Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/727 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Dana Guth (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung Nachfragen zur Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung „Ausnahmegenehmigungen zum betäubungslosen Schlachten“ (Drucksache 18/360) Anfrage der Abgeordneten Dana Guth (AfD), eingegangen am 22.03.2018 - Drs. 18/543 an die Staatskanzlei übersandt am 26.03.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung vom 17.04.2018, gezeichnet Barbara Otte-Kinast Vorbemerkung der Abgeordneten Die Antworten der Landesregierung zu oben genannter Anfrage führen zu den folgenden weiteren Fragen an die Landesregierung. 1. Wie viele Ausnahmegenehmigungen wurden 2017 erteilt? Im Jahr 2017 wurde niedersachsenweit eine Ausnahmegenehmigung erteilt. 2. Wie viele Tiere wurden 2013, 2014, 2015, 2016 und 2017 betäubungslos geschlachtet? Folgende Anzahlen von Tieren wurden im jeweiligen Jahr betäubungslos geschlachtet: 2013: 164 Tiere, 2014: 187 Tiere, 2015: 223 Tiere, 2016: 155 Tiere, 2017: 221 Tiere 3. Wem wurden die Ausnahmegenehmigungen erteilt? Die Ausnahmegenehmigungen wurden zugelassenen Schlachtbetrieben erteilt. Eine Benennung der Betriebe kann aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht erfolgen. 4. Warum wurde der Runderlass des ML vom 18.11.2010 - 204.1-42506/5-134 -, welcher die Anforderungen an die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen gemäß § 4 a Abs. 2 Nr. 2 des Tierschutzgesetzes an Angehörige des islamischen Glaubens regelt und am 31.12.2015 außer Kraft getreten ist, nicht verlängert? Der Runderlass aus dem Jahre 2010 befindet sich derzeit in der Überarbeitung. Die Rechtslage hat sich seit dem formalen Außerkrafttreten des Runderlasses nicht geändert. Die niedersächsischen Landkreise und kreisfreien Städte wurden zuletzt im Februar 2018 aufgefordert, weiterhin nach den Regelungen des o. a. Runderlasses zu verfahren. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/727 2 5. Welche Anforderungen stellen die Veterinärbehörden seitdem an die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen gemäß § 4 a Abs. 2 Nr. 2 des Tierschutzgesetzes? Anforderungen an die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen sind dem Erlass zu entnehmen. Der Erlass wird als beiliegendes Dokument übersandt. 6. Sieht die Landesregierung die Methode der Elektrokurzzeitbetäubung als tierschutzkonform an und, wenn ja, warum? Bei der Elektrokurzzeitbetäubung ist die Zeit der Kopfdurchströmung von vier Sekunden auf zwei Sekunden reduziert. Die Stromstärke bei der Elektrobetäubung ist tierartspezifisch vorgeschrieben, darf nicht verändert werden und muss innerhalb der ersten Sekunde der Betäubung erreicht sein. Ebenso wie bei der regulären Elektrobetäubung wird bei der Elektrokurzzeitbetäubung die Wahrnehmungsfähigkeit des Gehirns mittels schnell ansteigenden Stroms ausgeschaltet. Die Tiere sind auch bei der Elektrokurzzeitbetäubung ordnungsgemäß betäubt. Untersuchungen an Schafen haben gezeigt, dass eine deutlich geringere Gehirndurchströmungszeit (deutlich weniger als eine Sekunde) unter Laborbedingungen ausreicht, um eine ausreichende Betäubungswirkung zu erzielen. Dass eine deutlich längere Durchströmungszeit rechtlich gefordert ist, dient der Sicherstellung, dass auch bei nicht optimalen Bedingungen eine ausreichende Betäubungswirkung erzielt wird. Nicht optimale Bedingungen sind z. B. oxidierte oder leicht verschmutze Elektroden, unregelmäßiger Hautwiderstand der Tiere. Die Betäubungsdauer hält