Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/888 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Belit Onay und Helge Limburg (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Bilanz der Abschaffung des Niedersächsischen Spendensammelgesetzes Anfrage der Abgeordneten Belit Onay und Helge Limburg (GRÜNE), eingegangen am 27.03.2018 - Drs. 18/615 an die Staatskanzlei übersandt am 11.04.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 14.05.2018, gezeichnet Boris Pistorius Vorbemerkung der Abgeordneten Mit Wirkung vom 01.01.2007 wurde das Niedersächsische Sammlungsgesetz ersatzlos abgeschafft . Bis dahin unterlagen Sammlungen von Geld- und Sachspenden oder geldwerten Leistungen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung einer staatlichen Erlaubniskontrolle. Spenderinnen und Spender sollten damit vor missbräuchlichen Sammlungsaktivitäten geschützt werden. Die Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in Niedersachsen hatten sich in der damaligen parlamentarischen Anhörung gegen die Abschaffung ausgesprochen, weil u. a. die Integrität von Sammlungen dadurch beeinträchtigt würde. Seit der Abschaffung müssen sich Sammlerinnen und Sammler nicht mehr der Prüfung durch die Ordnungsbehörden unterziehen, was zur Folge hat, dass Spenderinnen und Spender auch auf Sammlerinnen und Sammler reinfallen, die eher in die eigene Tasche sammeln. In den Jahren nach der Abschaffung des Gesetzes gab es wiederholt Medienberichte (Politikmagazin „Panorama“) dazu, dass der Umfang unseriöser Sammlungen deutlich zugenommen habe. Unseriöse Anbieter ziehen demnach leichtgläubigen Menschen das Geld aus der Tasche . Den Schaden haben nicht nur die getäuschten Menschen, sondern auch seriöse Organisationen . Andere Bundesländer haben das Sammlungsgesetz behalten und können weiter Sammlungen verbieten, die keine Gewähr für die ordnungsgemäße Durchführung und die zweckmäßige Verwendung des Sammlungsertrages geben können. Gleichzeitig hat die Landesregierung eine Änderung des Niedersächsischen Straßengesetzes auf den Weg gebracht, um Verteilaktionen und weitere Aktivitäten insbesondere neo-salafistischer Gruppen in den Kommunen rechtssicher unterbinden zu können. Vorbemerkung der Landesregierung In der Antwort der Landesregierung vom 11.08.2008 (Drs. 16/379) auf die Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung des Abgeordneten Ralf Briese (GRÜNE) - Az.: II/72-54 - ist in den Vorbemerkungen der Landesregierung seinerzeit dargestellt worden, dass die Aufhebung des Niedersächsischen Sammlungsgesetzes zum 01.01.2007 im Frühjahr 2008 mit dem Ergebnis evaluiert wurde, dass keine nennenswerten durch die Aufhebung bedingten Auswirkungen auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung bekannt wurden. Diese Aussage hat weiterhin Bestand. Vor diesem Hintergrund verweist die Landesregierung zunächst auf ihre o. a. Antwort und ergänzt, dass seitdem auch Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Hessen und Baden-Württemberg ihre Sammlungsgesetze aufgehoben haben. Nur noch in Thüringen, dem Saarland und Rheinland-Pfalz gibt es entsprechende Vorschriften. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/888 2 1. Welche Erkenntnisse über Missbrauchsfälle, bezogen auf unseriöse Sammler, liegen der Landesregierung nach der Abschaffung des Niedersächsischen Sammlungsgesetzes vor? Der Landesregierung liegen keine derartigen Erkenntnisse vor. Die Polizeiliche Kriminalstatistik enthält keine Erkenntnisse über Sachverhalte bezogen auf unseriöse Sammler. In der Vergangenheit wurden in Einzelfällen entsprechende Sachverhalte in Niedersachsen polizeilich bekannt. Diese Erkenntnisse sind für eine Lageeinschätzung jedoch unzureichend. 