Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/814 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Dr. Stefan Birkner, Horst Kortlang und Jörg Bode (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung Werden Schadstoffmessungen der Luft in Niedersachsen richtig durchgeführt? Anfrage der Abgeordneten Dr. Stefan Birkner, Horst Kortlang und Jörg Bode (FDP), eingegangen am 06.04.2018 - Drs. 18/653 an die Staatskanzlei übersandt am 11.04.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 03.05.2018, gezeichnet Olaf Lies Vorbemerkung der Abgeordneten Der Münchner Merkur berichtete am 8. März 2018 über fehlerhaft durchgeführte Schadstoffmessungen der Luft in München (https://www.merkur.de/wirtschaft/schadstoffwerte-in-muenchen-sindmesstationen -falsch-platziert-9671855.html, Abrufdatum: 15.03.2018). In der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes heißt es zur Position der Messstationen: „(…) vom Fahrbahnrand verkehrsreicher Kreuzungen müssen sie mindestens 25 m entfernt sein.“ Laut Artikel des Merkur seien Probenahmestellen des Bayerischen Landesamtes für Umwelt in München entgegen dieser Vorschrift falsch platziert, so z. B. an einer vielbefahrenen Kreuzung am Münchner Karlsplatz. Auch an Messpunkten, die sich nicht an Kreuzungen befänden, werde in der Innenstadt in keinem Fall die Möglichkeit in Anspruch genommen, 10 m Abstand zum Fahrbahnrand zu halten. In anderen europäischen Ländern hingegen sei ein entsprechender Abstand üblich. „Doch damit nicht genug: Wer sich mit den Messbedingungen beschäftigt, stößt auf eine weitere deutsche Besonderheit. Ursprünglich war die entsprechende Verordnung inhaltsgleich mit der ‚Richtlinie 2008/50/EG über Luftqualität und saubere Luft für Europa‘.“, wird weiter berichtet. Inzwischen sei die Regelung, die für europaweit vergleichbare Messwerte sorgen solle, von Deutschland einseitig verschärf worden. Es gebe drei entscheidende Abweichungen. Diese beträfen den in der EU-Richtlinie geforderten ungestörten Luftzufluss zu den Messstationen sowie den Mindestabstand der Messstationen von Hindernissen. Darüber hinaus ließe die deutsche Verordnung im Gegensatz zur europäischen Richtlinie weitere Abweichungen zu, die lediglich durch die örtlichen Behörden dokumentiert werden müssten. Vorbemerkung der Landesregierung Der Artikel des Merkur legt die Schlussfolgerung nahe, dass Deutschland die EU-Vorgaben für die Bedingungen für Schadstoffmessungen der Luft verschärft hätte. Dies ist nicht der Fall. Mit der Ersten Verordnung zur Änderung der Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen - 39. BlmSchV - vom 10.10.2016 (BGBl. I Nr. 48, S. 2044 vom 14.10.2016) ist die Richtlinie (EU) 2015/1480 der Kommission vom 28.08.2015 zur Änderung bestimmter Anhänge der Richtlinien 2004/107/EG und 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend Referenzmethoden, Datenvalidierung und Standorte für Probenahmestellen zur Bestimmung der Luftqualität (ABl. L 226 vom 29.08.2015, S. 4) eins zu eins umgesetzt worden. Die in Rede stehenden Bedingungen für Schadstoffmessungen der Luft sind Inhalt dieser Änderungsrichtlinie. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/814 2 Grundsätzlich gilt, dass Daten über Bereiche gewonnen werden müssen, in denen die höchsten Werte auftreten, denen die Bevölkerung wahrscheinlich direkt oder indirekt über einen Zeitraum ausgesetzt sein wird, der im Vergleich zum Mittelungszeitraum der betreffenden Immissionsgrenzwerte signifikant ist. In Anlage 3 im Abschnitt C der 39. BImSchV sind Angaben zur kleinräumigen Ortsbestimmung der Probenahmestellen aufgeführt, die soweit möglich berücksichtigt werden sollen. 