Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/5238 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Stefan Wenzel, Anja Piel und Eva Viehoff (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur namens der Landesregierung Nachfragen zum Verbleib von Kulturgegenständen, zum Verbleib von Erlösen aus der Veräußerung von Kulturgegenständen und zur Marienburg (Drucksachen 18/2876, 18/3064, 18/3084) Anfrage der Abgeordneten Stefan Wenzel, Anja Piel und Eva Viehoff (GRÜNE), eingegangen am 28.10.2019 - Drs. 18/4977 an die Staatskanzlei übersandt am 01.11.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur namens der Landesregierung vom 02.12.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten Am 06.01.2011 meldete die HAZ: „Das Haus Hannover hat die sogenannte Domäne in Schulenburg (Region Hannover) verkauft. Der Erlös, dessen Höhe nicht bekannt ist, soll in den Ausbau der Land- und Forstwirtschaft fließen. (…) ,Dies ist ein Fortschritt, kein Rückschritt.‘ So kommentierte der bevollmächtigte Verwalter von Reden den Verkauf. Mit der Investition in forst- und landwirtschaftliche Betriebe in den neuen Bundesländern stärke der Erbprinz sein Kerngeschäft.“ Laut Wikipedia , (07.09.2019) verblieb „das zugehörige Gutsland von mehreren hundert Hektar Ackerfläche (550,1 ha) im Besitz des Prinzen und wird vom Schloss Marienburg aus verwaltet.“ Hinter den alten Backsteinmauern des Gutes Calenberg lebte die Familie demnach mehr als 30 Jahre, hier wuchs auch Ernst August von Hannover mit seiner Familie auf. Bislang ist jedoch nicht bekannt, wo die Gemälde und Kunstgegenstände - darunter auch Gemälde von Cranach und Holbein - verblieben sind. Laut § 6 des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes sind Kulturdenkmale instand zu halten, zu pflegen, vor Gefährdung zu schützen und, wenn nötig, instand zu setzen. Verpflichtet sind der Eigentümer oder Erbbauberechtigte und der Nießbraucher; neben ihnen ist verpflichtet, wer die tatsächliche Gewalt über das Kulturdenkmal ausübt. Das Niedersächsische Denkmalschutzgesetz geht davon aus, dass Immobilien und Kulturgut jeweils eine rechtliche Einheit bilden können. Noch im Jahr 2005 haben Ernst August und Christian von Hannover sich zu ihrer Verpflichtung zum Erhalt sowohl der Marienburg als auch des „Fürstenhauses“ Herrenhausen bekannt und bei einer Versteigerung von Kunstgegenständen, aber auch von Hausrat aus dem Schloss Marienburg laut Spiegel vom 15.10.2005 Einnahmen in Höhe von 44 Millionen Euro erzielt: „Um das Schloss, aber auch das ‚Fürstenhaus‘ in Hannover-Herrenhausen weiterhin und in einem verbesserten Maße der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, bedarf es großer Geldmittel. Wir haben eine Stiftung errichtet , welche u. a. durch die Versteigerung einer größeren Zahl von Kunstgegenständen benötigtes Kapital zur Erhaltung der historischen Substanz schaffen wird“ (Ernst August Prinz von Hannover und Christian Prinz von Hannover, im Vorwort zu Sotheby’s Katalog, Volume/Band 1, Auktion Schloss Marienburg 5. bis 15.10.2005, „Kunstwerke des Königlichen Hauses Hannover“). Verkauft wurden Sotheby’s zufolge mehr als 20 000 Objekte. Der Gesamterlös von 44 Millionen Euro übersteige laut Spiegel vom 15.10.2005 „das erwartete Ergebnis von 12 Millionen bei weitem. 