sowohl bei regulärer Betäubung als auch bei Elektrokurzzeitbetäubung länger an als die rechtlich vorgegebene maximale Zeit zwischen Betäubung und Entbluteschnitt. Ordnungsgemäß elektrokurzzeitbetäubte Tiere sind bis zum Eintritt ihres Todes wahrnehmungsund empfindungslos. Die Elektrokurzzeitbetäubung ist eine tierschutzkonforme Betäubungsmethode . (Verteilt am 23.04.2018) - Seite 1 von 10 - Voris - Vollversion:   Vorschrift        Normgeber: Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft , Verbraucherschutz und Landesentwicklung Aktenzeichen: 204.1-42506/5-134 Erlassdatum: 18.11.2010 Fassung vom: 18.11.2010 Gültig ab: 01.01.2011 Gültig bis: 31.12.2015    Quelle: Gliederungs -Nr: 78530 Normen: TierSchTrV 2009, TierSchlV, § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG, Art 20a GG, § 4 TierSchG, § 4a TierSchG, § 4 TierSchlV Fundstelle: Nds. MBl. 2010, 1178     Anforderungen an die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 4 a Abs. 2 Nr. 2 des Tierschutzgesetzes an Angehörige des islamischen Glaubens     Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis   1. Anforderungen an die substantiierte und nachvollziehbare Darlegung des zwingenden Grundes einer Religionsgemeinschaft 2. Antragsteller, Genehmigungsadressat   2.1 Antragstellerin oder Antragsteller: Privatperson   2.2 Antragstellerin oder Antragsteller: Schlachterin oder Schlachter   2.3 Antragsteller: Religionsgemeinschaft i. S. des § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG 3. Materielle Anforderungen an die Durchführung des Schächtens   3.1 Angaben zur Art und Anzahl der zu schächtenden Tiere   3.2 Schlachtbetrieb   3.3 Darlegung des Schlachtablaufes   3.4 Sachkunde     3.4.1 Nachweis der Sachkunde im Rahmen der beruflichen Tätigkeit       3.4.1.1 Erweiterung der Sachkunde auf das Schächten       3.4.1.2 Neuantrag auf Nachweis der Sachkunde zum Schächten       3.4.1.3 Sachkunde bei in § 4 Abs. 7 Nrn. 1 und 2 TierSchlV genannten Personen       3.4.1.4 Erwerb der Sachkunde für das Schächten     3.4.2 Nachweis der Sachkunde bei nicht beruflicher Tätigkeit (z. B. im Rahmen des Opferfestes ) 4. Anforderungen an die Durchführung des Schlachtens von Tieren ohne Betäubung 5. Sicherstellung der Absatzwege 6. Überwachung 7. Schlussbestimmungen Anlagen (nichtamtliches Verzeichnis) Anforderungen an die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 4 a Abs. 2 Nr. 2 des Tierschutzgesetzes an Angehörige des islamischen Glaubens     RdErl. d. ML v. 18. 11. 2010 — 204.1-42506/5-134 — — VORIS 78530 —     Fundstelle: Nds. MBl. 2010 Nr. 47, S. 1178 - Seite 2 von 10 -     Bezug: RdErl. v. 27. 1. 2003 (Nds. MBl. S. 162) — VORIS 78530 —         Bei der Erteilung von Ausnahmegenehmigungen zum Schächten nach § 4 a Abs. 2 Nr. 2 zweite Alternative des Tierschutzgesetzes (im Folgenden: TierSchG) — unter Berücksichtigung der Bindungswirkung des Urteils des BVerfG vom 15. 1. 2002 (1 BvR 1783/99) und der Aufnahme des Tierschutzes als Staatsziel in die Verfassung (Artikel 20 a des Grundgesetzes) — ist Folgendes zu beachten:     Bei der Prüfung der Voraussetzungen für eine Ausnahmegenehmigung nach § 4 a Abs. 2 Nr. 2 zweite Alternative TierSchG müssen die Belange des Tierschutzes mit den übrigen Verfassungsgütern (wie Religions -, Berufs- und allgemeine Handlungsfreiheit) unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in Ausgleich gebracht werden (sog. praktische Konkordanz).     