Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/842 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Julia Willie Hamburg, Anja Piel und Stefan Wenzel (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über das „Kollektiv Nordharz“? Anfrage der Abgeordneten Julia Willie Hamburg, Anja Piel und Stefan Wenzel (GRÜNE), eingegangen am 03.04.2018 - Drs. 18/620 an die Staatskanzlei übersandt am 11.04.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 07.05.2018, gezeichnet Boris Pistorius Vorbemerkung der Abgeordneten Wie nach der Abschlusskundgebung des „Tags der deutschen Zukunft“ 2017 in Karlsruhe bekannt gegeben wurde, übernimmt das „Kollektiv Nordharz“ die Organisation für den „Tag der deutschen Zukunft“ 2018 in Goslar. Die Organisation des zehnten Tag der deutschen Zukunft, also des zehnjährigen Jubiläums eines der größten rechten Aufmärsche in Deutschland, könnte als Anerkennung der Szene gegenüber den Strukturen und Aktivitäten der Gruppe im Harz gewertet werden. Das „Kollektiv Nordharz“ organisiert immer wieder kleine Aktionen vor Ort und reist nach Berichten des Antifaschistischen Nachrichtenportals Niedersachsen immer wieder zu größeren rechten Aufmärschen im gesamten Bundesgebiet. Im Januar gab das „Kollektiv Nordharz“ die Auflösung bekannt . Rund eine Woche später verkündete die Partei „Die Rechte“ die Neugründung eines „Großkreisverbands Süd-Ost Niedersachsen“. Nach dem Foto des Gründungstreffens waren auch (ehemals ) Aktive des „Kollektivs Nordharz“ anwesend. 1. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Auflösung des „Kollektivs Nordharz“? Die Gruppierung „Kollektiv Nordharz“ hat sich nach eigenen Angaben zum Jahresende 2017 aufgelöst . 2. Sollte sich das „Kollektiv Nordharz“ aufgelöst haben: Hat die Landesregierung Erkenntnisse über Nachfolgestrukturen oder neue Betätigungsfelder der Mitglieder? Wenn ja, gibt es einen Zusammenhang zu der Partei „Die Rechten“, insbesondere zum „Großkreisverband Süd-Ost Niedersachsen“, etwa durch personelle Überschneidungen sowie finanzielle oder organisatorische Übergänge/Überträge? Ehemalige Angehörige des „Kollektiv Nordharz“ sind nach dessen Auflösung - zum Teil in verantwortlicher Position - in dem am 06.01.2018 gegründeten Großkreisverband Süd-Ost Niedersachsen der Partei Die Rechte organisiert. Erkenntnisse über finanzielle oder organisatorische Übergänge liegen den niedersächsischen Sicherheitsbehörden nicht vor. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/842 2 3. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die (ehemaligen) Ziele, das Handeln und die Organisation des „Kollektivs Nordharz“? Das „Kollektiv Nordharz“ verstand sich anfangs als Teil des „Antikapitalistischen Kollektiv“ (AKK). Das AKK verfolgte das Ziel, Angehörige organisationsschwacher oder aufgelöster rechtsextremistischer Gruppierungen und Parteien an sich zu binden, um eine personenstarke Einheit zu bilden. Hierfür beteiligten sich Angehörige des „Kollektiv Nordharz“ seit Mitte 2016 unter Mitführung von Transparenten mit antikapitalistischem und globalisierungsfeindlichem Tenor und unter Bildung sogenannter schwarzer Blöcke an Demonstrationen der rechtsextremistischen Szene und nahmen im März 2017 an einem Frühjahrsplenum des AKK in Sachsen-Anhalt teil. Ab Mitte 2017 lag der Schwerpunkt der Aktivitäten auf der Mobilisierung für die Abschlussdemonstration der Kampagne zum „Tag der deutschen Zukunft“ (TddZ) am 02.06.2018 in Goslar. 4. Wie viele und welche Veranstaltungen/Demonstrationen/Kundgebungen/Konzerte/Liederabende /Aktionen hat das „Kollektiv Nordharz“ seit 2014 durchgeführt? Welche davon waren angemeldet, wie viele unangemeldet? Unter der Bezeichnung „Kollektiv Nordharz“ ist der Personenkreis den Sicherheitsbehörden seit Februar 2017 bekannt. Angehörige des „Kollektiv Nordharz“ haben sich an verschiedenen Veranstaltungen der rechtsextremistischen Szene beteiligt bzw. diese durchgeführt. Zu nennen sind hier die Mitorganisation der angemeldeten Demonstration zum 01.05.2017 in Halle/Sachsen-Anhalt und die für den 12.08.2017 angemeldete Mobilisierungsveranstaltung zum „Tag der deutschen Zukunft“. Ferner wurde eine unbekannte Anzahl nicht angemeldeter Flugblattverteilungen und sogenannter Spaziergänge mit dem Ziel der propagandistischen Selbstdarstellung durchgeführt. Im Jahr 2017 fanden darüber hinaus zwei Balladenabende der rechtsextremistischen Szene in Räumlichkeiten statt, die durch das „Kollektiv Nordharz“ angemietet worden waren. 