Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/5226 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Dr. Marco Genthe und Dr. Stefan Birkner (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Weitere Nachfragen - Zuverlässigkeitsüberprüfung für Polizeianwärter? Anfrage der Abgeordneten Dr. Marco Genthe und Dr. Stefan Birkner (FDP), eingegangen am 29.10.2019 - Drs. 18/4984 an die Staatskanzlei übersandt am 04.11.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 28.11.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten Im Zuge der Antwort der Landesregierung auf unsere Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung „Nachfragen - Zuverlässigkeitsüberprüfung für Polizeianwärter?“ (Drs. 18/4384) ergeben sich, insbesondere zu dem von der Landesregierung genannten Fall in Osnabrück, weitere Nachfragen. 1. In welcher Art des Beamtenverhältnisses (auf Widerruf, auf Probe, auf Lebenszeit) befand sich die Person, die im Jahr 2018 im Bereich der Polizeidirektion Osnabrück wegen zweifelhafter Verfassungstreue (§ 86 a StGB) aufgefallen ist? Die betreffende Person befindet sich in einem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit. 2. In welcher Form hat die Person den § 86 a StGB verwirklicht (Beschreibung des Sachverhalts )? Nach einer privaten Geburtstagsfeier, bei der Alkohol konsumiert wurde, zeichnete die beschuldigte Person am Morgen des Folgetages der schlafenden Lebensgefährtin mit einem Stift ein Hakenkreuz auf die Stirn. Hiervon fertigte die Person mittels eines Mobiltelefons ein Foto und stellte dieses - laut Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Aurich versehen mit dem Zusatz „Sieg Heil“ - in eine private Snap-Chat Gruppe ein, zu der insgesamt acht Personen aus dem Kollegenkreis (einschließlich der beschuldigten Person und der Lebensgefährtin) Zugriff hatten. 3. Ist ein Strafverfahren durchgeführt worden, wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wegen des oben geschilderten Sachverhalts ist ein Ermittlungsverfahren wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86 a StGB) eingeleitet worden. Das Ermittlungsverfahren ist gemäß § 170 Abs. 2 StPO durch die Staatsanwaltschaft Aurich mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden. Zwar handelt es sich sowohl beim Verwenden des Hakenkreuzes als auch beim Verwenden der Formulierung „Sieg Heil“ um ein Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Eine Strafbarkeit nach § 86 a Abs. 1 Nr. 1 StGB erfordert darüber hinaus jedoch eine öffentliche Verwendung bzw. ein öffentliches Zugänglichmachen . Daran fehlte es, da die inkriminierten Kennzeichen in eine geschlossene und private Benutzergruppe eingestellt wurden. Hinsichtlich des Vorwurfs der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs der Lebensgefährtin nach § 201 a StGB, einem absoluten Strafantragsdelikt, fehlte es an dem erforderlichen Strafantrag. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/5226 2 4. Welche konkrete Disziplinarmaßnahme (Verweis, Geldbuße in welcher Höhe, Kürzung der Bezüge in welcher Größenordnung und über welchen Zeitraum, Herabstufung) ist ausgesprochen worden? Die Polizeidirektion Osnabrück sprach gegen die Person wegen eines Dienstvergehens gemäß § 33 Abs. 1 und 2 NDiszG wegen des Verstoßes gegen die Pflicht zur Befolgung dienstlicher Weisungen und allgemeiner Richtlinien aus § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG und gegen die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten aus § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamStG als Disziplinarmaßnahme eine Geldbuße (§ 8 NDiszG) in Höhe von 500 Euro aus. Im Disziplinarverfahren konnte sich der Verdacht der rechtsextremen Gesinnung nicht weiter bestätigen. 