2. Gibt es überhaupt Erkenntnisse, ob durch die Abschaffung des Sammlungsgesetzes das Sammeln von Spenden durch unseriöse Organisationen zugenommen hat, oder existiert hier quasi ein Dunkelfeld? Solche Erkenntnisse liegen der Landesregierung nicht vor. Anhaltspunkte dafür, dass es ein Dunkelfeld nicht seriöser Organisatoren geben könnte, liegen ebenfalls nicht vor. Vielmehr ist damit zu rechnen, dass solche Fälle Polizei und Ordnungsbehörden zur Kenntnis gelangen würden (siehe hierzu Antwort zu Frage 6). 3. Wie bewertet die Landesregierung unter Verbraucherschutzgesichtspunkten die Tatsache , dass die Spendensammlung für kranke Kinder mit starker emotionaler Akzentuierung durch unbekannte Organisationen zugenommen hat? Der Landesregierung liegen keine Informationen vor, ob diese Form der Spendensammlung signifikant zugenommen hat. Verbraucherorganisationen wie die Verbraucherzentralen weisen darauf hin, dass insbesondere bei stark emotionalisierter Werbung um Spenden besondere Vorsicht geboten ist. Um Zweifel an der Glaubwürdigkeit auszuräumen, wird empfohlen, den Geschäftsbericht der jeweiligen Organisation einzusehen. Seriöse Spendensammler senden ihn auf Anfrage zu. Auch andere Quellen, wie das Internet, können herangezogen werden. Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit kann ebenso ein Indiz für die Seriosität eines Spendensammelvereins sein wie etwa das Spendensiegel des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI). 4. Haben sich Organisationen, Initiativen, Vereine oder Kommunen über die Abschaffung des Sammlungsgesetzes beschwert und fordern Initiativen die Wiedereinführung? Wenn ja, welche? Beschwerden über die Abschaffung des Sammlungsgesetzes oder Initiativen zu seiner Wiedereinführung sind der Landesregierung nicht bekannt. 5. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung, ob nach Abschaffung des Gesetzes vermehrt Sammlungen für salafistische oder andere verfassungsfeindliche Ziele eingesetzt werden, und wie will sie gegebenenfalls dagegen vorgehen? Dem niedersächsischen Verfassungsschutz liegen keine Erkenntnisse vor, dass infolge der Abschaffung des Sammlungsgesetzes - vermehrt - Sammlungen für salafistische oder andere verfassungsfeindliche Ziele aus dem Bereich Islamismus/Extremismus mit Auslandsbezug durchgeführt wurden. Dies gilt auch für die Bereiche Links- und Rechtsextremismus. In den letzten Jahren sind auch polizeilich keinerlei Spendensammlungen für salafistische Zwecke in Niedersachsen registriert worden. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/888 3 6. Haben die Kommunen nach gegenwärtiger Rechtslage eine Handhabe, um Spendensammelaktionen im öffentlichen Raum zugunsten nicht verbotener verfassungsfeindlicher Organisationen oder Ideologien zu unterbinden? Wenn ja, welche? Die Durchführung von Sammlungen ist jedermann ohne Anmeldung und Genehmigung gestattet. Wie in den Vorbemerkungen dargestellt, war die Aufhebung des niedersächsischen Sammlungsgesetzes nicht mit nennenswerten Auswirkungen auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung verbunden . Unredlichen Sammelpraktiken kann mit den Mitteln des Ordnungsrechts und des Strafrechts wirksam begegnet werden. Fälle unlauteren Spendensammelns können als Betrug bzw. Unterschlagung geahndet werden. Ordnungsbehörden und Polizeibehörden sind gehalten, konkreten Beschwerden der Bürgerinnen und Bürger nachzugehen und gegebenenfalls ein Sammlungsverbot auszusprechen. Daneben könnte gegen unlautere Spendensammelvereine ein Vereinsverbot in Betracht kommen, wenn ihre Zwecke oder Tätigkeiten den Strafgesetzen zuwiderlaufen. 7. Hält es die Landesregierung für sinnvoll, für Sammlungen eine Modifizierung des Sammlungsgesetzes wieder einzuführen, die ein Anzeigeverfahren mit Berichtspflicht und Sammlungsausweis vorsieht? Der Landesregierung sind keine Gründe für eine Wiedereinführung des Sammlungsgesetzes ersichtlich . (Verteilt am 16.05.2018) Drucksache 18/888 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Belit Onay und Helge Limburg (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport Bilanz der Abschaffung des Niedersächsischen Spendensammelgesetzes