24 % erhält das Auktionshaus“. Mithin verblieb ein Erlös von 33,5 Millionen Euro. Andere Quellen sprechen sogar von 37 Millionen Euro Reinerlös (n-tv, 14.04.2006). Der Kunstberater der Prinzen sprach laut NWZ vom 17.10.2005 von einem „erstaunlichen“ Ergebnis. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/5238 2 Die FAZ vom 13.12.2010 berichtet über Forderungen auf Rückgabe von Kulturgut aus Schloss Blankenburg: „In Sachsen-Anhalt geht es den Welfen nicht nur um den Bronzelöwen, sondern um weit mehr als 1 000 Kunst- und Kulturgüter an verschiedenen Standorten. Sie stehen dem Adelshaus zu, betont dessen Bevollmächtigter Mauritz von Reden. Einige davon habe man sich bereits zurückgeholt - darunter sieben barocke Gemälde aus dem Kaisersaal des Blankenburger Schlosses . Dass dies Wutgefühle wecke, sei verständlich. Man versuche aber, die Sache nüchtern zu betrachten .“ Prinz und Erbprinz verloren jedoch eine Reihe von anstehenden Prozessen, erhielten aber u. a. exklusive Rechte auf Archivalien, die im Staatsarchiv Wolfenbüttel eingelagert waren. Laut ND vom 31.12.2002 erwarben sie bei Blankenburg 1 000 ha Wald. In den Haushalten 2020, 2021, 2022 und 2023 plant die Landesregierung bislang 7 Millionen Euro zusätzlich zu einer Bundesförderung von 13,6 Millionen Euro für die Marienburg ein. Vorbemerkung der Landesregierung Gemäß § 3 Abs. 3 des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes (NDSchG) kann das Zubehör eines Baudenkmals Teil desselben sein, wenn es mit diesem eine Einheit von Denkmalwert bildet. Eine solche Einheit zwischen den Gebäuden des Hausgutes Calenberg und den vormals dort vorhandenen privaten Einrichtungsgegenständen ist im niedersächsischen Denkmalverzeichnis bei der Eintragung der Gebäude des Hausgutes am 17.12.1985 nicht ausgewiesen worden. Daher sind die beweglichen Gegenstände, die sich bis zum Verkauf des Hausgutes Calenberg dort befunden haben, kein Zubehör des Baudenkmals im Sinne des NDSchG. 1. Für welchen Betrag wurden die Immobilien und die Gebäudeflächen von Hausgut Calenberg veräußert? 2. Wurden die Kulturgüter von Hausgut Calenberg ebenfalls veräußert? 3. Wenn nein, wo befinden sich die Kulturgüter von Hausgut Calenberg heute? Die Fragen 1 bis 3 werden zusammengefasst beantwortet: Sowohl bei dem Verkauf des Hausgutes Calenberg als auch bei dem Umgang mit den beweglichen Gegenständen des Hausgutes Calenberg handelt es sich um Handlungen von Privatpersonen. Die in den Fragen 1 bis 3 angesprochenen Sachverhalte unterliegen dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts . 4. Welche Archivalien musste das Staatsarchiv Wolfenbüttel im Zusammenhang mit Klagen der Familie von Hannover herausgeben? Es handelt sich um einen Teilbestand im Umfang von 597 Archivalieneinheiten (Oberste Verwaltung des Gesamthauses Braunschweig-Lüneburg, 1666 bis 1946), der nach einem Teilbescheid des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt mit Bescheid vom 10.10.2011 Ernst August Prinz von Hannover nach dem Vermögensgesetz vom seinerzeit selbstständigen Staatsarchiv Wolfenbüttel als damals Verfügungsberechtigtem rückübertragen wurde. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Hauptsitz des vormals regierenden Hauses Hannover bzw. Braunschweig war bei Kriegsende 1945 Schloss Blankenburg im Harz. Die britische Besatzungsmacht transportierte vor der Übergabe Blankenburgs an die sowjetische Besatzungsmacht fast alle kulturhistorisch wertvollen Gegenstände von dort zum Schloss Marienburg in Pattensen, darunter wohl auch das Hausarchiv. Ende der 1950er-Jahre wurden Restbestände an Archivalien vor Ort in Blankenburg entdeckt und vom Heimatmuseum Blankenburg - einer staatlichen Einrichtung der DDR - übernommen. Im Jahr 2004 wurden diese Archivalien vom Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, in dem sich dieser Restbestand mittlerweile befunden hat, wegen des überwiegend niedersächsischen Bezugs an das damalige Staatsarchiv Wolfenbüttel abgegeben. Dort wurden die übergebenen Archivalien als Be- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/5238 3 stand „10 Neu“ (Oberste Verwaltung des Gesamthauses Braunschweig-Lüneburg, 1666 bis 1946) in seine Bestände eingeordnet. Es handelt sich um Akten sowohl aus der 1920 vom vormals regierenden Herzog von Braunschweig eingerichteten und seit 1934 in Blankenburg ansässigen Obersten Verwaltung des Gesamthauses Braunschweig-Lüneburg als auch um Akten früherer braunschweigischer Hofbehörden sowie diverse Forst- und Domanialverwaltungen des Welfenhauses. In der Übernahme des Teilbestandes durch das Heimatmuseum Blankenburg in den 1950er-Jahren hat das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt eine Enteignung durch die damalige DDR gesehen , die nach dem Vermögensgesetz auf den Antrag des Berechtigten rückabzuwickeln war. 5. Sind diese Archivalien heute öffentlich zugänglich? Nach der Rückübertragung wurde auf Wunsch des Eigentümers der Bestand (alt: NLA WO 10 Neu Zg. 37/2004) nach Hannover überführt und dort dem bereits bestehenden Depositum Dep. 103 (Teilbestand XXXIX) zugeführt. Zur öffentlichen Zugänglichkeit wird auf die Antwort vom 14.11.2019 zu Frage 9 der Kleinen Anfrage „Nachfragen zur Schlösserverwaltung und zur Marienburg “ (Drucksachen 18/2876, 18/3064 und 18/3084) - Drs. 18/5105 verwiesen. 6. Nach welchen Kriterien erfolgte die Klassifizierung bzw. Aufteilung von Archivalien, die heute von der Familie von Hannover als „privat“ beansprucht werden? Das sogenannte Hausarchiv ist Eigentum der Erben des letzten Königs von Hannover bzw. des letzten Herzogs von Braunschweig. 1957, 1968/1973 sowie 1972 wurden zwischen dem Eigentümer und dem Land Niedersachsen Depositalverträge geschlossen, auf deren Grundlage die Bestände des Hausarchivs heute vom Niedersächsischen Landesarchiv aufbewahrt und betreut werden . 7. In welcher Höhe wurden die Erlöse der Versteigerung von Kulturgut auf Schloss Marienburg in Höhe von 44 Millionen Euro versteuert? Erkenntnisse des Finanzministeriums und seiner nachgeordneten Behörden aus Besteuerungsverfahren unterliegen dem Steuergeheimnis. Aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung zur Wahrung des Steuergeheimnisses (§ 30 Abs. 1 der Abgabenordnung [AO]) ist es der Landesregierung verwehrt, entsprechende Auskünfte zu erteilen, soweit diese in einem Verfahren in Steuersachen (§ 30 Abs. 2 Nr. 1 AO) bekannt geworden sind. Eine Verletzung des Steuergeheimnisses durch unbefugtes Offenbaren (§ 30 Abs. 2 AO) ist gemäß § 355 des Strafgesetzbuchs strafbar. 8. Wer hat die Erlöse aus dem Verkauf von Kulturgut von Schloss Marienburg versteuert? Auf die Antwort zu Frage 7 wird verwiesen. 9. Warum ist trotz deutlich erhöhtem Ertrag aus dem Verkauf von Kulturgut auf Schloss Marienburg nur ein sehr geringer Anteil für die Sanierung verwandt worden? Über die Beweggründe für wirtschaftliche Entscheidungen von Privatpersonen kann die Landesregierung keine Auskunft geben. 