Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/761 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Hillgriet Eilers, Horst Kortlang und Jörg Bode (FDP) Antwort des Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung Welche Lehren sind aus der Havarie der „Purple Beach“ gezogen worden? Anfrage der Abgeordneten Hillgriet Eilers, Horst Kortlang und Jörg Bode (FDP), eingegangen am 16.03.2018 - Drs. 18/521 an die Staatskanzlei übersandt am 21.03.2018 Antwort des Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 25.04.2018, gezeichnet Olaf Lies Vorbemerkung der Abgeordneten Der schwere Seeunfall des Frachters „Purple Beach“ in der Deutschen Bucht vom 25.05.2015 ist über 33 Monate her. Ein Abschlussbericht der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung liegt bis heute nicht vor, obwohl dieser gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 SUG nach zwölf Monaten vorliegen soll. Bisher ist lediglich ein Untersuchungszwischenbericht mit Datum vom 25.05.2016 veröffentlicht worden. Die „Purple Beach“ lag im Anschluss an die Havarie bis Anfang 2017 in Wilhelmshaven, in der Zwischenzeit ist sie in der Türkei abgewrackt worden. Zusammen mit der Havarie der „Glory Amsterdam“ haben sich damit zwei schlagzeilenträchtige Schiffsunglücke vor der niedersächsischen Küste und dem Nationalpark Wattenmeer in der jüngeren Vergangenheit ereignet. In der Drucksache 18/430 führt die Landesregierung bezüglich Defiziten und Verbesserungsmaßnahmen bei der Abarbeitung von komplexen Schadenslagen auf See aus, dass das Land Niedersachsen als Partner der Havariekommando-Vereinbarung gewillt sei, „in seinem eigenen Wirkungskreis seinen Teil zu einer Verbesserung beizutragen“. In der Drucksache 18/487 führt die Landesregierung mit Bezug auf die Havarie der „Glory Amsterdam“ vom 29.10.2017 Nachfolgendes aus: „Nach Kenntnis der Landesregierung gibt es bestimmte Defizite, die nicht erst jetzt offengelegt wurden“. Die Landesregierung spricht auch von Verbesserungspotenzial , welches gesehen werde. Vorbemerkung der Landesregierung Der Brand des Düngemittelfrachters „Purple Beach“ im Mai 2015 stellte ein Ereignis dar, das in dieser Form seit Gründung des Havariekommandos erstmalig auftrat. Aus Sicht der Landesregierung gab es bei der Bekämpfung der komplexen Schadenslage „Purple Beach“ durch die Einsatzkräfte des Bundes und der Küstenländer grundsätzlich keine Defizite. Die Schadenslage ist mit der Havarie der „Glory Amsterdam“ vor Langeoog allerdings nicht vergleichbar. 1. Hat die Landesregierung Erkenntnisse, wann ein Abschlussbericht zur Havarie der „Purple Beach“ voraussichtlich vorliegen wird? Die Havarie der „Purple Beach“ wird von der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung untersucht, die bezüglich ihrer Untersuchungshandlungen mit vollständiger funktioneller und organisatorischer Unabhängigkeit ausgestattet ist. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/761 2 Über den Zeitpunkt der Veröffentlichung des Abschlussberichts liegen der Landesregierung keine eigenen Erkenntnisse vor. Es wird jedoch auf die Antwort zu Frage Nr. 62 der Bundestagsdrucksache 19/1470 verwiesen, nach der die Veröffentlichung des Berichts für das dritte Quartal 2018 vorgesehen ist. 2. Sind dem Land Niedersachsen mittelbar oder unmittelbar durch den schweren Seeunfall der „Purple Beach“ Kosten entstanden? Wenn ja, welche und in welcher Höhe? Die Kostenrechnungen für die im Rahmen der Komplexen Schadenslage für die Gefahrenabwehr eingesetzten Einsatzmittel und Einsatzkräfte wurden von den jeweils entsendenden Behörden und Organisationen erstellt. Auf dieser Basis wurde dann vom Havariekommando eine verbindliche Gesamtrechnung aufgestellt. Diese Kosten wurden im vollen Umfang dem Verursacher in Rechnung gestellt. Die entsprechenden Rechtsansprüche werden von der Generalsdirektion Wasserstraßen und Schifffahrt verfolgt. