Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/538 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Stephan Bothe (AfD) Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung Kinderehen in Niedersachsen Anfrage des Abgeordneten Stephan Bothe (AfD), eingegangen am 13.02.2018 - Drs. 18/331 an die Staatskanzlei übersandt am 20.02.2018 Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung vom 21.03.2018, gezeichnet Barbara Havliza Vorbemerkung der Abgeordneten 1 600 Flüchtlinge waren 2016 in Deutschland als minderjährig verheiratet registriert. Davon waren rund 360 Mädchen bei der Eheschließung keine 14 Jahre alt. Laut dem Kinderhilfswerk Terre des Hommes sind insbesondere Mädchen dadurch von Schulabbrüchen, Gewalt und frühen Schwangerschaften bedroht. Im Juli 2017 hat der Bundestag das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen beschlossen. Vorbemerkung der Landesregierung Zur Beantwortung der Frage 1 wurden die niedersächsischen Jugendämter im Hinblick auf ihre Inobhutnahmeaufgabe nach §§ 42, 42a SGB VIII um Auskunft gebeten. Von 55 Jugendämtern haben innerhalb der gesetzten Frist 29 Jugendämter geantwortet. Es handelt sich somit nicht um eine Vollerhebung. Des Weiteren sind im Zuständigkeitsbereich der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen (LAB NI) zum Stichtag 28.02.2018 Daten erhoben worden. 1. Wie viele Kinderehen sind der Landesregierung derzeit in Niedersachsen bekannt (bitte aufschlüsseln nach Alter, Geschlecht und Nationalität der minderjährigen Ehepartner)? Der Landesregierung sind in Niedersachsen aktuell 18 minderjährige Personen bekannt, die verheiratet sind. In vier Fällen sind Alter, Geschlecht und Nationalität nicht bekannt. In zwölf Fällen sind die minderjährigen Ehepartner weiblich, in zwei Fällen männlich. Eine Person ist 14 Jahre alt, eine Person 15 Jahre alt, vier Personen 16 Jahre alt und acht Personen sind 17 Jahre alt. Eine Person ist afghanischer Nationalität, eine Person irakischer, eine Person libanesischer, eine Person russischer , eine Person serbischer, zwei Personen somalischer, eine Person türkischer und sechs Personen syrischer Nationalität. 2. Wie wird in Niedersachsen mit den unter 16-jährigen Ehepartnern verfahren, deren Ehe gemäß § 1303 BGB in der Neufassung von 17.07.2017 durch das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen unwirksam ist? Minderjährige Ehepartner, die unbegleitet nach Deutschland einreisen und bei denen sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Bundesgebiet aufhalten, werden vom Jugendamt gemäß § 42 a SGB VIII vorläufig in Obhut genommen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und die Situation mit der/dem Betroffenen zu klären. Es ist berechtigt und verpflichtet, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/538 2 zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind. Hierzu gehören insbesondere die Beantragung des Ruhenlassens der Personensorge der leiblichen Eltern sowie die Beantragung der Bestellung eines Vormunds. 3. Wie viele richterliche Entscheidungen zur Aufhebungen einer Ehe mit Minderjährigen sind gemäß § 1313 BGB i. V. m. § 1314 Abs. 1 Nr.1 BGB seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen in Niedersachsen ergangen? Zwei. 4 Wie viele Schwangerschaften minderjähriger Mädchen hat es von 2016 bis heute in Flüchtlingsheimen in Niedersachsen und landesweit gegeben? Seit dem Jahr 2016 sind in Niedersachsen insgesamt vier Fälle von minderjährigen Schwangeren bekannt geworden. 