1. Anforderungen an die substantiierte und nachvollziehbare Darlegung des zwingenden Grundes einer Religionsgemeinschaft       Die zuständige Behörde darf eine Ausnahmegenehmigung nur insoweit erteilen, als es erforderlich ist, den Bedürfnissen von Angehörigen bestimmter Religionsgemeinschaften zu entsprechen, denen zwingende Vorschriften ihrer Religionsgemeinschaft den Genuss von Fleisch nicht geschächteter Tiere untersagen (§ 4 a Abs. 2 Nr. 2 zweite Alternative TierSchG).     Als Religionsgemeinschaft i. S. des § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG kommen nach Auffassung des BVerfG in dem Urteil vom 15. 1. 2002 auch Gruppierungen innerhalb des Islam infrage, deren Glaubensrichtung sich von derjenigen anderer islamischer Gemeinschaften unterscheidet. Dem Urteil zufolge ist für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung ausreichend, wenn substantiiert und nachvollziehbar dargelegt wird, dass nach der gemeinsamen Glaubensüberzeugung dieser Gemeinschaft der Verzehr des Fleisches ein betäubungsloses Schlachten voraussetzt.     Unter Benennung hinreichend aussagekräftiger Tatsachen sind dafür in schriftlicher Form begründete Ausführungen zum religiösen Standpunkt der konkreten religiösen Gemeinschaft (Gruppierung) vorzulegen , nach denen das Unterlassen der Betäubung vor dem Schächtschnitt zwingend geboten ist.     Dabei ist individuell und im Einzelnen unter Bezugnahme auf die für die Antragstellerin oder den Antragsteller verbindliche Religionsvorschrift die für die Gemeinschaft verbindliche Auslegung, die den Verzehr von Fleisch betäubter Tiere zwingend verbietet, darzulegen und die Beschreibung des religiösen Lebens der Mitglieder der Gemeinschaft sowie die Ausübung der Religionspraxis durch die Gemeinschaft und ihrer Mitglieder vorzustellen. Soweit sich die Glaubensüberzeugung auf schriftliche Rechtsquellen stützt, sind diese zu benennen und beizufügen. In der Darlegung muss der religiöse Standpunkt zum Schächten näher und nachvollziehbar aufgezeigt werden. Es muss zu entnehmen sein, dass dieser Standpunkt auf einer Auseinandersetzung mit dem Thema beruht.     - Seite 3 von 10 - Weiter ist darzulegen, welche Konsequenzen die Gemeinschaft oder das einzelne Mitglied bei dem Verzehr von Fleisch, das von betäubten Tieren gewonnen wurde, befürchtet. Dabei ist auch darauf einzugehen , wie bisher die Versorgung mit Fleisch sichergestellt wurde.     Das Aufstellen bloßer Behauptungen oder allein die Anführung der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft durch die Antragstellerin oder den Antragsteller sind hier nicht ausreichend.     Es empfiehlt sich, vor der Entscheidungsfindung ein persönliches Gespräch mit der Antragstellerin oder dem Antragsteller sowie einer Vertreterin oder einem Vertreter der betreffenden Religionsgemeinschaft zu führen. Im Rahmen dieses Gesprächs mit beratendem Charakter sollte die Antragstellerin oder der Antragsteller auch auf die grundsätzliche Durchführung der Schlachtung hingewiesen werden, wonach das Schlachttier zunächst betäubt und erst anschließend durch Entbluten getötet wird. Die Antragstellerin oder der Antragsteller sollte in diesem Zusammenhang darüber aufgeklärt werden, dass die Elektrokurzzeitbetäubung von Tieren weder zum Tod noch zu mangelhaftem Ausbluten führt. Gegenüber Angehörigen des muslimischen Glaubens sollte im Rahmen des Gesprächs auch angeführt werden, dass verschiedene Islamwissenschaftler positiv zur Elektrobetäubung von Tieren vor dem Schlachten stehen.     Ist die Darlegung des zwingenden Grundes substantiiert und nachvollziehbar erfolgt, so ist die Ausnahmegenehmigung — bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen — zu erteilen.         