Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/606 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Helge Limburg, Miriam Staudte, Belit Nejat Onay, Christian Meyer und Julia Willie Hamburg (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Hintergründe und Rechtsgrundlage des Polizeieinsatzes gegen ein Jugendzentrum in Meuchefitz Anfrage der Abgeordneten Helge Limburg, Miriam Staudte, Belit Nejat Onay, Christian Meyer und Julia Willie Hamburg (GRÜNE), eingegangen am 28.02.2018 - Drs. 18/440 an die Staatskanzlei übersandt am 06.03.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 04.04.02018, gezeichnet Boris Pistorius Vorbemerkung der Abgeordneten Am 20.02.2018 kam es in Meuchefitz (Landkreis Lüchow-Dannenberg) zu einem Polizeieinsatz gegen ein Tagungshaus und Veranstaltungszentrum. Anlass des Einsatzes, bei dem etwa 80 vermummte Polizeibeamte zum Einsatz kamen, war augenscheinlich ein Transparent an einem Fenster des Veranstaltungszentrums, bei dem Solidarität mit Afrin, einer Region in Syrien, in der sich kurdische Einheiten dem IS entgegengestellt haben und nun von der türkischen Armee angegriffen werden, und der YPG, einer syrisch-kurdischen Miliz, bekundet wurde. Die YPG wird von der Türkei als terroristische Organisation betrachtet, von der EU und Deutschland jedoch ausdrücklich nicht als eine solche eingestuft. Die YPG ist in Deutschland nicht explizit verboten. Deutschlands NATO-Partner USA unterstützt die YPG militärisch. SPD, CDU, Grüne und FDP im Niedersächsischen Landtag haben sich im Januar auf eine gemeinsame Resolution verständigt, in der ebenfalls ein Stopp des Vormarsches der türkischen Armee gefordert wurde. 1. Was war konkreter Anlass des oben beschriebenen Polizeieinsatzes? Anlass war die Vollstreckung eines Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts Lüneburg vom 02.02.2018, Az.: 14 Gs 93/18, in dem Ermittlungsverfahren 5104 Js 4493/18 der Staatsanwaltschaft Lüneburg. Die Durchsuchung sollte zum Auffinden von Beweismitteln (insbesondere eines Transparents mit u. a. der Aufschrift „Es lebe die YPJ/YPG“) wegen des Anfangsverdachts der Zuwiderhandlungen eines Beschuldigten gegen Verbote des Vereinsgesetzes (§§ 18, 20 VereinsG) führen. Ausweislich des Beschlusses des Amtsgerichts wird dem Beschuldigten zur Last gelegt, durch die öffentliche Zurschaustellung des Plakates die inneren und äußeren Strukturen der PKK sowie ihrer Teil- bzw. Folgeorganisationen unterstützt zu haben. 2. Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgte der Polizeieinsatz? Die Durchsuchung war gemäß §§ 102, 105 StPO und die Beschlagnahme dieser bzw. solcher Gegenstände gemäß §§ 94, 98 StPO durch den o. g. Beschluss angeordnet. Die Vollstreckung der Beschlüsse durch die Polizei erfolgte auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft Lüneburg gemäß § 161 Abs. 1 der Strafprozessordnung. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/606 2 3. Lag der Verdacht einer Straftat aus dem Veranstaltungszentrum heraus vor? Wenn ja, welcher? Hat sich dieser Verdacht bestätigt? Das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das VereinsG richtete sich gegen eine dort gemeldete beschuldigte Person. Die polizeiliche Maßnahme führte zum Auffinden des Beweismittels, welches bei Eintreffen der Polizei, für die Öffentlichkeit sichtbar, am Balkon hing. Im Übrigen wird auf die Ausführungen zu Frage 1 verwiesen. Die Ermittlungen dauern an. 4. Auf welcher Grundlage ist entschieden worden, 80 Beamte, die zum Teil vermummt waren , einzusetzen? Die Lagebewertung und Einsatzplanung erfolgte durch den Einsatzleiter der Polizeiinspektion Lüneburg /Lüchow-Dannenberg/Uelzen. Durch ihn erfolgte für Teilkräfte auch die Freigabe zum Anlegen der Schutzhaube. Wesentlich bei der Bewertung war, dass für die linksalternative Szene das Gasthaus ein zentraler Anlaufpunkt ist. Ferner ist die Adresse 29482 Küsten, Meuchefitz 19 die postalische Erreichbarkeit für den Infoblog „keinruhigeshinterland.org“. Auf dieser Infoblogseite wurde erstmalig am 25.01.2018 zu einer Kundgebung mit Aufzug in Lüchow aufgerufen. Thema waren die bundesweiten „G20 Anti-Repressions Aktionstage“. An der Versammlung nahmen am 02.02.2018 ab 16.00 Uhr schließlich ca. 60 Personen teil. Die Versammlung wurde weder angezeigt, noch fand sich ein Versammlungsleiter. Es wurde ein Ermittlungsverfahren gemäß §§ 3, 20 VersG eingeleitet. Aufgrund der Erkenntnisse von dieser Versammlung musste davon ausgegangen werden, dass bei polizeilichen Maßnahmen im Szeneobjekt in Meuchefitz 19 in kürzester Zeit mit Zulauf von Personen zu rechnen sei, die zumindest versuchen würden, die polizeilichen Maßnahmen zu erschweren. Weiterhin war unbekannt, wie viele Personen sich auf dem Grundstück in dort vorhandenen Bauwagen aufhalten. 