Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/5264 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Dr. Marco Genthe (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Urteil zur SKB-Datei Anfrage des Abgeordneten Dr. Marco Genthe (FDP), eingegangen am 29.10.2019 - Drs. 18/4983 an die Staatskanzlei übersandt am 04.11.2019 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 03.12.2019 Vorbemerkung des Abgeordneten Am 10.10.2019 stellte das OVG Lüneburg in einer Berufungsverhandlung zu einer Feststellungsklage mit Urteil vom 10.10.2019 nicht nur fest, „dass die gezielte heimliche Sammlung und Verwendung von Erkenntnissen über die Klägerin in der SKB-Datei einen tiefgreifenden Eingriff in ihr informationelles Selbstbestimmungsrecht darstellt, sondern auch, dass sowohl die erstmalige Erfassung der Klägerin am 18.03.2009 als auch sämtliche weitere Speicherungen bis zum 14.08.2014 rechtswidrig waren“ (http://fanhilfehannover.blogspot.com/). Das Gericht begründet diese Entscheidung u. a. damit, dass datenschutzrechtlichen Vorgaben zuwider nicht einmal der niedersächsische Landesdatenschutzbeauftragte über die Verfahrensbeschreibung und somit die Existenz der Datei informiert wurde (http://fanhilfehannover.blogspot.com/). Der Vorfall sei ein Datenschutzskandal erster Güte. Denn die Daten von Fußballfans seien schon vor 2014 gesammelt worden (taz, 23.10.2019). Vorbemerkung der Landesregierung Das OVG Lüneburg hat in seinem am 10.10.2019 verkündeten Urteil (Az: 11 LC 148/15) festgestellt , dass einzelne Speicherungen zur Klägerin in der Arbeitsdatei Szenekundige Beamte (SKB- Datei) der Polizeidirektion Hannover bis zum 14.08.2014 allein deshalb rechtswidrig waren, weil die Übersendung der der Datei zugrundeliegenden Verfahrensbeschreibung aus dem Jahr 2005 an den damaligen Landesbeauftragten für den Datenschutz (LfD) unterblieben war. Im Übrigen bestätigt das Gericht jedoch sein zum ursprünglichen Löschungsantrag der Klägerin ergangenes Urteil vom 18.11.2016, nach dem die Daten materiell rechtmäßig gespeichert waren. Die Rechtswidrigkeit der Speicherung ergibt sich daher ausschließlich aus dem formellen rechtlichen Grund, dass die Verfahrensbeschreibung nicht an den LfD übersandt worden ist. Dies wurde erst mit Erstellung einer neuen Verfahrensbeschreibung vom 14.08.2014 nachgeholt. Damit wurde der formelle Fehler der SKB-Datei geheilt, und ab diesem Zeitpunkt war die Datenverarbeitung in dieser Datei daher als rechtmäßig zu beurteilen. Das OVG hat ausdrücklich betont, dass die Datei von Anfang an mit der Verfahrensbeschreibung aus dem Jahr 2005 und später mit der Verfahrensbeschreibung aus dem Jahr 2014 in Einklang stand. Die Rahmenbedingungen der Datenverarbeitung waren demnach hinreichend festgelegt und wurden unter Beteiligung der behördlichen Datenschutzbeauftragten erstellt. Die Landesregierung weist ebenso wie in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage mit dem Titel „Geheimdateien über Fußballfans “ (Drs. 17/4279) darauf hin, dass eine Unterrichtung der Öffentlichkeit über die bei der Polizei geführten Verfahren zur automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten nicht anlassunabhängig gesetzlich vorgesehen ist. Sie bekräftigt aber auch anlässlich dieser Anfrage, dass ihr die rechtmäßige und transparente Verarbeitung personenbezogener Daten ein wichtiges Anliegen ist. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/5264 2 Für alle örtlich eingerichteten SKB-Dateien (Braunschweig seit 26.08.2002, Hannover seit 01.03.2005 und Wolfsburg seit 09.02.2006) wurden vor Inbetriebnahme die erforderlichen Verfahrensbeschreibungen erstellt. Die Dateien dienten neben anderen Datenquellen und polizeilichen Auskunftsmöglichkeiten, z. B. Kriminalakten, POLAS/INPOL, NIVADIS oder Datei Gewalttäter- Sport (beim BKA geführt), als Grundlage für präventivpolizeiliche Maßnahmen zur Verhinderung von Gewalttaten oder Störungen im Zusammenhang mit Fußballspielen. Im Jahr 2018 wurden die SKB-Dateien gelöscht und die neu errichtete SAFIR-Datensammlung zur Gefahrenabwehr und Aufklärung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten bei Sportveranstaltungen (kurz: Datensammlung Sport) unter Beteiligung der jetzt amtierenden Landesbeauftragten für den Datenschutz eingeführt. Die Einhaltung der Löschfristen obliegt auch hier den szenenkundigen Beamtinnen und Beamten der speichernden Fachdienststellen. Die Landesregierung kommt vor diesem Hintergrund zu dem Ergebnis, dass der vom OVG festgestellte Formmangel bei Einrichtung der SKB-Datei in Hannover bedauerlich ist. Von einem „Datenschutzskandal erster Güte“ kann aber keine Rede sein. 1. Wie bewertet die Landesregierung das Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Lüneburg vom 10.10.2019 zur Rechtmäßigkeit einer Datenspeicherung in der SKB-Datei Hannover ? Die Landesregierung bedauert, dass die Beteiligung des damaligen LfD nach Erstellung der Verfahrensbeschreibung von 2005 bis zum 14.08.2014 unterblieben ist, sodass auf der Grundlage dieses formellen Fehlers das OVG Lüneburg die formelle Rechtswidrigkeit des Betriebs der damaligen SKB-Datei feststellen musste. Die Landesregierung begrüßt die Ausführungen des OVG Lüneburg zur materiellen Rechtmäßigkeit dieser Dateien. 2. In der Drucksache 17/4279 teilte die Landesregierung ihre Einschätzung zu den SKB- Dateien wie folgt mit: „Die Landesregierung widerspricht entschieden dem Vorwurf, die Polizei würde mit den seinerzeit eingerichteten SKB-Arbeitsdateien ‚Geheimdateien‘„ über Fußballfans führen.“ Das OVG Lüneburg hingegen schreibt zu den SKB-Dateien im Urteil vom 10.10.2019 von einer „heimlichen Speicherung personenbezogener Daten “ bzw. einer „gezielten heimlichen Sammlung und Verwendung von Erkenntnissen“. Wie bewertet die Landesregierung diesen Widerspruch, der auch zu der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.12.2017 besteht, in der auf die „heimliche Erfassung personenbezogener Daten“ in niedersächsischen SKB-Dateien verwiesen wird? Wie in der Vorbemerkung bereits ausgeführt, sieht die Landesregierung hier keinen Widerspruch. Die sowohl vom OVG als auch vom BVerwG gewählten Formulierungen zur Datenspeicherung beziehen sich allein darauf, dass die Datensammlung jeweils ohne Kenntnis der Betroffenen erfolgt. Dies liegt in der Natur solcher polizeilichen Datensammlungen und kennzeichnet das Gewicht des Grundrechtseingriffs. Eine Missbilligung des Vorgehens oder eine über die allgemeinen operativen Erfordernisse hinausgehende Geheimhaltungsabsicht ist damit nicht verbunden. Die Landesregierung hält den suggestiven Begriff der „Geheimdatei“ daher weiterhin für unangemessen und irreführend . 3. Betrifft das Urteil aus Sicht der Landesregierung alle gespeicherten Datensätze, die vor der Beteiligung der Landesbeauftragten für den Datenschutz (LfD) erstellt wurden? Das Urteil betrifft lediglich die Entscheidung des Einzelfalls der in der SKB-Datei gespeicherten personenbezogenen Daten zur Klägerin. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/5264 3 4. War die Speicherung von Fußballfans in den SKB-Dateien vor der LfD-Beteiligung damit rechtswidrig? Insoweit eine SKB-Datei ohne die Übersendung einer Verfahrensbeschreibung an den LfD betrieben worden ist, leidet die Speicherung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten in dieser Datei an einem formellen Mangel wie im Fall der Klägerin. 