2. Antragsteller, Genehmigungsadressat       Als berechtigte Antragsteller kommen nur Religionsgemeinschaften i. S. des § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG (Gruppe von Menschen, die eine gemeinsame Glaubensüberzeugung verbindet) und Personen, die selbst Angehörige dieser Religionsgemeinschaften sind, infrage.     Schafhalterinnen oder Schafhalter, die z. B. für ihre Kundinnen oder Kunden Schafe schächten möchten, jedoch nicht selbst Angehörige einer entsprechenden Religionsgemeinschaft sind, haben keinen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG.     2.1 Antragstellerin oder Antragsteller: Privatperson       Von der Antragstellerin oder dem Antragsteller ist – ihre oder seine Zugehörigkeit zu einer konkret zu benennenden Religionsgemeinschaft nachzuweisen,   – der religiöse Standpunkt dieser Religionsgemeinschaft zum betäubungslosen Schlachten als zwingend gebotene rituelle Handlung der Antragstellerin oder des Antragstellers darzulegen (siehe oben),   – darzustellen, welche persönlichen Konsequenzen sich für sie oder ihn ergäben, wenn die rituelle Handlung nicht erlaubt würde,   – die Tierart und die Anzahl der zu schächtenden Tiere anzugeben sowie   – der Verbleib des Fleisches nachzuweisen. - Seite 4 von 10 -       2.2 Antragstellerin oder Antragsteller: Schlachterin oder Schlachter       Antragstellerin oder Antragsteller kann eine muslimische Schlachterin oder Metzgerin oder ein muslimischer Schlachter oder Metzger sein, die oder der im Auftrag einer Religionsgemeinschaft oder deren Angehöriger beabsichtigt, diese mit Fleisch betäubungslos geschlachteter Tiere zu versorgen.     Die Antragstellerin oder der Antragsteller hat – die Religionsgemeinschaft, für die geschächtet werden soll, sowie die religiöse Gemeinschaft , der sie oder er selbst angehört, zu benennen,   – den zwingenden Grund substantiiert und nachvollziehbar darzulegen (siehe Nummer 1),   – die geplante Schlachtkapazität im Verhältnis zur Mitgliederzahl der benannten Religionsgemeinschaft darzustellen,   – auszuführen, wie sichergestellt wird, dass Fleisch nur an die Mitglieder der benannten Religionsgemeinschaft abgegeben wird (Sicherstellung der Vertriebswege siehe Nummer 5) und   – nachzuweisen, dass sie oder er von der o. g. Gemeinschaft autorisiert ist.       2.3 Antragsteller: Religionsgemeinschaft i. S. des § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG       Die Religionsgemeinschaft ist zu benennen.     Es ist darzulegen, – für welche Mitglieder oder Familien die Religionsgemeinschaft autorisiert ist,   – der religiöse Standpunkt dieser Religionsgemeinschaft zum betäubungslosen Schlachten als zwingend gebotene rituelle Handlung,   – welche Konsequenzen sich für die Mitglieder ergäben, wenn betäubungsloses Schlachten nicht gestattet würde,   – der geplante Umfang der Schächtens im Verhältnis zur Mitgliederzahl sowie   – der Verbleib des Fleisches.   Für die konkrete Religionsgemeinschaft sind deren Struktur und — soweit möglich — die Mitgliederzahl sowie der Kundenstamm oder der Abnehmerkreis, für die der Antrag Relevanz hat, anzugeben.         3. Materielle Anforderungen an die Durchführung des Schächtens       3.1 Angaben zur Art und Anzahl der zu schächtenden Tiere       Es ist zu prüfen, ob die Tierzahl insgesamt und jeweils auf die Tierarten bezogen in Relation zur Anzahl des angegebenen Kundenstamms steht (Anhaltspunkt: durchschnittlicher Fleischverzehr, dabei besteht - Seite 5 von 10 - kein Anspruch auf bestimmte Fleischstücke durch einzelne Abnehmer); für Metzgerinnen oder Metzger erscheint die Angabe des voraussichtlichen wöchentlichen Bedarfs ausreichend.     