Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/805 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Detlev Schulz-Hendel, Miriam Staudte, Christian Meyer und Imke Byl (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung Ist Ministerin Otte-Kinast jetzt aufseiten der Landwirte gegen die E 233? Anfrage der Abgeordneten Detlev Schulz-Hendel, Miriam Staudte, Christian Meyer und Imke Byl (GRÜNE), eingegangen am 27.03.2018 - Drs. 18/584 an die Staatskanzlei übersandt am 03.04.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung vom 04.05.2018, gezeichnet Barbara Otte-Kinast Vorbemerkung der Abgeordneten Auf einer CDU-Veranstaltung in Meppen soll sich Ministerin Otte-Kinast gegen den Ausbau der E 233 ausgesprochen haben. In der Neuen Osnabrücker Zeitung vom 20.02.2018 heißt es: „Zunächst forderte Karsten Osmers von der BI Exit 233, noch einmal intensiv über den Flächenverbrauch eines Ausbaus der Europastraße nachzudenken. 750 Hektar Ackerland werde er verbrauchen und ein weiteres großes Loch in den Flächenpool reißen. Und das angesichts schon jetzt nicht ausreichenden Platzes für die Ausbringung der Wirtschaftsdünger. Otte-Kinast sah das ähnlich - der Flächenfraß sei ein immenses Problem. Zur Sinnhaftigkeit der Straße wollte sie sich nicht konkret äußern, bemerkte aber: ‚Wenn es 20 Jahre ohne Ausbau ging? Aber das muss vor Ort entschieden werden.‘“ Vorbemerkung der Landesregierung Das Projekt „Ausbau der E 233 Meppen (A 31) bis Cloppenburg (A 1)“ ist im aktuellen Bedarfsplan 2016 für die Bundesfernstraßen im Vordringlichen Bedarf eingestuft. Damit hat der Bund den verkehrlichen Bedarf für das Vorhaben festgestellt und gesetzlich vorgegeben. Bereits im vorangegangenen Bedarfsplan 2004 war das Projekt im Weiteren Bedarf mit Planungsrecht enthalten. Die Europastraße 233 verbindet großräumig die niederländische A 32 und A 28 über die A 37 mit der deutschen A 31 und der A 1 Osnabrück–Bremen. Da sie die kürzeste Verbindung zwischen den Wirtschaftsräumen Bremen/Hamburg und Amsterdam/Rotterdam darstellt, ist sie für die Wirtschaft in den Niederlanden und in Deutschland von großer Bedeutung. Mit einem Anteil von 22 bis 40 % ist der Schwerverkehr bei Verkehrsbelastungen bis zu rund 20 000 Kfz/24 h als extrem hoch einzustufen . Im Rahmen einer mit dem Land Niedersachsen geschlossenen Vereinbarung wurden 2010 die Planungen zu dem Bauvorhaben durch die Landkreise Emsland und Cloppenburg sowie den Städtering Zwolle-Emsland begonnen. Diese erfolgen dabei in enger Abstimmung zwischen den beiden Landkreisen und der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV) auf der Grundlage der gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen, die für die Planung von Bundesfernstraßen vorgegeben sind. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/805 2 Im Landes-Raumordnungsprogramm sichert die Landesregierung die E 233 als Vorranggebiet Hauptverkehrsstraße, die bedarfsgerecht auszubauen ist. Der Ausbau entspricht somit den Zielen der Raumordnung und ist von allen Trägern öffentlicher Belange zu beachten. 1. Wieviel Hektar landwirtschaftlicher Fläche gehen durch den Bau der E 233 verloren? Für die E 233 werden nach gegenwärtigem Planungsstand landwirtschaftliche Flächen (Acker- und Grünland) im Umfang von ca. 550 ha dauerhaft erworben und damit der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen. Ergänzend werden auf ca. 150 ha Ackerland sogenannte Produktionsintegrierte Kompensationsmaßnahmen (PIK) durchgeführt. Hier verbleibt die Fläche beim Eigentümer und wird mit Nutzungsauflagen zur ökologischen Aufwertung der Fläche versehen. 2. Wie groß ist ein Durchschnittsbetrieb in der Region in Hektar? Die durchschnittliche Betriebsgröße im Landkreis Emsland lag 2016 bei durchschnittlich 55,2 ha LF pro Betrieb, im Landkreis Cloppenburg bei 50,1 ha LF pro Betrieb. 3. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass der umstrittene Ausbau der E 233 „ein weiteres großes Loch in den Flächenpool“ reißen würde? 750 ha landwirtschaftlich genutzte Fläche kann grundsätzlich die Existenzen von zehn durchschnittlichen Haupterwerbsbetrieben in Niedersachsen sichern. Der Landesregierung ist daher ein sparsamer Umgang mit Acker- und Grünland auch im Rahmen von Straßenbaumaßnahmen sehr wichtig . 