Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/6821 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Susanne Menge, Eva Viehoff und Dragos Pancescu (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Nachfragen zur Unterbringung von Geflüchteten in der Landesaufnahmebehörde Anfrage der Abgeordneten Susanne Menge, Eva Viehoff und Dragos Pancescu (GRÜNE), eingegangen am 19.05.2020 - Drs. 18/6570 an die Staatskanzlei übersandt am 28.05.2020 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 23.06.2020 Vorbemerkung der Abgeordneten Zu der Antwort der Landesregierung auf unsere Anfrage in Drucksache 18/6144 ergeben sich folgende Nachfragen. 1. Warum genau leben laut der Antwort auf Frage 2 h) Familien mit Kindern länger als sechs Monate in der LAB NI, obwohl Familien mit Kindern nicht länger als sechs Monate in der LAB NI wohnen müssen? Auf welcher Rechtsgrundlage kann die Landesregierung dafür eingeleitete Abschiebungen oder Dublin-Überstellungen sowie medizinische Gründe anführen ? In Einzelfällen kann es zu Überschreitungen der in § 47 Abs. 1 AsylG genannten Fristen für den Aufenthalt in Aufnahmeeinrichtungen kommen, wenn Verteilungen in die Kommunen nicht umgesetzt werden können, weil Personen z. B. reiseunfähig erkrankt sind oder sich in stationäre Behandlung begeben mussten. Ist eine standortnahe Zuweisung der übrigen Familienmitglieder nicht möglich, werden die übrigen Familienmitglieder zum Schutz der familiären Lebensgemeinschaft im Sinne von Artikel 6 GG nicht in entfernte Kommunen verteilt. Die Durchführung einer Verteilung ist auch nicht zielführend, wenn der Vollzug der Abschiebung unmittelbar bevorsteht. Eine solche Verteilung könnte zu zusätzlichen psychischen Belastungen bei den davon betroffenen Personen führen, da mit der Verteilung grundsätzlich die Erwartungshaltung einhergeht, in Deutschland bleiben zu können. 2. Warum befinden sich sechs „pflegebedürftige Personen“ mehr als 18 Monate in der LAB NI, davon eine seit mehr als fünf Jahren, zwei seit mehr als zwei Jahren? Wird die Landesregierung dafür sorgen, dass diese Personen an anderer Stelle pflegerisch versorgt werden? Falls ja, wann und wie? Falls nein, warum nicht? Die in der Antwort benannten sechs „pflegebedürftigen Personen“ befinden sich nur formal in der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen (LAB NI). De facto sind sie in Pflegeeinrichtungen oder per Ausnahmegenehmigung bei Verwandten untergebracht, wo sie entsprechend betreut werden. Gesetzliche Betreuungen wurden eingerichtet. Entsprechende kommunale Verteilungen werden angestrebt , scheiterten aber bisher an fehlenden Unterlagen bzw. an der Weigerung eines benachbarten Bundeslandes, einer entsprechenden Umverteilung zuzustimmen. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/6821 2 3. Welche näheren Angaben kann die Landesregierung zu den 1 157 Personen machen, die die LAB NI im vergangenen Jahr „nach unbekannt“ verlassen haben? Wie viele davon waren Dublin-Fälle? Im vergangenen Jahr sind in der LAB NI 1 157 Abmeldungen nach unbekannt erfolgt. Darunter befanden sich auch Personen, die mehrfach abgängig waren. Insgesamt handelt es sich um 761 Personen , die die LAB NI im Jahr 2019 unbekannten Aufenthalts verlassen haben und in 2019 nicht wieder zugezogen sind. Dabei handelt es sich um 250 Personen, die eine Entscheidung nach der Dublin-III-VO vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erhalten haben und bis heute unbekannten Aufenthalts sind. Bei weiteren 199 Personen mit einer solchen Dublin-Entscheidung des Bundesamts , die nach unbekannt verzogen waren, ist zwischenzeitlich ein Wiederzuzug erfolgt. Für die übrigen Personen liegt ein unmittelbarer Bezug zu einer Dublin-Entscheidung des Bundesamtes nicht vor, könnte aber im Zusammenhang mit erwarteten Entscheidungen des Bundesamtes stehen. 