Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/607 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Christian Grascha (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Payment Blocking in Verbindung mit der Glückspielaufsicht des Landes Niedersachsen Anfrage des Abgeordneten Christian Grascha (FDP), eingegangen am 06.03.2018 - Drs. 18/477 an die Staatskanzlei übersandt am 13.03.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 04.04.2018, gezeichnet Boris Pistorius Vorbemerkung des Abgeordneten Das Inkrafttreten des Zweiten Staatsvertrages zur Änderung des Glücksspielstaatsvertrags zum 1. Januar 2018 war laut Artikel 2 Abs. 2 Zweiter GlüÄndStV an die Ratifizierung aller Landesparlamente gebunden. Da Schleswig-Holstein es ablehnt, diesen zu ratifizieren, und auch die Länder Hessen und NRW Änderungen am Regelwerk fordern, besteht seit Ablauf des Kalenderjahrs 2017 der bestehende Glückspielstaatsvertrag fort. Ab dem 25. Mai 2018 gilt in der EU bzw. dem EWR die Datenschutz-Grundverordnung, die das (alte) BDSG ablöst. Die DSGVO enthält gegenüber der heute in Deutschland geltenden Lage einige substanzielle Änderungen. In einem aktuellen Bericht auf der Internetplattform golem.de „Bei Finanzsperren droht illegale Vorratsdatenspeicherung“ vom 21. Februar 2018 wird Bezug genommen auf ein aktuelles Gutachten des Augsburger Staats- und Verwaltungsrechtlers Matthias Rossi, der davon ausgeht, dass sich die von der Landesregierung nach wie vor vorgesehene Maßnahme des „payment blocking“ als rechtswidrig erweisen könnte. Das vollständige Gutachten von Prof. Rossi steht in dem genannten Artikel zur Verfügung. Vorbemerkung der Landesregierung Der Zweite Staatsvertrag zur Änderung des Glücksspielstaatsvertrages (2. GlüÄndStV) sollte die Regulierung für den Sportwettenbereich punktuell modifizieren, um die Blockadesituation in den Verfahren zur Erteilung von Sportwetten-Konzessionen aufzulösen; diese war nach Entscheidungen der zuständigen hessischen Verwaltungsgerichte entstanden, die in Eilrechtsschutzverfahren das Verfahren zur Konzessionserteilung für rechtsfehlerhaft erkannten. In der Folge konnten bis heute keine Konzessionen an Anbieter von Sportwetten erteilt werden; wann die hessischen Gerichte in der Hauptsache entscheiden, ist offen. Der 2. GlüStV sah vor, die Begrenzung der Anzahl von zu erteilenden Konzessionen (zunächst 20, dann 35) aufzugeben. Die Konzessionsbewerber, die die Mindestanforderungen im Konzessionsverfahren erfüllt hatten, sollten kraft Gesetzes jeweils eine vorläufige einjährige Erlaubnis erhalten, mit der Möglichkeit der Verlängerung der Erlaubnis nach entsprechender Antragstellung. Darüber hinaus sollten auch sonstige Sportwetten-Anbieter, die bisher im Konzessionsverfahren nicht berücksichtigt wurden, die Möglichkeit erhalten, bei Vorliegen der Voraussetzungen eine Erlaubnis zu erlangen. Die Regelungen des 2. GlüStV ließen demgegenüber das sonstige Online-Glücksspiel (Online- Casino/-Poker, Zweitlotterien) jenseits der Sportwetten unberührt. Auch die materiell-rechtlichen Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/607 2 Regelungen zur Zahlungsunterbindung („Payment Blocking“) waren nicht Gegenstand des 2. GlüStV. Der 2. GlüStV sah insoweit lediglich eine Zuständigkeitskonzentration beim Land Nordrhein -Westfalen vor. Da Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Hessen den 2. GlüStV nicht bis zum 31.12.2017 ratifiziert haben, ist dieser nach seinem Artikel 2 Abs. 1 Satz 1 gegenstandslos geworden. Es gilt damit der bisher geltende Glücksspielstaatsvertrag vom 15. Dezember 2011 (Nds. GVBl. 2012, S. 190, 196 - GlüStV) fort. Der somit weiterhin geltende GlüStV verbietet das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet (Internetverbot, § 4 Abs. 4 GlüStV). Ausnahmen