Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/525 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Stefan Wenzel (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Finanzministeriums namens der Landesregierung Risiken für den Landeshaushalt und implizite Verschuldung (Teil 2) Anfrage des Abgeordneten Stefan Wenzel (GRÜNE), eingegangen am 13.02.2018 - Drs. 18/323 an die Staatskanzlei übersandt am 20.02.2018 Antwort des Niedersächsischen Finanzministeriums namens der Landesregierung vom 19.03.2018, gezeichnet Reinhold Hilbers Vorbemerkung des Abgeordneten In der Kabinettssitzung vom 23.1.2018 hat der Finanzminister dem Kabinett offenbar die Risiken des Landeshaushaltes im Zeitraum bis 2021 verdeutlicht. Demnach hat er auch auf über den Nachtrag 2018 hinausgehende bekannte „Zwangsläufigkeiten“ verwiesen, die nicht eingebucht, aber wesentlich seien. Grundsätzlich ist der Vermögensverzehr im kameralistischen Haushalt nur schwer nachvollziehbar, weil keine regelmäßige Bilanzierung der Vermögenswerte erfolgt. Vorbemerkung der Landesregierung In der Sitzung vom 23. Januar 2018 hat die Landesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Haushaltsgesetzes 2017/2018 (Nachtragshaushaltsgesetz 2018) beschlossen. Dabei hat der Finanzminister die Veränderungen im Haushaltsplan 2018 erläutert und die Landesregierung über die mittelfristigen Folgewirkungen dieser Veränderungen unterrichtet. In Form eines denkbaren Szenarios hat der Finanzminister dargelegt, welche weiteren Implikationen über die Folgewirkungen des Nachtragshaushaltsplans 2018 hinaus auf den Landeshaushalt wirken könnten. Ziel war, auf gegebenenfalls entstehende weitere Einflussgrößen und deren Wirkung auf den finanzpolitischen Handlungsrahmen im mittelfristigen Zeitraum hinzuweisen. Nach Artikel 64 der Niedersächsischen Verfassung ist der Haushaltswirtschaft des Landes eine mehrjährige Finanz- und Investitionsplanung zugrunde zu legen. Die Landeshaushaltsordnung (LHO) und die in der Normenhierarchie oberhalb der LHO und der Niedersächsische Verfassung liegenden Vorschriften des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes sowie des Haushaltsgrundsätzegesetzes (HGrG) sehen eine fünfjährige Finanzplanung vor. Aufgabe der Mittelfristigen Finanzplanung ist es, Umfang und Zusammensetzung der voraussichtlichen Ausgaben und die Deckungsmöglichkeiten in ihren Wechselbeziehungen zu der mutmaßlichen Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Leistungsvermögens darzustellen. Die Mittelfristige Finanzplanung ist nach den Vorschriften des HGrG jährlich der Entwicklung anzupassen und fortzuführen, von der Regierung zu beschließen sowie den gesetzgebenden Körperschaften spätestens im Zusammenhang mit dem Entwurf des Haushaltsgesetzes für das nächste Haushaltsjahr vorzulegen. Die Steuerung des niedersächsischen Landeshaushalts - und damit auch die Mittelfristige Finanzplanung - folgt dem System der erweiterten Kameralistik. Die Kameralistik beruht auf der Abbildung von Zahlungsströmen, in der zahlungswirksame Einnahmen und Ausgaben eine Verbuchung auslösen . Hingegen erfolgt grundsätzlich kein buchmäßiger Ausweis des Inventars; die Bilanzierung und Bewertung von Vermögen und Schulden entfallen. Insbesondere ein Ausweis von Rückstellungen im kaufmännischen Sinne ist systematisch nicht angelegt, da Einnahmen und Ausgaben einer Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/525 2 Rechnungsperiode gegenübergestellt werden. Daraus folgend werden künftig aufgrund von Rechtsverpflichtungen zu leistende Zahlungen nicht als Verbindlichkeit bzw. Rückstellungen bilanziert , sondern erst im Jahr ihrer Verausgabung berücksichtigt. Ergänzt wird das System der Kameralistik in Niedersachsen durch