5. Steht/stand das Kollektiv unter Beobachtung der niedersächsischen Sicherheitsbehörden , wenn ja, von welchen und seit wann? Im Rahmen der Bearbeitung des Beobachtungsobjekts „Neonazistische Szene in Niedersachsen“ durch die Niedersächsische Verfassungsschutzbehörde wurden seit ihrem Bekanntwerden auch Erkenntnisse zu der Gruppierung „Kollektiv Nordharz“ erlangt. 6. Wer organisiert derzeit den „Tag der deutschen Zukunft“? Als Anmelder für den „Tag der deutschen Zukunft“ am 02.06.2018 in Goslar fungiert eine Privatperson aus Goslar, die als Versammlungsleiter agieren möchte und zurückliegend mehrfach Standkundgebungen für die „Nationaldemokratische Partei Deutschland“ (NPD) angezeigt hat. Maßgeblich an der Organisation beteiligt sind Angehörige des ehemaligen „Kollektiv Nordharz“, die nun als Kreisverband Süd-Ost Niedersachsen der Partei Die Rechte in Erscheinung treten. Daneben ist der den Sicherheitsbehörden bekannte Mitbegründer der als Kampagne zu verstehenden Veranstaltung „Tag der deutschen Zukunft“ in die Organisation mit eingebunden. 7. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung über die finanzielle Situation des „Kollektivs Nordharz“ vor? Nach der in der Beantwortung zu Frage 1 genannten Selbstauflösung des „Kollektiv Nordharz“ liegen den Sicherheitsbehörden keine Erkenntnisse zur Finanzierung der Gruppierung vor. Die Finanzierung von Aktivitäten solcher und ähnlicher Gruppierungen erfolgt in der Regel durch Beitragszahlungen der Mitglieder. Seit dem Beginn der Mobilisierung für den „Tag der deutschen Zukunft“ dürften Einnahmen in unbekannter Höhe aus dem Verkauf von Propaganda- und Merchandisingartikeln erzielt worden sein. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/842 3 8. Auf welchen Konzerten und Demonstrationen, die nicht aus dem Personenkreis des „Kollektivs Nordharz“ heraus angemeldet werden, hat das „Kollektiv Nordharz“ oder haben Personen aus dem „Kollektiv Nordharz“ seit 2016 Ordnerdienste oder andere organisatorische Aufgaben übernommen? Den niedersächsischen Sicherheitsbehörden liegen keine Erkenntnisse über Ordnerdienste oder die Übernahme organisatorischer Aufgaben durch Angehörige des „Kollektiv Nordharz“ bei Veranstaltungen , die nicht aus dem Personenkreis des „Kollektiv Nordharz“ angemeldet wurden, vor. 9. Mit welchen Gruppen/Organisationen/Parteien/Personenzusammenschlüssen/Subkulturen hat das „Kollektiv Nordharz“ zusammengearbeitet? Als Teil der neonazistischen Szene in Niedersachsen verfügen Angehörige des „Kollektivs Nordharz “ über Kontakte zu zahlreichen Parteien, Organisationen oder Gruppierungen der rechtsextremistischen Szene in Niedersachsen sowie anderen Bundesländern. Hervorzuheben sind die „Jungen Nationalisten“ (JN), der NPD-Kreisverband Goslar, die „Volksbewegung Niedersachsen“ (ehemals „Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen“) sowie die Partei Die Rechte. 10. Aus welchen Städten und Gemeinden kamen die Aktiven aus dem „Kollektiv Nordharz“ (bitte aufschlüsseln)? Nach Erkenntnissen der niedersächsischen Sicherheitsbehörden kamen die Angehörigen des „Kollektiv Nordharz“ aus dem Landkreis Goslar, der Region Braunschweig/Wolfenbüttel, Burgdorf sowie Ilsenburg (Sachsen-Anhalt). 11. Waren oder sind einzelne Personen aus dem „Kollektiv Nordharz“ in anderen rechten Gruppierungen/Organisationen/Parteien aktiv? Den niedersächsischen Sicherheitsbehörden liegen Erkenntnisse vor, dass sich einzelne Personen aus dem „Kollektiv Nordharz“ auch in den rechtsextremistischen Parteien NPD und Die Rechte beteiligt haben bzw. sich weiterhin beteiligen. 12. Welche Verbindungen bestehen zwischen dem „Kollektiv Nordharz“ und dem Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen? Die Verbindungen zwischen dem „Kollektiv Nordharz“ und der „Volksbewegung Niedersachsen“ (ehemals „Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen“) bestehen nach Erkenntnissen der niedersächsischen Sicherheitsbehörden in Form von persönlichen Kennverhältnissen, jedoch nicht in strukturierten bzw. organisatorischen Verbindungen. (Verteilt am 11.05.2018) Drucksache 18/842 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Julia Willie Hamburg, Anja Piel und Stefan Wenzel (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über das „Kollektiv Nordharz“?