Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/570 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Stephan Bothe (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung Entweichungen aus Maßregelvollzug Anfrage des Abgeordneten Stephan Bothe (AfD), eingegangen am 20.02.2018 - Drs. 18/386 an die Staatskanzlei übersandt am 26.02.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung vom 26.03.2018, gezeichnet Dr. Carola Reimann Vorbemerkung des Abgeordneten Im Bereich des Maßregelvollzugs kommt es immer wieder zu besonderen Vorkommnissen. So gelang laut einer Pressemitteilung der Kreiszeitung in Syke vom 26. Januar dieses Jahres einem drogenabhängigen und gewaltbereiten 30-jährigen Mann bei einem Arztbesuch in Zeven am 12. Januar 2018 die Flucht. Nach einem Bericht der BILD-Zeitung vom 26. Januar 2018 gelang am 18. Januar dieses Jahres einem 29-jährigen Patienten aus der Psychiatrie in Königslutter ebenfalls die Flucht. Vorbemerkung der Landesregierung Das Strafgesetzbuch (StGB) regelt im sechsten Teil (§ 61 bis § 72 StGB) die Maßregeln der Besserung und Sicherung. Dabei sieht das StGB drei Formen von freiheitsentziehenden Maßregeln vor. Dies sind die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB), die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) und die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB). Das Niedersächsische Maßregelvollzugsgesetz (Nds. MVollzG) regelt den Vollzug der Unterbringung gemäß §§ 63 und 64 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt . Die Modalitäten der Unterbringung reichen von einem Aufenthalt in besonders gesicherten Bereichen einer Maßregelvollzugseinrichtung bis hin zum offenen Maßregelvollzug und dem Probewohnen. Diese beiden freiheitsentziehenden Maßregeln werden in insgesamt zehn Maßregelvollzugseinrichtungen vollzogen, von denen sich drei in der Trägerschaft des Landes Niedersachsen und sieben in der Trägerschaft von privaten Krankenhausträgern befinden, die mit der Durchführung des Maßregelvollzugs auf der Grundlage des Nds. MVollzG beliehen sind. Die Fachaufsicht über die Durchführung der freiheitsentziehenden Maßregeln nach § 63 StGB und nach § 64 StGB liegt beim Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung (MS). Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB hingegen wird grundsätzlich in der Zuständigkeit des Justizministeriums vollzogen. Im Rahmen der Durchführung der Fachaufsicht sind die Maßregelvollzugseinrichtungen verpflichtet , über besondere Vorkommnisse im Maßregelvollzug umgehend dem MS zu berichten. Hierzu zählen u. a. das unerlaubte Entfernen von Patientinnen und Patienten aus der Unterbringung und Übergriffe von Patientinnen und Patienten auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Maßregelvollzugseinrichtungen . Soweit bei Aufgreifen entwichener Patientinnen bzw. Patienten Straftaten während der Entweichung der Klinik bekannt geworden sind, ist dies ebenfalls der Fachaufsicht zu melden. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/570 2 Darüber hinaus gibt es Berichtspflichten des MS gegenüber dem Landtag zu bestimmten Vorkommnissen im Maßregelvollzug, die vom zuständigen Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung festgelegt worden sind. 1. Welche und wie viele Straftaten wurden von den seit 2013 aus dem Maßregelvollzug in Niedersachsen entwichenen Patienten begangen, als sich diese auf der Flucht befanden ? Insgesamt wurden der Fachaufsicht im genannten Zeitraum 24 Verdachtsfälle gemeldet, in denen Patientinnen oder Patienten während einer Entweichung auffällig wurden. Hierbei handelt es sich überwiegend um Fälle von Suchtmittelmissbrauch, Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, in Einzelfällen aber auch um Raub und