betriebswirtschaftliche Steuerungselemente wie die Budgetierung nach § 17 a LHO und die Führung von geeigneten Teilen der Landesverwaltung in Form von kaufmännisch rechnenden Landesbetrieben nach § 26 LHO. Weiterhin werden weitergehende Informationen vorgehalten und veröffentlicht, soweit sie zu Steuerungszwecken im Haushaltskreislauf erforderlich und nicht unmittelbar aus dem System der Kameralistik herleitbar sind. Wesentliche Informationen liefern insbesondere die Mittelfristige Finanzplanung , das Haushaltsgesetz mit Haushaltsplan sowie die Haushaltsrechnung, die beispielsweise zur Entwicklung der expliziten Schulden des Landes ebenso Auskunft geben wie zu den Bindungen aufgrund von Verpflichtungsermächtigungen und zur Entwicklung bei den Versorgungsausgaben. Nach alledem liegen - auf Grundlage der Kameralistik - die für eine erfolgreiche Steuerung des Landeshaushalts erforderlichen Informationen vor. Im Einklang mit den Bestimmungen des HGrG und der LHO wird die Landesregierung die Mittelfristige Planung 2018 bis 2022 im Rahmen der Aufstellung des Haushaltsplanentwurfs 2019 erstellen und rechtzeitig vorlegen. Dabei wird sie eine umfassende Aktualisierung der Haushaltszahlen vornehmen . Über sich daraus gegebenenfalls ergebende Handlungsnotwendigkeiten wird die Landesregierung im Rahmen des üblichen Verfahrens zur Beschlussfassung zum Haushaltsplanentwurf und zur Mittelfristigen Planung rechtzeitig entscheiden. Die Beschlussfassung ist für die Klausurtagung vom 24. bis 25. Juni 2018 vorgesehen. 1. Wie hoch ist die implizite Verschuldung des Landes durch künftige Rechtsverpflichtungen oder unterlassene Unterhaltslasten, die im Haushalt nicht oder nicht vollständig abgebildet sind, zum Stichtag 31.12.2017 a) generell, b) bei den Landesimmobilien, c) bei der Landesstraßen- und Radwegeinfrastruktur, d) bei sonstiger Infrastruktur, e) bei Versorgungslasten? Die Frage berücksichtigt das System der an den Prinzipien der erweiterten Kameralistik orientierten Haushaltswirtschaft des Landes Niedersachsen nicht. Generelle Betragsangaben im Sinne der Fragestellung sind demnach systembedingt nicht möglich. Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. Rechtliche Verpflichtungen, die in künftigen Haushaltsjahren zu Ausgaben des Landes führen, dürfen gemäß § 38 LHO nur eingegangen werden, wenn der Haushaltsplan dazu ermächtigt. Inwieweit eine Belastung zukünftiger Jahre durch eingegangene Verpflichtungen vorliegt, kann den Haushaltsplänen entnommen werden. Im Hinblick auf die zum Erhalt des Landesvermögens notwendigen Unterhaltungsausgaben werden entsprechende Mittel im Rahmen des Aufstellungsverfahrens von Haushaltsplanentwurf und Mittelfristiger Planung veranschlagt. Die Veranschlagung erfolgt dabei bedarfsorientiert in Abwägung der Notwendigkeiten und der finanziellen Rahmenbedingungen des Landes. Eine „implizite“ Verschuldung lässt sich daraus nicht ableiten. 2. Wie hoch ist die Summe der Einheitswerte der Landesimmobilien? Einheitswerte werden nach § 19 des Bewertungsgesetzes (BewG) für inländischen Grundbesitz festgestellt. Diese Feststellungen erfolgen nur, wenn und soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind (§ 19 Abs. 4 BewG). Einheitswerte sind für die Festsetzung der Grundsteuer von Bedeutung . Grundbesitz, der von einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch benutzt wird, ist nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Grundsteuergesetzes Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/525 3 (GrStG) von der Grundsteuer befreit. Wird dieser Grundbesitz für gemeinnützige oder mildtätige Zwecke benutzt, ist er nach § 3 Abs. 1 Nr. 3a GrStG von der Grundsteuer befreit. Für diesen Grundbesitz sind daher keine Einheitswertfeststellungen vorzunehmen. Eine Aussage zu der Summe der Einheitswerte erübrigt sich somit. 