Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/673 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Dr. Stefan Birkner, Horst Kortlang und Jörg Bode (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung namens der Landesregierung Wie bewertet die Landesregierung die mögliche Einführung flächendeckender Dieselfahrverbote ? Anfrage der Abgeordneten Dr. Stefan Birkner, Horst Kortlang und Jörg Bode (FDP), eingegangen am 07.03.2018 - Drs. 18/478 an die Staatskanzlei übersandt am 13.03.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung namens der Landesregierung vom 10.04.2018, gezeichnet Dr. Bernd Althusmann Vorbemerkung der Abgeordneten In der Stadt Hannover werde über die Einführung flächendeckender Dieselfahrverbote diskutiert, heißt es in einem Artikel der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 6. März 2018. Demnach schwebe Oberbürgermeister Schostok ein gestuftes Verfahren vor, bei dem zunächst älteren Dieselfahrzeugen und später auch solchen mit Euro-5-Motoren die Zufahrt zur Stadt verboten werden könne. „Wenn wir nur einzelne Straßen sperren, verlagert sich der Verkehr auf die Nebenstraßen“, äußert sich die städtische Umweltdezernentin Tegtmeyer-Dette. Diese Erkenntnis, die das Ergebnis von Modellrechnungen sei und vom Land Niedersachsen geteilt werde, mache bei einer Einführung von Dieselfahrverboten eine flächendeckende Vorgehensweise notwendig. Vorbemerkung der Landesregierung Die Bewertung der Verhältnismäßigkeit einer Einführung flächendeckender Fahrverbote kann angesichts deutlich sinkender NO2-Werte in niedersächsischen Städten erst nach dem Vorliegen der Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts zu Fahrverboten in Städten mit NO2-Grenzwertüberschreitungen erfolgen. Unabhängig davon sind NO2-Verminderungsmaßnahmen zu ergreifen, um die Grenzwerte in allen niedersächsischen Städten zügig zu unterschreiten. 1. Wie bewertet die Landesregierung die mögliche Einführung flächendeckender Dieselfahrverbote in Hannover sowie in anderen niedersächsischen Kommunen? Die Urteilsbegründungen liegen noch nicht vor und werden voraussichtlich erst in einigen Wochen (April) veröffentlicht. Das Bundesverwaltungsgericht hebt in seiner vorab veröffentlichten Mitteilung hervor, dass ein Verkehrsverbot für Diesel-Kraftfahrzeuge in Betracht zu ziehen sei, wenn es sich als einzige geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung überschrittener NO2-Grenzwerte unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes darstellt. Ein Verkehrsverbot darf nur als Ultima Ratio möglich sein. Eine belastbare Bewertung einer möglichen Einführung flächendeckender Dieselfahrverbote kann aber erst nach Vorliegen der Urteilsbegründung erfolgen. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/673 2 2. Teilt die Landesregierung die Auffassung der Stadt Hannover, wonach sich der Verkehr bei der Sperrung einzelner Straßen auf Nebenstraßen verlagere und mögliche Fahrverbote aus diesem Grund flächendeckend umgesetzt werden müssten? Die Sperrung einzelner Strecken für Diesel-Kraftfahrzeuge darf auch nach Auffassung der Landesregierung nicht dazu führen, dass sich die Verkehre auf andere Strecken verlagern und es dann dort zu Schadstoffbelastungen der Luft oberhalb der Grenzwerte kommt. Daher wäre stets bei Sperrungen zu prüfen, welche Auswirkungen eine solche Sperrung hat und ob es nicht andere Mittel gibt, die geringere nachteilige Auswirkungen haben. Die Landesregierung ist der Auffassung, dass flächendeckende Fahrverbote - insbesondere auch angesichts der aktuellen positiven Entwicklung der NO2-Werte in den Städten - mit allen Mitteln zu vermeiden sind. Die Verhältnismäßigkeit solcher drastischen Maßnahmen ist auch angesichts der vergleichsweise geringen Grenzwertüberschreitungen sehr fraglich. 