1. Gibt es entsprechende Abweichungen zwischen der tatsächlichen Positionierung von Messstationen und den Vorgaben der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes- Immissionsschutzgesetzes sowie anderer Rechtsvorschriften auch in Niedersachsen, wenn ja, in welchem Umfang? Im Hinblick auf die Kriterien zur kleinräumigen Ortsbestimmung der Probenahmestellen der Anlage 3 Abschnitt C der 39. BImSchV sind Abweichungen aufgrund der technischen und örtlichen Gegebenheiten bei einzelnen Messstationen notwendig. Die kontinuierlichen Probenahmen für die Luftschadstoffe PM10 und PM2,5, die der aktuellen Information der Bevölkerung dienen, finden geringfügig (bis zu ca. 0,5 m) höher statt. Dies ist aus technischen Gründen unvermeidbar. Durch Bezug dieser Werte auf die vorgeschriebenen nichtkontinuierlichen Messungen mit Referenzverfahren in vorgeschriebener Höhe werden diese entsprechend korrigiert. Die Gewährleistung der örtlichen Repräsentanz der Werte einiger weniger verkehrsbezogener NO2-Messungen führt dazu, dass die Messungen in der Nähe von Bäumen stattfinden. 2. Wie bewertet die Landesregierung gegebenenfalls in Niedersachsen vorhandene Abweichungen zwischen der tatsächlichen Positionierung von Messstationen und den Vorgaben der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie anderer Rechtsvorschriften? Die Anforderungen in Anlage 3 Abschnitt C sind zu berücksichtigen, soweit dies möglich ist. Die Abweichungen bewegen sich somit im Rahmen der 39. BImSchV. 3. Welche Rechtsvorschriften für die Messung welcher Luftschadstoffe gibt es auf europäischer sowie deutscher Ebene? Zur Beurteilung der Luftqualität sind folgende Rechtsvorschriften verabschiedet worden: – RICHTLINIE 2004/107/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 15.12.2004 über Arsen, Kadmium, Quecksilber, Nickel und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe in der Luft – RICHTLINIE 2008/50/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 21.05.2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (bezüglich Partikel (PM2,5 und PM10), Stickstoffdioxid, Stickstoffoxide, Ozon, Schwefeldioxid, Kohlenmonoxid, Benzol und Blei) – RICHTLINIE (EU) 2015/1480 DER KOMMISSION vom 28.08.2015 zur Änderung bestimmter Anhänge der Richtlinien 2004/107/EG und 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend Referenzmethoden, Datenvalidierung und Standorte für Probenahmestellen zur Bestimmung der Luftqualität – Neununddreißigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) vom 02.08.2010 (BGBl. I S. 1065), die durch Artikel 1 der Verordnung vom 10.10.2016 (BGBl. I S. 2244) geändert worden ist. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/814 3 (bzgl. Partikel (PM2,5 und PM10), Stickstoffdioxid, Stickstoffoxide, Ozon, Schwefeldioxid, Kohlenmonoxid , Benzol, Blei, Arsen, Kadmium, Quecksilber, Nickel und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe) 4. Gibt es in den europäischen Rechtsvorschriften je nach untersuchtem Stoff (z. B. Stickoxide oder Feinstaub) unterschiedliche Vorgaben zur Positionierung der Messstationen , wenn ja, inwiefern weichen die Vorschriften für welche untersuchten Stoffe aus welchen Gründen voneinander ab, und welche Auswirkungen hat das auf die praktische Durchführung von Schadstoffmessungen der Luft? Ergänzend zu den Vorgaben aus Anhang III der Richtlinie 2008/50/EG gilt für die Einrichtung von Probenahmestellen für die Beurteilung der Ozonkonzentrationen gemäß Anhang VIII ein zusätzlicher Mindestabstand von 10 m von Emissionsquellen: „Soweit möglich ist bei der kleinräumigen Standortbestimmung entsprechend Anhang III Teil C vorzugehen . Es ist außerdem sicherzustellen, dass der Messeinlass sich in beträchtlicher Entfernung von Emissionsquellen wie Öfen oder Schornsteinen von Verbrennungsanlagen und in mehr als 10 m Entfernung von der nächstgelegenen Straße befindet, wobei der einzuhaltende Abstand mit der Verkehrsdichte zunimmt.