Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/735 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Meta Janssen-Kucz, Detlev Schulz-Hendel, Imke Byl und Dragos Pancescu (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung Megafrachter „Antoine de Saint Exupéry“ - Ist eine erfolgreiche Beherrschung einer Havarie von großen Containerschiffen ausreichend sichergestellt? Anfrage der Abgeordneten Meta Janssen-Kucz, Detlev Schulz-Hendel, Imke Byl und Dragos Pancescu (GRÜNE), eingegangen am 22.03.2018 - Drs. 18/544 an die Staatskanzlei übersandt am 26.03.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 19.04.2018, gezeichnet Olaf Lies Vorbemerkung der Abgeordneten Am 15.03.2018 ist im Hamburger Hafen der Megafrachter „CMA CGM Antoine de Saint Exupéry“ eingelaufen - das siebtgrößte Containerschiff weltweit. Der Frachter ist in der Lage, bis zu 20 600 Container zu befördern. Damit ist er der größte Frachter, der jemals in Hamburg angelegt hat. Das Schiff besitzt eine Länge von 400 m und eine Breite von 59 m. Laut NDR (15.03.2018) kann der Frachter mit einer maximalen Ladekapazität von 20 776 Standardcontainern (TEU) gut 200 Container mehr transportieren als der bisherige Rekordhalter „Munich Maersk“. Die Schiffe werden immer größer: Verfügte der erste Containerfrachter, der vor rund 50 Jahren in Hamburg anlegte, gerade mal über 1 200 Container Ladekapazität, übersteigen die Schiffe heute schon seit Längerem eine Kapazität von 20 000 Containern (Spiegel Online 14.03.2018). Je größer die Schiffe werden, desto mehr Anpassungen sind notwendig. So musste der Megafrachter in Hamburg jetzt früher als geplant einlaufen, weil im Verlauf des Tages mit stärkerem Wind gerechnet wurde. Große Schiffe aber dürfen auf bestimmten Streckenabschnitten nur mit einer Windstärke bis maximal 6 unterwegs sein. Auch die Havarie eines Megafrachters ist deutlich schwieriger zu beherrschen als die eines kleineren Containerschiffs. Immer wieder sind in der Elbe Schiffe auf Grund gelaufen - z. B. auch im Februar 2016, als die „CSCL Indian Ocean“, ebenfalls eines der größten Containerschiffe weltweit , sich festgefahren hatte und sich die Bergung über Tage hinzog. Vorbemerkung der Landesregierung Der Seehandel mit Containern nimmt weiter zu, die Schiffsgrößen ebenso. Die zunehmenden Schiffsgrößen bergen für die Seeschifffahrtsstraße Elbe eine große Gefahr, weshalb besonders hier Vorsorge gegen Havarien getroffen werden muss. Im Vergleich zur Tideelbe ist das Gefahrenpotenzial durch den Containerumschlag von Megafrachtern beim Tiefwasserhafen Wilhelmshaven wesentlich geringer. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/735 2 1. Welche Vorsorge wurde von der Hamburg Port Authority bzw. vom Bundesverkehrsministerium getroffen, um Havarien wie bei der „Indian Ocean“ oder anderen Schiffen größer 20 000 TEU zu beherrschen? Für die Bundeswasserstraße Elbe ist zu differenzieren zwischen präventiven Maßnahmen, die Unfälle vermeiden, und der schnellen Abarbeitung von Unfällen zur Reduzierung der Unfallfolgen. Für die Abbergung von havarierten Schiffen stehen an der Elbe grundsätzlich hinreichende Schleppkapazitäten an mehreren Standorten zur Verfügung. Je nach Ort der Havarie nimmt deren Anfahrtsweg vom Hamburger Hafen unter Umständen einen gewissen Zeitraum in Anspruch. Nach Mitteilung der Freien und Hansestadt Hamburg erhalten Außergewöhnlich Große Schiffe (AGF), zu denen solche mit einer Größe von 20 000 TEU oder größer gehören, eine schifffahrtspolizeiliche Genehmigung zum Befahren des Hamburger Hafens. Die zuständige Schifffahrtspolizeibehörde legt in dieser Genehmigung die Rahmenbedingungen fest, unter welchen diese Schiffe den Hamburger Hafen sicher befahren können. Hierzu gehören Restriktionen bezüglich der Tide, der zulässigen Windstärken sowie der anzunehmenden Schlepperkapazitäten. 2. Welche Schleppkapazitäten werden für solche möglichen Havarien vorgehalten? Wie bereits in der Antwort zu Frage 1. dargelegt, sind auf der Außen- und Unterelbe insbesondere im Hamburger Hafen und in Cuxhaven grundsätzlich private Schleppkapazitäten vorhanden, die im Regelbetrieb dem Bugsier- und Schleppgeschäft nachgehen. Gesonderte Schleppkräfte für außergewöhnliche Lagen auf der Elbe (u. a. für einen Unfall) werden derzeit nicht vorgehalten. Im Hamburger Hafen sind zurzeit 23 Seeschiffsassistenzschlepper stationiert. Die Erlaubnis zum Assistieren im Hamburger Hafen gemäß der Seeschiffsassistenz-Verordnung haben insgesamt 60 Schlepper. Die Schleppkraft der Schlepper geht bis zu einer Leistung von 90 t Pfahlzug. Die Schleppereinsätze für die Seeschiffe regeln sich grundsätzlich vertraglich zwischen Seeschiff (Auftraggeber ) und Schleppfirma (Dienstleister). Im Fall einer Havarie hat die zuständige Behörde die Möglichkeit, Schlepper nach eigenem Ermessen zur Notfallbekämpfung zu disponieren. 