Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/859 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Stefan Wirtz (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung namens der Landesregierung Forderungen nach sogenannten Vereinigten Staaten von Europa Anfrage des Abgeordneten Stefan Wirtz (AfD), eingegangen am 21.02.2018 - Drs. 18/591 an die Staatskanzlei übersandt am 09.04.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung namens der Landesregierung vom 09.05.2018, gezeichnet Birgit Honé Vorbemerkung des Abgeordneten Am 07.12.2017 äußerte Martin Schulz als damaliger Vorsitzender der SPD folgende Aussage auf einem SPD-Bundesparteitag: „Warum nehmen wir uns eigentlich jetzt nicht vor, 100 Jahre nach unserem Heidelberger Beschluss, 100 Jahre später, spätestens im Jahr 2025 diese Vereinigten Staaten von Europa verwirklicht zu haben? Ich will, dass es einen europäischen Verfassungsvertrag gibt, der ein föderales Europa schafft“.1 Martin Schulz hatte damit als damaliger Vorsitzender der SPD Diskussionen über die Zukunft der Europäischen Union ausgelöst. Fraglich ist, ob damit die Absicht verbunden wurde, einen assoziativen Bezug zu den Vereinigten Staaten von Amerika herzustellen und Interpretationen zu erlauben, nach denen innerhalb der SPD die Absicht zur Auflösung der souveränen europäischen Nationalstaaten und der Wille zur Erschaffung eines europäischen Bundesstaates bestünden. Äußerungen ähnlich der von Martin Schulz gab es in der Vergangenheit auch schon von anderen hochrangingen Politikern unserer in Niedersachsen regierenden Parteien, beispielsweise im Jahr 2011 von der damaligen Bundesarbeitsministerin und jetzigen Verteidigungsministerin, Ursula von der Leyen (CDU).2 Vorbemerkung der Landesregierung Die Idee der Vereinigten Staaten von Europa hat ihren Ursprung in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Als konkrete politische Forderung findet sie in Deutschland erstmals 1925 Eingang mit der Aufnahme des Begriffs in das vom Fragesteller erwähnte Parteiproramm der SPD. Neben anderen bekennt sich auch Konrad Adenauer 1946 zu dem Ziel, die Vereinigten Staaten von Europa zu schaffen , und hofft, dass auch Deutschland ein Teil davon sein wird. In allen Fällen ist offensichtlich, warum diese Forderung erhoben wird: Aus den Trümmern des ersten und zweiten Weltkriegs erwuchs die Erkenntnis, dass dauerhafter Frieden in Europa nur möglich sein wird, wenn die Nationalstaaten in einem solchem Maße miteinander verflochten sind und 1 Bundesparteitag der SPD: Rede des Parteivorsitzenden Martin Schulz am 07.12.17, „Phönix“- Videoaufzeichnung (ab Minute 33:30). Online verfügbar unter: https://youtu.be/w28zuD6VwVg 2 „Von der Leyen will Vereinigte Staaten von Europa“, ZEIT online: 27. August 2011. Online verfügbar unter: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2011-08/leyen-politische-union-europa Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/859 2 sich ihre wirtschaftlichen und politischen Ziele so im Einklang befinden, dass ein gewaltsamer Konflikt zwischen ihnen unmöglich ist. Dass sie vereinigt sind in Frieden und Freiheit. Der Begriff der Vereinigten Staaten von Europa ist also stets als Chiffre für Frieden und Versöhnung in Europa zu verstehen. 1. Werden auch von der Landesregierung die Vereinigten Staaten von Europa als wünschenswertes Ergebnis der Weiterentwicklung der Europäischen Union gesehen? Die die Landesregierung tragenden Parteien haben in ihrer Koalitionsvereinbarung das Ziel festgelegt , dass sich „Europa zu einer echten Wirtschafts- und Sozialunion weiterentwickeln“ soll. Dies geschieht im Rahmen der Kompetenzen und Grenzen, die der Vertrag von Lissabon sowie das deutsche Grundgesetz festlegen. Aus Sicht der Landesregierung bieten diese Rechtsgrundlagen noch ausreichend Potenziale, um die gewünschten Reform- und Integrationsschritte umzusetzen, ohne weitere Anpassungen an den Unionsverträgen vornehmen zu müssen. In dem oben beschriebenen Sinne, die Vereinigten Staaten von Europa als Vollendung eines Friedensprojekts zu verstehen, bekennt sich die Landesregierung ausdrücklich zu diesem Ziel. 2. Welche Konsequenzen politischen Handelns im politischen Mehrebenensystem ergeben sich für die Landesregierung und das Landesministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung aus ihrer Sichtweise zur unter 1. aufgeworfenen Frage? Die Landesregierung wird die Reform der Europäischen Union auf allen Ebenen aktiv mitgestalten. 3. Teilt die Landesregierung die Auffassung der AfD-Fraktion im Landtag Niedersachsen, dass ein europäischer Bundestaat unvereinbar mit souveränen Nationalstaaten ist? Die Geschichte der europäischen Integration ist von Beginn an durch die Übertragung nationaler Souveränität auf die europäische Ebene gekennzeichnet. Angefangen bei der Einführung der Montan - und Stahlunion, über das Abkommen von Schengen bis hin zur Einführung des Euro. Stets haben die Regierungen wichtige Rechte, die zu souveränen Nationalstaaten gehören, auf die europäische Ebene übertragen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 30. Juni 2009 zum Vertrag von Lissabon klargestellt, dass in einigen Politikbereichen die Europäische Union zwar „einem Bundestaat entsprechend - staatsanalog - ausgestaltet ist“, diesem aber nicht entspricht. Auf Grundlage des geltenden Vertrags von Lissabon sowie des Grundgesetzes ist eine so weitgehende Integration nicht zulässig. (Verteilt am 11.05.2018) Drucksache 18/859 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Stefan Wirtz (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regio-nale Entwicklung Forderungen nach sogenannten Vereinigten Staaten von Europa