Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/953 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Miriam Staudte und Imke Byl (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung Waldkalkung - Werden Industrieabfälle beigemischt? Anfrage der Abgeordneten Miriam Staudte und Imke Byl (GRÜNE), eingegangen am 16.03.2018 - Drs. 18/519 an die Staatskanzlei übersandt am 20.03.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung vom 23.05.2018, gezeichnet Barbara Otte-Kinast Vorbemerkung der Abgeordneten Um saurem Waldboden entgegenzuwirken, wird kohlensaurer Magnesiumkalk mit Zusatz von Phosphat in Wäldern ausgebracht. So berichtet die Lüneburger Landeszeitung am 12.09.2017, dass im Revier Garlstorfer Wald 1 350 ha gekalkt wurden. Per Helikopter wurden demnach 4 480 t Kalk verteilt. Kohlensaurer Magnesiumkalk mit 3 % Phosphat gilt als Handelsdünger. Laut einem Prüfbericht des Hessischen Landeslabors über das im Revier Garlstorfer Wald eingesetzte Kalkprodukt finden sich darin auch Rückstände von Schwermetallen, darunter Arsen, Blei, Chrom, Cadmium und Quecksilber . Dies lässt darauf schließen, dass es sich bei dem Kalkanteil nicht um reinen Naturkalk handelt. Auch im Jahr 2018 sind Waldkalkungen geplant. So informiert die Landwirtschaftskammer beispielsweise auf ihrer Homepage: „Das LWK-Forstamt Uelzen plant, auf den privaten Waldflächen in den Landkreisen Uelzen, Lüneburg und Lüchow-Dannenberg im Sommer/Herbst 2018 eine Bodenschutzkalkung auf ca. 600 ha durchzuführen. Der Allgemeine Hannoversche Klosterfonds beabsichtigt , in der Revierförsterei Luhetal im Landkreis Heidekreis im Sommer/Herbst 2018 eine Bodenschutzkalkung auf ca. 2 000 ha durchzuführen.“ Vorbemerkung der Landesregierung Im Waldzustandsbericht informiert die Landesregierung regelmäßig (zuletzt 2017) über den Zustand des Waldes in Niedersachsen. Aufbauend auf den langjährig erhobenen Messwerten im Rahmen des forstlichen Umweltmonitorings der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA) zeigen die Ergebnisse, dass zwar die Einträge von Schwefel, Nitrat und Ammonium zurückgegangen sind, dass die niedersächsischen Wälder aber immer noch vielen Einträgen ausgesetzt sind. Der Bodenversauerung wird durch Kalkungsmaßnahmen entgegengewirkt und damit eine Stabilisierung der bodenchemischen Verhältnisse erreicht. Die Kalkung hebt die Basensättigung und wirkt weiteren Nährstoffverlusten entgegen. Deshalb werden bedarfsgerechte Waldkalkungen auch weiterhin empfohlen. Die Einschätzung dieser Kalkungsbedürftigkeit erfolgt in der Regel auf Basis der örtlichen Standortbedingungen. So wird z. B. nicht bei jeder Waldkalkung dem Kalk auch Phosphor zugegeben, sondern nur nach sorgfältiger Abwägung und nach Maßgabe des Merkblatts der NW-FVA zu Bodenschutzkalkungen. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/953 2 1. Wo haben in den letzten zwölf Monaten Waldkalkungen in Niedersachsen stattgefunden (bitte Landkreis, Revier, Fläche und Menge des ausgebrachten Kalks aufführen)? Region Hannover, Forstbetriebsgemeinschaft (FBG) Mittelweser, 102 ha; Landkreis Goslar, Stadt Goslar, 441 ha, Landkreis Harburg, Garlstorfer Wald, 917 ha, Landkreis Heidekreis, FBG Soltau, 718 ha, Landkreis Lüchow-Dannenberg, Forstwirtschaftliche Vereinigung (FWV) Lüneburg, 142 ha Landkreis Lüneburg, Garlstorfer Wald, 417 ha, FBG Salzhausen, 822 ha, FWV Lüneburg, 785 ha Landkreis Nienburg, FBG Mittelweser, 596 ha, Genossenschaftsforst Steimke, 88 ha, Landkreis Osterode a. H., Forstgenossenschaft zu Herzberg a. H., 146 ha, Landkreis Uelzen, FWV Lüneburg, 754 ha. Da die ausgebrachten Kalke unterschiedliche Anteile von basisch wirksamen Bestandteilen enthalten , werden sie als CaCO3-Äquivalente bewertet. Gemäß Empfehlung der NW-FVA wurden auf allen Flächen 3 t CaCO3-Äquivalente pro ha ausgebracht. 