Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/6938 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Dana Guth (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung namens der Landesregierung Verbot von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassungen in der Fleischbranche Anfrage der Abgeordneten Dana Guth (AfD), eingegangen am 26.05.2020 - Drs. 18/6616 an die Staatskanzlei übersandt am 02.06.2020 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung namens der Landesregierung vom 02.07.2020 Vorbemerkung der Abgeordneten Das Bundeskabinett beschloss am 20.05.2020 ein Verbot von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassungen in der Fleischbranche. Ab 2021 sollen das Schlachten und die Verarbeitung von Fleisch in Betrieben der Fleischwirtschaft nur noch von Arbeitnehmern des eigenen Betriebes zulässig sein. Damit wären Werkvertragsgestaltungen und Arbeitnehmerüberlassungen nicht mehr möglich. Es dürfen also keine Leiharbeiter mit Werkverträgen mehr zum Einsatz kommen. Dies trifft auch Leiharbeiter aus Billiglohnländern. 1. Wie viele Schlachtbetriebe gibt es in Niedersachsen, und wie viele davon beschäftigen Leiharbeiter? Auf der Grundlage des Gesetzes über die Statistik im Produzierenden Gewerbe (ProdGewStatG) in Verbindung mit dem Bundesstatistikgesetz werden u. a. auch Betriebe des Wirtschaftszweiges „Schlachten“ erhoben. Der Berichtskreis umfasst Betriebe des verarbeitenden Gewerbes mit 20 oder mehr tätigen Personen. Auf der Grundlage dieser Statistik wurden im Jahr 2019 in Niedersachsen 45 Betriebe des Wirtschaftszweiges „Schlachten“ (ohne Schlachten von Geflügel) mit 5 191 tätigen Personen und 22 Betriebe des Wirtschaftszweiges „Schlachten von Geflügel“ mit 6 118 tätigen Personen erfasst. Die tätigen Personen werden insgesamt erfasst und in der Statistik nicht nach Status differenziert. Aussagen über die Anzahl der Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter sind demnach nicht möglich. 2. Wie viele Leiharbeiter in Niedersachsen betrifft diese Regelung insgesamt? Im Unternehmensregister sind im Wirtschaftsabschnitt „Vermittlung und Überlassung von Arbeitnehmern “ für Niedersachsen im Jahr 2018 insgesamt 1 672 Niederlassungen mit insgesamt 79 680 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten gemeldet. Aussagen darüber, in welchen Branchen und/oder Betrieben die Beschäftigten eingesetzt wurden, sind nicht möglich. 3. Welche Perspektiven ergeben sich für diese Menschen, wenn die Regelung in Kraft tritt? Die Perspektiven der von einem Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit betroffenen Menschen hängen im Wesentlichen von den individuellen Lebensumständen der einzelnen Personen und von den Arbeitsmarktgegebenheiten in Deutschland wie auch im jeweiligen Herkunftsland der Betroffenen ab. Konkrete Angaben sind der Landesregierung daher nicht möglich. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/6938 2 4. Besteht die Möglichkeit der Übernahme in ein reguläres Arbeitsverhältnis mit dem jeweiligen Schlachtbetrieb? Ja, nach Abwicklung der (arbeits-)vertraglichen Verpflichtungen mit dem jeweiligen Werkvertragsbzw . Leiharbeitsunternehmen ist die Übernahme von Werkvertragsbeschäftigten und Leiharbeiterinnen und Leiharbeitnehmern in ein reguläres Arbeitsverhältnis mit dem jeweiligen Schlachtbetrieb grundsätzlich möglich. Sofern es sich um ausländische Personen handelt, sind der aufenthaltsrechtliche Status und gegebenenfalls das Erfordernis einer entsprechenden Arbeitserlaubnis für die jeweilige Arbeitskraft zu berücksichtigen. Die Schlachtbetriebe können allerdings nicht zu einer Übernahme von Werkvertragsbeschäftigten oder Leiharbeiterinnen und Leiharbeitnehmern verpflichtet werden. Die Unternehmen treffen Entscheidungen über die jeweilige Arbeitsorganisation im Betrieb, den Abschluss von (Arbeits-)Verträgen sowie die Personalauswahl im Rahmen ihrer grundgesetzlich geschützten unternehmerischen Handlungsfreiheit nach Artikel 2 des Grundgesetzes (GG) unabhängig und in eigener Verantwortung. 5. Wie schätzt die Landesregierung das Risiko einer Verlagerung der Schlachtbetriebe ins Ausland ein? Es wird auf die Antwort zur Frage 7 verwiesen. 