5. Wer hat die Entscheidung für Stärke und Ausmaß des Einsatzes wann getroffen? Der Leiter Einsatz der Polizeiinspektion Lüneburg/Lüchow-Dannenberg/Uelzen hat am 13.02.2018 die polizeiliche Einsatzstärke festgelegt. Das Ausmaß richtete sich danach, den Beschluss des Amtsgerichts Lüneburg, die Beweismittel zu beschlagnahmen, zu vollstrecken. 6. Ist die YPG in Deutschland vom PKK-Verbot umfasst und damit indirekt doch verboten Das am 22.11.1993 vom Bundesministerium des Innern verfügte Betätigungsverbot richtet sich gegen die „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) sowie deren Nachfolge- und Teilorganisationen. Ob die YPG als eine solche einzustufen ist, wird innerhalb des Ermittlungsverfahrens zu klären sein. 7. Sind Symbole der YPG in Deutschland verboten? Wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage ? Die Fahnen der YPG sind nicht bereits als solche verboten, sondern nur insoweit, als sich die PKK derer ersatzweise bedient. Auf die Antwort der Bundesregierung vom 21.04.2017 (BT-Drs. 18/12025) zu Frage Nr. 15 der Kleinen Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Frank Tempel, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE wird ergänzend hingewiesen . Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/606 3 8. Plant oder befürwortet die Landesregierung ein Verbot der YPG? Wenn ja, warum? Die YPG ist eine international agierende Organisation. Verbotsbehörde in Deutschland wäre gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 des Vereinsgesetzes der Bundesminister des Innern. Die Landesregierung besitzt insofern keine Zuständigkeit. 9. Ist ein Ermittlungsverfahren wegen des Transparents eingeleitet worden? Wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage? Es wird auf die Ausführungen zu Frage 1 verwiesen. 10. Vor dem Hintergrund der militärischen Unterstützung der USA für die YPG: Ist eine Unterstützung der YPG in Deutschland oder aus Deutschland heraus strafbar? Wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage? Es wird auf die Ausführungen zu Fragen 6 und 7 Bezug genommen. Ergänzend sei darauf hingewiesen , dass - abhängig vom konkreten Einzelfall - grundsätzlich auch eine Strafbarkeit gemäß §§ 129 a, b StGB sowie wegen weiterer Straftatbestände in Betracht kommen kann. 11. Wird die YPG in Niedersachsen vom Verfassungsschutz beobachtet? Wenn ja, warum? Die Volksverteidigungseinheiten (Yekîneyên Parastina Gel, YPG) sowie deren Frauenverteidigungseinheiten (Yekîneyên Parastina Jin, YPJ) sind der militärische Arm der Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekitîya Demokrat, PYD). Als syrische Schwesterorganisationen der in der Bundesrepublik Deutschland seit 1993 mit einem Betätigungsverbot belegten Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) unterliegen diese ebenfalls der Beobachtung durch den niedersächsischen Verfassungsschutz gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 NVerfSchG. Die PYD wurde 2003 gegründet. Sie strebt dabei die autonome Selbstverwaltung der Kurden in Syrien nach dem Modell des Demokratischen Konföderalismus des PKK-Führers Abdullah Öcalan an. Die Zugehörigkeit der PYD zur PKK ist an der strukturellen Einbindung, der Ideologie und der Symbolik zu erkennen sowie vor allem auch an dem Bekenntnis zu ihrem Führer Öcalan. Aus Sicht der PKK bietet sich in Deutschland durch die PYD zudem die Möglichkeit, eine nicht durch das Betätigungsverbot stigmatisierte Organisation zu etablieren. 12. Gab es weitere Gründe für den Polizeieinsatz gegen das Tagungshaus? Erhoffte sich die Polizei Erkenntnisse über mutmaßliche Gewalttäter am Rande des G-20-Gipfels in Hamburg? Nein. 13. Hat die Polizei Beweismittel beschlagnahmt? Wenn ja, für welche Ermittlungsverfahren sind diese bestimmt? Befanden sich darunter auch Beweismittel, die bei Ermittlungsverfahren wegen der G-20-Krawalle in Hamburg eingeleitet worden sind? Die Polizei hat in dem genannten Ermittlungsverfahren Gegenstände beschlagnahmt, die für dieses Verfahren als Beweismittel von Bedeutung sind. Insoweit wird auf die Antwort zu Frage 3 Bezug genommen. Zur möglichen Beweisbedeutung für andere Verfahren kann nichts mitgeteilt werden; die Ermittlungen dauern an. (Verteilt am 12.04.2018) Drucksache 18/606 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Helge Limburg, Miriam Staudte, Belit Nejat Onay, Christian Meyer und Julia Willie Hamburg (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport Hintergründe und Rechtsgrundlage des Polizeieinsatzes gegen ein Jugendzentrum in Meuchefitz