5. Wie viele Zweitfrauen sind bereits nach Niedersachen zu ihren Ehepartnern gezogen, um das Wohl ihrer bereits in Deutschland lebenden Kinder zu sichern? In aufenthaltsrechtlicher Hinsicht umfasst das Recht auf Familienzusammenführung nur die Kernfamilie ; hierzu gehören der Ehepartner sowie minderjährige ledige Kinder. Lediglich bei minderjährigen ledigen deutschen Kindern sowie bei unbegleiteten minderjährigen anerkannten ausländischen Flüchtlingen sind auch deren Eltern grundsätzlich nachzugsberechtigt. Der Fall des Ehegattennachzugs in Mehrehe ist in § 30 Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) geregelt. Danach wird keinem weiteren Ehegatten eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, wenn eine Ausländerin oder ein Ausländer gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet ist und gemeinsam mit einem Ehegatten im Bundesgebiet lebt. Mit dieser Vorschrift wird klargestellt, dass eine nach ausländischem Recht durchaus zulässige und rechtlichen Schutz genießende Mehrehe keinen Nachzugsanspruch des Zweitehegatten vermittelt. Grundlage hierfür ist die EU-Familiennachzugsrichtlinie , nach der im Falle einer Mehrehe die Familienzusammenführung eines weiteren Ehegatten nicht zu gestatten ist, wenn ein Ehegatte gemeinsam mit dem Zusammenführenden im Gebiet eines EU-Mitgliedstaats lebt. Aufenthaltsrechtlich gelten alle weiteren Familienangehörigen, die nicht zur Kernfamilie gehören (beispielsweise Großeltern, Neffen, Nichten, Schwager, volljährige Kinder, Pflegekinder, Stiefkinder , Geschwister oder auch Zweitehegatten), als „sonstige“ Angehörige. Ein Familiennachzug darf in diesen Fällen nur zugelassen werden, wenn er zur Vermeidung einer „außergewöhnlichen Härte“ erforderlich ist (§ 36 Abs. 2 AufenthG). Eine außergewöhnliche Härte im Sinne dieser Vorschrift kann sich beispielsweise aus einer Krankheit, Behinderung, Pflegebedürftigkeit oder psychischer Not ergeben. Die Härte muss aber stets familienbezogen sein, d. h. durch die Trennung der Familienmitglieder verursacht, und stellt als Voraussetzung eine hohe Hürde dar. Laut Ausländerzentralregister hielten sich am 31.01.2018 435 Ausländerinnen und 279 Ausländer mit einer solchen Aufenthaltserlaubnis für „sonstige“ Angehörige in Niedersachsen auf. Da das Ausländerzentralregister diese Gruppe „sonstiger Angehöriger“ nicht weiter differenziert, ist eine Aussage darüber, ob sich hierunter auch Zweitehepartner befinden und gegebenenfalls wie viele, nicht möglich. Da für die erfragten Angaben auch keine gesetzliche oder sonstige statistische Aufzeichnungspflicht besteht, erfolgte die Ermittlung der Daten durch eine anlassbezogene Umfrage bei den 52 kommunalen Ausländerbehörden und der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen. Im Ergebnis teilten 42 Ausländerbehörden mit, dass in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich kein aufenthaltsrechtlicher Familiennachzug von Zweitehepartnern stattfand. Zwei Ausländerbehörden berichteten von jeweils einem Fall; bei einer weiteren Ausländerbehörde ist ein Fall anhängig, über Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/538 3 den noch nicht entschieden wurde. Acht Ausländerbehörden haben innerhalb der gesetzten Frist nicht reagiert. Nur der Vollständigkeit halber wird auf die Darstellung einiger Ausländerbehörden hingewiesen, wonach ausländische Frauen nach Deutschland flüchteten und hier erfolgreich ihre Flüchtlingsanerkennung beantragten, deren Ehemänner tatsächlich mit zwei Frauen verheiratet sind oder waren. Es handelte sich insoweit nicht um Fälle des Familiennachzugs, zumal in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle auch keine familiäre Lebensgemeinschaft besteht. (Verteilt am 26.03.2018) Drucksache 18/538 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Stephan Bothe (AfD) Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums Kinderehen in Niedersachsen