4. Wenn der Flächenfraß für die E 233 laut Ministerin Otte-Kinast ein „immenses Problem“ ist: Was tut die Landesregierung dagegen? Gemäß Bundesnaturschutzgesetz ist möglichst zu vermeiden, dass landwirtschaftliche Flächen der Nutzung entzogen werden. Vor diesem Hintergrund konnte im Zuge der Planung erreicht werden, dass insgesamt etwas über 200 ha Kompensationsmaßnahmen auf Flächen der öffentlichen Hand vorgesehen sind. Sofern darüber hinaus bei der Entwicklung von Kompensationsmaßnahmen auf private landwirtschaftlich genutzte Fläche zurückzugreifen ist, sind dabei die besonderen agrarstrukturellen Belange zwingend zu berücksichtigen. Dies geschieht beispielsweise, indem für die landwirtschaftliche Nutzung besonders geeignete (hochwertige) Böden nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden. Zudem ist zu prüfen, ob die Kompensation auch durch Maßnahmen zur Entsiegelung von Flächen, durch Maßnahmen zur Wiedervernetzung von Lebensräumen oder durch Bewirtschaftungs - oder Pflegemaßnahmen erbracht werden kann. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, Bewirtschaftungs- oder Pflegemaßnahmen vorzusehen, die bei einer dauerhaften Aufwertung des Naturhaushalts oder des Landschaftsbilds weiterhin die land- oder forstwirtschaftliche Nutzung dieser Flächen ermöglichen. Um den unternehmensbedingten Landverlust auf einen größeren Kreis von Grundstückseigentümern verteilen zu können (soweit der erforderliche Flächenumfang für die Umsetzung des Straßenbauvorhabens nicht vollständig erworben werden kann) und die Beeinträchtigungen für die Agrarstruktur und die Allgemeinheit zu mildern, ist ergänzend die Durchführung von Unternehmensflurbereinigungsverfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz vorgesehen. Im Rahmen von zwischen den Landkreisen und der Niedersächsischen Landgesellschaft (NLG) geschlossenen Vereinbarungen hat die NLG dafür bereits ca. 570 ha Fläche erworben. Diese Flächen werden später im Rahmen der Neuordnung des Eigentums durch das Flurbereinigungsverfahren zur Deckung des Landbedarfs für das Unternehmen und zur Reduzierung der Flächenverluste für die betroffenen Grundstückseigentümer verwendet. Flächenankaufe dienen den Zielen der Agrarstruktur und der Vermeidung existenzbedrohender Flächenverluste einzelner Betriebe. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/805 3 5. Teilt die Landesregierung die Auffassung der Ministerin zur Sinnhaftigkeit der Straße: „Wenn es 20 Jahre ohne Ausbau ging?“ Wie aus dem genannten Pressebericht der NOZ deutlich wird, hat die Ministerin in ihrer Aussage deutlich gemacht, dass über den Ausbau vor Ort entschieden werden muss. Vor Ort haben die Landkreise Emsland und Cloppenburg die Entscheidung getroffen und eine Vereinbarung mit dem Land getroffen. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkungen verwiesen. 6. Teilt die Landesregierung die Auffassung der Ministerin, dass über den Ausbau einer Europastraße „vor Ort“ und nicht mit dem Bundesverkehrswegeplan im Bundestag entschieden werden soll? Die Aufnahme der Planungen zur E 233 ist zu einem großen Teil auf die Initiative der Landkreise Emsland und Cloppenburg gemeinsam mit dem Städtering Zwolle-Emsland im Jahr 2008 zurückzuführen . Das seinerzeit von der Region initiierte länderübergreifende Finanzierungsmodell zeigt sehr deutlich das hohe Interesse der Region und der Wirtschaft an einer zügigen Realisierung des vierstreifigen Ausbaus der E 233. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkungen verwiesen. 7. Wie ist die Haltung der Landesregierung zur E 233? Zur Beantwortung wird auf die Vorbemerkungen und die Beantwortung der Frage 6 verwiesen. 8. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass auf Veranstaltungen mit Mitgliedern derselben die Auffassung der Landesregierung vertreten wird? Ministerin Otte-Kinast hat die Auffassung der Landesregierung vertreten und mit ihren pointierten Anmerkungen auf Landnutzungskonflikte hingewiesen, die sich aus dem Spannungsfeld zwischen der geplanten Infrastrukturmaßnahme und der Landwirtschaft ergeben können. (Verteilt am 07.05.2018) Drucksache 18/805 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Detlev Schulz-Hendel, Miriam Staudte, Christian Meyer und Imke Byl (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ist Ministerin Otte-Kinast jetzt aufseiten der Landwirte gegen die E 233?