Das Verhältnis von Schlachtzahlen zur Anzahl sachkundiger Personen ist zu prüfen und die von einer Person zu schächtenden Tiere pro Schlachttag sind zu bestimmen. Dabei sind weitere Tätigkeiten neben der Ausführung des Schächtschnitts zu berücksichtigen.     3.2 Schlachtbetrieb       Die Durchführung des Schächtens darf nur in nach dem Fleischhygienerecht zugelassenen oder registrierten Schlachtbetrieben erfolgen (siehe auch Hinweis im o. g. Urteil des BVerfG, wonach ein Schächten im Rahmen von Hausschlachtungen in der Regel nicht zulässig ist).     3.3 Darlegung des Schlachtablaufes       Die Antragstellerin oder der Antragsteller hat zu beschreiben, wie der aus religiösen Gründen erforderliche Schlachtablauf vorgegeben ist und wie er eingehalten werden soll.     3.4 Sachkunde       Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 TierSchG darf das Schächten nur von Personen durchgeführt werden, die über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten oder eine Sachkundebescheinigung verfügen.     Für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG hat die Antragstellerin oder der Antragsteller die Personen, die das Schächten durchführen, unter Angabe von Name und Anschrift zu benennen; die Sachkunde ist zu belegen.     3.4.1 Nachweis der Sachkunde im Rahmen der beruflichen Tätigkeit       Personen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit schächten (Schlachterin oder Schlachter, Metzgerin oder Metzger), haben eine Sachkundebescheinigung nach § 4 Abs. 2 TierSchlV beizubringen. Dabei ist die spezielle Sachkunde für das Schächten zusätzlich nachzuweisen.     Für den Nachweis der Sachkunde ist zu unterscheiden, ob bereits ein Sachkundenachweis nach der TierSchlV vorgelegt werden kann oder ob es sich um einen Neuantrag handelt.     3.4.1.1 Erweiterung der Sachkunde auf das Schächten       Wenn die Sachkunde entsprechend § 4 TierSchlV erworben wurde, kann auf einen zusätzlichen schriftlichen Prüfungstermin zur Abfrage der theoretischen Kenntnisse verzichtet werden. Die erforderlichen Kenntnisse können im Zusammenhang mit der praktischen Prüfung abgefragt werden. - Seite 6 von 10 -     Hinsichtlich der Kenntnisse ist besonderer Wert zu legen auf das Wissen über die Eignung der zu verwendenden Geräte, die ordnungsgemäße Fixierung der Tiere, die Technik des Schächtschnitts und die Mindestzeit, die vom Anlegen des Schächtschnitts bis zum Eintritt des Bewusstseinsverlustes einzuhalten ist.     Bezüglich der Fähigkeiten ist ein besonderer Schwerpunkt auf den sachkundigen, schonenden und ruhigen Umgang mit den Tieren zu legen.     3.4.1.2 Neuantrag auf Nachweis der Sachkunde zum Schächten       Bei Neuanträgen ist entsprechend Nummer 3.4.1.1 zu verfahren. Darüber hinaus sind die Kenntnisse und Fähigkeiten bezüglich des Schächtens nachzuweisen.     3.4.1.3 Sachkunde bei in § 4 Abs. 7 Nrn. 1 und 2 TierSchlV genannten Personen       Bei den in § 4 Abs. 7 Nrn. 1 und 2 TierSchlV benannten Studiengängen und Ausbildungsberufen bestehen Vorbehalte, dass die erforderlichen fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Durchführung des Schächtens ohne zusätzliche Unterweisungen vorliegen. Dieses ist jeweils im Einzelfall zu entscheiden.     