2. Wo sind weitere Waldkalkungen in diesem Jahr geplant? In den Landkreisen Gifhorn, Heidekreis, Lüchow-Dannenberg, Lüneburg und Uelzen. 3. In welchem Rhythmus werden Waldkalkungen in Niedersachsen vorgenommen? Es gibt keinen festen Rhythmus für Waldkalkungen. Je nach Standortverhältnissen, aufstockendem Bestand und Region wird eine erneute Kalkung nach Ablauf von zehn bis 20 Jahren empfohlen. Nähere Angaben enthält das Kalkungsmerkblatt der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (https://www.nw-fva.de/fileadmin/user_upload/Verwaltung/Publikationen/Merkblaetter/Merkblatt _Bodenschutzkalkungen_und_Anlagen_11_2010.pdf). 4. Von welchen Herstellern stammen die Kalkprodukte, die in Niedersachsen eingesetzt werden? Harzer Dolomitwerke, Herzberg; Kalkwerk Rump & Salzmann, Osterode; Köhler Kalk GmbH, Meißner . 5. Woher stammt der Naturkalk, der darin enthalten ist? Siehe Antwort zu Frage 4. 6. Welche Stoffe werden dem Naturkalk zugesetzt? Im Regelfall werden dem Naturkalk keine Stoffe zugesetzt. Gemäß Kalkungsmerkblatt werden in bestimmten Regionen Niedersachsens, die durch sehr geringe Gesamtphosphorvorräte im Waldboden gekennzeichnet sind, einmalige Phosphorzugaben bei Wiederholungskalkungen empfohlen. Die Maßnahme dient dazu, akute Phosphormangelzustände zu kompensieren und durch Boden- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/953 3 versauerung herabgesetzte biologische Aktivität im Boden anzuregen und damit die Wälder gegenüber Störungen zu stabilisieren. 7. Woher stammt das Phosphat, das darin enthalten ist? Bei der Waldkalkung im Garlstorfer Wald war kein Phosphat enthalten. Wie in der Vorbemerkung der Landesregierung bereits ausgeführt, wird bei einer Waldkalkung dem Kalk nicht regelmäßig Phosphat beigegeben. Wenn die NW-FVA dies empfiehlt, erfolgt die Zugabe von Phosphat als handelsübliches Düngemittel in Form von weicherdigem Rohphosphat und Dicalciumphosphat . Das Material wird aus Rohphosphaten wie Apatit (harterdig) oder marinen Sedimenten (weicherdig) hergestellt. 8. Woher stammen die Schwermetall-Rückstände im Kalk-Produkt? Die Schwermetallgehalte im Kalkgestein sind natürlichen Ursprungs. Sie sind keine Rückstände industrieller Produktion, sondern Bestandteile des Naturkalks. 9. Welche Schadstoff-Grenzwerte gelten für Kalk, der für die Kalkung von Waldboden eingesetzt wird? Es gelten die Grenzwerte nach der deutschen Verordnung über das Inverkehrbringen von Düngemitteln , Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln (Düngemittelverordnung, DüMV). 10. Wie wird die Einhaltung der Grenzwerte kontrolliert? Im Ausschreibungsverfahren müssen die Anbieter Qualitätsnachweise gemäß DüMV (Herkunftszeugnis ) vorlegen. Während der Anlieferung durch laufende Probenahmen und Analyse in einem anerkannten Labor gemäß „Düngemittel-Probenahme- und Analyseverordnung in der Neufassung vom 27.07.2006“ (BGBl. I S. 1822). 