5. Sind weitere Fälle zweifelhafter Verfassungstreue (§ 86 a StGB) zwischen 2013 und 2019 sicher auszuschließen? Die Antwort der Landesregierung in Drs. 18/4643 zu Frage 1 bezieht sich auf Beamtinnen und Beamte sowie Beschäftigte in einem Arbeitsverhältnis bei den Polizeibehörden, der Polizeiakademie Niedersachsen und bei der Verfassungsschutzabteilung des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport, die aufgrund zweifelhafter Verfassungstreue (z. B. § 86 a StGB) aus dem Beamtenverhältnis entfernt bzw. aus dem Beamtenverhältnis auf Probe oder auf Widerruf entlassen wurden oder gegen die aus diesem Grund nach einem abgeschlossenen Disziplinarverfahren eine andere Art der in § 6 Abs. 1 NDiszG genannten Disziplinarmaßnahmen bestands- oder rechtskräftig ausgesprochen bzw. deren Arbeitsverhältnis aus diesen Gründen beendet wurde. Daran anlehnend bezieht sich die Antwort auf die Frage 5 auch auf Beamtinnen und Beamte sowie Beschäftigte in einem Arbeitsverhältnis bei den Polizeibehörden, der Polizeiakademie Niedersachsen und bei der Verfassungsschutzabteilung des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport, gegen die wegen des Verdachts strafbaren Handels gemäß § 86 a StGB ein Disziplinarverfahren oder eine arbeitsrechtliche Maßnahme eingeleitet wurde oder bei denen die genannten Personalstellen Kenntnis von entsprechenden Strafverfahren erhalten haben. Nach aktueller Abfrage bei den Polizeibehörden, der Polizeiakademie Niedersachsen und der Verfassungsschutzabteilung des Ministeriums für Inneres und Sport ergeben sich zum Stichtag 05.11.2019 aus dem Aktenbestand für Personalangelegenheiten der Polizei Niedersachsen und der Verfassungsschutzabteilung des Ministeriums für Inneres und Sport zwischen den Jahren 2013 und 2019 keine Fälle, in denen Beamtinnen oder Beamte aufgrund zweifelhafter Verfassungstreue wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86 a StGB) aus dem Beamtenverhältnis entfernt bzw. aus dem Beamtenverhältnis auf Probe oder auf Widerruf entlassen wurden bzw. ein Arbeitsverhältnis aus diesem Grund beendet wurde. Zum genannten Stichtag ist dem Ministerium für Inneres und Sport nach aktueller Abfrage bei den o. a. Personalstellen vorbehaltlich etwaiger zusätzlicher Sachverhalte, die bereits Gegenstand des Verwertungsverbots nach dem Niedersächsischen Disziplinargesetz sind, neben dem in der Drs. 18/4643 genannten Fall aus dem Bereich der Polizeidirektion Osnabrück ein weiterer Sachverhalt betreffend eine Person im Beamtenverhältnis auf Widerruf an der Polizeiakademie Niedersachsen bekannt, in dem ein Disziplinarverfahren wegen des Verdachts strafbaren Handels gemäß § 86 a StGB eingeleitet wurde. Die betroffene Person hob im Oktober 2018 beim Betreten eines Hörsaales der Polizeiakademie den ausgestreckten rechten Arm in Form eines Hitlergrußes. Seitens der Staatsanwaltschaft wurde gemäß § 153 a Abs. 1 StPO gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 500 Euro von der Erhebung der öffentlichen Klage abgesehen; das Disziplinarverfahren ist derzeit noch anhängig und wird zeitnah abgeschlossen werden. In einem weiteren Fall im Bereich der Polizeidirektion Hannover lassen sich bei einer Person in einem Arbeitsverhältnis Fälle zweifelhafter Verfassungstreue (§ 86 a StGB) nicht sicher ausschließen . Gegen diese Person wird bei der Staatsanwaltschaft Hannover ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Verletzung des Dienstgeheimnisses (§ 353 b StGB) geführt. Die in einem Arbeitsverhältnis tätige Person soll über den Messengerdienst WhatsApp Bilder mit rechtsradikalen Inhalten verschickt haben. Da diese jeweils nur an eine bestimmte Anzahl von Personen versandt worden sind, ergäbe sich laut Staatsanwaltschaft Hannover kein Verdacht hinsichtlich des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Dem Verdacht der Verletzung des Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/5226 3 Dienstgeheimnisses liegt zugrunde, dass die Person Fotos einer Tafel mit dienstlichen Daten bzw. Personendaten gesendet hat. In diesem Fall entzieht es sich der Kenntnis des Ministeriums für Inneres und Sport, ob und wenn ja inwiefern, diese Person rechtsnationale oder rechtsradikale Kontakte hatte oder hat. Eine arbeitsrechtliche Bewertung, insbesondere im Hinblick auf Art und Umfang