Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/935 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Jörg Hillmer (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung Bestandsregulierung Wolf Anfrage des Abgeordneten Jörg Hillmer (CDU), eingegangen am 13.04.2018 - Drs. 18/693 an die Staatskanzlei übersandt am 18.04.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 18.05.2018, gezeichnet Olaf Lies Vorbemerkung des Abgeordneten Laut der Fachzeitschrift top agrar online gaben schwedische Behörden in diesem Jahr 22 Wölfe zum Abschuss frei (https://www.topagrar.com/news/Home-top-News-Schwedische-Behoerden-ge ben-22-Woelfe-zum-Abschuss-frei-8963927.html). Im letzten Winter waren es 25 Wölfe. Die schwedische Regierung schätzt den Bestand auf 340 Wölfe. Die schwedische Population lebt isoliert von finnischen und russischen Wolfspopulationen. Auch die französische Regierung verfolgt ähnliche Maßnahmen und lässt nach Aussagen des niedersächsischen Umweltministeriums im Südosten Frankreichs ca. 40 Wölfe entnehmen und dies bei einer Populationsgröße von ca. 250 ausgewachsenen Tieren. Schweden hat 10 Millionen Einwohner bei einer Landesfläche von 447 435 km². Die Bevölkerungsdichte liegt entsprechend bei 22 Menschen pro km². Gleichzeitig leben in Schweden 0,8 Wölfe auf 1 000 km². Dagegen leben in Frankreich 103 Menschen pro km² und 0,4 Wölfe auf 1 000 km². 1. Wie werden Wölfe in den Mitgliedsländern Schweden, Finnland, Polen, Estland, Lettland , Litauen, Slowakei, Bulgarien, Rumänien, Spanien und Frankreich bejagt, und auf welcher europarechtlichen bzw. europarechtskonformen Rechtsgrundlage werden die Wölfe in den zuvor genannten Ländern der Natur entnommen? Nach der FFH-RL ist der Wolf eine streng zu schützende Art von gemeinschaftlichem Interesse. Für streng geschützte Arten sind Maßnahmen zu ergreifen, um den günstigen Erhaltungszustand zu erhalten oder wiederherzustellen. Bei den Beratungen der Richtlinie unter den damaligen Mitgliedstaaten bzw. im Zuge der Aufnahme neuer Mitgliedstaaten in die Union durch Beitrittsakte wurden für einzelne Wolfsbestände unterschiedliche Schutzniveaus festgelegt. Arten im Anhang IV sind streng geschützt. Neben dem direkten Tötungsverbot dürfen auch ihre „Lebensstätten“ nicht beschädigt oder zerstört werden. Im Anhang V werden Arten von gemeinschaftlichem Interesse aufgeführt, deren Entnahme aus der Natur Gegenstand von Verwaltungsmaßnahmen sein kann. Auf der Basis einer Anfrage beim Bundesamt für Naturschutz (BfN) vom 24.04.2018 und entsprechender Mitteilung des BfN vom 03.05.2018 sowie auf Grundlage weiterer öffentlich zugänglicher Informationen u. a. beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit ist folgende rechtliche Situation in den Mitgliedsländern zu unterstellen: Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/935 2 Schweden: Der Wolf wird in Anhang IV geführt. Der Bestand wird geschätzt. Zur Abwendung von Schäden u. a. an Nutztieren werden sogenannte Schutzjagden durchgeführt. Darüber hinaus gibt es eine quotenbasierte Lizenzjagd. Die EU-Kommission hegt Zweifel an der Vereinbarkeit mit den europäischen Vorgaben hinsichtlich des Vorgehens Schwedens mit der Quotenjagd (Lizenzjagd). Vor diesem Hintergrund hat die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Finnland: In Finnland sind die Populationen innerhalb des Rentierareals im Sinne von § 2 des finnischen Gesetzes vom 14.09.1990 über die Rentierhaltung