Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/602 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Christopher Emden (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung Risiken durch Unfälle von Windkraftanlagen Anfrage des Abgeordneten Christopher Emden (AfD), eingegangen am 05.03.2018 - Drs. 18/453 an die Staatskanzlei übersandt am 07.03.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 04.04.2018, gezeichnet In Vertretung Frank Doods Vorbemerkung des Abgeordneten Der Ausbau der Windenergie in Niedersachsen schreitet voran. Aber auch Meldungen zu Unfällen mit Windkraftanlagen bleiben nicht aus. Die Spanne reicht von Turmfall (https://www.n-tv.de/ panorama/Sachsen-raetselt-ueber-Windrad-Unfall-article19435181.html, https://www.n-tv.de/pano rama/Windrad-bei-Hamburg-stuerzt-um-article19464381.html, Abrufdatum: 15.02.2018) über Beschädigungen der Rotorblätter (http://www.nw.de/lokal/kreis_paderborn/paderborn/20801964_ Ursachen-fuer-Windradhavarie-bei-Paderborn-bleiben-unklar.html?em_cnt=20801964, Abrufdatum: 15.02.2018) bis hin zu Brand im oberen Bereich der Windkraftanlagen (https://www.kreiszeitung.de/ lokales/diepholz/schwafoerden-ort59235/windkraftanlage-scholen-brennt-6638532.html, Abrufdatum : 15.02.2018). Stehen die betroffenen Anlagen in der Nähe von Straßen, besteht die Gefahr einer Beeinträchtigung des Verkehrs bis hin zu gravierenden Personenschäden. Stehen die Anlagen in der Nähe von Freileitungen, kann es durch einen Unfall zur Beschädigung der Leitungen und dadurch zu Stromausfällen kommen. So wurde Anfang 2017 die B 166 bei Passow gesperrt, da eine 130 m hohe, in unmittelbarer Nähe zur Bundesstraße stehende Anlage einen abgeknickten Rotorflügel abzuwerfen drohte (https:// www.nordkurier.de/prenzlau/rotorfluegel-klappt-ab-0326699501.html, Abrufdatum: 15.02.2018). Die Abstandsanforderungen an Windkraftanlagen werden im Windenergieerlass vom 24.02.2016 festgelegt. In Niedersachsen wird unter Punkt 6.1 eine Anbauverbotszone von 40 m an Bundesautobahnen und von 20 m an Bundesstraßen sowie Landes- und Kreisstraßen vorgegeben. Zu Freileitungen ohne Schwingungsschutzmaßnahmen ist ein Abstand von drei Rotordurchmessern und zu Freileitungen mit Schwingungsschutzanlagen ein Abstand eines Rotordurchmessers einzuhalten (siehe Windenergieerlass, 6.5). 1. Sieht die Landesregierung ein Risiko durch Unfälle von Windkraftanlagen? Menschliches Wirken - vom alltäglichen Leben bis hin zur Errichtung und Nutzung von Bauwerken und Maschinen - ist regelmäßig mit Risiken verbunden. Die Anzahl bekannter technischer Defekte von Windkraftanlagen (WEA) mit Schadensfolge über die Anlage hinaus ist in Bezug auf den Gesamtbestand von bundesweit rund 28 700 installierten Windenergieanlagen als sehr gering einzuordnen . Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/602 2 Bei Schadensfällen von Windenergieanlagen sind die beispielsweise von defekten Rotorblättern, Eisabfall von der abgeschalteten Anlage oder umknickenden Türmen ausgehenden Gefahren in ihren Auswirkungen regelmäßig lokal sehr begrenzt und insbesondere Personenschäden aufgrund der Anlagenstandorte im Außenbereich und den einzuhaltenden Abständen zu Verkehrswegen und Wohnnutzungen äußerst unwahrscheinlich. Die Restrisiken sind grundsätzlich vergleichbar mit den Gefahren, die von anderen hohen Objekten wie Bäumen, Brücken oder Strommasten ausgehen können. 2. Bejahendenfalls, was hält die Landesregierung für notwendig, um dieser Gefahr zu begegnen ? Hierzu kann auf die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 39für die Fragestunde vom 07.04.2017 verwiesen werden (http://www.landtag-niedersachsen.de/Drucksachen/Drucksa chen%5F17%5F10000/7501-8000/17-7790.pdf): Die Bestimmungen zum Inverkehrbringen (Konstruktion, Herstellung) einer Windenergieanlage tragen dazu bei, dass die Sicherheit und Gesundheit von Personen nicht gefährdet werden. Windenergieanlagen sind Maschinen i. S. der Binnenmarktrichtlinie 2006/42/EG über Maschinen, die in Deutschland mit der 9. Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz (Maschinenverordnung) umgesetzt worden ist. Nach den EU-weiten Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen für Maschinen hat der Hersteller eine Risikobeurteilung vorzunehmen, um die für Windenergieanlagen geltenden Anforderungen zu ermitteln. Anhand des Ergebnisses hat der Hersteller seine Windenergieanlagen zu konstruieren und zu bauen. Entspricht die Anlage den Anforderungen der Richtlinie und sind weitere Forderungen (Konformitätsbewertungsverfahren, Kennzeichnung, Unterlagen ) erfüllt, dürfen die Mitgliedstaaten den freien Verkehr bzw. die Bereitstellung auf dem Markt nicht verbieten, beschränken oder behindern. Der Hersteller hat beispielsweise angemessene Maßnahmen zu treffen, um Gefahren durch Eiswurf zu begegnen. Beim Betrieb in der kalten Jahreszeit in den hiesigen Regionen kann das Entstehen von Eisschichten an den Rotorblättern nicht ausgeschlossen werden. Daher hat der Hersteller sicherzustellen, dass seine Windenergieanlage sich frühzeitig abschaltet, um zu verhindern, dass sich eine kritische Eisdicke akkumuliert und folglich ein kritisches Eisobjekt abgeworfen wird. Dies erfolgt beispielsweise durch das sogenannte Eisansatzerkennungssystem, basierend auf dem Kennlinienverfahren, bei dem aktuelle Betriebsdaten mit verschiedenen Parametern verglichen werden und bei signifikanten Abweichungen systembedingte Eingriffe in den Betrieb der Anlage (Abschaltung) erfolgen. Auch das Wiederanfahren der Anlage wird systembasierend geregelt und überwacht. Daneben unterliegen Windenergieanlagen baurechtlichen Anforderungen. Die Liste der Technischen Baubestimmungen enthält technische Regeln für die Planung, Bemessung und Konstruktion von Windenergieanlagen, deren Bekanntmachung als Technische Baubestimmungen auf der Grundlage des § 83 Abs. 1 NBauO erfolgt. Technische Baubestimmungen sind allgemein verbindlich . Die Einhaltung dieser Regeln wird im Genehmigungsverfahren bauaufsichtlich geprüft und in der Ausführung überwacht und abgenommen. Zu den bautechnischen Unterlagen und den Bauvorlagen für Windenergieanlagen gehören u. a. die gutachterliche Stellungnahme einer oder eines Sachverständigen zur Funktionssicherheit von Einrichtungen , durch die der Betrieb der Windenergieanlage bei Eisansatz sicher ausgeschlossen werden kann oder durch die ein Eisansatz verhindert werden kann (z. B. Rotorblattheizung). Daneben kann die zuständige Bauaufsichtsbehörde zur Herstellung der Verkehrssicherheit nach § 16 NBauO in den Nebenbestimmungen einer Baugenehmigung festlegen, dass an gut sichtbaren Stellen dauerhafte Schilder anzubringen sind, die auf mögliche Gefahren des Eisabwurfs von den Windkraftanlagen bei Betrieb und Stillstand hinweisen. Zudem sind wiederkehrende Prüfungen in regelmäßigen Intervallen durch Sachverständige an Maschine und Rotorblättern sowie an der Tragstruktur (Turm und zugängliche Bereiche der Fundamente ) durchzuführen. Die Prüfintervalle hierfür ergeben sich aus den gutachtlichen Stellungnahmen zur Maschine. Sie betragen höchstens zwei Jahre, dürfen jedoch auf vier Jahre verlängert Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/602 3 werden, wenn durch autorisierte Sachkundige eine mindestens jährliche Überwachung und Wartung der WEA durchgeführt wird. Die Einhaltung wiederkehrender Prüfungen ist zu überwachen. Bei den wiederkehrenden Prüfungen ist die Maschine, einschließlich der elektrotechnischen Einrichtungen des Betriebsführungs- und Sicherheitssystems sowie der Rotorblätter, im Hinblick auf einen mängelfreien Zustand zu untersuchen. Dabei müssen die Prüfungen nach den Vorgaben des im Genehmigungsverfahren begutachteten Wartungspflichtenbuchs und gegebenenfalls weiterer Forderungen in anderen Gutachten durchgeführt werden. Es ist sicherzustellen, dass