3. Wie hoch ist die Summe der Verkehrswerte der Landesimmobilien? Im Jahr 2000 hat das Land Niedersachsen für das gesamte landeseigene Grundvermögen einschließlich der aufstehenden Gebäude Verkehrswertermittlungen auf der Basis der in der Immobilienwirtschaft üblichen Bewertungsmethoden erstellen lassen. Es handelte sich nicht um individuelle Wertermittlungen jeder einzelnen Immobilie, sondern um Einzelbewertungen innerhalb eines Clusterverfahrens . Seitdem werden Zu- und Abgänge der Grundstücks- und Gebäudeflächen jährlich aktualisiert. Dabei werden die Wertparameter der Gebäude- und Bodenwerte zum Stand 2000 zugrunde gelegt, Baukosten- und Mietzinssteigerungen sowie Wertverlust und Abschreibungen sind nicht berücksichtigt . Für die landeseigenen Straßen wurden die Bodenwerte ermittelt. Wasserbautechnische Anlagen des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz waren nicht Gegenstand der Wertermittlung. Für Verkäufe landeseigener Immobilien werden jeweils separate Verkehrswertermittlungen nach den aktuellen Werten des Immobilienmarktes erstellt . Zum Stichtag 31. Dezember 2017 beläuft sich die Summe der Werte des landeseigenen Immobilienvermögens auf rund 4,79 Milliarden Euro (davon Bodenwerte rund 2,50 Milliarden Euro/Gebäudewerte rund 2,29 Milliarden Euro). Diese Daten dienen auch dem Vermögensnachweis nach § 73 LHO. Die Bestandsdaten des landeseigenen Grundvermögens werden jährlich in einem zusammenfassenden Landesliegenschaftsbericht veröffentlicht (www.immoblien.niedersachsen.de). 4. Wie hoch ist der Herstellungswert der Landesstraßen- und Radwegeinfrastruktur? Hierüber liegen der Landesregierung keine Informationen vor (vgl. Vorbemerkung). 5. Wie hoch ist das Durchschnittsalter der Landesstraßen- und Radwegeinfrastruktur? Die Straßeninfrastruktur ist im Laufe der Jahrhunderte den Anforderungen des ständig wachsenden Verkehrs angepasst worden. Seit der Einführung einer elektronisch geführten Straßendatenbank werden nach und nach auch Informationen zum Schichtenaufbau der Straßen eingepflegt. Eine vollständige Netzabdeckung des gesamten Fahrbahnaufbaus ist derzeit weder für die Fahrbahnen noch für die Radwege vorhanden. Da einzelne Aufbauschichten unterschiedliche Nutzungsdauern haben, betrachtet das „Erhaltungsmanagement der Straßen“ keine Durchschnittsalter. 6. Wie hoch ist die kalkulatorische Abschreibungsdauer der Landesstraßen- und Radwegeinfrastruktur ? Hierüber liegen der Landesregierung keine Informationen vor (vgl. Vorbemerkung). 7. Wie hoch ist der Barwert der Versorgungslasten zum 31.12.2017 (bitte Kalkulationszins nennen)? Eine Erfassung der erworbenen Versorgungsansprüche der Beamtinnen und Beamten sowie Richterinnen und Richter zu einem bestimmten Zeitpunkt („implizite Verschuldung“) sowie eine kalkulatorische Hochrechnung erfolgen in Niedersachsen nicht (vgl. auch Antwort zu Frage 1). Die Ermittlung der Ansprüche zur Beantwortung der Fragestellung würde einen unverhältnismäßigen hohen Verwaltungsaufwand verursachen, da hierfür alle Beschäftigtenverhältnisse mit beamtenrechtlichen Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/525 4 Versorgungsansprüchen überprüft werden müssten. Eine Berechnung des Barwertes der Versorgungsansprüche ist damit einhergehend auch nicht möglich. 8. Wie hoch ist der Wert der Systemdienstleistungen saubere Atemluft, klares Wasser und fruchtbare Böden für Niedersachsen anzusetzen? 9. Welche Wertminderung der Systemdienstleistungen muss für Luftverschmutzung, Wasserverschmutzung und Erosion der Böden in Niedersachsen kalkuliert werden? 