Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/7006 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Eva Viehoff (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung namens der Landesregierung Wie steht die Landesregierung zu neuen Ideen für den Kurtourismus in Niedersachsen? Anfrage der Abgeordneten Eva Viehoff (GRÜNE), eingegangen am 26.05.2020 - Drs. 18/6690 an die Staatskanzlei übersandt am 12.06.2020 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung namens der Landesregierung vom 10.07.2020 Vorbemerkung der Abgeordneten Beim 6. Bädertag in Cuxhaven im November 2019 sprachen sich die Kur- und Heilbäder in Niedersachsen für eine gemeinsame gesundheitstouristische Internetplattform aus, die alle Heil- und Kurangebote in Niedersachsen zusammenfasst. Sowohl das Bundesland Bayern mit dem „Gesundheitsfinder “ als auch Mecklenburg-Vorpommern mit gesundes-mv.de haben eine solche Plattform. Niedersachsen hat ein solches landesweite Internetportal zurzeit nicht. Der niedersächsische Heilbäderverband sieht hierin einen Wettbewerbsnachteil. Darüber hinaus überlegt der Heilbäderverband, ein neues Prädikat namens „Thalasso-Heilbad“ für Kurorte, die Heilmittel aus dem Meer (Meerwasser, Schlick, Algen, Seeluft etc.) anbieten, einzuführen (Ostfriesen-Zeitung Emden-Norden vom 08.11.2019). Ein weiteres zukünftiges Ziel des Heilbäderverbandes Niedersachsen e. V. ist die Stärkung bzw. Wiederbelebung der ambulanten Vorsorgeleistung. Die ambulante Vorsorgeleistung gemäß § 23 SGB V gewinnt gerade in den heutigen Zeiten an Bedeutung. Gemeinsam mit dem Deutschen Heilbäderverband und den anderen Landesheilbäderverbänden soll § 23 SGB V gestärkt werden. Weiterhin sieht der Verband die Notwendigkeit der (Wieder-)Aufnahme der Nordseebäder in den Kurarztvertrag. Vorbemerkung der Landesregierung In Niedersachsen sind aktuell 36 Heilbäder und Kurorte (davon vier mit Doppelprädikat), sieben Nordseebäder , 15 Luftkurorte und 54 Erholungs-/Küstenbadeorte staatlich anerkannt und leisten einen hervorragenden Beitrag zur Wiederherstellung und Erhaltung der Gesundheit. Die Zuständigkeit für die Anerkennung und Überwachung der staatlich verliehenen Prädikate obliegt dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung. Die Prädikatisierung erfolgt gemäß den Vorschriften der Verordnung über die staatliche Anerkennung von Kur- und Erholungsorten (KurortVO). Daneben dienen die „Begriffsbestimmungen - Qualitätsstandards für die Prädikatisierung von Kurorten, Erholungsorten und Heilbrunnen“ des Deutschen Heilbäderverbandes e. V. (DHV) und des Deutschen Tourismusverbandes e. V. (DTV) in der jeweils gültigen Fassung als maßgebliche Beurteilungsgrundlage für die Anerkennung und Überwachung der Artbezeichnung. Gemäß den Vorschriften der KurortVO kann die staatliche Anerkennung mit den nachstehenden Artbezeichnungen erfolgen: 1. Kneipp-Heilbad, 2. Mineralheilbad, 3. Moorheilbad, Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/7006 2 4. Nordseeheilbad, 5. Soleheilbad, 6. Thermalheilbad, 7. Heilklimatischer Kurort, 8. Kneipp-Kurort, 9. Ort mit Heilquellen-Kurbetrieb, 10. Ort mit Heilstollen-Kurbetrieb, 11. Ort mit Moor-Kurbetrieb, 12. Ort mit Sole-Kurbetrieb, 13. Nordseebad, 14. Luftkurort, 15. Erholungsort/Küstenbadeort. In der nachstehenden Beantwortung wird auf die Aufzählung der einzelnen Prädikate verzichtet und für alle prädikatisierten niedersächsischen Orte die Bezeichnung „Kur- und Erholungsorte“ verwendet . Sofern nur von Heilbädern und Kurorten gesprochen wird, sind die Prädikate der Nummern 1 bis 12 gemeint (sogenannte hochprädikatisierte Orte). 1. Wie bewertet die Landesregierung die Bedeutung der Kur- und Heilbäder für den niedersächsischen Tourismus? Die staatlich anerkannten Heilbäder und Kurorte sind systemrelevant und ein unverzichtbarer Teil der Gesundheitswirtschaft und des Gesundheitsversorgungssystems. Sie sind Kompetenzzentren für Vorsorge, Rehabilitation und medizinische Versorgung und bieten eine hervorragende (gesundheits -)touristische Infrastruktur. Folglich besitzen die Heilbäder und Kurorte eine hohe touristische und gesellschaftliche Bedeutung. Aufgrund der vielfältigen Infrastruktur sind diese Orte oftmals touristische Hotspots - rund 18,4 Millionen Übernachtungen (und somit knapp 40 % aller Übernachtungen in Niedersachsen) fanden im Jahr 2019 nach amtlicher Statistik in Heilbädern und Kurorten statt. 