3.4.1.4 Erwerb der Sachkunde für das Schächten       Das Beratungs- und Schulungsinstitut für den schonenden Umgang mit Zucht- und Schlachttieren GbR (bsi), Schwarzenbek, hat sich bereit erklärt, bei der Gestaltung der Sachkundelehrgänge und Prüfungen zur Durchführung des Schächtens behilflich zu sein.     3.4.2 Nachweis der Sachkunde bei nicht beruflicher Tätigkeit (z. B. im Rahmen des Opferfestes)       Die Antragstellerin oder der Antragsteller hat die Kenntnisse und Fähigkeiten (Sachkunde) i. S. des § 4 Abs. 1 TierSchlV darzulegen. Im Zweifelsfall hat sich die zuständige Behörde im Gespräch oder durch Inaugenscheinnahme davon zu überzeugen, dass diese tatsächlich vorliegen (beispielhafter Fragenkatalog siehe Anlage).     Für Rinder können auch im Rahmen des jährlich stattfindenden Opferfestes wegen der besonderen Problematik die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nur bei Personen mit Sachkundebescheinigung unterstellt werden.         4. Anforderungen an die Durchführung des Schlachtens von Tieren ohne Betäubung       - Seite 7 von 10 - Durch Nebenbestimmungen und Überwachung ist den Belangen des Tierschutzes Rechnung zu tragen.     Zusätzlich zu den fleischhygienerechtlichen Mindestanforderungen und den Vorgaben der TierSchlV ist — auch für das islamische Opferfest — Folgendes sicherzustellen:     4.1 Für den Transport sind die Vorgaben der TierSchTrVO einzuhalten. Den Tieren ist nach dem Transport zum Schlachtbetrieb eine ausreichend bemessene Ausruhephase zu gewähren, während der die Schlachttiere Wasser aufnehmen können. In dieser Zeit hat jegliche Beunruhigung der Tiere zu unterbleiben . Aufgeregte Tiere sind vom Schächten auszuschließen.     4.2 Auch anlässlich des Opferfestes darf die Durchführung des Schächtens nur in nach dem Fleischhygienerecht zugelassenen oder registrierten Schlachtbetrieben erfolgen.     4.3 Die Tiere dürfen erst dann an die Schlachtstätte geführt werden, wenn die Vorbereitungen abgeschlossen sind und die sachkundige Person zum Schächten bereit ist.     Die Tiere müssen einzeln und nacheinander in den räumlich abgetrennten Schlachtbereich oder Schlachtraum geführt werden.     Eine Beunruhigung der Tiere, z. B. durch Personenverkehr, andere Tiere, Tierkörper, helle Schutzkleidung (dunkelgrüne Schutzkleidung ist geeigneter als helle), Lärm oder Blutgeruch, ist zu vermeiden.     Im Schlachtraum sollen sich nur die für eine Schlachtung erforderlichen Personen aufhalten.     4.4 Die Anwesenheit einer ausreichenden Anzahl sachkundiger Personen zur durchgehend ordnungsgemäßen Durchführung des Schlachtens ohne Betäubung im Schlachtbetrieb muss gegeben sein. Dabei sind Tätigkeiten zur Fixation der Tiere, insbesondere der Schafe, zu berücksichtigen.     4.5 Am Schlachtplatz ist ein geeignetes, funktionsfähiges und regelmäßig gewartetes Betäubungsgerät einsatzbereit für Notfälle vorzuhalten.     4.6 Im Schlachtraum müssen geeignete Vorrichtungen zum Fixieren des zu schächtenden Tieres vorhanden sein. Diese müssen in jedem Einzelfall sicherstellen, dass das Tier ohne unnötige Belastung ruhiggestellt wird und eine ungehinderte und sichere Durchführung des Schächtschnitts sowie eine ungestörte Entblutung erfolgen können. Das Niederschnüren eines Tieres ist nicht zulässig.     Geeignet sind Fixiereinrichtungen, die die Bewegung des Kopfes unterbinden und das Strecken des Halses bewirken.     Schafe können von Hand durch Umsetzen auf die Sitzbeinhöcker oder durch Fixieren auf einem Schragen in Rückenlage ruhiggestellt werden, wobei Fesselungen oder Griffe in das Wollvlies zu unterlassen sind. - Seite 8 von 10 -     Für Rinder ist in jedem Fall eine geeignete mechanische Fixiereinrichtung vorzuhalten; zur Beurteilung sind dem Antrag Unterlagen über die bauliche Gestaltung und Funktion der Einrichtung beizufügen. Da insbesondere für die Fixierung von Rindern derzeit geeignete Geräte nicht bekannt sind, muss die im Antrag bezeichnete Fixiervorrichtung vor Erteilung der Ausnahmegenehmigung oder Inbetriebnahme von der zuständigen Behörde — ggf. unter Beiziehung der technischen Sachverständigen des LAVES — überprüft werden.     