gelten lediglich für den Eigenvertrieb und die Vermittlung von Lotterien sowie für die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten . Zum Zwecke der Durchsetzung des Internetverbots kann den am Zahlungsverkehr Beteiligten, insbesondere den Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten, die Mitwirkung an Zahlungen für unerlaubtes Glücksspiel untersagt werden (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 GlüStV). Damit wurde der Erkenntnis Rechnung getragen, dass unerlaubte Glücksspielangebote im Internet in der Regel aus dem Ausland heraus betrieben werden, wo sich die Verantwortlichen dem Zugriff deutscher Behörden weitestgehend entziehen können. Für die Einleitung von Maßnahmen zur Zahlungsunterbindung bleibt es bei der bundesweiten Zuständigkeit des Landes Niedersachsen, die vom Ministerium für Inneres und Sport als Glücksspielaufsichtsbehörde wahrgenommen wird. Flankierend hierzu enthält § 4 Abs. 1 Satz 2 GüStV ein allgemeines Mitwirkungsverbot, das sich unmittelbar an alle am Zahlungsverkehr Beteiligten im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel richtet. 1. Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung aus dem Scheitern des Zweiten GlüÄndStV? Infolge des Scheiterns des 2. GlüÄndStV sind die Anbieter von Sportwetten nach wie vor ohne glücksspielrechtliche Erlaubnis am Markt tätig. Bis es gegebenenfalls zu einer Neuregelung des Sportwettenbereichs kommt, werden Aufsicht und Vollzug im Rahmen des bestehenden Rechtsrahmens fortgeführt. Parallel dazu wird sich die Landesregierung in den neuen Verhandlungen mit den anderen Bundesländern dafür einsetzen, dass eine rechtlich und praktisch tragfähige Lösung erarbeitet wird. Handlungsdruck besteht im Sportwettenbereich nicht zuletzt mit Blick auf das Auslaufen der Experimentierphase mit dem 30.06.2019. Kommt es bis dahin nicht zu einer Änderung des Staatsvertrags, lebt am 01.07.2019 das Sportwettenmonopol wieder auf. Nach Auffassung der Landesregierung ist aber eine Rückkehr zum Monopol nach mehrjähriger Duldung der Anbieter am Markt keine ernsthaft zu verfolgende Option. Eine Remonopolisierung würde dem bisherigen Ziel der Marktöffnung im Sportwettenbereich zuwiderlaufen. Auch dürfte angesichts eines etablierten Sportwetten-Markts mit mittlerweile zahlreichen Anbietern und einem breiten Netz von Wettbüros die Entwicklung auf dem Sportwetten-Markt kaum noch rückholbar sein; die Verwirklichung der übergeordneten Ziele der Suchtprävention, des Spieler- und Minderjährigenschutzes und vor allem der Kanalisierung dürften durch eine Rückkehr zum Monopol kaum mehr erreichbar sein. Daher sieht die Landesregierung einvernehmliches gesetzgeberisches Handeln als geboten an und wird sich dafür einsetzen , dass am Ende der Gespräche und Verhandlungen mit den anderen Bundesländern ein konsensfähiges Ergebnis erzielt wird. 2. Mit welchen Maßnahmen will die Landesregierung sicherstellen, dass es in absehbarer Zeit eine rechtlich stabile Glücksspielregulierung gibt, die sowohl den Spieler- und Jugendschutz gewährleistet als auch den Anbietern von Glücksspielen eine sichere Grundlage für ihre Tätigkeit bietet? Hinsichtlich des Sportwettenbereichs wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Was den Bereich des sonstigen Online-Glücksspiels (Online-Casino/-Poker, Zweitlotterien) betrifft, hat das Bundesverwaltungsgericht mit seinen Entscheidungen vom 26. Oktober 2017 (Az.: 8 C 14.16 und 8 C 18.16) für Rechtsklarheit und Rechtssicherheit gesorgt, indem es die von Anbieterseite immer wieder infrage gestellte Verfassungs- und Unionsrechtmäßigkeit des Internetverbots Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/607 3 uneingeschränkt bestätigt hat. Insofern sieht die Landesregierung hier, anders als im Bereich der