Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/603 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Dr. Stefan Birkner (FDP) Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen in Sachen „Ritterhude“ Anfrage des Abgeordneten Dr. Stefan Birkner (FDP), eingegangen am 06.03.2018 - Drs. 18/467 an die Staatskanzlei übersandt am 13.03.2018 Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung vom 03.04.2018, gezeichnet Barbara Havliza Vorbemerkung des Abgeordneten Die Staatsanwaltschaft Verden hat am 20.02.2018 verlauten lassen, dass sich im Rahmen der Ermittlungen zu dem Explosionsunglück in Ritterhude Hinweise darauf ergeben haben, dass es außerhalb der Genehmigungserteilungen für die Chemiefabrik zu Vorteilszuwendungen in Form von Weihnachtspräsenten an Mitarbeiter verschiedener Behörden gekommen sei und die Ermittlungen dazu andauerten. 1. Gegen wie viele Mitarbeiter jeweils welcher Behörden wird seitens der Staatsanwaltschaft Verden wegen möglicher Vorteilszuwendungen ermittelt? Die Ermittlungen wegen des Verdachts, dass es aus dem Unternehmen Organo Fluid Dr. Koczott GmbH heraus zu Zuwendungen an Mitarbeiter verschiedener Behörden gekommen ist, wurden bei der Staatsanwaltschaft Verden, bezogen auf die als Nehmer in Betracht kommenden Amtsträger, unter dem Aktenzeichen 601 Js 32588/16 geführt. Die Ermittlungen richteten sich gegen folgende Nehmer: a) eine Mitarbeiterin des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes Cuxhaven, b) einen Mitarbeiter des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes Hildesheim, c) einen Mitarbeiter des Landkreises Osterholz - Bauordnungsamt, d) zwei Mitarbeiter des Hauptzollamtes Bremen, e) zwei Mitarbeiter der Niedersächsischen Gesellschaft zur Endlagerung von Sonderabfall GmbH, f) sechs Mitarbeiter der Technischen Universität Clausthal-Zellerfeld. 2. Erstrecken sich die Ermittlungen auch auf Vorkommnisse im Landkreis Osterholz aus der Zeit, in der der heutige Chef der Staatskanzlei Jörg Mielke als früherer Dezernent und späterer Landrat im Landkreis Osterholz Verantwortung trug? Hinsichtlich des beschuldigten Mitarbeiters des Landkreises Osterholz gründete der Verdacht der Vorteilsannahme sich auf einen im Rahmen der Auswertung von Asservaten gefundenen Hinweis auf die Zuwendung einer Flasche Sekt im Jahr 2012. Dies fällt in die Amtszeit des nunmehrigen Chefs der Staatskanzlei als früherer Landrat des Landkreises Osterholz. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/603 2 3. Seit wann werden die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wegen möglicher Vorteilszuwendungen geführt, und was sind die näheren Gründe dafür, dass die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind? Es ist zwischen zwei Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Verden zu unterscheiden: a) Verfahren 601 Js 7364/15 Die Ermittlungen gegen den Geschäftsführer der Organo Fluid Dr. Koczott GmbH wegen des Verdachts der Bestechung und Vorteilsgewährung wurden mit Verfügung vom 18.02.2015 aus dem Verfahren 601 Js 48125/14, das u. a. wegen fahrlässiger Tötung im Zusammenhang mit dem Explosionsunglück geführt wurde, eingeleitet. Es richtete sich zunächst nur gegen den Inhaber der Organo Fluid Dr. Koczott GmbH wegen des Verdachts der Bestechung und der Vorteilsgewährung. Anknüpfungspunkt für den Verdacht der Vorteilsgewährung waren Zuwendungen von Weihnachtspräsenten an mehrere Mitarbeiter verschiedener Behörden. Mit Verfügung vom 21.03.2017 wurden die diesbezüglichen Ermittlungen gegen den Geschäftsführer der Organo Fluid Dr. Koczott GmbH im Hinblick auf das gegen ihn und andere geführte Verfahren 601 Js 48125/14 gemäß § 154 Abs. 1 StPO vorläufig eingestellt. Am 26.02.2016 wurden die Ermittlungen auf einen Mitarbeiter des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamts Cuxhaven wegen des Verdachts der Bestechlichkeit erweitert. Es bestand der Verdacht, dass es im Zusammenhang mit der Erteilung von Genehmigungen für den Betrieb der Organo Fluid Dr. Koczott GmbH durch den Geschäftsführer zu einer Bestechung dieses Mitarbeiters des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamts Cuxhaven gekommen war. Damit standen die Ermittlungen wegen Bestechung bzw. Bestechlichkeit des Mitarbeiters der Gewerbeaufsicht in unmittelbarer Abhängigkeit von den Ermittlungen zur Aufklärung des Explosionsgeschehens im Verfahren 601 Js 48125/14. Erst nach dortigem Ermittlungsfortschritt konnten die Ermittlungen wegen des Verdachts des kollusiven Zusammenwirkens zwischen dem Geschäftsführer der Organo Fluid Dr. Koczott GmbH und dem Mitarbeiter des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamts Cuxhaven abgeschlossen werden. Das Verfahren wegen Bestechung bzw. Bestechlichkeit wurde letztlich gegen beide Beschuldigte am 18.10.2017 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Soweit gegen den Mitarbeiter des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamts Cuxhaven zudem der Verdacht bestand, Vorteile auch von anderen Personen (Gebern) angenommen zu haben, ist das Verfahren am 20.11.2017 gemäß § 153 Abs. 1 StPO mit Zustimmung des Amtsgerichts Stade eingestellt worden. Vor dem Hintergrund der abzusehenden Einstellung des Verfahrens 601 Js 48125/14 wurden die Ermittlungen gegen den Geschäftsführer der Organo Fluid Dr. Koczott GmbH - ausschließlich wegen des Verdachts der Vorteilsgewährung - am 28.12.2017 wieder aufgenommen. Für den Beschuldigten wurde unter dem 13.02.2018 eine Einlassung abgegeben, auf deren Grundlage nunmehr seitens der Staatsanwaltschaft Verden über das weitere Vorgehen zu entscheiden ist. b) Verfahren 601 Js 32588/16 Die Ermittlungen gegen die in der Antwort zu Frage 1, lit. a. bis d. genannten Nehmer sind mit Verfügung vom 02.08.2016 eingeleitet worden. Am 14.12.2016 wurden sie auf die in der Antwort zu Frage 1, lit. e. und f. genannten Beschuldigten erweitert. Die Staatsanwaltschaft Verden berichtet, dass das Verfahren hinsichtlich aller Nehmer mit Verfügung vom 15.12.2017 mit Zustimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt wurde. (Verteilt am 12.04.2018) Drucksache 18/603 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Dr. Stefan Birkner (FDP) Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen in Sachen „Ritterhude“