der Vorwürfe und die Frage, ob der Vorgang ungeachtet einer etwaigen strafrechtlichen Relevanz Zweifel daran begründet, dass sich der Beschäftigte mit seinem gesamten Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekennt, ist erst nach bereits bei der Staatsanwaltschaft beantragter Einsichtnahme in den Ermittlungsvorgang möglich. Die in einem Arbeitsverhältnis tätige Person wurde von der Polizeidirektion Hannover vorsorglich für die Dauer der Ermittlungen von der Arbeitsleistung freigestellt. Zugangsmöglichkeiten zu Polizeidienststellen und Dienstausweis wurden vorsorglich temporär entzogen. Darüber hinausgehende Sachverhalte aufgrund derer wegen des Verdachts strafbaren Handels gemäß § 86 a StGB ein Disziplinarverfahren eingeleitet bzw. arbeitsrechtliche Maßnahmen getroffen oder Arbeitsverhältnisse beendet wurden, sind dem Ministerium für Inneres und Sport aufgrund der Berichte der o. a. Personalstellen zum genannten Stichtag nicht bekannt. Dabei wurden etwaige zusätzliche Sachverhalte ausgeschlossen, die bereits Gegenstand des Verwertungsverbots nach dem Niedersächsischen Disziplinargesetz sind. Weitere Fälle wegen des Verdachts strafbaren Handelns gemäß § 86 a StGB, die bisher nicht zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens oder arbeitsrechtlicher Maßnahmen geführt haben, sind unwahrscheinlich, können aber für die Jahre 2013 bis 2019 nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Es bleibt anzumerken, dass die Durchführung von Strafverfahren gegen Polizeibeamtinnen und -beamte den Staatsanwaltschaften und Gerichten obliegt. Entsprechende Daten über eingeleitete Strafverfahren wegen des Verdachts strafbaren Handels gemäß § 86 a StGB können vom Justizministerium derzeit nicht mitgeteilt werden, da im staatsanwaltschaftlichen Vorgangsbearbeitungssystem web.sta der Status als Polizeibeamter/Polizeibeamtenanwärter kein Selektionskriterium darstellt. Eine automatisierte Auswertung ist daher nicht möglich. Eine händische Auswertung sämtlicher Verfahren seit 2013 ist wegen des damit verbundenen Aufwands im Rahmen der Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur schriftlichen Beantwortung nach Mitteilung des Justizministeriums nicht leistbar. Obwohl im Sinne der Fragestellung nicht relevant, wird unter Hinweis auf die am 14.11.2019 durch das Ministerium für Inneres und Sport namens der Landesregierung erfolgte Unterrichtung im Ausschuss für Inneres und Sport zu Drs. 18/4548 „Mehr politische Bildung für die Polizei gegen mögliche rechtsnationale Tendenzen“ der Vollständigkeit halber ein anderweitiger Fall mit anderem Straftatbestand benannt. In dem Fall veröffentlichte ein Polizeivollzugsbeamter aus dem Bereich der Polizeidirektion Hannover über seinen privaten Facebook-Account fremdenfeindliche beleidigende Äußerungen. Weitere Beiträge stellten insbesondere Kritik an Politikerinnen und Politikern dar. Die Staatsanwaltschaft Hannover leitete gegen den Polizeivollzugsbeamten ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Volksverhetzung ein. Dieses wurde gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. In der Begründung wurde ausgeführt, dass in den Posts und Äußerungen kein Angriff auf die Menschenwürde vorläge, und dass der Beamte weder zu Hass noch zu Gewaltoder Willkürmaßnahmen aufgerufen habe. Der von ihm erstellte Post stelle mangels hinreichender Konkretisierung auch keine Kollektivbeleidigung dar. Gegen den Polizeivollzugsbeamten wurde durch die Polizeidirektion Hannover eine Disziplinarmaßnahme in Form eines Verweises wegen des Verstoßes gegen die dienstliche Treuepflicht gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG und gegen das Mäßigungsgebot gemäß § 33 Abs. 2 BeamtStG ausgesprochen. (Verteilt am 04.12.2019) Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LTmit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Dr. Marco Genthe und Dr. Stefan Birkner (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Weitere Nachfragen - Zuverlässigkeitsüberprüfung für Polizeianwärter?