“ Die Messstandorte zur Überwachung der Ozonkonzentration können daher von denen der Verkehrsmessstationen abweichen. Bei Probenahmestellen für ortsfeste Messungen der Werte von Arsen, Kadmium, Nickel und Benzo (a)pyren besteht nach Anhang III der Richtlinie 2004/107/EG kein Maximalabstand von 10 m bei Probenahmenstellen an verkehrsnahen Messorten. Auswirkungen auf die praktische Durchführung diesbezüglicher Schadstoffmessungen sind nicht erkennbar. 5. Gibt es in den deutschen Rechtsvorschriften je nach untersuchtem Stoff (z. B. Stickoxide oder Feinstaub) unterschiedliche Vorgaben zur Positionierung der Messstationen , wenn ja, inwiefern weichen die Vorschriften für welche untersuchten Stoffe aus welchen Gründen voneinander ab, und welche Auswirkungen hat das auf die praktische Durchführung von Schadstoffmessungen der Luft? Die deutschen Rechtsvorschriften entsprechen auch in diesem Punkt den europäischen Rechtsvorschriften . Siehe daher Nummer 4. 6. Weichen die deutschen Rechtsvorschriften für die Messung von Schadstoffen in der Luft von den europäischen Vorgaben mit der Folge gegebenenfalls unterschiedlicher Messwerte ab, wenn ja, welche deutschen Rechtsvorschriften weichen von den europäischen Vorgaben inwiefern und aus welchen Gründen ab? Nein. 7. Wenn Frage 6 mit Ja beantwortet wird, wie bewertet die Landesregierung die Abweichungen zwischen deutschen und europäischen Rechtsvorschriften vor dem Hintergrund des Ziels europaweit vergleichbarer Messergebnisse? Entfällt. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/814 4 8. Wie bewertet die Landesregierung den im Artikel beschriebenen Spielraum in der Anwendung der europäischen Rechtsvorschriften zur Messung von Schadstoffen in der Luft (z. B. bis zu 10 m Abstand einer Messstation von der Straße, wenn nicht an einer Kreuzung gemessen wird) vor dem Hintergrund, dass dieser in den EU-Mitgliedstaaten gegebenenfalls unterschiedlich genutzt wird, und vor dem Hintergrund gegebenenfalls auf dieser Grundlage angestrengter Klageverfahren der EU-Kommission? Bei den zitierten 10 m handelt es sich um einen maximalen Abstand, der für verkehrsbezogene Probenahmestellen gewählt wurde, um einen verkehrlichen Bezug der Messungen zu gewährleisten . Er ist insofern als „Spielraum“ zu verstehen, der genutzt werden kann, wenn die oben erwähnten Standortkriterien oder andere Faktoren (z. B. Störquellen, Sicherheit, Zugänglichkeit, Stromversorgung etc.) dies erfordern. Grundsätzlich gilt aber nach Anlage 3, Abschnitt B 1. a) der 39. BImSchV, dass Daten über Bereiche gewonnen werden müssen, in denen die höchsten Werte auftreten, denen die Bevölkerung wahrscheinlich direkt oder indirekt über einen Zeitraum ausgesetzt sein wird, der im Vergleich zum Mittelungszeitraum der betreffenden Immissionsgrenzwerte signifikant ist. Darüber hinaus sind für diese Frage die Anforderungen und Hinweise der Anlage 3 der 39. BImSchV insbesondere Teil A zu beachten. (Verteilt am ) (Verteilt am 08.05.2018) Drucksache 18/814 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Dr. Stefan Birkner, Horst Kortlang und Jörg Bode (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz Werden Schadstoffmessungen der Luft in Niedersachsen richtig durchgeführt?