Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/717 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Stefan Wirtz (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung Bestandsrückgang bei Trauerseeschwalben Anfrage des Abgeordneten Stefan Wirtz (AfD), eingegangen am 20.03.2018 - Drs. 18/562 an die Staatskanzlei übersandt am 28.03.2018 Antwort des Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 18.04.2018, gezeichnet Olaf Lies Vorbemerkung des Abgeordneten Die Trauerseeschwalbe (Chlidonias niger) wird im Anhang I der EU-Vogelschutzrichtlinie (Richtlinie 2009/147/EG) gelistet. Laut Richtlinie sind für diese Arten „besondere Schutzmaßnahmen hinsichtlich ihrer Lebensräume anzuwenden, um ihr Überleben und ihre Vermehrung in ihrem Verbreitungsgebiet sicherzustellen“ (Richtlinie 2009/147/EG, Artikel 4, Abs. 1). Tatsächlich ist in Niedersachsen , speziell auf der Halbinsel Eiderstedt und am Dümmer, seit 2008 ein Rückgang der Trauerseeschwalben zu verzeichnen. So waren auf Eiderstedt in den 70er-Jahren noch 800 Brutpaare vorhanden, während 2017 nur noch 13 Brutpaare gesichtet wurden (https://www.ndr.de/nachrich ten/schleswig-holstein/Zahl-der-Trauerseeschwalben-im-Sinkflug,trauerseeschwalben104.html, abgerufen am 09.03.2018). Hier hat auch die Ausweisung eines Vogelschutzgebiets nicht zu einer Besserung des Bestandes beigetragen (https://www.shz.de/lokales/husumer-nachrichten/trauer spiel-um-trauerseeschwalbe-id6837096.html, abgerufen am 08.03.2018). Am Dümmer waren im Jahr 2008 laut privaten Zählungen 100 Brutpaare zu finden, während 2017 keine flüggen Jungvögel gezählt wurden. Laut Roter Liste gilt die Trauerseeschwalbe in Deutschland als „vom Aussterben bedroht“ (Rote Liste Kat. 1). Vorbemerkung der Landesregierung Die Trauerseeschwalbe tritt in Niedersachsen als Brut- und Gastvogel auf. Sie überwintert an der Küste und in Feuchtgebieten Westafrikas. Trauerseeschwalben brüten auf Vegetationsinseln in stehenden und langsam fließenden Gewässern. Die Nahrung der Vögel besteht vorwiegend aus Kleinfischen sowie Insekten und deren Larven, die im oder am Wasser bzw. an Wasserpflanzen leben . Die Nahrung wird bevorzugt fliegend von der Oberfläche aufgesucht. Nach historischen Aufzeichnungen war die Art früher bundes- und landesweit deutlich weiter verbreitet. Nach 1945 kam es zu starken Bestandseinbrüchen. In Niedersachsen brüten aktuell jährlich zwischen 110 und 130 Brutpaare. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/717 2 1. Welche konkreten Naturschutzmaßnahmen wurden in den letzten Jahren zur Erhaltung des Trauerseeschwalben-Brutbestands in Niedersachsen und insbesondere am Dümmer durchgeführt? Die lokale Trauerseeschwalben-Population am Dümmer ist die mit Abstand zahlenmäßig wichtigste in Niedersachsen. Sie erfährt bereits seit 30 Jahren eine intensive Betreuung durch den Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) sowie Mitarbeiter des Naturschutzrings Dümmer (NARI) e. V. im Rahmen eines Artenschutzprojekts. Dabei werden beispielsweise alljährlich spezielle Nistflöße ausgebracht, die den Vögeln ein sicheres Brutgeschäft ermöglichen sollen. Dies hat sich in der Vergangenheit als geeignetes Mittel erwiesen, um den Bestand am Dümmer nach einem zwischenzeitlichen Tief Ende der 1980er-Jahre wieder zu vergrößern und auf einen neuen Höchststand in jüngerer Zeit zu heben (2010: 118 Paare). Tatsächlich jedoch hat es bei der Art am Dümmer in den beiden letzten Jahren keinen bzw. nur einen sehr geringen Bruterfolg gegeben. Um die Ursachen dafür zu ermitteln, wurde 2017 eine spezielle Untersuchung anberaumt. Dabei belegten Wildtierkameras, dass die Brutausfälle auf ein Umkippen der Nistflöße - verursacht durch Wasserturbulenzen, die vermutlich von ablaichenden Karpfen herrühren - und auf die Prädation von Küken durch Lachmöwen zurückzuführen sind. Aus diesem Grund werden ab 2018 andere Nistflöße ausgebracht, die nicht umkippen können. Zusätzlich sollen Drahttunnel und vertikale Strukturen auf den Kunstflößen ein Absammeln von Küken durch Lachmöwen verhindern. Bezüglich des mit neun Paaren ebenfalls wichtigen Brutplatzes der Art am Ewigen Meer (Landkreis Wittmund) wurden vom für die Umsetzung von Schutzmaßnahmen und Belangen der EU-Vogelschutzrichtlinie zuständigen Landkreis weitere Kleingewässer außerhalb des Moores angelegt, um den Trauerseeschwalben die Erschließung zusätzlicher Nahrungsquellen (z. B. Süßwasser-Kleinfische ) zu ermöglichen. Nistmöglichkeiten sind in diesem Gebiet kein limitierender Faktor. Das gilt auch für weitere Vorkommensgebiete der Trauerseeschwalbe in Niedersachsen (z. B. Königsmoor, Landkreis Stade; Penkefitzer See, Biosphärenreservat Mittelelbe). Im Übrigen wird im Bereich Ewiges Meer in Zusammenarbeit mit ehrenamtlichen Kräften des NABU sehr genau auf die Habitatbedingungen für Trauerseeschwalben geachtet. Auch an den Standorten Königsmoor und Penkefitzer See ist eine fachliche Betreuung der Vögel vor Ort gewährleistet. Im Rahmen eines unter der Federführung des NLWKN im Jahr 2005 begonnenen Artenhilfsprogramms für die Trauerseeschwalbe hat sich gezeigt, dass das Ausbringen von Nistflößen an unbesiedelten Orten allein nicht zum Erfolg führt. An vielen Gewässern finden sich durch Lebensraumveränderungen /-zerstörungen keine geeigneten Brutbedingungen für die Trauerseeschwalbe mehr, sodass direkte Artenschutzmaßnahmen wie das Ausbringen von Nisthilfen kaum erfolgreich sind. Vor diesem Hintergrund sind im Fall des Dümmers auch zukünftig Faktoren wie der strenge Schutz der bestehenden zwei Koloniestandorte durch großräumige Befahrensverbote und übergeordnete Bemühungen zur Gewässerreinhaltung bzw. zur Reduzierung der Nährstoffzufuhr von immenser Bedeutung für den Fortbestand des Trauerseeschwalbenvorkommens. 2. Welche verstärkten Maßnahmen sind ab 2018 und den Folgejahren aufgrund des Rückgangs bzw. gebietsweise vollständigen Ausfalls des Bruterfolgs in 2017 vorgesehen? Da der Brutausfall in den Vorjahren spezifische Ursachen hatte, ist zu erwarten, dass es mit dem Einsatz einer neuen Generation von Nistflößen zu einer deutlichen Verbesserung der Situation kommt. Zur Überwachung des Bruterfolgs wird wie im Vorjahr auch eine Überwachung und Dauerbeobachtung aller Vorgänge in der Kolonie mittels Wildtierkameras vorgenommen. Sollte sich dabei herausstellen, dass die bisherigen Maßnahmen nicht ausreichend sind oder neue Verlustursachen hinzukommen, kann darauf adäquat reagiert werden. 3. Welche Finanzmittel stehen 2018 und in den Folgejahren für ein niedersächsisches Trauerseeschwalben-Artenhilfsprogramm konkret zur Verfügung? Ein spezieller Fördertopf für die Trauerseeschwalbe besteht nicht. Die Biosphärenreservatsverwaltung Niedersächsische Elbtalaue hat im Zuge von Artenhilfsmaßnahmen für die dortigen Trauer- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/717 3 seeschwalben-Vorkommen in den Jahren 2016 bis 2018 insgesamt 80 schwimmende Nisthilfen neueren Typs angeschafft. Die Gesamtkosten der Anschaffung beliefen sich insgesamt auf ca. 6 000 Euro. Ansonsten stellt das Land Niedersachsen den unteren Naturschutzbehörden und dem NLWKN jährlich Finanzmittel von rund 2,0 Mi Euro zur Umsetzung von Pflege-, Entwicklungs- und Artenschutzmaßnahmen zur Verfügung. Daraus können auch Artenhilfsmaßnahmen für die Trauerseeschwalbe finanziert werden. (Verteilt am 20.04.2018) Drucksache 18/717 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Stefan Wirtz (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz Bestandsrückgang bei Trauerseeschwalben