4. Welche Maßnahmen trifft die Landesregierung im Hinblick auf die Corona-Krise, um die Zahl der an einzelnen Standorten registrierten Flüchtlinge und damit die Ansteckungsgefahr zu reduzieren? Mit der Ausbreitung des Coronavirus und der damit einhergehenden Schließung fast aller Ländergrenzen ist die Anzahl der Zugänge an Asylbegehrenden deutlich zurückgegangen. Unter Aufrechterhaltung der Verteilung auf die Kommunen, was die Kommunen vor große Herausforderungen gestellt hat und weiter stellt, konnte die Belegung an den Standorten der LAB NI reduziert werden und beträgt derzeit rund 60 %. Asylbegehrende mit dem Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs im Falle einer Corona-Infektion und sonstige vulnerable Personen werden vorrangig verteilt und gegebenenfalls bei Eintreffen, auch auf eigenen Wunsch, bereits separiert untergebracht. 5. Angesichts von 75 Schwangeren in der LAB NI: a) Gibt es für Schwangere besondere Schutzmaßnahmen? Bei der Aufnahme in der LAB NI wird vom Sozialdienst mit jeder Person ein individuelles Erstgespräch geführt, in dem alle Aspekte erfragt und besprochen werden, die insbesondere für die weitere soziale oder medizinische Betreuung im Rahmen der Erstaufnahme und für die spätere Verteilung relevant sind. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf besonders schutzbedürftigen Personen, zu denen auch Schwangere zählen. Alleinreisende, schwangere Frauen können an den Standorten der LAB NI in einem Schutzhaus für Frauen untergebracht werden. b) Gelten sie als Risikogruppe? Einige Viruserkrankungen können, wenn sie während der Schwangerschaft auftreten, die Entwicklung des ungeborenen Kindes beeinträchtigen und zu zum Teil gravierenden Schäden führen. Beispiele hierfür sind Röteln, Ringelröteln und Zika-Virusinfektionen. Durch eine Veränderung des Immunsystems während der Schwangerschaft ist außerdem das Risiko für schwere Krankheitsverläufe bei Schwangeren, z. B. bei einer Influenzainfektion, erhöht, weshalb eine Influenzaimpfung für Schwangere ab dem 2. Trimenon empfohlen wird. Bezüglich der Gefahren einer COVID-19-Infektion bei schwangeren Frauen gibt es bisher nur eine begrenzte Anzahl von Studien. Das Robert Koch-Institut resümiert mit Stand vom 13.05.2020: „Schwangere scheinen nach bisherigen Erkenntnissen aus China kein erhöhtes Risiko gegenüber nicht schwangeren Frauen mit gleichem Gesundheitsstatus zu haben.“ Im Detail führt das RKI auf: „Aktuell gibt es keine Daten zur Empfänglichkeit für eine SARS-CoV-2-Infektion in der Schwangerschaft . Aufgrund der physiologischen Anpassungen und immunologischen Vorgänge kann eine erhöhte Empfänglichkeit nicht ausgeschlossen werden. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/6821 3 Im Fall einer Infektion scheinen Schwangere jedoch seltener zu erkranken oder mildere Symptome (z. B. seltener Fieber) zu entwickeln. Bei Verdacht auf eine Infektion sollte daher die Indikation für eine Testung auf SARS-CoV-2 großzügig gestellt werden. Zur Frage der Schwere des Krankheitsverlaufs geben die wenigen Studien und Fallberichte, in denen Schwangere mit COVID-19 untersucht wurden, keinen Hinweis darauf, dass die Krankheit bei Schwangeren schwerer verläuft als bei Nicht-Schwangeren. Todesfälle, darunter auch im Wochenbett , die möglicherweise in Zusammenhang mit einer Erkrankung stehen, wurden bislang nur vereinzelt berichtet. Hinsichtlich möglicher Auswirkungen einer COVID-19 Erkrankung auf das Ungeborene gibt es bisher nur wenige Daten, insbesondere fehlen hier Langzeituntersuchungen. Daher können zu dieser Fragestellung keine validen Aussagen gemacht werden. Generell kann hohes Fieber während des ersten Schwangerschaftsdrittels das Risiko von Komplikationen und Fehlbildungen erhöhen. Die Möglichkeit einer Übertragung im Mutterleib kann, basierend auf den bisher vorliegenden wenigen Untersuchungen und Fallberichten aus China zu Immunreaktionen bei Neugeborenen, nicht ausgeschlossen werden. In den meisten Fällen zeigen die Kinder SARS-CoV-2-positiver Mütter nach der Geburt keine Krankheitszeichen . Bislang sind nur einzelne Fälle von Erkrankungen bei Neugeborenen beschrieben, die möglicherweise Folge einer Infektion im Mutterleib sind. Eine Übertragung auf das neugeborene Kind ist - sofern keine geeigneten Schutzmaßnahmen ergriffen werden - über den engen Kontakt und eine Tröpfcheninfektion möglich. Bisher gibt es keine Nachweise von SARS-CoV-2 in der Muttermilch. Insgesamt ist die Datenlage derzeit aber noch nicht ausreichend, um alle Fragen zu COVID-19 in der Schwangerschaft sicher zu beantworten.