6. Sollte ein erhöhtes Risiko der Abwanderung gesehen werden, welche Lösungen fasst die Landesregierung ins Auge, um dieses zu verhindern? Die Abwanderung von Betrieben aufgrund eines Lohngefälles innerhalb der EU ist zwar nicht auszuschließen , die Landesregierung geht jedoch davon aus, dass aufgrund der vorhandenen guten Infrastruktur sowie der Nähe der Nachfragemärkte keine größeren Abwanderungstendenzen zu befürchten sind. Staatliche Eingriffe in Unternehmens- oder Branchenstrukturen zugunsten des Schlachtsektors zur Vermeidung von Abwanderungstendenzen aufgrund eines Verbotes von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassungen in der Fleischbranche wären beihilferechtlich kaum darzustellen . 7. Wird ein Abwandern Auswirkungen auf die landwirtschaftlichen Betriebe haben, die Schlachtvieh produzieren? Wenn ja, welche? Eine Verlagerung der Schlachtbetriebe in das Ausland ist nicht völlig auszuschließen. Es ist jedoch naheliegend, dass große Schlachtunternehmen zusätzliche finanzielle Belastungen durch höhere Lohnkosten leichter kompensieren können als kleinere Betriebe. Grundsätzlich hätte eine Verlagerung in das Ausland vermutlich vorwiegend indirekte Auswirkungen auf die Auszahlungspreise der hiesigen landwirtschaftlichen Betriebe, indem sie a) die Konzentration der Schlachtbranche im Inland befördern und gleichzeitig den Wettbewerbsdruck um die Schlachttiervermarktung reduzieren würden und b) den Wettbewerbsvorteil von Ländern mit einem niedrigen Lohnniveau auf den internationalen Märkten Vorschub leisten. Darüber hinaus könnte einer Verlagerung der Urproduktion in Länder mit geringeren Sozial- und Tierschutzstandards gegebenenfalls Vorschub geleistet werden. 8. Sollte die Produktion dieser Betriebe konstant bleiben, geht die Landesregierung dann von vermehrten Tiertransporten ins Ausland aus? Vermehrte Tiertransporte ins Ausland sind aus heutiger Sicht nicht absehbar. Tierschutzfachlich sind möglichst kurze Transportwege von Schlachttieren zum nächstgelegenen Schlachthof wünschenswert , unabhängig von einem möglichen Grenzübertritt. Es wird darauf hingewiesen, dass Schlachttiere in beide Richtungen bereits jetzt z. B. über die niederländische Grenze transportiert werden. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/6938 9. Di Be tio 10 Ei Sc ne da re st Di in te Ar ne ei lie fü m (V 3 Wie bewertet die Landesregierung eine solche Entwicklung unter dem Aspekt des Tierwohls ? e Landesregierung verfolgt grundsätzlich das Prinzip, Betriebe aus dem vor- und nachgelagerten reich - insbesondere Schlachtstätten - möglichst im räumlichen Umfeld der jeweiligen Tierprodukn zu haben, um lange Transportwege für die Tiere zu vermeiden. . Es gibt bereits erste Stimmen, die ein Verbot der Leiharbeit für eine einzelne Branche für verfassungswidrig halten. Wie schätzt die Landesregierung diesen Sachverhalt ein? n Verbot von Leiharbeit und Werkverträgen für eine einzelne Branche dürfte einen Eingriff in den hutzbereich der Berufsausübungsfreiheit nach Artikel 12 GG bzw. auch einen Eingriff in die unterhmerische Handlungsfreiheit nach Artikel 2 Abs. 1 GG und die damit geschützte Vertragsfreiheit rstellen. Ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit ist nur dann rechtmäßig, wenn er verfassungschtlich gerechtfertigt ist, z. B. durch besonders schwerwiegende Allgemeininteressen. Zudem ist ets das Prinzip der Verhältnismäßigkeit zu wahren. e vom Bundeskabinett am 20.05.2020 beschlossenen Eckpunkte eines „Arbeitsschutzprogramms der Fleischwirtschaft“ enthalten unter Ziffer 3 bisher lediglich die Absichtserklärung, das Schlachn und die Verarbeitung von Fleisch in Betrieben der Fleischwirtschaft im Sinne des § 6 Abs. 10 des beitnehmer-Entsendegesetzes ab dem 01.01.2021 nur noch von Arbeitnehmerinnen und Arbeithmern des eigenen Betriebes zuzulassen. Der Entwurf einer gesetzlichen Regelung, die insofern nem Verbot von Arbeitnehmerüberlassung und Werkverträgen in der Fleischwirtschaft gleichkäme, gt noch nicht vor. Bei der Erarbeitung eines entsprechenden Gesetzentwurfes wird sich das federhrende Ressort auf Bundesebene mit den verfassungsrechtlichen Grenzen auseinandersetzen üssen. erteilt am 09.07.2020) Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LTmit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Dana Guth (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung namens der Landesregierung Verbot von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassungen in der Fleischbranche