Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/813 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Stefan Wirtz (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung Rückbau von Windenergieanlagen Anfrage des Abgeordneten Stefan Wirtz (AfD), eingegangen am 04.04.2018 - Drs. 18/628 an die Staatskanzlei übersandt am 11.04.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 30.04.2018, gezeichnet Olaf Lies Vorbemerkung des Abgeordneten Die Zulassung von Windenergieanlagen findet unter der Voraussetzung des vollständigen Rückbaus der Anlagen nach dauerhafter Nutzungsaufgabe statt (§ 35, Abs. 5 BauGB). Dieser Rückbau schließt auch das komplette Fundament mit ein. Laut Recherchen der WELT vom 18.02.2018 halten sich viele Windparkbetreiber nicht an diese Forderungen, und so findet der Rückbau des Fundaments häufig nur teilweise statt, und die Tiefenfundamente verbleiben im Boden (https://www.welt.de/wirtschaft/plus173677617/Energiewende-Alte-Windraeder-haben-ein-Recyc ling-Problem.html, abgerufen am 06.03.2018). Es gibt keine einheitlichen Vorschriften in Niedersachsen , wie tief die Fundamente entfernt werden müssen. Der Landkreis Cuxhaven legt in der „Änderung des Regionalen Raumordnungsprogramms für den Landkreis Cuxhaven, Fortschreibung des sachlichen Teilabschnitts Windenergie 2017“ beispielsweise fest, dass bei Beendigung des Betriebes eines Windparks die Fundamente der Windenergieanlagen bis zu einer Tiefe von 2,5 m zurückgebaut werden müssen (https://www.landkreis-cuxhaven.de/media/custom/1779_5209_1.PDF? 1508407053, abgerufen am 28.03.2018). Vorbemerkung der Landesregierung Soweit bauliche Anlagen, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie dienen, im Außenbereich errichtet werden, werden sie wegen ihres Nutzungszwecks dem Außenbereich als privilegierte Vorhaben zugewiesen (§ 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB). Wenn die zulässige Nutzung dauerhaft aufgegeben wird, entfällt demgemäß die Legitimation für die Beeinträchtigung der öffentlichen Belange durch diese Baukörper. Zur Stärkung des Außenbereichsschutzes wurde durch das Europarechtsanpassungsgesetz Bau (in Kraft getreten am 20.07.2004) mit § 35 Abs. 5 Satz 2 BauGB u. a. für die Errichtung von Windenergieanlagen eine zusätzliche Zulässigkeitsvoraussetzung in das BauGB aufgenommen. Danach hat der Vorhabenträger bzw. Bauantragsteller gegenüber der für die Genehmigung des Vorhabens zuständigen Behörde eine Erklärung abzugeben, in der er sich verpflichtet, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen. Vor Abgabe dieser Verpflichtungserklärung kann eine Genehmigung nicht erteilt werden. Rückbau im Sinne des § 35 Abs. 5 Satz 2 BauGB bedeutet die Beseitigung der Anlage, welche der bisherigen Nutzung diente, und insoweit die Herstellung des davor bestehenden Zustandes. Mit dem Windenergieerlass (Gem. RdErl. d. MU, d. MS, d. MW u. d. MI vom 24.02.2016) wurde die Rückbauverpflichtung unter Punkt 3.4.2.3 dahin gehend konkretisiert, dass „grundsätzlich alle ober- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/813 2 und unterirdischen Anlagen und Anlagenteile sowie die zugehörigen Nebenanlagen wie Leitungen, Wege und Plätze und sonstige versiegelte Flächen“ zurückzubauen sind. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang aber auch auf die Rechtsprechung der niedersächsischen Justiz vor Inkrafttreten des § 35 Abs. 5 Satz 2 BauGB: Mit Urteil vom 15.07.2004_4 U 55/04 hat das OLG Celle einem Grundeigentümer einen Beseitigungsanspruch von Fundamentresten ab einer Tiefe von 1,50 m (gegen ein Stromversorgungsunternehmen ) abgesprochen und sein Beseitigungsverlangen „als rechtsmissbräuchlich“ angesehen, „weil die Beseitigung der Fundamente nur mit unverhältnismäßigen, (…) jedenfalls billigerweise nicht zuzumutenden Aufwendungen verbunden sei.“ 1. Wie tief gründen Fundamente von Windenergieanlagen in Niedersachsen im Boden (Angabe bitte je Gesamthöhe der Windenergieanlage)? Die Gründungsart einer Windenergieanlage hängt von den maximal auftretenden Lasten und der Bodenbeschaffenheit ab. Die Beanspruchung der Gründung der Anlage hängt dabei m Wesentlichen von den vom Hersteller festgelegten Betriebszuständen der Maschine und von der dem Standort zugeordneten Windzone ab. Die Tragfähigkeit des Bodens bestimmt, ob eine Flachgründung (ohne darunter stehende Pfähle) ausgeführt werden kann oder ob die Lasten durch den Einbau von Pfählen bis in tragfähige Bodenschichten geführt werden müssen. Ein direkter Zusammenhang zwischen Anlagenhöhe und Gründungstiefe kann deshalb nicht angegeben werden. 2. Liegen der Landesregierung Informationen über nicht vollständig entfernte Fundamente beim Rückbau von Windenergieanlagen vor? Wenn ja, wie viele Fälle sind der Landesregierung bekannt, und in welchen Landkreisen/Regionen sind diese verortet? Eine lückenlose Beantwortung dieser Frage ist aus folgenden Gründen nicht möglich: Die Zulässigkeitsvoraussetzung nach § 35 Abs. 5 Satz 2 BauGB besteht, wie bereits oben in der Vorbemerkung ausgeführt, seit dem 20.07.2004 für die Windenergieanlagen, die im Außenbereich genehmigt wurden. Für die Anlagen, die vor diesem Zeitpunkt genehmigt wurden, und für die, die nicht dem Außenbereich zuzuordnen sind, bestand bzw. besteht diese Zulässigkeitsvoraussetzung nicht. Bei einer durchschnittlichen Betriebsdauer einer Windenergieanlage von ca. 20 Jahren ist davon auszugehen, dass es sich bei der Mehrzahl der demontierten Windenergieanlagen um Anlagen handelt, die vor dem 20.07.2004, i. d. R. in den 1990er-Jahren, genehmigt wurden. Für den Großteil der bislang zurückgebauten Windenergieanlagen galt somit die in § 35 Abs. 5 Satz 2 BauGB geregelte Rückbauverpflichtung nicht. In einigen zuständigen Genehmigungsbehörden liegen daher für viele der vor Jahrzehnten genehmigten und zwischenzeitlich demontierten Windenergieanlagen keine auswertbaren Daten bzw. keine vollständigen Daten vor. Für folgende Region/Landkreise/kreisfreien Städte liegen der Landesregierung Informationen über nicht vollständig entfernte Fundamente aus der Demontage von Windenergieanlagen vor: Region Hannover: Fundamentreste einer Windenergieanlage, Landkreis Cloppenburg: Pfahlgründungen im Boden verblieben, Anzahl nicht bekannt, Landkreis Cuxhaven: Pfahlgründungen im Boden verblieben, Anzahl nicht bekannt, Landkreis Diepholz: Anzahl der Fundamentreste nicht bekannt, Landkreis Friesland: Fundamentreste von zwei Windenergieanlagen, Landkreis Göttingen: Fundamentreste von sieben Windenergieanlagen, Landkreis Harburg: Fundamentreste von zwei Windenergieanlagen, Landkreis Leer: Pfahlgründungen im Boden verblieben von 38 Windenergieanlagen, Landkreis Schaumburg: Fundamentreste von zwölf Windenergieanlagen, Landkreis Stade: Fundamentreste von 29 Windenergieanlagen, i. d. R. Pfahlgründungen , Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/813 