in Anhang V der FFH-RL gelistet, ansonsten in Anhang IV. Seit 2014 wird eine Quotenjagd auch in Gebieten, in denen der Wolf in Anhang IV gelistet ist, durchgeführt. Die EU-Kommission beobachtet die Entwicklung in Finnland genau, insbesondere weil der Wolfsbestand sinkt. Bislang ist jedoch noch kein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet worden. Polen: Der Wolf ist in Polen im Anhang V der FFH-Richtlinie gelistet, gleichzeitig aber durch polnisches Naturschutzrecht streng geschützt. Die Entnahme ist im Einzelfall z. B. bei Gefährdung des Menschen möglich. Seit 2013 wurde kein Wolf - außer Wolfshybriden - offiziell entnommen. Estland, Lettland, Litauen: In Estland, Lettland, Litauen, wird der Wolf im Anhang V und als jagdbare Art geführt. In Estland und Lettland werden jährliche Quoten anhand von Populationsgrößenschätzungen festgelegt. In Litauen ist die Jagd offiziell auf „problematische“ Individuen begrenzt. Slowakei: In der Slowakei ist der Wolf dem Anhang V zugeordnet und unterliegt dem Jagdrecht. Zwischen Polen und der Slowakei wurde ein 23 km breiter Korridor eingerichtet, in dem die Wolfsjagd nicht gestattet ist. Spanien: In Spanien lebt die größte Wolfs-Population nördlich des Duero. Der Wolf ist in Spanien nördlich des Duero-Flusses dem Anhang V zugeordnet, ansonsten wird er in Anhang IV gelistet. Frankreich: In Frankreich erfolgen eine Populationsgrößenabschätzung sowie eine Abschätzung der Wachstumsrate . Der Erhaltungszustand wird als günstig angesehen. Auf dieser Basis werden Quotenberechnungen und die Freigabe von Abschüssen in „Hot Spots“ durchgeführt. Dieses Vorgehen wird von der EU-Kommission intensiv beobachtet. Bislang ist noch kein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet worden. Darüber hinaus sind im Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz , in der Staatskanzlei und den anderen Geschäftsbereichen der Landesregierung sowie der zuständigen Fachbehörde keine weiteren gesicherten Informationen präsent. Auch eine Abfrage unter den unteren Naturschutzbehörden war hier als nicht zielführend zu werten. Des Weiteren wäre eine direkte Informationsbeschaffung aus den benannten Mitgliedstaaten mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden und war im zur Verfügung stehenden Zeitrahmen nicht zu realisieren. 2. Lässt sich die Wolfszuwanderung aus der polnischen, der baltischen und der karpatischen Region anhand von genetischen Untersuchungen eindeutig belegen? In einer Studie aus Polen (Czarnomska et al. 2013) wurde belegt, dass die deutschen Wölfe stark den Wölfen Nordost-Polens ähneln. Auch die Ergebnisse des Senckenberg Instituts zeigen die höchste Ähnlichkeit der deutschen und westpolnischen Wölfe mit den Referenzproben aus der baltischen Wolfspopulation. Im Süden und Südwesten Deutschlands werden gelegentlich Wölfe nach- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/935 3 gewiesen, die aus dem Alpenraum stammen. Einwanderer aus weiteren umliegenden Wolfspopulationen konnten in Deutschland über DNA-Analysen bislang nicht nachgewiesen werden. 