3. Auf welche Modellrechnungen zu den Auswirkungen von Fahrverboten auf einzelnen Straßen bezieht sich die Stadt Hannover, wann wurden diese durchgeführt, und wie waren die genauen Ergebnisse? Die Landeshauptstadt Hannover hat für ihre Überlegungen zu den Fahrverboten Modellrechnungen der Zentralen Unterstützungsstelle Luftreinhaltung, Lärm, Gefahrstoffe und Störfallvorsorge (ZUS LLGS) des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamts Hildesheim herangezogen. Dabei wurden die Auswirkungen der Sperrungen der Straßen geprüft, die von Überschreitungen der Grenzwerte betroffen sind. Im Einzelnen sind dies die Marienstraße, die Friedrich-Ebert-Straße, die Göttinger Straße und die Vahrenwalder Straße. Eine Untersuchung der Auswirkungen eines Fahrverbots für Diesel-Kfz in der Marienstraße hinsichtlich der NO2-Belastung entlang der Umfahrungsrouten vom 02.11.2016 hat ergeben, dass dadurch in der Podbielskistraße, im Schiffgraben und in der Wedekindstraße signifikante Erhöhungen der NO2-Konzentration im Jahresmittel zu erwarten wären. Damit würde sich für Abschnitte auf diesen Umfahrungsrouten die Wahrscheinlichkeit für die Überschreitung des NO2-Grenzwerts erhöhen . Aufgrund der verkehrlichen Mehrbelastung wird dort zusätzlich ein erhöhtes Stauaufkommen prognostiziert. Eine Untersuchung der Auswirkungen eines Fahrverbots für Diesel-Kfz in der Friedrich-Ebert- Straße und der Göttinger Straße auf die NO2-Belastung vom 14.03.2017 hat ergeben, dass entlang der Umfahrungsrouten durchgängig Erhöhungen der NO2-Belastung zu erwarten wären. Auf der Umfahrungsroute über die Bornumer Straße ergibt sich mit fast 2 µg/m3 der höchste Anstieg der NO2-Konzentration im Jahresmittel. Für diesen bereits in der Ausgangslage als hoch belastet identifizierten Abschnitt verschärft sich die Belastungssituation und es ist an dieser Stelle mit einer NO2-Grenzwertüberschreitung zu rechnen. Eine Untersuchung der Auswirkungen eines Fahrverbots für Diesel-Kfz in der Vahrenwalder Straße vom 14.03.2017 hat ergeben, dass auf den Umfahrungsrouten die höchsten Änderungen der NO2-Konzentration mit 1,4 µg/m³ gegenüber der Ausgangslage im südlichen Bereich des Engelbosteler Damms zu erwarten sind. Eine NO2-Grenzwertüberschreitung kann dann für einen Abschnitt im Engelbosteler Damm und für einige Abschnitte im südlichen Bereich der Podbielskistraße nicht ausgeschlossen werden. Bei allen Modellrechnungen ist hinzunehmen, dass die bekannte modellbedingte Unsicherheit ebenso zu berücksichtigen ist wie die in der Vergangenheit durch die Modellrechnung in Hannover festgestellte Unterschätzung der NO2-Messwerte. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/673 3 4. Ist nach Auffassung der Landesregierung aufgrund des Urteils des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27. Februar 2018 die Einführung von Dieselfahrverboten zur Einhaltung des Stickstoffdioxidgrenzwertes in betroffenen Kommunen notwendig? Die Stickstoffdioxidbelastung ist in Niedersachsen im letzten Jahr deutlich zurückgegangen. Dieser Trend wird sich aufgrund der zu erwartenden Pkw-Flottenerneuerung sowie laufender Software-Updates fortsetzen. Nur noch in Hannover, Hildesheim, Oldenburg und Osnabrück wurde in einzelnen Straßenzügen im Jahr 2017 der Grenzwert von 40 µg/m³ überschritten. Neue Modellrechnungen des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamts Hildesheim zeigen, dass es möglich sein könnte, eine Grenzwertunterschreitung vor 2022 zu erreichen. Im Rahmen der Erstellung kommunaler Masterpläne werden derzeit weitere Erkenntnisse über zusätzliche NO2-Verminderungsmaßnahmen bis spätestens Sommer 2018 erarbeitet. Daher erscheint es aus derzeitiger Sicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht erforderlich zu sein, Fahrverbote anzuordnen. Eine belastbare Einschätzung kann aber erst nach Vorliegen der Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts erfolgen. 