3 Landkreis Wesermarsch: Pfahlgründungen im Boden verblieben von ca. 20 Windenergieanlagen , Landkreis Wittmund: Pfahlgründungen im Boden verblieben, Anzahl nicht bekannt, Landkreis Wolfenbüttel: Fundamentreste einer Windenergieanlage, Stadt Osnabrück: Fundamentreste einer Windenergieanlage, Stadt Wilhelmshaven: Anzahl der Fundamentreste nicht bekannt, i. d. R. Pfahlgründungen. Für folgende Landkreise und kreisfreien Städte wurde der Landesregierung mitgeteilt, dass Fundamentreste aus dem Rückbau von Windenergieanlagen nicht vorhanden sind: Landkreis Ammerland, Landkreis Celle, Landkreis Goslar, Landkreis Heidekreis, Landkreis Helmstedt, Landkreis Hildesheim, Landkreis Holzminden, Landkreis Lüchow-Dannenberg, Landkreis Lüneburg, Landkreis Nienburg/Weser, Landkreis Oldenburg, Landkreis Osterholz, Landkreis Peine, Landkreis Uelzen, Landkreis Vechta, Stadt Braunschweig, Stadt Delmenhorst, Stadt Emden, Stadt Hannover, Stadt Oldenburg, Stadt Salzgitter, Stadt Wolfsburg. 3. Inwieweit wird vonseiten der Landesregierung eine Kontrolle auf die Landkreise /Regionen bezüglich des korrekten Rückbaus der Fundamente ausgeübt? Pauschale Kontrollen bezüglich des Rückbaus der Fundamente von Windenergieanlagen werden seitens der Landesregierung nicht ausgeübt. Im Rahmen der Fachaufsicht werden aber grundsätzlich, soweit im Einzelfall Eingaben/Fachaufsichtsbeschwerden betroffener Personen (z. B. Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümer oder Nachbarinnen und Nachbarn) fachaufsichtliche Überprüfungen erforderlich machen, Entscheidungen der unteren Bauaufsichtsbehörden durch die oberste Bauaufsichtsbehörde (Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz) überprüft und gegebenenfalls auch Weisungen erteilt. 4. Ist es nach Auffassung der Landesregierung ausreichend, Fundamente von Windenergieanlagen nur bis in eine Tiefe von 2,5 m zu entfernen? Im Boden befindliche Fundamente von Windenergieanlagen stellen Versiegelungen dar, die sowohl die natürlichen Bodenfunktionen als Lebensraum, als Bestandteil des Naturhaushalts mit seinen Wasserkreisläufen sowie als Abbau-, Ausgleichs- und Aufbaumedium als auch die Nutzungsfunktion als Standort für die Land- und Forstwirtschaft einschränken. Die Reichweite der Wirkungen der Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/813 4 Fundamente hängt von den ursprünglich vorhandenen bzw. umgebenden Bodenverhältnissen ab. Die Effekte auf Standorten mit tiefgründigen Böden mit einem gegebenenfalls hohen Anteil an organischer Substanz sind beispielsweise anders zu bewerten als auf Standorten, auf denen Fundamente bis ins anstehende Gestein reichen. Eine allgemeine Beschränkung des Rückbaus von Fundamenten von Windenergieanlagen bis in eine Tiefe von 2,5 m wird weder den fachlichen Anforderungen noch den rechtlichen Anforderungen der Landesregierung an einen ordnungsgemäßen Rückbau gerecht. Die grundsätzlich vollständige Beseitigung der Bodenversiegelungen und des Fundaments sind Voraussetzung für eine möglichst weitgehende Wiederherstellung der Bodenfunktionen. Im Einzelfall kann es allerdings sinnvoll sein, zur Vermeidung von schädlichen Bodenveränderungen, die mit dem Rückbau einhergehen können, Abstriche von der vollständigen Beseitigung zuzulassen. In diesen Einzelfällen ist es unter Bodenschutzaspekten gegebenenfalls vertretbar bzw. sogar sinnvoll, wenn sich der Rückbau auf die Fundamente beschränkt und die Pfahlgründungen im Boden verbleiben. 