11. Ist es zulässig, Kalkprodukten, die für die Kalkung von Waldboden eingesetzt werden, industrielle Abfälle beizumischen, und, wenn ja, zu welchem Anteil? Nein. 12. Wird bei Waldkalkungen in Niedersachsen Kalk eingesetzt, dem Rückstände aus der Industrie beigemischt werden und, wenn ja, woher stammen diese? Nein. 13. Werden die Waldbesitzer von der Landwirtschaftskammer über die Zusammensetzung des Kalkprodukts und dessen Herkunft informiert? Ja, bei Antragstellung und bei Abrechnung der Waldkalkung im Rahmen der Förderung. 14. Welche Kosten haben Waldkalkungen im vergangenen Jahr verursacht, und wie hoch war die Förderung aus EU- bzw. Landesmitteln? Kosten: 2 858 385 Euro; Förderung (GAK): 2 595 073 Euro (Bundesmittel: 1 557 044 Euro; Landesmittel : 1 038 029 Euro, keine EU-Mittel). Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/953 4 15. Finden Waldkalkungen in Niedersachsen während der Brut- und Setzzeit statt? Nein. 16. Werden Naturschutzflächen von den Kalkungen ausgenommen, und, wenn ja, welche Pufferabstände müssen eingehalten werden? Naturschutzflächen werden in Abhängigkeit von der Schutzgebietsverordnung grundsätzlich von Waldkalkungen ausgenommen. In Abhängigkeit von Schutzstatus und Standort gelten Abstände zwischen 50 und 150 m (siehe Kalkungsmerkblatt der NW-FVA, 2010). 17. Vor dem Hintergrund, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Kalkprodukte auch auf angrenzenden Acker- oder Grünlandflächen niedergehen: Können Feldfrüchte , Mahd, Stroh und Heu ohne Einschränkungen genutzt werden, wenn Kalk mit Schwermetallrückständen dort niedergeht? Die Kalke enthalten keine Schwermetallrückstände. Die Kalke unterliegen mit ihren natürlichen Schwermetallbestandteilen den Vorgaben der deutschen Düngemittelverordnung, dies wird regelmäßig überprüft. Kalke, die die Grenzwerte überschreiten, kommen nicht zur Anwendung. Im Übrigen werden dieselben Kalke in der landwirtschaftlichen Produktion von Futter- und Nahrungsmitteln verwendet. Von daher ist eine Nutzung ohne Einschränkung möglich. 18. Inwiefern werden die Waldkalkungen evaluiert? Eine Untersuchung der Auswirkungen von Bodenschutzkalkungen auf Waldböden erfolgt auf der Grundlage langjähriger Kalkungsversuchsflächen der NW-FVA. Darüber hinaus liefert ein Vergleich von gekalkten und von ungekalkten Flächen der ersten (1991) und der zweiten Bodenzustandserhebung (2007 bis 2009) im Wald wesentliche Erkenntnisse: Deutlich zeigt sich, dass säureempfindliche Standorte ohne eine Waldkalkung weiterversauern, gekalkte Standorte dagegen Stabilität der Bodenbedingungen zurückerlangen (siehe auch Frage 19). Die Ergebnisse der systematischen Stichprobe der Bodenzustandserhebungen werden durch Befunde langfristig untersuchter Intensiv-Monitoringflächen, wie z. B. im Solling, bestätigt. Im Solling erfolgten die ersten Messungen bereits Ende der 1960er-Jahre. 