5. Welche anderen Maßnahmen als Fahrverbote sind nach Auffassung der Landesregierung in den betroffenen niedersächsischen Kommunen geeignet, damit der Grenzwert für Stickstoffdioxid eingehalten wird? Im Rahmen des „Sofortprogramm saubere Luft“ werden über den „Fonds für nachhaltige Mobilität für die Stadt“ in den niedersächsischen Städten Masterpläne zu zusätzlichen NO2-Verminderungsmaßnahmen bis Mitte 2018 erarbeitet. Die neuen Mobilitätsmaßnahmen müssen dann in die Luftreinhaltepläne aufgenommen und umgesetzt werden. Eine Bewertung, ob über diese Maßnahmen zügig eine Grenzwertunterschreitung an den niedersächsischen Messpunkten erreicht werden kann, kann erst dann erfolgen. Die in den Masterplänen erarbeiteten Maßnahmen werden vorrangig über Förderprogramme im Rahmen des „Sofortprogramm saubere Luft“ gefördert. Die ersten Förderaufrufe sind zum Teil schon im Dezember 2017 erfolgt. Die Landesregierung wird die Maßnahmen flankierend unterstützen . Eine flankierende Maßnahme ist die Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Der ÖPNV deckt bereits heute einen hohen Anteil der Mobilität in Niedersachsen und damit auch in den betroffenen Kommunen ab. Durch eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen wird eine Attraktivitätssteigerung des ÖPNV erreicht, die zu einer größeren Nutzerzahl führt. 6. Was unternimmt die Landesregierung zur Unterstützung der betroffenen Kommunen, damit der Grenzwert für Stickstoffdioxid in diesen eingehalten wird? Auf die Antworten zu den Fragen 4 und 5 wird verwiesen. Für den ÖPNV ist ein Sonderförderprogramm 2018 für die betroffenen niedersächsischen Kommunen in Vorbereitung. Ein solches niedersächsisches ÖPNV-Sonderförderprogramm könnte die Maßnahmen des Bundes zur Unterstützung der von NO2-Überschreitungen betroffenen bundesweit 90 Kommunen („Sofortprogramm saubere Luft“) ergänzen. Von Bundesseite sind im Dezember 2017 bereits die ersten Förderprogramme angelaufen und weitere werden 2018 folgen. Das „Sofortprogramm saubere Luft“ wird über den „Fonds für nachhaltige Mobilität für die Stadt“ finanziert. Für das Sofortprogramm stellen die Bundesregierung 750 Millionen Euro und die Industrie 250 Millionen Euro bereit. Das geplante ÖPNV-Sonderförderprogramm 2018 des Landes soll im Laufe des Jahres umzusetzende ÖPNV-Vorhaben in von NO2-Jahresgrenzwertüberschreitungen betroffenen Städten außerhalb des jährlichen ÖPNV-Jahresförderprogramms durch zusätzliche Förderungen ermöglichen. Konkret sollen in diesem Rahmen zusätzliche Förderungen für die Beschaffung emissionsarmer Omnibusse für den ÖPNV-Linienverkehr, die Nachrüstung von Diesel-Omnibussen im ÖPNV-Linienverkehr mit Abgasnachbehandlungssystemen (sogenannte SCR-Kats) sowie für den Umbau Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/673 4 oder den Neubau von Wendeschleifen in Verbindung mit einer Umstellung auf den Einsatz von Omnibussen mit Elektroantrieb im ÖPNV ermöglicht werden. Weiter stehen den Kommunen durch das Niedersächsische Nahverkehrsgesetz (NNVG) pauschale Mittel für ÖPNV-Vorhaben zur Verfügung, die ab 2017 noch erhöht wurden. Im Rahmen dieser zweckgebundenen Mittel ist es den Kommunen möglich, zielgerichtete ÖPNV-Vorhaben zur Einhaltung der NO2-Grenzwerte zu finanzieren. 7. Was unternimmt die Landesregierung, um die Einführung flächendeckender Dieselfahrverbote in Hannover sowie in anderen niedersächsischen Kommunen zu verhindern ? Es wird auf die Antworten zu den Fragen 4, 5 und 6 verwiesen. (Verteilt am 17.04.2018) Drucksache 18/673 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Dr. Stefan Birkner, Horst Kortlang und Jörg Bode (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung Wie bewertet die Landesregierung die mögliche Einführung flächendeckender Dieselfahr-verbote?