4.7 Für das Anlegen des Schächtschnitts sind geeignete, scharfe Messer in ausreichender Anzahl vorzuhalten . Die Länge der Messerklinge muss mindestens der doppelten Halsbreite des zu schächtenden Tieres entsprechen. Die Messer sind nach jedem Schächtschnitt auf ihre Schärfe zu überprüfen. In der Regel wird nach jedem Schächtschnitt ein Nachschärfen oder ein Messerwechsel erforderlich sein.     Eine sichere Schnittführung ist durch geeignete Fixierung des Schlachttieres sicherzustellen. Der Schnitt hat unmittelbar nach Abschluss der Ruhigstellung zügig zu erfolgen. Der Schächtschnitt muss bei gestrecktem Kopf des Tieres zügig mit einem Schnitt alle Weichteile des Halses bis zur Wirbelsäule vollständig durchtrennen. Beide Halsarterien (Arteriae carotideae) sollen dabei sofort durchschnitten sein. Die Wundränder der Hauptschlagadern dürfen sich nach dem Schnitt nicht berühren, da sonst die Gefahr besteht, dass sich die Gefäße durch Blutgerinnsel und Veränderungen der Arterienwände verschließen und der Bewusstseinsverlust verspätet eintritt; ein nachträgliches Erweitern der Halswunde hat zu unterbleiben. Die Schächtwunde soll bis zum Abschluss des Entblutevorgangs offen bleiben.     Bei Fehlschnitten (mangelhafter Blutfluss), bei Tieren mit ausgeprägtem Abwehrverhalten oder bei absehbarer Nichtverwertung des Tierkörpers durch die Religionsangehörigen ist eine sofortige Betäubung durchzuführen.     Bei Schafen ist die Wolle an der Schnittstelle zu scheren oder zu scheiteln.     Ein Genickbruch vor oder nach dem Schächtschnitt sowie eine Durchtrennung des Rückenmarks sind nicht zulässig; bei einer Rückenmarksdurchtrennung kommen Abwehrbewegungen der Tiere unmittelbar zum Erliegen, wodurch der Eintritt der Bewusstlosigkeit vorgetäuscht wird.     4.8 Weitere Manipulationen einschließlich Positionsveränderungen am Tier dürfen erst nach dem Eintreten des Hirntodes — bei Rindern frühestens 180 Sekunden, bei Schafen frühestens 120 Sekunden nach dem Schächtschnitt — vorgenommen werden.     4.9 Sofern das Blut nicht vollständig aufgefangen oder abgeleitet wird, ist nach jedem Schächten der Schächtplatz zu reinigen, um auch eine Beunruhigung nachfolgender Tiere durch Blutgeruch zu vermeiden .     4.10 Antragstellerinnen oder Antragsteller sind darauf hinzuweisen, dass die Ausnahmegenehmigung die Anmeldung nach dem Fleischhygienerecht zur Schlachttier- und Fleischuntersuchung nicht ersetzt und auch tierkörperbeseitigungs- und arbeitsschutzrechtliche Vorgaben zu beachten sind. Insbesondere für eine Ausnahmegenehmigung zum islamischen Opferfest empfiehlt es sich, konkrete Verbotstatbe- - Seite 9 von 10 - stände aufzuführen (wie z. B. das Verbot, Schafe im Kofferraum zu transportieren oder Tierkörperteile an Ort und Stelle zu vergraben).     4.11 Sofern Ausnahmegenehmigungen für das jährlich stattfindende Opferfest erteilt werden, sind diese befristet nur für dieses Opferfest zu erteilen. Dies gibt die Möglichkeit, weitere Genehmigungen jeweils auf der Basis neuester Erkenntnisse erteilen zu können.     