Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/600 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Horst Kortlang, Hermann Grupe und Dr. Stefan Birkner (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung Wie realistisch sind Treibhausgasbilanzen im Rahmen von Klimaschutzvereinbarungen? Anfrage der Abgeordneten Horst Kortlang, Hermann Grupe und Dr. Stefan Birkner (FDP), eingegangen am 01.03.2018 - Drs. 18/447 an die Staatskanzlei übersandt am 07.03.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 29.03.2018, gezeichnet In Vertretung Frank Doods Vorbemerkung der Abgeordneten Am 1. Februar 2018 hat die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) eine Pressemitteilung zur Erforschung von Emissionen beim Rapsanbau herausgegeben (https://www.fnr.de/presse/ pressemitteilungen/aktuelle-mitteilungen/aktuelle-nachricht/?tx_ttnews%5Byear%5D=2018&tx_ttne ws%5Bmonth%5D=02&tx_ttnews%5Bday%5D=01&tx_ttnews%5Btt_news%5D=10496&cHash=f99 b3afb6c8e374af32a1dba98b59788, Abrufdatum: 21.02.2018). Demnach habe ein Forschungsverbund unter Koordination des Thünen-Instituts herausgefunden, dass der von der EU vorgegebene Lachgasemissionsfaktor zur Treibhausgas(THG)-Bilanzierung beim Rapsanbau für deutsche Verhältnisse zu hoch angesetzt sei. Diese Erkenntnis sei wichtig für die Bilanzierung von Biokraftstoffen , die gemäß einer EU-Verordnung seit dem 1. Januar 2018 60 % THG-Emissionen gegenüber fossilen Kraftstoffen einsparen müssten. Obwohl in der Praxis mehr Dünger eingesetzt werde als in den EU-Berechnungen angenommen, sei der Lachgasemissionsfaktor für deutsche Produktionsbedingungen zu hoch. In der Folge könne die THG-Bilanz von aus Raps erzeugtem Biodiesel schlechter ausfallen, als sie tatsächlich sei. Vorbemerkung der Landesregierung Als Vertragsstaat der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) ist Deutschland seit 1994 dazu verpflichtet, Inventare zu nationalen Treibhausgasemissionen zu erstellen, zu veröffentlichen und regelmäßig fortzuschreiben. Mit dem Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls im Februar 2005 ist die internationale Staatengemeinschaft verpflichtet, verbindliche Handlungsziele und Umsetzungsinstrumente für den globalen Klimaschutz zu realisieren. Hieraus ergeben sich sehr weitreichende und detaillierte Verpflichtungen für die Erstellung, die Berichterstattung und die Überprüfung von Emissionsinventaren. Entsprechend Artikel 3 des Kyoto-Protokolls nutzt die europäische Staatengemeinschaft die Möglichkeit der gemeinsamen Erfüllung aller EU-Staaten der Verpflichtungen des Kyoto-Protokolls und der Klimarahmenkonvention. Dies erfolgt durch europäische Regelungen , zuletzt durch die Festlegungen der EU-Verordnung 525/2013 und ihrer Durchführungsverordnung 749/2014. Durch die europäische Umsetzung des Kyoto-Protokolls auf dem Verordnungsweg sind dessen Anforderungen für Deutschland rechtsverbindlich geworden. Gemäß der Entscheidung der Konferenz der Vertragsparteien (24/CP.19) müssen alle im Annex I der Klimarahmenkonvention aufgeführten Staaten jährlich einen Nationalen Inventarbericht (NIR) Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/600 2 erstellen und übermitteln, der detaillierte und vollständige Angaben über den gesamten Prozess der Erstellung der Treibhausgasinventare bereitstellt. Das Umweltbundesamt ist in Sachen Treibhausgasemissionen die offizielle Anlaufstelle und wichtiger Ansprechpartner in Deutschland und legt jährlich den NIR für Deutschland vor. Darin werden die Methoden sowie die Datenquellen beschrieben, auf denen die Berechnungen der Treibhausgasbilanzen basieren. Der NIR und die Berichtstabellen im Common Reporting Format (CRF) werden gemäß der UNFCCC-Richtlinie zur Berichterstattung über jährliche Inventare (FCCC/CP/2013/10/Add.3) und in Übereinstimmung mit den 2006 IPCC Guidelines for national Greenhouse Gas Inventories (IPCC Guidelines, 2006) und den IPCC Good Practice Guidance (IPCC-GPG, 2000) erstellt. 1. Welchen Stellenwert misst die Landesregierung realistischen THG-Bilanzen im Rahmen von nationalen und internationalen Klimaschutzvereinbarungen bei? Die Landesregierung misst realistischen THG-Bilanzen im Rahmen von nationalen und internationalen Klimaschutzvereinbarungen einen hohen Stellenwert bei. 2. Werden die THG-Emissionen im Rahmen von nationalen und internationalen Klimaschutzvereinbarungen nach Auffassung der Landesregierung realistisch bewertet? Die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 749/2014 der EU-Kommission vom 30. Juni 2014 gibt die Struktur, das Format, die Verfahren der Vorlage und die Überprüfung der von den Mitgliedstaaten gemäß der Verordnung (EU) Nr. 525/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates gemeldeten Informationen vor. Hierfür werden von wissenschaftlichen Einrichtungen jährlich nationale Emissionsinventare, also wissenschaftliche Bestandsaufnahmen der Emissionssituation, erarbeitet. Sie geben Auskunft über Quellen und Senken für Treibhausgase bzw. Luftschadstoffe in den einzelnen Sektoren (so erarbeitet z. B. das Thünen-Institut die Emissionsinventare in den Bereichen Landwirtschaft und andere Landnutzung). Hauptverursacher der Emissionen sowie kritische Regionen werden darin identifiziert und die zugrunde liegenden Prozesse untersucht. Emissionsinventare dokumentieren so die Emissionssituation über die Zeit. Mit ihnen lässt sich nicht nur überprüfen, wie wirksam Klimaschutz - und Luftreinhalte-Maßnahmen sind, sie ermöglichen auch die Kontrolle eingegangener Reduktionsverpflichtungen und die Anpassung von THG-Bilanzierungsfaktoren. Die im Rahmen des NIR ermittelten THG-Emissionen und THG-Bilanzen werden von der Landesregierung insofern realistisch bewertet. 