3. Werden für Containerschiffe über 20 000 TEU ergänzende Schlepperkapazitäten angefordert , bzw. In Bereitschaft versetzt? Zunächst wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Nach Mitteilung der Freien und Hansestadt Hamburg müssen Containerschiffe mit einer Kapazität von 20 000 TEU oder mehr bereits ab der Landesgrenze zu Hamburg einkommend und bis zur Landesgrenze auslaufend einen Schlepper mit einem Pfahlzug von mindestens 70 t Pfahlzug annehmen, und es muss einlaufend zwischen Schiff und Schlepper eine Leinenverbindung hergestellt werden. Für das Manövrieren zum Liegeplatz muss das Schiff bis Windstärke Bft 4 mindestens zwei Schlepper mit einem Gesamtpfahlzug von 140 t Pfahlzug annehmen, bei Windstärken von Bft 5 und 6 müssen mindestens vier Schlepper mit einem Gesamtpfahlzug von 240 t angenommen werden. Das Befahren des Hamburger Hafens mit diesen Schiffsgrößen ist bei Windstärken von mehr als Bft 6 untersagt. Die zuständige Behörde kann im Bedarfsfall zusätzliche Schlepperassistenz verfügen. 4. Wann und in welcher Weise bzw. mit welchem Ergebnis wurde das Havariekonzept für solche Schiffsgrößen überarbeitet? Das Schadenspotenzial von großen Containerschiffen, die im Tidegewässer auf Grund gelaufen sind, wurde von einer Arbeitsgruppe des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS) und dem Havariekommando 2016 in Zusammenarbeit mit der Klassifikationsgesellschaft DNV GL anhand exemplarischer Szenarien untersucht. Ziel hierbei war es, eine Einschätzung der notwendigen Maßnahmen zur Befreiung oder zur Verbesserung der Lage des Schiffes im Ereignisfall zu erhalten. Die Havarie der „Indian Ocean“ (Februar 2016) auf der Elbe hat gezeigt, dass es erforderlich werden kann, einen Teil der Containerladung an Ort und Stelle zu entladen. Für das Abbergen von Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/735 3 Containern in sehr großen Höhen sind grundsätzlich technische Lösungen denkbar, aber noch nicht erprobt. Die zuständige Behörde der Freien und Hansestadt Hamburg testet das Befahren des Hamburger Hafens mit solchen Schiffsgrößen ausführlich in Simulationen, bevor das erste Schiff einer neuen Größenordnung den Hamburger Hafen befährt. In den Simulationen, die gemeinsam mit den Hafenlotsen durchgeführt werden, werden alle notwendigen Parameter für ein sicheres Befahren des Hamburger Hafens erarbeitet und festgelegt (im Übrigen siehe Antwort zu Frage 2 und 3). Die Ergebnisse von Simulationsuntersuchungen finden ihren Niederschlag in einer für die jeweilige Schiffsklasse erarbeiteten schifffahrtspolizeilichen Genehmigung. Die Auflagen einer schifffahrtspolizeilichen Genehmigung werden dem Schiff/Agenten rechtzeitig vor Ankunft in deutscher und englischer Sprache zugestellt. Sollte es aufgrund von Erkenntnissen der zuständigen Behörde und der beratenden Lotsen notwendig sein, so können Auflagen von schifffahrtspolizeilichen Genehmigungen angepasst und ergänzt werden. Die beschriebene Vorgehensweise einer Genehmigungserteilung sowie die im Hamburger Hafen verfügbaren Schlepperkapazitäten haben dazu geführt, dass der Schiffsverkehr im Hamburger Hafen auch für Containerschiffe mit einer Kapazität von 20 000 TEU und mehr sicher ist. Darüber hinaus stellt die Nautische Zentrale des Hamburger Hafens 24/7 und 365 Tage sicher, dass es für alle Schiffsverkehre innerhalb des Hamburger Hafens eine sichere Verkehrsablaufsteuerung gibt; gleichzeitig hat die Nautische Zentrale alle Befugnisse, um auf alle Vorkommnisse, die die Sicherheit und Leichtigkeit des Schiffsverkehrs betreffen, hoheitlich und angemessen zu reagieren. 5. Welche technischen Daten hat das Bemessungsschiff, das bei den Plänen für eine weitere Elbvertiefung berücksichtigt wurde? Das Bemessungsschiff hat eine Länge von 350 m, eine Breite von 46 m und einen Tiefgang von 14,50 m (in Salzwasser). 6. In welcher Weise werden wann die Berechnungen zur geplanten Elbvertiefung angesichts solcher Megafrachter nun für größere Schiffe überarbeitet? Die Bemessung der geplanten Fahrrinnenanpassung wurde seit der Antragstellung nicht verändert und ist Gegenstand des vorliegenden Planfeststellungsbeschlusses. (Verteilt am 25.04.2018) Drucksache 18/735 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Meta Janssen-Kucz, Detlev Schulz-Hendel, Imke Byl und Dragos Pancescu (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz Megafrachter „Antoine de Saint Exupéry“ - Ist eine erfolgreiche Beherrschung einer Havarie von großen Containerschiffen ausreichend sichergestellt?