Sportwetten, keinen unmittelbaren Handlungsbedarf. Sofern einzelne Länder sich in den anstehenden Verhandlungen gleichwohl für eine weitergehende Liberalisierung im Bereich des sonstigen Online-Glücksspiels einsetzen, wird es darum gehen, die denkbaren Regulierungsoptionen sorgfältig gegeneinander abzuwägen, um im Sinne der übergeordneten Ziele der Glücksspielregulierung - der Bekämpfung der Glücksspielsucht, der Begrenzung und Kanalisierung des Glücksspielangebotes, des Spieler- und Jugendschutzes sowie der Manipulations - und Betrugsvermeidung - ein rechtlich und praktisch tragfähiges wie auch konsensfähiges Ergebnis zu erreichen. Die Landesregierung wird dabei vor allem darauf hinwirken, dass es auch beim sonstigen Online-Glücksspiel, jenseits der Sportwetten, bei einer bundesweit einheitlichen Regulierung bleibt. Sonderwege einzelner Länder bei der Glücksspielregulierung gilt es zu vermeiden ; sie drohen den Vollzug in allen Ländern zu schwächen. 3. Wie bewertet die Landesregierung das Gutachten von Prof. Rossi im Hinblick auf das Blockieren von Zahlungsströmen im Zusammenhang mit Onlineglücksspielen? Hat die Landesregierung im Hinblick auf die ab 25. Mai 2018 gültige Datenschutz-Grundverordnung das „payment blocking“ einer erneuten Rechtsbewertung unterzogen? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Das von Prof. Dr. Matthias Rossi im Dezember 2017 vorgelegte Rechtsgutachten bezieht sich auf die europa- und datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen für Maßnahmen des Financial Blocking auf der Grundlage von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 GlüStV. Weder erhebt noch verarbeitet das Ministerium für Inneres und Sport im Zusammenhang mit der Aufgabe der Zahlungsunterbindung personenbezogene Daten. Nach Einschätzung der Landesregierung ist dies auch zur Umsetzung der Maßnahmen nicht erforderlich. An dieser grundlegenden Bewertung ändert auch die am 25. Mai 2018 in Kraft tretende Datenschutz-Grundverordnung nichts. 4. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung bislang unternommen, um das von ihr angestrebte „payment blocking“ umzusetzen? Hat es bereits Abmahnungen an Zahlungsdienstleistern gegeben, bestimmte Onlineanbieter für Glücksspiele zu blockieren? Wenn ja, welche Anbieter von Online-Glücksspielen wurden konkret benannt, und welche Zahlungsdienstleister wurden abgemahnt? Das Ministerium für Inneres und Sport leitet Maßnahmen zur Zahlungsunterbindung ausschließlich in konkreten Einzelfällen unerlaubter Glücksspielangebote ein. Zahlungsanbieter sind dabei stets nachrangig betroffen. Maßnahmen zur Zahlungsunterbindung kommen erst in Betracht, wenn der verantwortliche Anbieter rechtswidriger Glücksspiele zuvor selbst vergeblich in Anspruch genommen wurde und die Vollstreckung, zumeist aufgrund der Ansässigkeit im Ausland, erfolglos geblieben ist. Bei den Maßnahmen zur Zahlungsunterbindung verfolgt das Ministerium für Inneres und Sport einen kooperativen Ansatz. Die betroffenen Zahlungsanbieter sollen danach vorzugsweise im Rahmen ihrer eigenen Geschäftspolitik („compliance“) sicherstellen, dass ihr Zahlungsmittel nicht für unerlaubtes und bereits untersagtes Glücksspiel zur Verfügung steht. Angeknüpft wird dabei an die gesetzlichen Verpflichtungen der am Zahlungsverkehr Beteiligten, die insbesondere aus dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz und dem Geldwäschegesetz folgen. Dazu zählt insbesondere die Pflicht zur Überprüfung der Kunden im Hinblick auf die von ihnen ausgeübte Geschäftstätigkeit und die Herkunft der von ihnen transferierten Gelder („Know-Your-Customer-Prinzip“). Im Sinne dieser Verpflichtungen haben Zahlungsdienstleister ein eigenes Interesse daran, über unternehmensinterne Richtlinien die Einhaltung der ihnen obliegenden