LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/10038 23.10.2015 Datum des Originals: 22.10.2015/Ausgegeben: 28.10.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3889vom 18. September 2015 des Abgeordneten Dietmar Brockes FDP Drucksache 16/9774 Verpflichtung zu bürokratischen Energieaudits für tausende NRW-Unternehmen bis Dezember 2015 durch das Energiedienstleistungsgesetz trotz fehlender Auditoren – Was unternimmt die Landesregierung? Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 3889 mit Schreiben vom 22. Oktober 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die im Dezember 2012 in Kraft getretene EU-Energieeffizienzrichtlinie (EED) sieht als eine Kernbestimmung die verpflichtende Durchführung regelmäßiger Energieaudits in Unternehmen vor, die kein kleines und mittleres Unternehmen (KMU) sind. Zur Umsetzung der EU-Energieeffizienz-Richtlinie wurde das Energiedienstleistungsgesetz (EDL-G) entsprechend geändert. Nachdem die Bundesregierung erst am 5. November 2014 den Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag eingebracht hat, ist das Gesetz am 22.04.2015 in Kraft getreten. Die aufwändigen und kostenintensiven Energieaudits sind allerdings bereits bis zum 5. Dezember 2015 und danach mindestens alle vier Jahre durchzuführen. Bei Nichtdurchführung droht ein Bußgeld bis zu 50.000 Euro. Aufgrund der von der Großen Koalition verschleppten Umsetzung der EED im EDL-G gibt es einen Beraterengpass, so dass vielen Unternehmen im Einzelfall die fristgerechte Umsetzung des Audits faktisch nicht möglich sein wird. Denn aktuell sind bundesweit erst rund 1.800 Auditoren zugelassen. Das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) versucht diesem Missstand durch eine beschleunigte Auditorenzulassung abzuhel- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10038 2 fen. Dies birgt jedoch die Gefahr, dass die erforderliche Qualifikation der Prüfer nicht hinreichend sichergestellt ist und Unternehmen in ihrer Not zunehmend nicht geeigneten oder sogar unseriösen Unternehmen – trotz BAFA-Akkreditierung – ausgeliefert sind. Zumal das BAFA selbst den Hinweis gibt: „Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle übernimmt keine Gewähr für die Qualität und die richtige Durchführung Ihrer Beratungsleistungen .“ Darüber hinaus besteht ein Informationsdefizit bei den betroffenen Unternehmen. Trotz der Aufklärungsmaßnahmen etwa der IHK’en ist vielen kleinen und mittelständischen Betrieben nicht bewusst, dass auch sie aufgrund der weitreichenden Nicht-KMU Kriterien zum Energieaudit verpflichtet sind. Nach ersten Schätzungen sollten zwischen 50.000 - 120.000 Unternehmen in Deutschland betroffen sein. Es ist jedoch zu befürchten, dass die Zahl der tatsächlich betroffenen Unternehmen noch erheblich höher ist. Denn als potentiell verpflichtetes Unternehmen gilt jede Einheit die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, unabhängig von ihrer Rechtsform. Bei der Beurteilung der Nicht-KMU-Eigenschaften sind zudem auch Partnerunternehmen oder verbundene Unternehmen zu berücksichtigen und dies unabhängig von deren Sitz innerhalb oder außerhalb der EU. Durch die Verbindung mit anderen Unternehmen, kann ein Unternehmen , das für sich allein betrachtet die Kriterien eines KMU erfüllt, als Nicht-KMU gelten. Die Auditpflicht ist somit nicht an bestimmte Branchen gekoppelt, sondern tritt bereits bei Überschreitung der maßgeblichen Schwellenwerte (mindestens 250 Beschäftigte oder Jahresumsatz /Jahresbilanzsumme von mindestens 50 Mio. Euro bzw. 43 Mio. Euro am Stichtag 31.12.2014) ein. Betroffen sind demnach nicht nur energieintensive Unternehmen des produzierenden Gewerbes , sondern auch viele weitere mittelständische Unternehmen wie beispielsweise aus Handel und Dienstleistung. Auch Einrichtungen, die gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen sowie die meisten kommunalen Betriebe in Städten ab 5.000 Einwohner , wie Stadtwerke oder Krankenhäuser, unterliegen ebenfalls regelmäßig der Auditpflicht. Die durchzuführenden Energieaudits müssen den Anforderungen der DIN EN 16247-1 entsprechen . Ein Energieaudit beinhaltet in der Regel eine Analyse des gesamten Energieverbrauches für alle Unternehmensteile, Standorte, Anlagen, Prozesse und Transporte des Unternehmens in Deutschland sowie eine Potenzialanalyse. Anders als bei Managementsystemen hilft ein Energieaudit jedoch lediglich, den IST-Zustand des Energieverbrauches zu bewerten , nicht jedoch einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess tatsächlich anzustoßen und entsprechende Maßnahmen nach Möglichkeit auch umzusetzen. Der belegbare Nutzen zur Steigerung der Energieeffizienz eines Audits hält sich demnach in Grenzen. Demgegenüber stehen erhebliche Kosten für die Energieberatung. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle geht bei seiner Energieberatungshilfe von Kosten um die 10.000 Euro aus. In der Praxis fallen sie jedoch regelmäßig höher aus, da insbesondere auch Gebäudehülle und Lebenszykluskostenberechnungen der Groß-Energieverbraucher in den Unternehmen in die Betrachtungen mit einzubeziehen sind. 1. Wie viele Unternehmen sind in NRW von der Pflicht zur Durchführung eines Energieaudits betroffen? Der Landesregierung liegen derzeit keine konkreten Zahlen vor, wie viele Unternehmen in NRW von der Auditpflicht betroffen sind. Nach Schätzungen der EnergieAgentur.NRW beläuft sich die Zahl auf 15.000 bis 20.000 betroffene Unternehmen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10038 3 Von der Auditpflicht sind alle Unternehmen betroffen, die nicht unter die KMU-Definition der EU fallen (vgl. ABl. der EU L 124 vom 20. Mai 2003, S. 36ff). Damit gelten die Verpflichtungen nicht nur für Kapitalgesellschaften oder produzierende Betriebe, sondern für alle Unternehmen , bei denen die Mitarbeiterzahl, der Jahresumsatz oder die Jahresbilanzsumme festgelegte Schwellenwerte übersteigen. Als Nicht-KMU gilt, wer 250 oder mehr Personen beschäftigt oder wer weniger als 250 Personen beschäftigt, aber mehr als 50 Mio. EUR Jahresumsatz und mehr als 43 Mio. EUR Jahresbilanzsumme hat. 2. Hält die Landesregierung die Frist zur Durchführung des Energieaudits bis zum 5. Dezember 2015 für angemessen? Die Frist zur Umsetzung ergibt sich aus Artikel 8 Absatz 4 Richtlinie 2012/27/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2012 zur Energieeffizienz, zur Änderung der Richtlinien 2009/125/EG und 2010/30/EU und zur Aufhebung der Richtlinien 2004/8/EG und 2006/32/EG. Hierin wurde bestimmt, dass die Mitgliedstaaten sicher stellen, „dass Unternehmen , die kein KMU sind, Gegenstand eines Energieaudits sind, das bis zum 5. Dezember 2015 (…) durchgeführt (…) wird“. Dieser Termin ist von den Mitgliedsstaaten zwingend einzuhalten. Die Frage der Angemessenheit stellt sich daher für die Landesregierung nicht. Den von der Energieauditpflicht betroffenen Unternehmen sind seit der Veröffentlichung der oben genannten Richtlinie die Pflicht und das Durchführungsdatum bekannt. Mit der Einbringung in den Bundestag am 5.11.14 war erkennbar, dass der Gesetzgeber eine 1:1 Umsetzung der Richtlinie anstrebt. 3. Wie will die Landesregierung angesichts von Beraterengpass und weiterhin bestehenden Informationsdefiziten sicherstellen, dass von der Pflicht zur Durchführung eines Energieaudits betroffene Unternehmen in NRW auch rechtzeitig ein den Anforderungen der DIN EN 16247-1 entsprechendes Audit durchführen können? Im Zuge der Umsetzung der EU-Energieeffizienz-Richtlinie wurde mit der Novelle des deutschen Energiedienstleistungsgesetzes (EDL-G) die Pflicht zur Durchführung von periodischen Energieaudits für Unternehmen durch die Bundesregierung eingeführt. Dem Land NRW kommen keine Kontroll- oder Vollzugsrechte zu. Die Landesregierung bietet jedoch unterstützend eine Beratung und Information durch die EnergieAgentur.NRW an. 4. Was unternimmt die Landesregierung, um vor nicht ausreichend qualifizierten oder unseriösen Auditoren zu schützen? Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) hat als Handreichung ein öffentlich abrufbares Anforderungsprofil für Auditoren veröffentlicht. Von Landesseite informiert die EnergieAgentur.NRW die Unternehmen auf Ihrer Homepage, worauf bei einem Audit zu achten ist und welche Qualifizierung die Beraterinnen und Berater vorweisen sollten. Auch bei Anfragen im klassischen Beratungsgeschäft berät die EnergieAgentur .NRW zu Fragestellungen des Energieaudits. (http://www.energieagentur.nrw.de/unternehmen/energieaudit-gemae-din-en-16247-1- 27267.asp?portal=unternehmen) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10038 4 5. Werden für Unternehmen die mangels verfügbarer qualifizierter Auditoren bis zum 5. Dezember 2015 kein regelgerechtes Energieaudit durchführen können, obwohl sie dazu verpflichtet sind, Bußgelder fällig? Nach § 12 Energiedienstleistungsgesetz handelt ordnungswidrig, „wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 8 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder Nummer 2 Buchstabe a ein Energieaudit nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig durchführt (…).“ Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle kann als Verwaltungsbehörde die Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro ahnden. Nach dem Stichtag des 05.12.2015 wird das BAFA stichprobenweise an die Unternehmen herantreten und den Nachweis der Durchführung anfordern. Dies bedeutet, dass Unternehmen dem BAFA die Durchführung des Energieaudits nicht anzeigen müssen, sondern sie werden vom BAFA im Rahmen der Stichprobenkontrolle angeschrieben. Das BAFA teilt hierzu auf seiner Internetpräsenz mit, „dass das BAFA bei der Verhängung von Bußgeldern pflichtgemäßes Ermessen hat. Das BAFA wird somit bei der Entscheidung über ein Bußgeld prüfen, ob es dem Unternehmen auch vor dem Hintergrund der verspäteten Umsetzung der EU-Vorgaben durch die Bundesregierung in zumutbarer Weise möglich war, das Energieaudit fristgerecht umzusetzen“. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/10038