauf möglich, in welchem Zeitraum das jeweilige Verfahren eingeleitet wurde. Insofern können im jeweiligen Quartal abgeschlossene Verfahren auch schon in einem früheren Quartal eingeleitet worden sein. Anzumerken ist, dass aufgrund der kurzen Zeitspanne seit dem Verstreichen des dritten Quartals die polizeilichen Ermittlungen sowie die justiziellen Verfahren noch nicht in jedem Fall abgeschlossen und Mitteilungen der Staatsanwaltschaften an die zuständige Polizeidienststelle über Verfahrenseinstellungen bzw. Verfahrensausgänge gegebenenfalls noch nicht vollständig im polizeilichen Vorgangsbearbeitungssystem eingepflegt sind. 12. In wie vielen Fällen wurde die Ermittlung eingestellt (bitte aufschlüsseln nach Einstellungsgrund )? Im dritten Quartal 2019 sind 152 wegen solcher Straftaten eingestellte Verfahren in der justiziellen Statistik recherchiert worden (Stand 05.11.2019). Aufgeschlüsselt nach Einstellungsgrund stellt sich dies wie folgt dar: Einstellungsgrund Anzahl § 170 II StPO, Schuldausschließungsgrund 5 § 170 II StPO, Tat erfüllt keinen Straftatbestand 25 § 170 II StPO, Täterschaft nicht nachweisbar 68 § 170 II StPO, Verfahrenshindernis 6 § 170 II StPO wegen erwiesener Unschuld 2 Einstellung § 45 II JGG (erzieherische Maßnahme) 6 Einstellung § 45 III JGG (Jugendrichterliche Maßnahme) 2 Einstellung § 45 JGG (Voraussetzungen § 153 StPO) 7 Einstellung nach § 153a I StPO (Geldbetrag) 3 Einstellung nach § 153a I StPO (Täter-Opfer-Ausgleich) 2 Einstellung nach § 154 I StPO 14 Einstellung nach § 154f StPO (z. B. unbekannter Aufenthalt) 1 Einstellung wegen Geringfügigkeit (§ 153 I StPO) 10 Verweisung auf den Weg der Privatklage 1 (Verteilt am 28.11.2019) Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LTmit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Julia Willie Hamburg, Belit Onay, Christian Meyer und Dragos Pancescu (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Rechte Straftaten im 3. Quartal 2019