Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/631 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Belit Onay (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Abschiebungen in den Sudan Anfrage des Abgeordneten Belit Onay (GRÜNE), eingegangen am 15.03.2018 - Drs. 18/515 an die Staatskanzlei übersandt am 20.03.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 09.04.2018, gezeichnet In Vertretung Stephan Manke Vorbemerkung des Abgeordneten Am 21. Februar 2018 fand eine Sammelanhörung vor Vertreterinnen und Vertretern der sudanesischen Botschaft in den Räumen des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten in Berlin statt. Die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen hat dafür Personen am 20. Februar 2018 nach Berlin transportiert. Die niedersächsischen Ausländerbehörden haben Personen per Anordnung verpflichtet, an der Sammelanhörung teilzunehmen. In Belgien hat die Abschiebung sudanesischer Flüchtlinge im Januar 2018 für Empörung gesorgt. Die TAZ titelte am 08.01.2018: „Nach Affäre um sudanesische Geflüchtete. Belgiens Regierung gespalten . Kann man mit Sudans Diktatur kooperieren, um Geflüchtete abzuschieben? Flämische Rechtsnationalisten wollen Kritik an dem Vorgehen nicht dulden.“ Laut dem Artikel waren mithilfe von aus ihrem Heimatland nach Belgien entsandten Beamten sudanesische Flüchtlinge in den Sudan zurückgeschickt und dort offenbar gefoltert worden. Die genauen Hintergründe soll laut TAZ ein Untersuchungsausschuss aufklären. Die sozialistische Opposition fordere den Rücktritt des für die Asylpolitik zuständigen Staatssekretärs Theo Francken, falls bei der umstrittenen Abschiebung tatsächlich Folter oder sogar Todesfälle in Kauf genommen worden sein sollten. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete am 22.12.2017, dass eine sudanesische Delegation im September 2017 in Brüssel empfangen und unter möglicherweise fragwürdigen Umständen an den Befragungen von Flüchtlingen beteiligt worden sei. Im Nachgang der Foltervorwürfe nach der Abschiebung der Sudanesen habe die belgische Regierung Abschiebungen in die Republik Sudan bis mindestens Ende Januar 2018 ausgesetzt. Auch die Deutsche Welle berichtete am 23.01.2018 über Foltervorwürfe nach Abschiebungen in die Republik Sudan. In Belgien sei diesbezüglich jetzt ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingesetzt worden, um die Vorwürfe zu prüfen. Vorbemerkung der Landesregierung Zur Klärung der Identität ausreisepflichtiger Ausländerinnen und Ausländer, die über keine identitätsnachweisenden Dokumente verfügen bzw. sich weigern, solche zu beschaffen, ist eine Anhörung durch die Auslandsvertretung oder ermächtigte Bedienstete des vermuteten Herkunftsstaates häufig die einzige Möglichkeit, Hinweise auf die Herkunft und Identität zu erlangen. § 82 Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes enthält eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung, ausreisepflichtige Personen zum Zweck einer solchen Anhörung auch zwangsweise bei den Vertretungen oder ermäch- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/631 2 tigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit die Person vermutlich besitzt, vorzuführen . 1. a) Wie viele Personen aus welchen niedersächsischen Kommunen wurden jeweils zu der Sammelanhörung vor Vertreterinnen und Vertretern der sudanesischen Botschaft am 21. Februar 2018 vorgeladen? Bei der Sammelanhörung Sudan am 21.02.2018 in Berlin wurden aus Niedersachsen insgesamt neun Personen aus folgenden Kommunen vorgeladen: zwei Personen aus dem Landkreis Hildesheim, eine Person aus dem Landkreis Diepholz, zwei Personen aus dem Landkreis Emsland, zwei Personen aus dem Landkreis Stade, eine Person aus dem Landkreis Goslar, eine Person aus dem Landkreis Gifhorn. Es sind jedoch lediglich zwei Personen der Vorladung gefolgt, um den Vertretern der sudanesischen Botschaft vorgeführt werden. b) Wie lange lebten diese Personen jeweils bereits in Deutschland? Die letztmalige Einreise in das Bundesgebiet der vorgeladenen Personen ist der nachstehenden Übersicht zu entnehmen: Letztes Einreisedatum 2004 2010 2012 2014 2015 2016 Personen 1 2 1 1 3 1 c) Wie viele Personen nichtsudanesischer Staatsangehörigkeit wurden dabei vorgeladen und auf welcher Rechtsgrundlage? Zur Sammelanhörung werden nur die Personen vorgeladen, bei denen eine sudanesische Staatsangehörigkeit vermutet wird. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. d) Welche weiteren Bundesländer beteiligten sich an der Maßnahme? Die Zuständigkeit für die Passersatzpapierbeschaffung für ausreisepflichtige sudanesische Staatsangehörige liegt bei der Bundespolizei, die in diesem Zusammenhang auch die Organisation der Sammelanhörung übernommen hat. Auskünfte darüber, welche Länder sich noch an der Maßnahme beteiligt haben, liegen nicht vor. 2. Auf Grundlage welcher aktuellen zwischenstaatlichen Vereinbarung der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Sudan werden Abschiebungen in die Republik Sudan vorbereitet und erfolgt die Vorbereitung von Abschiebungen in die Republik Sudan? Es besteht die generelle völkerrechtliche Verpflichtung, eigene Staatsangehörige, die sich im Hoheitsgebiet anderer Länder aufhalten, ohne dort einen rechtmäßigen Aufenthalt zu haben, zurückzunehmen . Dies trifft auch auf den Sudan zu. Bilaterale Vereinbarungen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Sudan im Bereich der Rückführung sind der Landesregierung nicht bekannt. 3. Wer führte von sudanesischer Seite die o. g. Sammelanhörung durch? Diesbezüglich liegen der Landesregierung keine Informationen vor. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/631 3 4. a) Werden für Abschiebungen in die Republik Sudan aktuell Passersatzpapiere ausgestellt ? Ja. b) Auf welcher Grundlage wird die sudanesische Staatsangehörigkeit festgestellt? Die Feststellung, ob es sich um einen sudanesischen Staatsangehörigen handelt, erfolgt durch die sudanesischen Behörden nach den dortigen Vorschriften. 5. a) Wie bewertet die Niedersächsische Landesregierung Abschiebungen in die Republik Sudan vor dem Hintergrund der oben genannten Berichte über Foltervorwürfe ? b) Hält die Niedersächsische Landesregierung vor dem Hintergrund der dem sudanesischen Regime vorgeworfenen Menschenrechtsverletzungen und der Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshofs, die gegen den Präsidenten Umar al- Bashir wegen Völkermordes, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen im Darfur-Konflikt vorliegen, Abschiebungen in die Republik Sudan zum derzeitigen Zeitpunkt für rechtlich zulässig? Die Landesregierung kann eine eigene Bewertung der Menschenrechtssituation in den jeweiligen Herkunftsstaaten nicht vornehmen. Diese Bewertung obliegt dem Bund in Gestalt des Auswärtigen Amtes, das regelmäßig Berichte über die asyl- und abschieberelevante Lage auch unter Berücksichtigung der Menschenrechtssituation in den Herkunftsstaaten erstellt. Die Feststellungen und Bewertungen des Auswärtigen Amts dienen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) als Grundlage für die zu treffenden asylrechtlichen Entscheidungen. Dabei prüft das BAMF auch unter zielstaatsbezogenen Aspekten, wozu die genannten Menschenrechtsverletzungen gehören, ob dem Antragsteller Abschiebungsschutz zu gewähren ist. An diese Entscheidungen sind die Ausländerbehörden gebunden. Eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörden besteht nicht. Nach § 58 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) ist ein Ausländer zwingend abzuschieben, wenn er seiner gesetzlichen Ausreiseverpflichtung nicht innerhalb der gesetzten Frist freiwillig nachgekommen ist und damit die Vollziehbarkeit der Ausreiseverpflichtung eingetreten ist. Es handelt sich dabei um eine zwingende gesetzliche Rechtsfolge. Ein Ermessen ist den Ausländerbehörden nicht eingeräumt. Wenn im Einzelfall aufgrund einer geänderten Situation im Herkunftsland eine mögliche Gefährdung bei einer Rückkehr befürchtet wird, bleibt es den Betroffenen unbenommen , mit einem Asylfolgeantrag ihre individuell-konkrete Gefährdungssituation vom BAMF prüfen zu lassen. 6. Wie viele Abschiebungen erfolgten jeweils in den Jahren 2016, 2017 und 2018 aus Niedersachsen in die Republik Sudan? In den Jahren 2016 bis 2018 (Stand 28.02.2018) wurde keine Abschiebung in die Republik Sudan durchgeführt. 7. Wie viele ausreisepflichtige Personen aus dem Sudan lebten bzw. leben jeweils zum Ende der Jahre 2016 und 2017 sowie aktuell in Niedersachsen? Der Aufenthaltsstatus einer Ausländerin oder eines Ausländers wird im Ausländerzentralregister (AZR) des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gespeichert. Das BAMF übernimmt auch die statistische Aufbereitung der Daten des AZR und übermittelt monatlich Auswertungen an die Länder. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/631 4 Die nachfolgende Tabelle beinhaltet die Anzahl der ausreisepflichtigen Personen aus dem Sudan. Darin enthalten sind auch Personen, deren Ausreiseverpflichtung noch nicht vollziehbar ist (z. B. weil die Ausreisefrist noch nicht abgelaufen ist). Darüber hinaus sind auch Personen erfasst, deren Aufenthalt derzeit geduldet ist. 31.12.2016 31.12.2017 28.02.2018 Ausreisepflichtige Personen 383 737 780 (Verteilt am 13.04.2018) Drucksache 18/631 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Belit Onay (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport Abschiebungen in den Sudan