3. Wie ist nach Kenntnis der Landesregierung das Ausmaß unrealistischer THG-Bilanzen im Rahmen von nationalen und internationalen Klimaschutzvereinbarungen? Der Landesregierung liegen keine aktuellen Erkenntnisse über das Ausmaß unrealistischer THG- Bilanzen im Rahmen nationaler und internationaler Klimaschutzvereinbarungen vor. 4. Zu welchen negativen Folgen kommt es nach Auffassung der Landesregierung, wenn im Rahmen von nationalen und internationalen Klimaschutzvereinbarungen unrealistische THG-Bilanzen verwendet werden? Unrealistische THG-Bilanzen im Rahmen von Klimaschutzvereinbarungen können zu Fehlallokationen von THG-Emissionsbeiträgen und THG-Reduktionsmaßnahmen führen. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/600 3 5. Welche Handlungserfordernisse gibt es nach Auffassung der Landesregierung, um im Rahmen von nationalen und internationalen Klimaschutzvereinbarungen möglichst realistische THG-Bilanzen zugrunde legen zu können, und was tut die Landesregierung in diesem Bereich? Durch die Festlegungen der o. a. EU-Verordnung 525/2013 und ihrer Durchführungsverordnung 749/2014 sind die damit verbundenen Anforderungen und daraus resultierenden Handlungserfordernisse für Deutschland und die Bundesländer rechtsverbindlich. 6. In welcher Weise finden aktuelle Forschungsergebnisse wie die neuen Erkenntnisse zur THG-Bilanzierung beim Rapsanbau Eingang in die Berechnungen im Rahmen von nationalen und internationalen Klimaschutzvereinbarungen? 7. Was tut die Landesregierung, damit aktuelle Forschungsergebnisse wie die neuen Erkenntnisse zur THG-Bilanzierung beim Rapsanbau schnellstmöglich Eingang in die Berechnungen im Rahmen von nationalen und internationalen Klimaschutzvereinbarungen finden? Die Fragen 6 und 7 werden zusammengefasst wie folgt beantwortet: Das Verfahren für die THG-Bilanzierung von Biokraftstoffen ist in der Richtlinie 2009/28/EG (Erneuerbare -Energien-Richtlinie) und der Änderungs-Richtlinie 2015/1513 (ILUC-Richtlinie) geregelt. Bei der THG-Bilanzierung sind die gesamten Emissionen, die beim Herstellungsprozess für das Enderzeugnis anfallen, zu berücksichtigen. Dabei ist es möglich, für die THG-Bilanzierung der einzelnen Kraftstoffpfade (z. B. Biodiesel aus Raps) die in Annex 5 der Erneuerbare-Energien-Richtlinie veröffentlichten Standardwerte bzw. Teilstandardwerte (gelten weltweit) oder tatsächliche Werte zu verwenden. In Deutschland werden für die Emissionsberechnung beim Anbau vorrangig die von der Europäischen Kommission anerkannten regionalisierten Werte (NUTS 2-Ebene) verwendet . Die Methodik zur THG-Bilanzierung wird auf europäischer Ebene von der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission periodisch fortentwickelt. Für die nächste Novellierung der Methodik liefern die vorliegenden Projektergebnisse des Forschungsverbundes unter Leitung des Thünen-Instituts einen wichtigen Beitrag. Die Projektergebnisse wurden auf der FNR- Veranstaltung „GHG-Emissions in Renewable Feedstock Production“ am 23. Mai 2017 in Brüssel vorgestellt, bei der auch die Generaldirektion Energie vertreten war. 8. Was tut die Landesregierung für die Förderung der Forschung mit dem Ziel, im Rahmen von nationalen und internationalen Klimaschutzvereinbarungen realistischere THG-Bilanzen anwenden zu können? Um einen Überblick über die Potenziale, Wirksamkeiten und Möglichkeiten der Treibhausgaseinsparung in der Agrarwirtschaft zu bekommen, hat die Landesregierung auf Vorschlag der Regierungskommission Klimaschutz eine vom Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und vom (seinerzeitigen) Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz geförderte Studie an das Institut für Agrarrelevante Klimaforschung des Johann Heinrich von Thünen-Instituts (vTI) in Braunschweig vergeben. Die Studie wurde am 13. Juli 2012 übergeben (https://www.ml.nie dersachsen.de/themen/landwirtschaft/ue_nachhaltigkeit_und_klimaschutz/der-klimawandel---fol gen-und-aufgaben-fuer-die-niedersaechsische-land--und-forstwirtschaft-4724.html). Ziel dieser Studie war die Schaffung einer soliden Grundlage für eine effiziente Klimaschutzpolitik im Agrarsektor. (Verteilt am 12.04.2018) Drucksache 18/600 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Horst Kortlang, Hermann Grupe und Dr. Stefan Birkner (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz Wie realistisch sind Treibhausgasbilanzen im Rahmen von Klimaschutzvereinbarungen?