Einbruchsdelikte . Zur umfassenden Beantwortung der Frage müsste anhand der Namen der Entwichenen und des in Betracht kommenden Tatzeitraums bei allen niedersächsischen Staatsanwaltschaften eine händische Auswertung des jeweiligen Aktenbestands vorgenommen werden. Eine automatisierte Recherche wäre nicht ausreichend. Denn auf diese Weise wäre nicht gewährleistet, dass etwaige Straftaten, die im Maßregelvollzug befindliche Personen während Lockerungsmaßnahmen oder in der Einrichtung selbst begangen haben, ausgeschieden würden. Es würde zudem nicht ausreichen, dass nur die Staatsanwaltschaften eine händische Auswertung vornehmen, die als Vollstreckungsbehörde für die Vollstreckung der angeordneten Maßregel zuständig sind. In diesem Fall wäre nicht gewährleistet, dass die vollstreckende Staatsanwaltschaft sichere Kenntnis von Ermittlungsverfahren einer oder mehrerer anderer niedersächsischen Staatsanwaltschaften hat, die aufgrund des Tatorts andernorts zuständig sind. Eine händische Auswertung würde sich für den angefragten Zeitraum auf konkret 399 Fälle, in denen sich Patienten unerlaubt ihrer gerichtlich angeordneten Unterbringung im Maßregelvollzug entzogen haben, also geflüchtet sind und deshalb von der jeweiligen Maßregelvollzugseinrichtung ein Fahndungsersuchen an die zuständigen Polizeidienststellen gesandt wurde, beziehen. Diese zeit- und personalintensive Maßnahme einer händischen Auswertung hätte zur Folge, dass die Kernaufgabe der Strafverfolgungsbehörden, nämlich die zügige und nachhaltige Aufklärung und Verfolgung von Straftaten, litte. Eine solche Auswertung übersteigt daher das zur Beantwortung einer sogenannten Kleinen Anfrage Zumutbare und Leistbare. Hinzu kommt, dass die Ergebnisse nicht hinreichend valide wären. Nicht erfasst würden durch eine solche händische Auswertung bei den niedersächsischen Staatsanwaltschaften alle etwaigen Straftaten , die Entwichene in anderen Bundesländern oder dem grenznahen Ausland begangen haben. 2. Bei wie vielen Übergriffen von Patienten im niedersächsischen Maßregelvollzug wurden seit 2013 dortige Bedienstete verletzt? Seit 2013 wurden von den Maßregelvollzugseinrichtungen 105 Übergriffe von Patientinnen und Patienten auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemeldet. Dabei handelt es sich sowohl um gezielte Angriffe als auch um Verletzungen im Rahmen von durchgeführten Sicherungs- oder Behandlungsmaßnahmen . 3. Werden Entweichungen und Übergriffe von Patienten statistisch erfasst? Wenn ja, wo können diese Daten eingesehen werden? Siehe Vorbemerkung. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/570 3 4. Gibt es eine spezielle Ausbildung für Pflegekräfte, die im niedersächsischen Maßregelvollzug eingesetzt werden? Falls ja, nach welchen Richtlinien oder welchem Programm wird diese Ausbildung durchgeführt? MS bereitet derzeit ein verbindliches Curriculum für neu in den Maßregelvollzug eingestelltes Personal vor. Die Maßregelvollzugseinrichtungen bieten bereits jetzt zentral wie dezentral regelmäßige Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen für alle beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an, um diesen geeignete Handlungsmöglichkeiten für die besonderen Anforderungen bei Unterbringungen im Maßregelvollzug zu vermitteln. Dies betrifft sowohl den alltäglichen Umgang mit den Patientinnen und Patienten als auch das Verhalten in Krisensituationen (z. B. Deeskalationstraining). Ebenso zählen dazu Maßnahmen zur Sicherstellung der Sicherheit in der Einrichtung oder bei begleiteten Außenaktivitäten. (Verteilt am 28.03.2018) Drucksache 18/570 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Stephan Bothe (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung Entweichungen aus Maßregelvollzug