10. Welche Verfahren zur Abschätzung der impliziten Verschuldung und zur Bewertung von Systemdienstleistungen gibt es? Die Fragen 8 bis 10 werden zusammenfassend beantwortet. Es wird das Ökosystem(dienst)leistungs-Begriffsverständnis des Millennium Ecosystem Assessment (MA, 2005) zugrunde gelegt, nach dem Ökosystemleistungen (ÖSL) den Nutzen darstellen, den die Menschen aus den Ökosystemen erhalten. Dabei geht es um den Beitrag der Natur bzw. der Ökosysteme und ihrer Dienstleistungen zum menschlichen Wohlergehen (human well-being). Eine wesentliche Basis für die Erfassung der (Öko-)Systemdienstleistungen stellt das Konzept des ökonomischen Gesamtwertes (total economic value, TEV) dar, der sowohl die nutzungsabhängigen als auch die nutzungsunabhängigen Werte umfasst. Abb. Konzept des ökonomischen Gesamtwertes (Quelle: Naturkapital Deutschland - TEEB DE, 2012) Für die konkrete Bewertung der ÖSL gibt es zahlreiche Verfahren, wesentliche sind im Folgenden in Anlehnung an u. a. Naturkapital Deutschland - TEEB DE (2012) und TEEB (2013) dargestellt: 1. Markt- bzw. kostenbasierte Bewertungsmethoden: – Marktpreismethode (Bewertung von Produkten anhand ihrer Marktpreise, insbesondere für Versorgungsleistungen wie z. B. Fisch), Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/525 5 – Produktionskostenmethode (einsetzbar, wenn sich durch die Veränderung einer ÖSL die Produktionskosten eines Gutes ändern, wie z. B. verringerte Aufbereitungskosten eines Wasserwerkes durch eine verbesserte Selbstreinigungsfähigkeit eines Gewässers), – Schadenskostenmethode (Schätzungen der Kosten, die durch Umweltschädigungen verursacht würden, z. B. durch die Einleitung von ungeklärtem Abwasser in einen Fluss), – Vermeidungskostenmethode (Vermeidung von Schäden z. B. durch Verzicht auf eine Aktion oder durch zusätzliche Maßnahmen wie den Einbau einer Filteranlage), – Ersatzkostenmethode (Alternativkostenmethode, Kosten für die Bereitstellung der ÖSL durch andere (technische) Verfahren, wie z.B. die Bewertung des Nährstoffrückhaltes durch die Aue auf Basis einer landwirtschaftlichen Strategie, die zur gleichen Verminderung der Nährstoffeinträge führt), – Wiederherstellungskosten (Kosten der Wiederherstellung beeinträchtigter Ökosysteme). 2. Methoden der offenbarten Präferenzen (revealed preferences): – Reisekostenmethode (Kosten, die in Form von Geld und Zeit für die Anreise an ein bestimmtes Ziel aufgewendet werden), – Immobilienpreismethode (auch „hedonischer Preisansatz“, Einfluss der Qualität der umgebenden Umwelt auf den Preis einer Immobilie). 3. Methoden der geäußerten Präferenzen (stated preferences) Erfassung der Zahlungsbereitschaft für z. B. Umweltverbesserungen durch Befragungen. Diese Verfahren ermöglichen die Erfassung der nutzungsunabhängigen Werte, z. B. über die Methode der kontingenten Bewertung oder Discrete Choice-Experimente. 4. Benefit Transfer (Übertragung des in einer anderen Studie ermittelten Nutzens).1 Dies vorangestellt, können zu den drei in Frage 8 genannten Umweltmedien Luft, Wasser und Boden folgende Aussagen getroffen werden: Luft Hinsichtlich der Kosten durch Luftverunreinigungen hat das Umweltbundesamt (UBA) 2013 Kostensätze für einige Luftschadstoffemissionen von einzelnen Verursachern, wie der Energiewirtschaft oder dem Verkehr, veröffentlicht. Das UBA fasst mit der Methodenkonvention den wissenschaftlichen Erkenntnisstand auf dem Gebiet der Schätzung von Umweltkosten zusammen. Die Kostensätze wurden im Rahmen des 2009 abgeschlossenen EU-Projekts „New Energie Externalities for Sustainbility“ (NEEDS) ermittelt. In den Kostensätzen für den Straßenverkehr sind jedoch über die Kosten der Luftschadstoffemissionen hinaus Kosten für Lärm und negative Effekte auf Natur und Landschaft enthalten. Eine Aussage über die Schadenskosten aller Luftschadstoffe kann daher