die sicherheitsrelevanten Grenzwerte entsprechend den begutachteten Ausführungsunterlagen eingehalten werden. Für den Turm und das Fundament (Fundamentkeller und Sockel) ist mindestens eine Sichtprüfung durchzuführen, wobei die einzelnen Bauteile aus unmittelbarer Nähe zu untersuchen sind. Es ist zu prüfen, ob die Turmkonstruktion im Hinblick auf die Standsicherheit Schäden (z. B. Korrosion, Risse, Abplatzungen in den tragenden Stahl- bzw. Betonkonstruktionen) oder unzulässige Veränderungen gegenüber der genehmigten Ausführung (z. B. bezüglich der Vorspannung der Schrauben, der zulässigen Schiefstellung, der erforderlichen Erdauflast auf dem Fundament) aufweist . Bei planmäßig vorgespannten Schrauben ist mindestens eine Sicht- und Lockerheitskontrolle durchzuführen. 3. Nach welchen Kriterien wurden die Abstandsregelungen im Windenergieerlass festgelegt ? 4. Hält die Landesregierung die im Windenergieerlass festgelegten Abstandsregelungen für ausreichend, um den Schutz vor Stromausfällen sowie vor Unfällen mit Sach- und Körperschäden zu gewährleisten? Aufgrund des engen Sachzusammenhangs werden die Fragen 3 und 4 zusammen beantwortet. Mit dem Niedersächsischen Windenergieerlass wurden keine neuen Abstandsregelungen festgelegt , vielmehr wird dargestellt, welche Abstände nach derzeitiger Sach- und Rechtslage einzuhalten sind (sogenannte harte Tabuzonen). Einen Überblick zur Herkunft/Rechtsgrundlage der harten Tabuzonen gibt die Tabelle 3 (Anlage 2) des Windenergieerlasses (Nds. MinBl. S. 208 ff.) Die Abstände ergeben sich in der Regel aus den jeweiligen Spezialregelungen (z. B. Bundesfernstraßengesetz , Niedersächsisches Straßengesetz, Bundes-Immissionsschutzgesetz) bzw. diesbezüglich ergangener Rechtsprechung. Daneben wird im jeweiligen Einzelfall auch auf gegebenenfalls geltende DIN-Normen hingewiesen. Vor dem Hintergrund der Ausführungen zu den Fragen 1 und 2 ist somit kein Handlungsbedarf erkennbar. Mit den geltenden Regelungen und Verfahren können potenzielle Gefahren auf ein tolerierbares Restrisiko beschränkt werden. 5. Sieht die Landesregierung nicht zuletzt im Hinblick auf eine voraussichtliche Zunahme in der Gesamthöhe bei der zukünftigen Windkraftanlagengeneration Bedarf darin, die geltenden Abstandsregelungen zu überarbeiten? Die Erarbeitung des Windenergieerlasses erfolgte bereits im Hinblick auf die künftige Errichtung moderner großer Windenergieanlagen. Davon unbenommen werden die bezüglich der Anfrage relevanten Abstandregelungen entweder nach der Anlagenhöhe und/oder dem Rotordurchmesser ermittelt bzw. berücksichtigen diese Größen implizit. Entsprechend erwachsen aus einer größeren Anlagenhöhe und/oder größerem Rotorradius regelmäßig größere einzuhaltende Abstände. Dies gilt beispielsweise auch für die in der Vorbemerkung vom Fragesteller angesprochenen Abstände von Windenergieanlagen zu Verkehrswegen. Für die sogenannte Anbauverbotszone (bei Bundesautobahnen ein Bereich von beiderseitig 40 m vom äußeren Fahrbahnrand) gilt, dass diese in jedem Fall von Bauwerken wie Windenergieanlagen einschließlich ihres Rotors freizuhalten ist. Größer dimensionierte Anlagenrotoren bedeuten somit einen größeren einzuhaltenden Abstand des Anlagenturms zum Verkehrsweg. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/602 4 Vor diesem Hintergrund sieht die Landesregierung keinen Anpassungsbedarf. Sofern im Einzelfall Besonderheiten oder als Gefahr zu bewertende spezielle Konstellationen auftreten, kann darauf in den immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren fallbezogen reagiert werden. Unabhängig von der Fragestellung soll der Windenergieerlass ab Herbst 2018 auf seinen Fortschreibungsbedarf hin geprüft werden. (Verteilt am 12.04.2018) Drucksache 18/602 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Christopher Emden (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz Risiken durch Unfälle von Windkraftanlagen