3. Wie bewertet die Landesregierung die in der Studie „Guidelines for population level management plans for large carnivores in Europe. A Large Carnivor Initative for Europe , report prepared for the European Commission“ von Linnell et al. (2008) vertretene These, es bestehe bereits eine eurasische Metapopulation des Wolfes? Bei einer Metapopulation handelt es sich um mehrere (Sub-)Populationen einer Art, zwischen denen ein mehr oder weniger stark ausgeprägter Genfluss stattfindet. Die Populationsdynamik verläuft nach diesem Konzept auf zwei Ebenen, innerhalb der einzelnen (Sub-)Populationen und zwischen den einzelnen (Sub-)Populationen. Dieses Konzept passt insofern auf den eurasischen, insbesondere den europäischen Wolfsbestand, der ehemals annähernd flächendeckend war, durch intensive menschliche Verfolgung ab dem 15. Jahrhundert jedoch auf teilweise voneinander isolierte Restpopulationen reduziert wurde. 4. Wie bewertet die Landesregierung in diesem Zusammenhang die Wolfspopulation in Deutschland und in Niedersachsen? Bei den Wolfsvorkommen in Deutschland und Niedersachsen handelt es sich um keine eigenständigen Populationen. Die Vorkommen können der mitteleuropäischen Flachlandpopulation zugeordnet werden. 5. Wie hoch schätzt die Landesregierung den niedersächsischen Wolfsbestand aktuell ein (Gesamtzahl, nicht nur adulte Tiere)? Nach aktuellem Stand gibt es in Niedersachsen 14 Rudel, vier Wolfspaare und einen residenten Einzelwolf. Die Rudelgröße liegt überwiegend zwischen drei und elf, im Durchschnitt acht Individuen (Reinhardt & Kluth, 2007). Daraus ergibt sich in Niedersachsen aktuell eine geschätzte Anzahl von ca. 160 Tieren. Die Rudelgröße schwankt im Jahresverlauf durch die Geburt von Welpen, durch die Abwanderung älterer Jungwölfe und aufgrund von Todesfällen, die auch dem Wolfsmanagement unter Umständen nur zum Teil bekannt werden. 6. Wie viel Prozent beträgt der jährliche Zuwachs der Wolfspopulation in Deutschland und in Niedersachsen? In der folgenden Tabelle ist der jährliche Zuwachs der Wolfspopulation anhand der Wolfsterritorien Deutschlands seit dem Monitoringjahr 2000/2001 in Prozent dargestellt: Jahr Anzahl Territorien Zuwachs Prozent Zuwachs 2000/2001 1 2001/2002 1 0 0,00 2002/2003 2 1 100,00 2003/2004 2 0 0,00 2004/2005 3 1 50,00 2005/2006 3 0 0,00 2006/2007 4 1 33,33 2007/2008 8 4 100,00 2008/2009 12 4 50,00 2009/2010 13 1 8,33 2010/2011 20 7 53,85 2011/2012 24 4 20,00 2012/2013 33 9 37,50 2013/2014 39 6 18,18 2014/2015 57 18 46,15 2015/2016 72 15 26,32 Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/935 4 Jahr Anzahl Territorien Zuwachs Prozent Zuwachs 2016/2017 78 6 8,33 In der folgenden Tabelle ist der jährliche Zuwachs der Wolfspopulation bzw. der Wolfsterritorien in Niedersachsen seit dem ersten festgestellten territorialen Vorkommen, und zwar dem Monitoringjahr 2011/2012, in Prozent dargestellt: Jahr Anzahl Territorien Zuwachs Prozent Zuwachs 2011/2012 1 2012/2013 4 3 300 2013/2014 6 2 50 2014/2015 10 4 66,66666667 2015/2016 11 1 10 2016/2017 17 6 54,54545455 7. Wie hoch ist der aktuelle Wolfsbestand pro 1 000 km² in Niedersachsen? Bei dem in der Antwort auf die Frage 5 genannten Minimalwert ergibt sich eine Wolfsdichte von 1,07 Wölfen pro 1 000 km2. Bei dem in der Antwort auf die Frage 5 genannten Maximalwert ergibt sich eine Wolfsdichte von 3,42 Wölfen pro 1 000 km2. 8. Wie hoch ist die aktuelle Bevölkerungsdichte in Einwohner pro km² in Niedersachsen? Die aktuelle Bevölkerungsdichte in Niedersachsen beträgt 167,23 Einwohner pro km2 bzw. 167 230,46 Einwohner pro 1 000 km2. 