aus der UBA-Veröffentlichung nicht abgeleitet werden. Wasser Der Beitrag von „klarem Wasser“ bzw. der ÖSL, von denen dieses abhängig ist, wie z. B. der natürlichen Wasserreinigung, zum menschlichen Wohlergehen kann theoretisch zumindest in Ansätzen mit den oben aufgeführten Verfahren bewertet werden. Einige Verfahren sind jedoch mit einem sehr hohen Aufwand verbunden, z. B. die Stated-Preferences-Methoden zur Erfassung der nutzungsunabhängigen Werte. Teilweise ist das Ergebnis der Bewertung mit Unsicherheiten behaftet, 1 (Wesentliche Quellen: Naturkapital Deutschland - TEEB DE (2012): Der Wert der Natur für Wirtschaft und Gesellschaft - Eine Einführung . München, ifuplan; Leipzig, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ; Bonn, Bundesamt für Naturschutz. TEEB - Die Ökonomie von Ökosystemen und Biodiversität für kommunale und regionale Entscheidungsträger (2013). Englisches Original 2010. Herausgegeben von Heidi Wittmer und Haripriya Gundimeda. Millennium Ecosystem Assessment (MA) 2005: Ecosystems and Human Well-Being: Synthesis. Island Press, Washington, DC.) Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/525 6 wenn diese auf Schätzungen oder Annahmen beruhen muss, z. B. weil Wirkungszusammenhänge noch nicht vollständig geklärt sind oder die Datenbasis unvollständig ist. Anwendung finden die Verfahren bisher überwiegend in der (wissenschaftlichen) Bewertung einzelner Projekte. Von daher ist es nach jetzigem Stand nicht möglich, den Wert von „klarem Wasser“ vollständig zu quantifizieren oder sogar zu monetarisieren. Insofern kann kein belastbarer Wert für diese Systemdienstleistung bzw. ihre Wertminderung für ganz Niedersachsen beziffert werden. Hinsichtlich der Erfassung des Wertes für „klares Wasser“ könnte hilfsweise die Methode der Wiederherstellungskosten herangezogen werden, wenn „klares Wasser“ als das Ergebnis der vollständigen Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL 2000/60/EG) und Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL 2008/56/EG) verstanden wird. Hierfür liegen derzeit keine vollumfänglichen belastbaren Kostenangaben vor. Generell befindet sich die Anwendung des Konzeptes der ÖSL trotz hohen Erkenntnisgewinns in den letzten zwei Jahrzehnten überwiegend noch in einem frühen Stadium bzw. im wissenschaftlichen Bereich. Dennoch hat die EU das Konzept bereits aufgegriffen und fordert die Berücksichtigung der ÖSL bereits in einigen neueren Regulierungen, wie z. B. der Meeresstrategie- Rahmenrichtlinie (MSRL 2008/56/EG) oder der VO (EU) 1143/2014 über invasive gebietsfremde Arten. National ist das Konzept ein wesentlicher Bestandteil der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt (2007). Boden Böden sind (zusammen mit den Naturgütern Wasser und Luft) eine unabdingbare Voraussetzung für die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts. Der Ansatz, die in Deutschland gesetzlich beschriebenen Bodenfunktionen in einen ökosystemaren Zusammenhang zu bringen, stellt sowohl auf der europäischen als auch auf der nationalen Ebene den Versuch dar, das Verständnis von Ökosystemen und ihrer Leistungen auch auf Böden zu erweitern. Die ökosystemare Bewertung ist insofern ein aktueller, derzeit allerdings noch in seinen Anfängen stehender Ansatz, in dem Systemleistungen von Böden bislang nur deskriptiv bewertet werden. Eine monetäre Bewertung des Ökosystems Boden an sich sowie seiner Leistungen auch für andere Ökosysteme stellt eine hohe und zunächst noch wissenschaftliche Herausforderung dar. Dies gilt im besonderen Maße für die Wertminderungen der Systemdienstleistungen, die die Böden durch sie gefährdende Prozesse erfahren (wie beispielsweise durch Erosion). Aktuell können mit einigem Aufwand zwar quantitative