gesetzlichen Bestimmungen zu gewährleisten. Diesen Ansatz verfolgend, arbeitet das Ministerium für Inneres und Sport derzeit mit mehreren betroffenen Zahlungsanbietern im In- und Ausland zusammen. Zu einzelnen betroffenen Anbietern sowie involvierten Zahlungsdienstleistern kann aufgrund schutzwürdiger Interessen Einzelner bzw. Geschäftsgeheimnisse keine Auskunft erteilt werden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann mit Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/607 4 Rücksicht auf das laufende Verfahren auch keine Auskunft über die Reaktionen der betroffenen Zahlungsanbieter gegeben werden. 5. Hat es darüber hinaus Kontakte mit Zahlungsdienstleistern gegeben, in denen diese gebeten wurden, freiwillig und in eigener Verantwortung Onlineglücksspielanbieter zu blockieren? Wenn ja, welche Zahlungsdienstleister wurden gebeten, freiwillig und in eigener Rechtsverantwortung Zahlungsverkehre zu blockieren, und welche Zusagen gab es hier? Siehe Antwort zu Frage 4. 6. Der Deutsche Lotto- und Totoblock (DLTB) fordert öffentlich, die Finanztransfers beim Onlineglücksspiel bei ausländischen Anbietern zu unterbinden, obwohl die Rechtswidrigkeit der Angebote strittig und nicht belegt ist. Welche Gespräche hat es seitens der Landesregierung mit dem DLTB hinsichtlich des „payment blockings“ gegeben, und welche Zusagen hat die Landesregierung hier gemacht? Die Rechtswidrigkeit der infrage stehenden Angebote folgt unmittelbar aus dem geltenden GlüStV, der in § 4 Abs. 4 das Verbot des Veranstaltens und Vermittelns öffentlicher Glücksspiele im Internet regelt. Die einschlägige Rechtsprechung lässt insoweit keinen Raum für Zweifel an der Rechtswidrigkeit entsprechender Angebote. So hat zuletzt das Bundesverwaltungsgericht in seinen Urteilen vom 26. Oktober 2017 (Az.: 8 C 14.16 und 8 C 18.16) klargestellt, dass das Verbot, Casino- und Pokerspiele im Internet zu veranstalten oder zu vermitteln, mit Verfassungs- und Unionsrecht vereinbar ist. Insoweit kann auch im Kontext der Zahlungsunterbindung nicht von einer strittigen oder nicht belegten Rechtswidrigkeit der entsprechenden Angebote die Rede sein. Zusagen hinsichtlich Zahlungsunterbindungen gegenüber dem DLTB hat es nicht gegeben. Das Ministerium für Inneres und Sport kommt ausschließlich seiner Verpflichtung aus dem Glücksspielstaatsvertrag nach und richtet sein Vorgehen nicht an Einzelinteressen aus. 7. Wird die Landesregierung ihre Bemühungen hinsichtlich der Durchsetzung eines „payment blocking“ aufgrund der veränderten Rechtslage und wegen der Gefahr der Unverhältnismäßigkeit und der Rechtswidrigkeit einstellen? Nein. Die Landesregierung wird weiterhin Maßnahmen zur Zahlungsunterbindung einleiten, um sicherzustellen , dass Zahlungsdienstleister ihre eigenen rechtlichen Verpflichtungen einhalten und sich nicht an der Durchführung unerlaubten Glücksspiels beteiligen. Im Übrigen siehe die Antwort zu Frage 4. 8. Wie will die Landesregierung sicherstellen, dass das Parlament umfassend und zeitnah über die weitere Entwicklung zum Zweiten Staatsvertrag zur Änderung des Glücksspielstaatsvertrages unterrichtet wird? Staatsverträge bedürfen gemäß § 35 Abs. 2 der Niedersächsischen Verfassung der Zustimmung des Landtags. Im Vorfeld der Unterzeichnung eines neuen Staatsvertrags wird die Landesregierung den Landtag über den Entwurf eines Staatsvertrags unterrichten, sobald der Verhandlungsstand eine Unterrichtung zulässt (§ 37 Abs. 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Landesregierung und der Ministerien). (Verteilt am 12.04.2018) Drucksache 18/607 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Christian Grascha (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport Payment Blocking in Verbindung mit der Glückspielaufsicht des Landes Niedersachsen