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. 3. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung bereits aus dem Seeunfall der „Purple Beach“ gewonnen, und welche Konsequenzen hat sie daraus gezogen? Die Kommunikation und die Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen in Verwaltung und Gefahrenabwehr des Landes und der Kommunen (Lagezentrum MI, Polizeidirektion Oldenburg, Landkreise , Gemeinden, Feuerwehren) haben bei der komplexen Schadenslage „Purple Beach“ grundsätzlich funktioniert. Die Bedienung von feststehenden Informations- und Kommunikationswegen und deren bedarfsweise Ergänzung haben sich bewährt. Mit den beteiligten Einsatzkräften hat es Nachbereitungen gegeben, aus denen sich keine neuen maßgeblichen Erkenntnisse und Verbesserungsvorschläge ergeben haben. Die vorhandenen Konzepte der Maritimen Notfallvorsorge werden jedoch kontinuierlich weiterentwickelt, insbesondere im Lichte der Erkenntnisse aus der Havarie der „Glory Amsterdam“. 4. Welche Schlüsse bzw. welchen Anpassungsbedarf hat die Landesregierung bezüglich Ausrüstung, Personalsituation und Koordination aus dem Seeunfall mit der „Purple Beach“ gezogen? Das Konzept des Havariekommandos für die Abarbeitung von Schadenslagen, bei denen toxische Gase frei gesetzt werden, und die mit einem speziellen Gasschutzsystem ausgestatteten Mehrzweckschiffe des Bundes haben sich bei dieser Einsatzlage bewährt. Die einsatzbezogene Hinzuziehung weiterer externer Fachberater (z. B. Mediziner, Toxikologen usw.) hat sich ebenfalls bewährt und bedarf keiner Änderungen. 5. Hat die Landesregierung nach dem schweren Seeunfall der „Purple Beach“ Maßnahmen getroffen, um die niedersächsischen Küsten vor Gefahren, die von havarierten Schiffen ausgehen, zu schützen? Über konkrete Schlussfolgerungen aus der Havarie der „Purple Beach“ für die künftige Vorsorgeplanung kann erst nach Vorlage und Auswertung des Abschlussberichts der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchungen befunden werden. In Niedersachsen werden zusammen mit den Bund-/Länderpartnern allerdings kontinuierlich Verbesserungsmaßnahmen zum Schutz der deutschen Küste vor Gefahren, die von havarierten Schiffen ausgehen, geprüft und umgesetzt. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/761 3 6. Wenn ja, welche? Derzeit wird von den Partnern der Havariekommandovereinbarung ein neues gemeinsames Strategiekonzept des Bundes und der Küstenländer zur Bekämpfung von Meeresverschmutzungen erarbeitet und abgestimmt. Dieses wird auch Festlegungen zur Bekämpfung von Chemikalienunfällen wie im Fall der „Purple Beach“ enthalten. Maßnahmen, welche die Schifffahrt selbst betreffen, sind durch das zuständige BMVI zu treffen. Hierzu gehört z. B. das Notschleppkonzept, das zurzeit vom Bund evaluiert wird. 7. Wenn nein, sieht die Landesregierung Bedarf, Maßnahmen zu entwickeln? Siehe Antwort zu Frage 6. 8. Haben sich nach dem schweren Seeunfall der „Purple Beach“ bis zur Havarie der „Glory Amsterdam“ weitere Seeunfälle, Schiffsunglücke oder Havarien ereignet, die das niedersächsische Wattenmeer bedroht und/oder einen Einsatzalarm des Havariekommandos ausgelöst haben? Folgende komplexe Schadenlagen haben sich zwischen den beiden Ereignissen ereignet: Beginn Ende Bezeichnung Unfallart Ort Betroffene Partner 20.11.15 09:00 20.11.15 23:30 Ladungsbrand MSC „Katrina“ Schiffs- bzw. Ladungsbrand Nordsee AWZ Bund 18.12.15 17:27 18.12.15 22:45 Ladungsbrand MS „Ventura“ Schiffs- bzw. Ladungsbrand Nordsee Küstenmeer Bund, Schleswig -Holstein 04.02.16 13:45 09.02.16 11:00 „CSCL Indian Ocean“ Strandung /Notliegeplatz Seeschifffahrtsstraße Elbe Bund, Schleswig -Holstein Niedersachsen , Hamburg 02.06.16 15:15 06.06.16 16:30 Gewässerverunreinigung (Paraffin) Borkum Schiffs- bzw. Ladungsbrand Nordsee Küstenmeer Niedersachsen 01.09.16 13:55 04.09.16 18:15 Brand auf Containerschiff CCNI ARAUCO