Ergebnisse eines langjährigen Erosionsmonitorings für Niedersachsen vorgelegt werden. Über die mit der Bodenerosion verbundenen Kosten bzw. hierdurch bedingte Wertminderungen können allerdings keine Aussagen getroffen werden. Inwieweit die derzeit zur Verfügung stehenden Verfahren auf das Ökosystem Boden übertragbar sind, bleibt abzuwarten. Nach hiesiger Kenntnis sind hierfür kurzfristig keine Ergebnisse absehbar. Da es für die monetäre Bewertung von Systemleistungen keine allgemeingültigen und rechtsverbindlich eingeführten Verfahren gibt, können Systemleistungen weder bewertet werden noch kann eine Wertminderung kalkuliert werden. Folglich können die unter Umständen künftig entstehenden Ausgaben und Verbindlichkeiten, die spätere Haushalte belasten könnten, nicht beziffert werden. 11. Welche Kalkulations- oder Berechnungsverfahren sind in den VV LHO vorgesehen? Regelungen zu Kalkulations- und Berechnungsverfahren sind für die praktische Durchführung von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen in den Verwaltungsvorschriften (VV) zu § 7 LHO getroffen worden . Die Anlage zu VV Nr. 3.1.4 zu § 7 LHO enthält umfangreiche Hinweise zur Durchführung von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen bei der Planung, der Durchführung und dem Abschluss einer Maßnahme (Erfolgskontrolle). Neben den umfassenden Erläuterungen der verschiedenen Methoden (Kostenvergleichsberechnung, Kapitalwertmethode, Nutzwertanalyse, Kosten-Nutzen-Analyse) werden Tabellen mit Abzinsungs- und Aufzinsungsfaktoren, Barwertfaktoren und Endwertfaktoren vorgehalten. Gemäß VV Nr. 6 zu § 7 LHO wird zudem der aktuelle Kalkulationszinssatz vom Finanzministerium im Intranet bereitgestellt. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/525 7 12. Was plant die Landesregierung, um die implizite Verschuldung im Haushalt transparenter darzustellen? Siehe Vorbemerkung. 13. Wie ist der Sachstand bei der Entwicklung eines European Sector Accounting Standards ? Eurostat erarbeitet eine Entscheidungsvorlage und Empfehlung zu den European Sector Accounting Standards (EPSAS) an die EU-Kommission (EU KOM) auf Grundlage des Berichts der EU-Kommission. Bund und Länder entsenden dazu Vertreter in eine Eurostat-Arbeitsgruppe, die inzwischen zum fünften Mal, zuletzt in Luxemburg am 21./22. November 2017, getagt hat. Die Einflussmöglichkeiten der Mitgliedstaaten auf die zu entwickelnde Vorlage, die bereits Grundzüge von EPSAS umfassen soll, sind dort auf die aktive und kritische Begleitung begrenzt. Übereinstimmend mit Beschlüssen des Bundesrates und des Deutschen Bundestages wird dabei die Wahrung der Budgethoheit der Länder sowie der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Subsidiarität gefordert. Jede Harmonisierung müsse die Eigenständigkeit der Mitgliedstaaten berücksichtigen. Diese Position wird regelmäßig durch den Bundesrechnungshof bestätigt, zuletzt im Bericht an den Deutschen Bundestag vom 15. November 2017, der die fortbestehenden Mängel des Vorhabens kritisiert. Das hat aufseiten von Eurostat bisher jedoch nicht zu wesentlichen Veränderungen bei der inhaltlichen Erarbeitung geführt. Der Bundesrechnungshof empfiehlt der Bundesregierung daher nun, auf europäischer Ebene ihr politisches Gewicht einzubringen und die verbindliche Einführung von EPSAS in Deutschland zu verhindern. Eine endgültige inhaltliche Abstimmung und Beschlussfassung bleibt einem zukünftigen legislativen Verfahren vorbehalten, das zuletzt für 2020 avisiert wurde. (Verteilt am 21.03.2018) Drucksache 18/525 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Stefan Wenzel (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Finanzministeriums Risiken für den Landeshaushalt und implizite Verschuldung (Teil 2)