5. Inwieweit kontrolliert die Landesregierung die Festlegung der Rückbautiefe von Fundamenten in den Regionalen Raumordnungsprogrammen der Landkreise/Regionen? Regionale Raumordnungsprogramme (RROP) sind vor Genehmigung durch das zuständige Amt für regionale Landesentwicklung als obere Landesplanungsbehörde auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen. Die Aufsicht des Landes beschränkt sich auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle in formeller und materieller Hinsicht. Zum Prüfungsumfang in materieller Hinsicht gehören insbesondere die Rechtskontrolle über die Einhaltung von Mindestinhalten und Grenzen regionalplanerischer Festlegungen , die Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht sowie die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Abwägung. Soweit RROP Festlegungen zum Rückbau von Windenergieanlagen treffen, werden diese im Genehmigungsverfahren mit geprüft. 6. Strebt die Landesregierung an, im Landes-Raumordnungsprogramm für Niedersachsen einheitlich festzulegen, bis in welche Tiefe die Fundamente von Windenergieanlagen beim Rückbau entfernt werden müssen? Nein. 7. Inwieweit kann es durch verbleibende Fundamente von Windenergieanlagen zu einer Vermischung zweier vormals getrennter Grundwasserleiter im Boden und dadurch zu einer Gefährdung der Trinkwasserqualität kommen? Belange des Grundwasser- und insbesondere des Trinkwasserschutzes sind bereits im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für Windenergieanlagen zu prüfen und zu bewerten. In den Antragsunterlagen ist darzustellen, dass Anlagen so errichtet, betrieben, unterhalten und stillgelegt werden, dass keine schädlichen Gewässerveränderungen zu erwarten sind. Diesbezügliche Hinweise und Empfehlungen zum Grundwasserschutz werden im Merkblatt „Grundwasserschutz beim Bau und Betrieb von Windenergieanlagen“ des Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz gegeben. Die Beurteilung der Zulässigkeit des Standorts einer Windenergieanlage mit Bezug auf die Art der Gründung und mögliche örtliche Gefährdungssituationen erfolgt im Rahmen einer Einzelfallprüfung im Genehmigungsverfahren. Für Bauwerke, die gemäß den vorgenannten Hinweisen und Empfehlungen ausgeführt wurden, ist eine Gefährdung des Grundwassers u. a. durch Vermischung getrennter Grundwasserleiter, auch dann nicht zu erwarten , wenn die Fundamente im Zuge des Rückbaus der Anlage nicht vollständig entfernt werden. Darüber hinaus legt der Windenergieerlass vom 24.02.2016 (Gem. RdErl. d. MU, d. ML, d. MS, d. MW u. d. MI v. 24.02.2016 - MU-52-29211/1/300 - ) fest, dass die Errichtung von Windenergieanlagen in den Schutzzonen I und II von Wasserschutzgebieten und Heilquellenschutzgebieten unzulässig (harte Tabuzonen) und in der Schutzzone III beschränkt zulässig ist. Außerhalb von Wasserschutzgebieten besteht eine wasserrechtliche Anzeige- oder Erlaubnispflicht gemäß § 49 WHG, so- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/813 5 fern die Errichtung einer Windenergieanlage mit Arbeiten verbunden ist, die so tief in den Boden eindringen, dass sie sich unmittelbar oder mittelbar auf die Beschaffenheit des Grundwassers auswirken können. (Verteilt am 08.05.2018) Drucksache 18/813 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Stefan Wirtz (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz Rückbau von Windenergieanlagen