10. Warum hatte die neu errichtete Stiftung zur Sanierung der Marienburg bereits Schulden ? Zum gegenwärtigen Zeitpunkt existiert keine „Stiftung zur Sanierung der Marienburg.“ Der gegenwärtige Eigentümer von Schloss Marienburg beabsichtigt, die Immobilie und ihr kulturgeschichtlich Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/5238 4 wertvolles Inventar in eine Stiftung zu überführen, deren Errichtung derzeit vorbereitet wird. Diese Stiftung wird bei Errichtung keine Verbindlichkeiten haben. 11. Wurden die Erträge aus dem Verkauf des Kulturgutes der Marienburg vor Einbringung in die Stiftung mit Verlustvorträgen aus anderen Geschäften verrechnet, um Steuerzahlungen zu vermeiden? Auf die Antwort zu Frage 7 wird verwiesen. 12. Welcher Art waren die Verlustvorträge, die zur Verrechnung verwandt wurden? Auf die Antwort zu Frage 7 wird verwiesen. 13. Handelte es sich bei den Verlustvorträgen um Verluste aus Anlagen in steuerbegünstigten Fonds? Auf die Antwort zu Frage 7 wird verwiesen. 14. Über welche Konten wurden die Zahlungseingänge beim Verkauf der Kulturgüter in Höhe von 44 Millionen Euro abgewickelt (Liechtenstein, Österreich, Virgin Islands, London und/oder Deutschland)? Über den Zahlungsverkehr von Privatpersonen kann die Landesregierung keine Auskunft geben. 15. In welcher Höhe stehen in den kommenden Jahren laut Mipla Fördermittel des Landes für Eigentümer von Baudenkmälern im privaten Besitz jenseits der Marienburg zur Verfügung ? Nach der Mittelfristigen Finanzplanung 2019 bis 2023 stehen unter der Position 06.3-0320 (Erfassung und Erhaltung von Bau-, Kunst- und Bodendenkmalen) Mittel i. H. v. jeweils 3,0 Millionen Euro sowie unter der Position 06.3-0520 (Zusätzliche Förderung der Kunst-, Kultur- und Heimatpflege einschließlich der nicht-staatlichen Theater, Museen und Denkmalpflege aus Spielbankmitteln) Mittel i. H. v. jeweils 5,7 Millionen Euro zur Verfügung. Die Mittel aus diesen Positionen dienen auch zur Förderung der privaten Denkmalpflege. Die Mittelfristige Finanzplanung gibt keinen Schlüssel vor, wie diese Mittel im jeweiligen Haushaltsjahr auf die einzelnen Zweckbestimmungen aufzuteilen sind. 16. Werden alle privaten Besitzer von Baudenkmalen in Niedersachsen gleichbehandelt? Artikel 3 Abs. 1 GG garantiert die Gleichheit aller Bürgerinnen und Bürger vor dem Gesetz. Insofern werden gleichgelagerte Sachverhalte auch im Bereich der Denkmalpflege grundsätzlich gleich behandelt . Das NDSchG dient dem Schutz von Kulturdenkmalen. Insofern ist der Umgang mit dem einzelnen Denkmal nicht davon abhängig, in wessen Eigentum es sich befindet. Maßgeblich ist der Schutz und die Erhaltung der Kulturdenkmale. Dabei ist es gerechtfertigt und seit jeher geübte Praxis , besonders herausragenden Denkmalen im Gemeinwohlinteresse eine besondere Aufmerksamkeit zu widmen. (Verteilt am 04.12.2019) Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LTmit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Stefan Wenzel, Anja Piel und Eva Viehoff (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur namens der Landesregierung Nachfragen zum Verbleib von Kulturgegenständen, zum Verbleib von Erlösen aus der Veräußerung von Kulturgegenständen und zur Marienburg (Drucksachen 18/2876, 18/3064, 18/3084)