Schiffs- bzw. Ladungsbrand Hafen Hamburg Hamburg 10.01.17 14:00 11.01.17 18:30 Treibende Seemine Munitionssuche Nordsee AWZ Bund, Niedersachsen 9. Was wird die Landesregierung nach den ihr bekannten Seeunfällen der vergangenen Jahre und der aufgekommenen Kritik, z. B. durch Vertreter der betroffenen Kommunen und der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste, konkret unternehmen, um Verbesserungen , z. B. bei den Abläufen oder der Kommunikation, herbeizuführen? Die Landesregierung hat nach den letzten schweren Seeunfällen festgestellt, dass es im Bereich der Havarievorsorge und -bekämpfung noch erhebliche Schwachstellen gibt, die dringend beseitigt werden müssen, um die niedersächsische Küste vor den Auswirkungen von Schiffshavarien besser zu schützen. Dies ist insbesondere auf einer Informationsveranstaltung des Ministeriums für Umwelt , Energie, Bauen und Klimaschutz am 19. Januar 2018 in Aurich aus Anlass der Havarie der „Glory Amsterdam“ deutlich geworden. Es wurden Schwachpunkte im Bereich des Notschleppkonzepts , der Ausstattung der vorhandenen Schiffe, der Kommunikation und Meldewege aufgezeigt und erörtert. Die Landesregierung befindet sich hierzu in einem engen Austausch mit den Partnern der Havariekommandovereinbarung und den Küstenkommunen und setzt sich dafür ein, dass die aufgezeigten Schwachstellen schnellstmöglich beseitigt werden. Im Bereich der Kommunikation mit den niedersächsischen Kommunen wurden als Sofortmaßnahme die bestehenden Meldewege überprüft und verbessert. Deren Funktionsfähigkeit wurde bereits erprobt. Weitere erforderliche Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/761 4 Maßnahmen wird die Landesregierung auf der nächsten Sitzung des Kuratoriums Maritime Notfallvorsorge mit dem Bund und den Küstenländern erörtern. 10. Wann ist die Bewertung der Verbesserungsvorschläge des Leiters des Havariekommandos durch die Landesregierung voraussichtlich abgeschlossen? Wie in der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage zur mündlichen Beantwortung „Was wird sich beim Havariekommando in Cuxhaven ändern müssen?“ (https://www.umwelt.niedersach sen.de/startseite/aktuelles/niedersaechsischer_landtag_muendliche_anfragen/was-wird-sich-beimhavariekommando -in-cuxhaven-aendern-muessen-162327.html) dargelegt, wird die Landesregierung die Bewertung gemeinsam mit den Partnern der Havariekommando-Vereinbarung in den dafür vorgesehenen Gremien durchführen. Die Landesregierung nimmt die Besorgnisse der Küstenkommunen , die Defizite bei der Bekämpfung der Havarie der Glory Amsterdam beklagen, aber auch die Hinweise des Havariekommandos über bestehende Verbesserungsmöglichkeiten bei der Abarbeitung von komplexen Schadenslagen auf See sehr ernst. Sie ist der Auffassung, dass die Lehren aus der Havarie der Glory Amsterdam konsequent beachtet werden müssen und notwendige Verbesserungsmaßnahmen zu prüfen und gegebenenfalls umzusetzen sind, auch wenn sie zusätzliche Ressourcen erfordern. Die Maßnahmen, die der Leiter des Havariekommandos vorgeschlagen hatte, betreffen zwar in einem hohen Maße Bundeszuständigkeit, aber auch das Land Niedersachsen als Partner der Havariekommando-Vereinbarung ist angesprochen und gewillt, in seinem eigenen Wirkungskreis seinen Teil zu einer Verbesserung beizutragen. Die Landesregierung strebt an, die Bewertung möglichst noch in diesem Jahr abzuschließen. 11. Bis wann sind die Vorsorgemaßnahmen und die Kommunikationswege bis in die Kommunen an der Nordsee in der Art angepasst, dass das Verbesserungspotenzial abgearbeitet ist? Auf die Antwort zu Frage 9 wird verwiesen. (Verteilt am 26.04.2018) Drucksache 18/761 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Hillgriet Eilers, Horst Kortlang und Jörg Bode (FDP) Antwort des Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz Welche Lehren sind aus der Havarie der „Purple Beach“ gezogen worden?