“ c) Werden Frauen im Wochenbett jetzt in der Corona-Krise getrennt untergebracht, um ihnen die nötige besondere Betreuung und Ruhe zukommen zu lassen? Grundsätzlich werden Wöchnerinnen in den ruhigeren Bereichen auf den Liegenschaften und in den Unterkunftsgebäuden untergebracht. Im Übrigen besteht für allein reisende Frauen - auch mit Kind - die Möglichkeit der Unterbringung in einem Schutzhaus für Frauen (siehe Frage 5 a). d) Werden sie mit Essen auf den Zimmern versorgt, oder gibt es eine gesonderte Essensausgabe für Schwangere oder Wöchnerinnen? Grundsätzlich werden auch Schwangere und Wöchnerinnen in den Kantinen der LAB NI versorgt. Zur Vermeidung einer möglichen Ansteckung mit dem Coronavirus sind derzeit alle Kantinen der LAB NI geschlossen. Die Mahlzeiten werden dezentral in Menagen ausgegeben und in den Zimmern eingenommen. Soweit erforderlich, wird die Verpflegung in Einzelfällen auf die Zimmer gebracht. e) Wie stellt sich die hygienische Versorgung von Wöchnerinnen dar? Sind Toiletten und Duschen für sie erreichbar, ohne über lange Flure gehen und das Haus verlassen zu müssen? In jedem Unterkunftsgebäude der LAB NI gibt es Sanitäreinrichtungen. Wöchnerinnen werden möglichst in der Nähe untergebracht, sodass kurze Wege sichergestellt sind. 6. Auf Frage 19 zur Anzahl und Art psychischer Erkrankungen antwortet die Landesregierung , sie führe dazu keine Statistiken. Warum nicht? Die LAB NI beschäftigt kein eigenes medizinisches Personal. Diagnostik und Behandlung von psychischen Erkrankungen erfolgen im Zusammenwirken des Sozialdienstes der LAB NI mit Kooperationspartnern und beauftragten Ärztinnen und Ärzten, Psychiaterinnen und Psychiatern und Psychologinnen und Psychologen, die entsprechend geschult sind. Eine Rückmeldung zur Diagnose und Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/6821 4 Be fü de 7. Da ist Ra O tu O vo Pr gu ei Un (V handlung erhält die LAB NI nur, sofern die oder der Betroffene damit einverstanden ist und dies r die Betreuung und insbesondere Verteilung von Relevanz ist. Eine statistische Erfassung wäre shalb allenfalls in Ansätzen möglich und hätte wenig Steuerungsrelevanz. Welche Möglichkeiten der Versorgungsoptimierung für psychisch Kranke sieht die Landesregierung ? Welche Voraussetzungen müssten dafür geschaffen werden? s Land fördert das Netzwerk für traumatisierte Flüchtlinge in Niedersachsen (NTFN). Das NTFN Träger von psychosozialen Beratungs- und Behandlungsstellen für traumatisierte Flüchtlinge. Im hmen des ebenfalls vom Land geförderten refukey-Projekts, das einen erheblichen Beitrag zur ptimierung der Versorgung psychisch kranker Migrantinnen und Migranten leistet, bestehen Berangs - und Behandlungszentren in Hannover, Braunschweig, Göttingen, Lüneburg, Oldenburg und snabrück. Diese befinden sich in Nähe der Standorte der LAB NI. Sie arbeiten eng und vertrauensll mit dem Sozialdienst der LAB NI und den psychiatrischen Kliniken vor Ort zusammen. Mit dem ojekt refukey und der Verzahnung der einzelnen Prozesse kann eine weitgehend optimale Versorng gewährleistet werden. Gleichfalls steht die LAB NI mit den sozialpsychiatrischen Diensten der nzelnen Gesundheitsämter an den jeweiligen Standorten in einem kontinuierlichen Austausch über terstützungs- und Hilfsmaßnahmen. erteilt am 07.07.2020) Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LTmit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Susanne Menge, Eva Viehoff und Dragos Pancescu (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Nachfragen zur Unterbringung von Geflüchteten in der Landesaufnahmebehörde