Ausnahmegenehmigungen für ein Schächten außerhalb des Opferfestes sind ebenfalls — auf einen Zeitraum von maximal zwei Jahren — zu befristen sowie mit einem Auflagen- und jederzeitigen Widerrufsvorbehalt zu versehen, um neuere Erkenntnisse berücksichtigen zu können, die geeignet sind, den Tieren unnötige Schmerzen und Leiden zu ersparen. Dieses gilt umso mehr, als hinsichtlich der Fixiervorrichtungen noch weitere Erfahrungen zu sammeln sind. Die Aufnahme eines Widerrufsvorbehalts in die Ausnahmegenehmigung erscheint auch zielführend, falls – sich vor Ort tierschutzrelevante Vorfälle ereignen,   – die das Schächten durchführende Person sich als nicht sachkundig erweist oder   – eine Abgabe des durch Schächten gewonnenen Fleisches an nicht im Ausnahmegenehmigungsbescheid aufgeführte Personen oder Personenkreise erfolgt.           5. Sicherstellung der Absatzwege       Nach Maßgabe des § 4 a TierSchG hat der Erwerb von Fleisch geschächteter Tiere im entsprechenden religiösen Kontext zu stehen. Daher darf das durch Schächten gewonnene Fleisch nur an Angehörige der im Antrag genannten Religionsgemeinschaften abgegeben werden. Erfolgt eine Abgabe an weiterverarbeitende Betriebe (Kantinen), so sind diese von der Genehmigungsinhaberin oder dem Genehmigungsinhaber vertraglich auf die Einhaltung der Abgabebeschränkungen zu verpflichten. Dem Schlachtbetrieb wird dringend empfohlen, über vertragliche Absicherungen die Abnahme des gewonnenen Fleisches sicherzustellen, ggf. ist eine Kennzeichnung mit der Abnehmerin oder dem Abnehmer zu vereinbaren . Die Antragstellerin oder der Antragsteller hat gegenüber der zuständigen Behörde den Verbleib des Fleisches durch entsprechende Belege nachzuweisen.     Es ist erforderlichenfalls durch Nebenbestimmungen sicherzustellen, dass keine unkontrollierte Abgabe an den freien Handel oder die Gastronomie erfolgt, sondern die Abgabe ausschließlich an Angehörige der Religionsgemeinschaft stattfindet.         6. Überwachung       Die Einhaltung der vorgenannten Anforderungen einschließlich der Nebenbestimmungen im Genehmigungsbescheid ist bei Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG durch amtliche Überwachung sicherzustellen.     - Seite 10 von 10 - Sämtliche genehmigten Schlachtungen ohne vorherige Betäubung haben unter amtlicher Aufsicht einer Tierärztin oder eines Tierarztes zu erfolgen, um einen schonenden Umgang mit den Tieren, das ausreichende Fixieren, den sachgemäßen Schächtschnitt und die Schlachtung durch Personen mit Sachkunde zu gewährleisten.     Bei Feststellung von Unzulänglichkeiten ist erforderlichenfalls die unverzügliche ordnungsgemäße Betäubung mit Elektrozange oder Bolzenschussgerät zu veranlassen oder die Genehmigung vor Ort unter Beachtung des Verwaltungsverfahrensrechts zu widerrufen.     7. Schlussbestimmungen       Dieser RdErl. tritt am 1. 1. 2011 in Kraft und mit Ablauf des 31. 12. 2015 außer Kraft. Der Bezugserlass tritt mit Ablauf des 31. 12. 2010 außer Kraft.         An die Region Hannover, Landkreise und kreisfreien Städte den Zweckverband Veterinäramt JadeWeser Nachrichtlich: An das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit           Anlagen (nichtamtliches Verzeichnis) Anlage: Beispielhafter Fragenkatalog Diese Vorschrift wird von folgenden Dokumenten zitiert  Verwaltungsvorschriften der Länder Niedersachsen Anlage: Beispielhafter Fragenkatalog, i. d. F. v. 18.11.2010, Az.:204.1-42506/5-134       © juris GmbH   Drucksache 18/727 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Dana Guth (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Nachfragen zur Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage zur schriftlichen Be-antwortung „Ausnahmegenehmigungen zum betäubungslosen Schlachten“ (Drucksache 18/360) Anlage