19. Wie hat sich die Säurebelastung der Böden in Niedersachsen entwickelt, und welche Ursachen dafür sieht die Landesregierung? Die seit Ende der 1970er-Jahre ergriffenen Maßnahmen zur Luftreinhaltung verringerten vor allem die Emissionen von Schwefeldioxid und die damit begründete Säurebelastung der Wälder erheblich . Beispielsweise verringerte sich der Schwefeleintrag unter Buche und Fichte im Solling im Vergleich zu den 1970er-Jahren bis heute um über 90 %. Auch der Gesamtsäureeintrag wurde wesentlich reduziert: Unter Buche um 70 % und unter Fichte um 75 %. Allerdings wirken sich Säurebelastungen durch Stickstoffverbindungen hemmend auf die Abnahme der Säurebelastungen aus. 80 % des Gesamtsäureeintrags wird heute durch anorganische Stickstoffeinträge verursacht. Zwar ist auch für Stickstoffverbindungen eine Abnahme der Einträge festzustellen. Dennoch verbleiben die Stickstoffeinträge auf einem hohen Niveau und sind mit 13 bis 28 kg/ha und Jahr höher als der Bedarf der meisten Waldbestände. Ebenfalls hindernd wirken sich aus früheren Belastungszeiten verbliebene Schwefelverbindungen in den Böden aus, die heute in Lösung gehen, Basen aus dem Boden transportieren und zu einer Versauerung des Bodens beitragen. Die Wiederholungsinventur der BZE II konnte im Vergleich zur BZE I weiterhin zeigen, dass sich bei den gekalkten Standorten innerhalb des Kollektivs der kalkungsbedürftigen Waldböden die Basensättigung im Oberboden bis 30 cm Bodentiefe signifikant erhöht hat. Im gekalkten Kollektiv lie- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/953 5 gen die durchschnittlichen Werte der Basensättigung nunmehr oberhalb von 20 % Basensättigung und sind damit nicht mehr in dem besonders kritischen Bereich. Weiterhin hat sich im Unterboden (30 bis 90 cm Bodentiefe) die durchschnittliche Basensättigung nicht signifikant verringert. Damit sind die Ziele der Waldkalkung für diese Standorte zunächst erreicht: Die bodenchemische Verbesserung des Wurzelraumes, Pufferung aktueller Säureeinträge und die Verhinderung einer weiteren Versauerung bzw. weiterer Basenverluste im Unterboden. 20. Wird untersucht, ob sich durch die langjährige, wiederholte Kalkung persistente Schadstoffe in den Waldböden anreichern, und, wenn ja, mit welchen Ergebnissen? Da die Kalke Naturprodukte sind, enthalten sie keine anthropogenen, persistenten organischen Schadstoffe. 21. Vor dem Hintergrund, dass die Zugaben von Kalk eine erhöhte Aktivität der Bodenorganismen bewirkt: Wird hierdurch der Humusgehalt des Waldbodens abgebaut? Nein, der Humusgehalt wird durch die Waldkalkung sogar erhöht. Dies ergab die zweite Bodenzustandserhebung im Wald im Vergleich zur Ersterhebung. Es erfolgt zwar ein Abbau der organischen Substanz im Auflagehumus, der aber bei weitem durch eine Erhöhung der Humusvorräte im Mineralboden bis 30 cm kompensiert wird, jeweils im Vergleich zu ungekalkten Standorten. Organische Substanz im Mineralboden ist besonders stabil und deshalb für die Fragestellung des Klimaschutzes und der Kohlenstofffestlegung wertvoll. 22. Werden die Auswirkungen auf die Umwelt, u. a. Eintrag von Schadstoffen und Auswirkung auf Amphibien, evaluiert, und, wenn ja, mit welchen Ergebnissen? In der Beantwortung mehrerer Fragen wurden Auswirkungen der Bodenschutzkalkung auf die Umwelt erörtert. Flächen mit besonderer Bedeutung als Lebensraum werden von den Maßnahmen ausgeschlossen. Auch im Verfahrensablauf wird etwa durch die Wahl des Ausbringungszeitraums Rücksicht genommen. Zu konkreten Auswirkungen von Naturkalken auf Amphibien sind uns keine verallgemeinerbaren Untersuchungen bekannt. (Verteilt am 25.05.2018) Drucksache 18/953 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Miriam Staudte und Imke Byl (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Waldkalkung - Werden Industrieabfälle beigemischt?