9. Wie viele Wölfe hält die Landesregierung in Niedersachsen für vertretbar? Eine zahlenmäßige Festlegung oder eine definierte Obergrenze der Wolfspopulation gibt es in Niedersachsen aktuell nicht. Auch zur Ermittlung des günstigen Erhaltungszustands ist eine ausschließliche Betrachtung der Bestandszahlen nicht ausreichend bzw. nicht zielführend. Zur Bewertung des Erhaltungszustands fordert die FFH-Richtlinie neben den Bestandszahlen vor allem noch eine Betrachtung der Verbreitung, des Habitats und der Zukunftsaussichten der Population. Vor diesem Hintergrund kann eine allgemeingültige Bestandszahl, bei der auch der günstige Erhaltungszustand erreicht würde, nicht ermittelt oder festgelegt werden. Letztlich ist der Umstand, ob ein günstiger Erhaltungszustand erreicht ist, zusammen mit dem dafür zuständigen Bund festzustellen . 10. Welche Maßnahmen wird die Landesregierung ergreifen, um den Wolfsbestand zu begrenzen ? Zurzeit ist keine Begrenzung des Bestands vorgesehen. Eine Begrenzung ist aktuell rechtlich unzulässig . Das erklärte Ziel der Landesregierung ist, im Rahmen der Möglichkeiten des europäischen und des bundesdeutschen Rechtsregimes ein effektives Wolfsmanagement weiterzuentwickeln. Angestrebt wird dabei insbesondere, die Belange der Nutztierhalterinnen und Nutztierhalter, aber auch der Bevölkerung insgesamt stärker als bisher zu berücksichtigen. 11. Sind der Landesregierung Wolfshybride in der niedersächsischen Wolfspopulation bekannt ? Nein. In Niedersachsen wird seit Wiederkehr der Wölfe ein umfangreiches genetisches Monitoring durchgeführt, dabei wurde bis dato kein Wolfshybrid festgestellt. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/935 5 12. Auf welcher Rechtsgrundlage lässt sich ein Wolfshybrid der Natur entnehmen? Das Bundesnaturschutzgesetzt lässt in § 45 Ausnahmen vom strengen Schutz des Wolfs zu, auf deren Grundlage eine Entnahme von Wolfshybriden möglich ist. 13. Hat die Landesregierung in der Vergangenheit Gespräche zum Wolfsmanagement mit der Europäischen Kommission in Brüssel geführt? Ja, Umweltminister Lies hat am 07.03.2018 mit dem Direktor der Generaldirektion Umwelt der EU-Kommission, Rosa Delgado, das Thema Wolf erörtert. 14. Welche Ergebnisse wurden in den entsprechenden Gesprächen erzielt? Die EU-Kommission hat die Initiative für ein einheitliches Monitoring der Wolfspopulation zwischen Polen und Deutschland ausdrücklich begrüßt und dafür ihre Unterstützung zugesagt. Es ist zudem durch die Kommission klargestellt worden, dass es den Nationalstaaten, also dem Bund, obliege, den Erhaltungszustand in selbst definierten Zeiträumen zu bestimmen. Um der dynamischen Populationsentwicklung gerecht zu werden, ist es demnach möglich, den Erhaltungszustand nicht nur alle sechs Jahre, sondern jährlich zu bestimmen. Der Direktor der Generaldirektion Umwelt, Delgado, hat zudem Minister Lies seine Unterstützung für die Initiative, die Förderquote für die Herdenschutzmaßnahmen auf 100 % auszuweiten, zugesagt . Siehe auch: https://www.umwelt.niedersachsen.de/aktuelles/pressemitteilungen/umweltministerlies -spricht-mit-eu-kommission-zum-thema-wolf--162572.html. 15. Wie bewertet die Europäische Kommission die Ausweisung und Schaffung wolfsfreier Zonen in Niedersachsen? Eine abschließende rechtliche Bewertung der Kommission zur Schaffung wolfsfreier Zonen in Niedersachsen hat im Rahmen des Besuchs vom 07.03.2018 nicht stattgefunden. Es sind weitere Gespräche mit der Kommission geplant. (Verteilt am 23.05.2018) Drucksache 18/935 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Jörg Hillmer (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz Bestandsregulierung Wolf