5. Sind entsprechende Datensätze, die nach dem OVG-Urteil gemäß §§ 8 und 21 Abs. 1 Satz 1 NDSG den Tatbestand der „Rechtswidrigkeit“ erfüllen und einen „beachtliche(n) Mangel“ darstellen, damit zu löschen, sofern sie heute noch in der Datensammlung Sport existieren (für Hannover alle Datensätze, die vor dem 14.08.2014 angelegt wurden )? Ab dem Zeitpunkt, ab dem die Verfahrensbeschreibung dem LfD nachweislich vorgelegt worden ist, sind die Speicherungen nicht nur materiell, sondern auch formell rechtmäßig - für Hannover also spätestens ab dem 14.08.2014. Die SKB-Dateien sind nicht mehr existent. Für die Datensammlung Sport entstand nie ein formeller Mangel, da die Verfahrensbeschreibung dort seit der Errichtung der Datei der Landesbeauftragten für den Datenschutz vorgelegt worden war. Im Übrigen siehe Vormerkung . 6. Wie viele Personen waren bis zum 14.08.2014 in der SKB-Datenbank für den Standort Hannover gespeichert (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren ab 2005)? Eine Angabe ist nicht möglich, da die Datei im Jahr 2018 unwiderruflich gelöscht worden ist. Siehe Vorbemerkung. 7. Wie viele Personen waren bis zu den gesetzlich vorgeschriebenen jeweiligen Mitteilungen an die Landesdatenschutzbeauftragten an den Standorten Wolfsburg und Braunschweig gespeichert? Standort Braunschweig: Die Beteiligung des LfD erfolgte im Jahr 2010. Aufgrund der Löschung der Datei kann zur Anzahl der vor diesem Zeitpunkt in der Datei erfassten Personen keine Angabe mehr gemacht werden. Im Übrigen siehe Vorbemerkung und Antwort zu Frage 6. Standort Wolfsburg: Die Einführung der SKB-Datei im Jahr 2006 erfolgte unter Beteiligung des LfD; vor diesem Zeitpunkt erfolgten keine Speicherungen. 8. In wie vielen Fällen wurden Daten aus der rechtswidrigen Speicherung als Grundlage für weitergehende polizeiliche Maßnahmen und Grundrechtseingriffe (wie bei der Klägerin vor dem OVG Lüneburg, ein Betretungsverbot für das Spiel Eintracht Braunschweig gegen Hannover 96 im Jahr 2014) genutzt? Inwieweit es vor Beteiligung des LfD zu einer Nutzung der in den SKB-Dateien gespeicherten Daten polizeilicher Maßnahmen und möglichen damit verbundenen Grundrechtseingriffen kam, kann aufgrund der Löschung der SKB-Datei nach Einrichtung der Datensammlung Sport nicht mehr nachvollzogen werden. 9. Wie viele Datensätze existieren heute in der Datensammlung Sport, die vor der Beteiligung der Landesbeauftragten für den Datenschutz erstellt wurden? Die Datensammlung Sport ist unter Beteiligung der Landesbeauftragten für den Datenschutz erstellt worden. Vor der Beteiligung der Landesbeauftragten wurden in der Datensammlung keine Da- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/5264 4 ten gespeichert. Daten über zuvor in der SKB-Datei erfasste Personen wurden nach einer Einzelfallprüfung zur weiteren Speichererforderlichkeit auf der Grundlage von vorhandenen Quelldaten in die Datensammlung aufgenommen. Bei Vorliegen der erforderlichen Voraussetzungen wurden die Daten manuell in die Datensammlung Sport eingetragen. Angaben zur Anzahl der so übernommenen Daten liegen nicht vor. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung und die Antwort zu Frage 5 verwiesen . 10. Was folgt aus dem Urteil für betroffene Fußballfans? Aus der Einzelfallentscheidung des OVG Lüneburg vom 10.10.2019 ergeben sich keine weiteren Konsequenzen, da dort lediglich die nunmehr nicht existente und für einen begrenzten Zeitraum an einem formellen Fehler leidende SKB-Datei betroffen war. 11. Wie hoch sind die vom Land zu tragenden gerichtlichen Verfahrenskosten? Der Polizeidirektion Hannover liegt bisher noch kein abschließender Kostenfestsetzungsbescheid des OVG Lüneburg vor, sodass eine abschließende Aussage über die gerichtlichen Verfahrenskosten derzeit noch nicht möglich ist. (Verteilt am 06.12.2019) Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LTmit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Dr. Marco Genthe (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Urteil zur SKB-Datei