2. Wie beurteilt die Landesregierung die aktuelle wirtschaftliche Situation des Kur- und Heilbädertourismus in Niedersachsen? Die gesamte Tourismuswirtschaft ist unmittelbar und besonders schwer von den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie betroffen. Der Tourismus ist ein hochemotionaler Markt und reagiert besonders sensibel auf gesamtgesellschaftliche Einflüsse. Dementsprechend ist auch die aktuelle wirtschaftliche Situation in den niedersächsischen Heilbädern und Kurorten sehr ernst. Neben den touristischen Infrastrukturen sind dort insbesondere auch die kurspezifischen Einrichtungen und Akteure (Kurmittelhäuser , Thermen, Kliniken etc.) mit immensen Einnahmeausfällen konfrontiert. 3. Welche Landesförderung erhalten Kur- und Heilbäder? Es gibt derzeit keine speziellen Landesförderungen für Kur- und Erholungsorte, diese können grundsätzlich von allen Förderprogrammen profitieren, die sich auch an Kommunen richten. Im Bereich der Tourismusförderung des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung sind dies die Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) durch touristische Maßnahmen sowie die Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung touristischer Projekte. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/7006 3 4. Ist eine Ausweitung oder Veränderung der Förderung geplant? Der 2. Nachtragshaushalt für das Jahr 2020, den die Landesregierung am 23.06.2020 auf den Weg gebracht hat, sieht u. a. ein Sonderprogramm für Tourismus und Gastronomie in Höhe von 120 Millionen Euro vor, um die Folgen der Corona-Pandemie zu bewältigen. Davon würden voraussichtlich auch die Kur- und Erholungsorte profitieren. Letztlich wird die Ausgestaltung dieser Hilfsprogramme auch davon abhängen, in welcher Höhe zusätzliche Mittel für solche Maßnahmen tatsächlich zur Verfügung gestellt werden. Der Landtag wird voraussichtlich in einer Sondersitzung am 15.07.2020 über den Nachtragshaushalt entscheiden. 5. Wie steht die Landesregierung zur Forderung des Heilbäderverbandes nach einer gesundheitstouristischen Internetplattform ähnlich dem „Gesundheitsfinder“ in Bayern und gesundes-mv.de in Mecklenburg-Vorpommern? In Niedersachsen erfolgt die Vermarktung des Themas Gesundheit und Kur über die Homepage www.reiseland-niedersachsen.de der TourismusMarketing Niedersachsen GmbH (TMN). Dort werden vielfältige Informationen zum Thema Gesundheit bereitgestellt; u. a. werden die Kur- und Erholungsorte mit ihren Angeboten umfassend dargestellt und Auskünfte über die verschiedenen Heilmittel sowie Informationen zum Thema Kur und Gesundheit gegeben. Weiterhin erfolgt auch der Verweis und die Verlinkung auf den Heilbäderverband Niedersachsen e. V. Die Internetplattformen von Bayern und Mecklenburg-Vorpommern beinhalten im Gegensatz zu Niedersachsen zusätzlich den Vertrieb von buchbaren Angeboten. Für Niedersachsen erfolgt der direkte Vertrieb von Reisen über die einzelnen Reiseregionen, Orte und Unterkünfte. Entsprechende Verlinkungen sind auf der Homepage der TMN hinterlegt. Die TMN ist durch das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung im Zuge der Überführung in eine Landesgesellschaft mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Wirtschaftlichen Interesse (DAWI) im Bereich der Tourismus- und Wirtschaftsförderung betraut worden . Im Rahmen dieses Betrauungsaktes ist die Bewerbung und Vermarktung buchbarer Angebote unzulässig. Die Heilbäder und Kurorte haben jedoch die Möglichkeit, die TMN auf Basis einer Vollkostenrechnung mit entsprechenden Vertriebsaufgaben außerhalb der DAWI-Maßnahmen zu beauftragen . Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen steht es dem Heilbäderverband Niedersachsen e. V. frei, seinen eigenen Internetauftritt entsprechend den Internetplattformen von Bayern und Mecklenburg -Vorpommern zu erweitern. 6. Plant die Landesregierung die Einführung einer solchen Plattform? Wenn ja, wann? Eine Einführung ist nicht geplant. 7. Wie steht die Landesregierung zur Forderung des Heilbäderverbandes Niedersachsen, neben Prädikaten wie „Kneipp-Heilbad“ oder „Nordseeheilbad“ ein weiteres namens „Thalasso-Heilbad“ für Kurorte einzuführen, die aus dem Meer (Meerwasser, Schlick, Algen , Seeluft etc.) anbieten? Die Landesregierung sieht derzeit keinen Anlass, das Prädikat „Thalasso-Heilbad“ einzuführen und die KurortVO entsprechend zu ändern. Aus hiesiger Sicht handelt es sich bei der Thalassotherapie um eine Therapieform, die den Prädikaten Nordseeheilbad und Nordseebad zuzuordnen ist. Der DHV hat sich bisher nicht offiziell zu der Thematik positioniert. Nach dortiger Auskunft konnte in den zuständigen Ausschüssen noch keine abschließende Meinungsbildung herbeigeführt werden. Sofern der DHV für den Bereich Thalasso ein eigenes Prädikat schaffen will, sollte sich dieses transparent und rechtssicher in den Begriffsbestimmungen widerspiegeln. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/7006 4 Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen können die Begrifflichkeiten „Thalasso-Nordseeheilbad “ oder „Thalasso-Nordseebad“ zu Marketingzwecken verwendet werden, solange nicht der Anschein erweckt wird, dass es sich dabei um eine staatlich verliehene Auszeichnung handelt. 8. Wie steht die Landesregierung zur (Wieder-)Aufnahme der Nordseebäder in den Kurarztvertrag ? Der Vertrag über die kurärztliche Behandlung vom 01.07.2013 in der Fassung vom 01.01.2015 (Kurarztvertrag) ist Teil des Bundesmantelvertrag-Ärzte (Anlage 25) und wurde zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem GKV-Spitzenverband abgeschlossen. Er regelt die kurärztliche Behandlung von Versicherten der Krankenkassen im Rahmen ambulanter Vorsorgeleistungen in anerkannten Kurorten. Diese Kuren sollen einer Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, entgegenwirken und im Allgemeinen Krankheiten verhüten. Kurorte im Sinne des Kurarztvertrags sind u. a. alle inländischen anerkannten Seeheilbäder. Eine ambulante Vorsorgeleistung kann demnach in einem Nordseeheilbad, nicht aber in einem Nordseebad durchgeführt werden. Die Nordseebäder sind mindestens seit 1991 nicht mehr im Kurarztvertrag enthalten; ein genaues Datum konnte der zuständige Verband der Ersatzkassen e. V. nicht kurzfristig benennen (Recherche im Archiv nötig). Ausnahme: Es gibt in Niedersachsen allerdings Nordseebäder, die aufgrund der alten Kurarztverträge noch Badeärzte mit Bestandsschutz haben und entsprechende kurmedizinische Strukturen vorhalten („Nordseebäder mit kurmedizinischem Hintergrund“). Dabei handelt es sich um Butjadingen (OT Burhave mit Fedderwardersiel und OT Tossens) sowie Dornum (OT Dornumer-/Westeraccumersiel ). Diese Orte verfügen aktuell noch über kassenrechtlich zugelassene Badeärzte und können entsprechende Leistungen abrechnen. Die Besitzstandsregelung ist personengebunden, d. h. der Bestandsschutz erlischt nach Aufgabe der Tätigkeit, z. B. durch Ruhestand o. ä. Für die Entwicklung der Kurortlandschaft bedeutet dies, dass in absehbarer Zeit keine kurmedizinischen Leistungen mehr in Seebädern erfolgen werden. Im Gegensatz zum Seebad muss ein Seeheilbad diverse zusätzliche Bedingungen erfüllen, um eine staatliche Anerkennung zum Seeheilbad zu erhalten. Hierzu gehören beispielsweise umfassende kurortmedizinische Versorgungsstrukturen zur Abgabe und Anwendung von Heilmitteln und Therapiekonzepten . Aus Sicht der Landesregierung ist es demnach begründet und zweckmäßig, ambulante Vorsorgekuren in Seeheilbädern durchzuführen. Die Entscheidung, ob auch Nordseebäder in den Kurarztvertrag mit aufgenommen werden, obliegt aber abschließend den Vertragspartnern des Kurarztvertrags, also der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem GKV-Spitzenverband. 9. Ist für die Landesregierung eine Ausnahmeregelung für Nordseebäder in Bezug auf den Kurarztvertrag denkbar? Die Entscheidung für oder gegen eine Ausnahmeregelung fällt nicht in die Kompetenz der Landesregierung . Die Landesregierung ist kein Vertragspartner des Kurarztvertrages. Siehe Antwort zu Frage 8. Für die staatliche Anerkennung als Nordseebad gemäß KurortVO ist es darüber hinaus nicht relevant , ob ein Nordseebad im Kurarztvertrag aufgeführt wird. 10. Wie sieht die Landesregierung die Bedeutung der ambulanten Badekur nach § 23 SGB V? Den ambulanten Vorsorgeleistungen in anerkannten Kurorten, auch bekannt als ambulante Badekuren , kommt aus Sicht der Landesregierung eine hohe Bedeutung zu. Diese Art der Vorsorge wird von den Kurgästen geschätzt, weil sie eine Kombination aus Kur und Urlaub darstellt. Die ambulanten Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/7006 Badeku Mensch möglich (Verteil 5 ren tragen in wesentlichem Umfang zum Erhalt der Gesundheit bei. Hierdurch wird vielen en eine längere Teilhabe am Arbeitsleben sowie Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ert . t am 21.07.2020) Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LTmit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Eva Viehoff (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung namens der Landesregierung Wie steht die Landesregierung zu neuen Ideen für den Kurtourismus in Niedersachsen?