Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/5263 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Jens Ahrends (AfD) Antwort des Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Messerdelikte in Niedersachsen Anfrage des Abgeordneten Jens Ahrends (AfD), eingegangen am 04.11.2019 - Drs. 18/5007 an die Staatskanzlei übersandt am 06.11.2019 Antwort des Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 03.12.2019 Vorbemerkung des Abgeordneten Laut JF online vom 17. Oktober 2019 hat die Hamburger Polizei in den ersten neun Monaten des Jahres 1 025 Messerdelikte in der Hansestadt registriert (https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/ 2019/hamburger-polizei-zaehlt-1-025-messerdelikte-in-neun-monaten/). Vorbemerkung der Landesregierung Seitens der Landesregierung werden Straftaten unter Verwendung von Stichwaffen scharf verurteilt . Diese Taten zeigen deutlich, welches Gefahrenpotenzial die Verwendung von Stichwaffen birgt, und tragen dazu bei, das Sicherheitsempfinden der Bürgerinnen und Bürger negativ zu beeinflussen . Insofern werden alle gebotenen, erforderlichen und zur Verfügung stehenden Mittel eingesetzt , um diese Straftaten zu verhindern, zu verfolgen und aufzuklären. Darüber hinaus setzt sich die Landesregierung u. a. für eine Änderung des Waffengesetzes ein, die das Mitführen von Waffen und insbesondere von Messern in der Öffentlichkeit weiter einschränken und so auch tatbegünstigende Gelegenheiten für derartige Angriffe verringern soll. Zum Zwecke einer effektiven Präventionsarbeit, Gefahrenabwehr und Strafverfolgung werden alle als notwendig erachteten und rechtlich zulässigen Maßnahmen getroffen. Um insbesondere Delikten unter Verwendung von Messern oder anderen Hieb- und Stichwaffen entgegenzuwirken, hat die Landesregierung entsprechende interne wie externe Maßnahmen, auch im Zusammenwirken mit weiteren Akteuren, initiiert bzw. umgesetzt. So hat die Landesregierung Anfang 2019 eine Initiative zur Änderung des Waffengesetzes in den Bundesrat eingebracht, mit der die Möglichkeiten zur Einrichtung von Verbotszonen für Waffen und Messer erweitert werden sollen. Waffen- und Messerverbotszonen sollen danach nicht nur an Kriminalitätsschwerpunkten , sondern allgemein an Orten eingerichtet werden können, an denen große Menschenmengen zusammenkommen. Vorgesehen sind außerdem eine Ausweitung der Führensund Umgangsverbote für bestimmte Messer. Durch die Änderungsvorschläge soll das Mitführen von Waffen und Messern in der Öffentlichkeit weiter eingeschränkt werden, um so auch tatbegünstigende Gelegenheiten für derartige Angriffe zu verringern. Die Landesregierung erachtet zivilcouragiertes Verhalten als wesentlich, um positives Sozialverhalten und ein insgesamt gewaltverneinendes Miteinander zu fördern. Vor diesem Hintergrund werden vielfältige Präventionsmaßnahmen zur Förderung von Zivilcourage unterstützt. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/5263 2 1. Wie viele Messerdelikte wurden in Niedersachsen in den ersten neun Monaten des Jahres 2019 registriert? Bei der niedersächsischen Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) handelt es sich grundsätzlich um eine Jahresstatistik, die den Sachstand nach Abschluss der polizeilichen Ermittlungen widerspiegelt und nicht nach Monaten aufgeschlüsselt ist. Da somit entsprechend validierte Zahlen aus der PKS 2019 noch nicht vorliegen, ist zur Erhebung der entsprechenden Fallzahlen für 2019 eine Recherche im Vorgangsbearbeitungssystem (VBS) NIVADIS durch das Landeskriminalamt Niedersachsen erfolgt. Über diese sogenannte Eingangsstatistik sind allerdings keine abschließend belastbaren Zahlen abbildbar, da die jeweils vorgenommene Erhebung im Hinblick auf das tatsächliche spätere Ermittlungsergebnis starken Schwankungen unterworfen ist. Die Betrachtung der sogenannten Eingangsstatistik dient grundsätzlich nur der innerpolizeilichen Bewertung von Entwicklungen einzelner Deliktsbereiche, um in erster Linie unverzüglich Tendenzen zu erkennen und aufzuzeigen. Im Rahmen der Erhebung im VBS NIVADIS konnten für den Zeitraum von Januar 2019 bis September 2019 mit Stichtag 08.11.2019 1 543 entsprechende Delikte, bei denen das „Tatmittel Messer“ erfasst wurde, selektiert werden. Diese Zahlen sind zwingend vor dem Hintergrund der beschriebenen Unschärfe zu betrachten, weichen von denen der PKS ab und sind somit mit dieser nicht vergleichbar. 2. In wie vielen der unter Punkt 1 aufgelisteten Fälle wurden die Messer auch als Stichwaffe mit welchen Folgen eingesetzt (einfache oder schwere Körperverletzung, Tötungsdelikte …)? Die selektierten 1 543 Fälle setzen sich aus 50 Tötungsdelikten, 242 Raubdelikten, 570 Körperverletzungsdelikten , 652 Bedrohungen und 29 Nötigungen zusammen. Hierunter finden sich sowohl versuchte als auch vollendete Taten und auch solche, bei denen ein „Messer“ zwar mitgeführt, aber nicht konkret gegen eine Person eingesetzt wurde. Zur Beantwortung der Frage, in wie vielen Fällen Messer auch als Stichwaffen eingesetzt wurde, wäre insofern eine zeit- und personalintensive händische Auswertung sämtlicher Fälle mit einem unverhältnismäßigen Aufwand erforderlich, verbunden mit der Folge, dass die Kernaufgabe der Strafverfolgungsbehörden, nämlich insbesondere die zügige und nachhaltige Aufklärung und Verfolgung von Straftaten, zurückgestellt werden müsste . Die Veranlassung einer entsprechenden Auswertung übersteigt daher das zur Beantwortung einer Kleinen Anfrage Zumut- und Leistbare. 3. In wie vielen Fällen konnten bei den unter Punkt 1 aufgelisteten Messerdelikten Täter ermittelt werden? Nach aktuellem Erhebungsstand konnten in 1 328 Fällen Tatverdächtige ermittelt werden. In 215 Fällen sind der oder die Täterverdächtige(n) bisher unbekannt. 4. Wie viele der ermittelten Täter im Jahr 2019 hatte eine deutsche, wie viele eine ausländische Staatsangehörigkeit (bitte die einzelnen Staatsangehörigkeiten auflisten)? Zu den 1 328 Fällen wurden insgesamt 1 567 Tatverdächtige ermittelt, davon 831 mit deutscher Staatsangehörigkeit und 640 mit nicht-deutscher Staatsangehörigkeit. Bei 63 Tatverdächtigen wurde aktuell keine Eintragung vorgenommen. Bei 26 Tatverdächtigen ist die Staatsangehörigkeit als „ungeklärt“ erfasst. Fünf Tatverdächtige sind staatenlos. Bei zwei Tatverdächtigen ist als Staatsangehörigkeit „Ohne Angabe/Sonstiges“ hinterlegt. Afghanistan 40 Indien 2 Lettland 1 Peru 1 Thailand 1 Albanien 10 Irak 46 Libanon 20 Polen 42 Tschechien 1 Algerien 14 Iran 19 Liberia 7 Rumänien 25 Tunesien 7 Argentinien 1 Israel 3 Litauen 7 Russische Föderation 16 Türkei 96 Bosnien und Herzegowina 4 Italien 15 Mali 1 Schweden 1 Turkmenistan 1 Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/5263 3 Bulgarien 12 Jamaika 1 Marokko 8 Senegal 1 Ukraine 6 Cote d'Ivoire 4 Jordanien 2 Mazedonien 3 Serbien 21 Ungarn 2 Dominikanische Republik 7 Kanada 1 Moldau 2 Slowakei 1 Usbekistan 4 Eritrea 4 Kasachstan 12 Montenegro 7 Somalia 9 Venezuela 1 Gambia 2 Kirgisistan 2 Myanmar 1 Spanien 4 Vereinigte Staaten 1 Georgien 4 Kolumbien 1 Niederlande 1 Sri Lanka 1 Vereinigtes Königreich 1 Ghana 2 Kosovo 17 Nigeria 5 Sudan 10 Vietnam 1 Griechenland 6 Kroatien 1 Österreich 1 Südsudan 1 Guinea 2 Kuba 1 Pakistan 6 Syrien 80 5. Hat die Landesregierung ein Konzept entwickelt, um gezielt gegen Delikte unter Einsatz von Messern vorzugehen? Falls ja, welches? Falls nein, warum nicht? Bereits im Jahr 2018 hat sich das Programm Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes dieser Thematik angenommen und einen Verhaltenshinweis erarbeitet, der von jedweder Schutzbewaffnung abrät: „Die Polizei rät vom Mitführen jeglicher Arten von Waffen ab. Auch zu Verteidigungszwecken sollten Waffen, wie zum Beispiel Messer und Pfefferspray, nicht mitgeführt werden. Denn: 1. Waffen bieten trügerische Sicherheit! Sie können die eigene Risikobereitschaft erhöhen. 2. Waffen führen dazu, andere Verhaltensmöglichkeiten zu vernachlässigen. 3. Waffen können abgenommen und gegen den Träger verwendet werden. 4. Waffen führen zur Gewalteskalation. 5. Waffen erschweren Helfern und der Polizei zu erkennen, wer Täter und wer Opfer ist. 6. Der Einsatz von Messern führt sehr schnell zu lebensbedrohlichen Verletzungen und kann erhebliche strafrechtliche sowie finanzielle Folgen haben. 7. Schreckschusswaffen sind von echten Waffen häufig nicht zu unterscheiden und führen schlimmstenfalls zum Schusswaffengebrauch durch die Polizei. Als Alternative zu Messern, Pfefferspray etc. bietet sich ein sogenannter Schrillalarm bzw. Taschenalarm an, insbesondere dann, wenn sich noch weitere Personen im Umfeld aufhalten. Denn mit dem Auslösen des Alarms erklingt ein lauter schriller Ton, der Umstehende auf das Geschehen aufmerksam macht. Ziel ist, dass der Täter angesichts möglicher Zeugen von der Tat ablässt.“ Dieser von der Landesregierung uneingeschränkt mitgetragene Verhaltenshinweis wird u. a. von der niedersächsischen Landespolizei im Rahmen geeigneter Gewaltpräventionsmaßnahmen verwendet und kommuniziert. Bei der Polizei Niedersachsen wurden in den letzten Jahren interne Maßnahmen im Kontext Gewalt und Polizei weiterentwickelt. Dies betrifft z. B. die Bereiche der Aus- und Fortbildung, Kommunikation , Einsatztaktik, Einsatznachbereitung, Ausstattung und Eigensicherung. Hierzu zählen z. B. Verbesserungen im Bereich der persönlichen Ausstattung wie Körperschutz, ballistische Schutzwesten und Einsatzhelme sowie der Einsatz von Bodycams. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. (Verteilt am 06.12.2019) Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LTmit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Jens Ahrends (AfD) Antwort des Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Messerdelikte in Niedersachsen