LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/10085 28.10.2015 Datum des Originals: 27.10.2015/Ausgegeben: 02.11.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3893 vom 22. September 2015 der Abgeordneten Susanne Schneider FDP Drucksache 16/9830 Humanmedizinische Approbation für Flüchtlinge – wie werden fachliche und sprachliche Kenntnisse überprüft? Die Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter hat die Kleine Anfrage 3893 mit Schreiben vom 27. Oktober 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Zu den in Deutschland ankommenden Flüchtlingen zählen auch etliche Ärzte und Zahnärzte. Dabei stellt sich die Herausforderung, diesen Menschen einen Weg in ihren Beruf zu eröffnen , ohne dabei auf das von inländischen Absolventen geforderte Qualitätsniveau an Kenntnissen und Fertigkeiten zu verzichten. Zunächst kann für maximal zwei Jahre eine befristete Berufserlaubnis erteilt werden. Dabei ist in der Regel aber nur eine Tätigkeit unter Aufsicht von approbierten Ärzten zulässig. Für eine dauerhafte Berufsausübung in der Humanmedizin in Deutschland ist die Approbation erforderlich. Voraussetzungen für die Erteilung einer Approbation sind insbesondere die Gleichwertigkeit der absolvierten Ausbildung mit der ärztlichen Ausbildung in Deutschland sowie die für die Ausübung der Berufstätigkeit erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache. Während Abschlüsse der Humanmedizin innerhalb der EU als gleichwertig anerkannt sind, muss bei anderen Abschlüssen die Gleichwertigkeit je nach Einzelfall überprüft und festgestellt werden. Zuständige Behörden sind die Bezirksregierungen. Zu prüfen ist dabei, ob wesentliche Unterschiede gegenüber einer inländischen Ausbildung bestehen, die auch nicht durch die bisherige Berufserfahrung ausgeglichen wurden. In dem Fall müssen Ärzte in einer Prüfung nachweisen, dass sie über die Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, die zur Ausübung des ärztlichen Berufs erforderlich sind. Diese Prüfung wird vor einer Kommission der jeweiligen Ärztekammer abgelegt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10085 2 1. Unter welchen Voraussetzungen kann ein Abschluss der Humanmedizin z. B. aus Syrien ggf. in Kombination mit einschlägiger Berufserfahrung als gleichwertig zu einer Ausbildung in Deutschland anerkannt werden? Wer in der Bundesrepublik Deutschland als Ärztin oder Arzt tätig werden möchte, benötigt entweder eine Approbation oder eine widerruflich erteilte Berufserlaubnis. Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen – Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz – können Ärztinnen und Ärzte aus Drittstaaten nunmehr unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit die Erteilung der Approbation als Ärztin oder Arzt beantragen, wenn sie über eine abgeschlossene ärztliche Ausbildung verfügen. Um die Approbation als Ärztin oder Arzt erhalten zu können, muss zunächst ein Nachweis über die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes erbracht werden, siehe § 3 Absatz 3 Bundesärzteordnung. Ein ausländisches Studium ist nur dann als gleichwertig anzusehen, wenn es keine wesentlichen Unterschiede gegenüber einer deutschen Ausbildung aufweist. Wesentliche Unterschiede liegen z.B. vor, wenn die Studiendauer weniger als 5 Jahre beträgt oder sich die unterrichteten Fächer hinsichtlich Dauer und Inhalten unterscheiden. Um dies zweifelsfrei feststellen zu können, muss in der Regel eine Gutachterin/ein Gutachter eingeschaltet werden, die/der überprüft, ob und gegebenenfalls in welchen Fächern die Ausbildung Defizite aufweist. Hierfür werden Unterlagen benötigt, die für einen Vergleich zwischen der Ausbildung in einem Drittstaat und der ärztlichen Ausbildung in Deutschland herangezogen werden können. Werden wesentliche Unterschiede festgestellt, die nicht durch Berufserfahrung ausgeglichen werden können, ist spätestens vier Monate nachdem alle erforderlichen Unterlagen vorliegen, hierüber ein rechtsmittelfähiger Bescheid verbunden mit dem Angebot einer Kenntnisprüfung zu erteilen. Können die erforderlichen Unterlagen und Nachweise aus Gründen, die nicht in der Person der Antragstellenden liegen (z. B. bei Asylsuchenden, denen von ihrem Heimatstaat die Herausgabe der Dokumente verweigert wird), von diesen nicht vorgelegt werden, besteht ebenfalls die Möglichkeit, eine Kenntnisprüfung zu absolvieren. 2. Welche Kenntnisse bzw. Fertigkeiten werden konkret überprüft, falls für die Erteilung der Approbation eine gesonderte Nachweisprüfung erforderlich ist? Der Nachweis der erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten wird durch das Ablegen einer Prüfung erbracht, die sich auf den Inhalt der staatlichen Abschlussprüfung bezieht, siehe § 3 Absatz 3 Satz 3 Bundesärzteordnung. Der Ablauf des Prüfungsverfahrens ergibt sich aus der Anlage 3a des Runderlasses des Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter - 232 - 0400.3.0/0402.1/ 0430.2 - vom 17.11.2014 zur Durchführung der Bundesärzteordnung, der Bundes-Apothekerordnung und des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde (MBl. NRW. S. 762). Die Prüfung der Gleichwertigkeit des Kenntnisstandes bezieht sich auf die Fächer Innere Medizin und Chirurgie. Darüber hinaus sind ergänzend folgende Fächer zu berücksichtigen: Notfallmedizin, Klinische Pharmakologie/Pharmakotherapie, Bildgebende Verfahren, Strahlenschutz und Rechtsfragen der ärztlichen Berufsausübung. Ergänzend kann die zuständige Bezirksregierung ein weiteres Fach oder einen weiteren Querschnittsbereich als LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10085 3 Prüfungsgegenstand festlegen, wenn insoweit wesentliche Unterschiede festgestellt worden sind. Die Antragstellenden haben vor dem Prüfungstermin eine/einen oder mehrere Patientinnen oder Patienten mit Bezug zu den Prüfungsinhalten sowie versorgungsrelevanten Erkrankungen unter Aufsicht eines Mitglieds der Kommission zu untersuchen, die Anamnese zu erheben und hierüber einen schriftlichen Bericht anzufertigen, der Anamnese, Diagnose, Prognose, Behandlungsplan sowie eine Epikrise des Falles enthält. Der für die Erstellung des Berichts zur Verfügung stehende Zeitraum wird von dem aufsichtsführenden Kommissionsmitglied aufgrund der Besonderheiten des jeweiligen Behandlungsfalls festgelegt; er sollte die Dauer von 30 Minuten nicht überschreiten. Der Bericht ist unverzüglich nach Fertigstellung von einem Mitglied der Kommission gegenzuzeichnen und beim Prüfungstermin vorzulegen. Er ist Gegenstand der Prüfung und in die Bewertung einzubeziehen. Das Prüfungsgespräch bezieht sich zunächst auf die Patientenvorstellung. Danach sind weitere fächerübergreifende praktische Aufgaben mit Schwerpunkt auf den für den ärztlichen Beruf wichtigsten Krankheitsbildern und Gesundheitsstörungen zu stellen. Die Prüfung dauert für jede Antragstellende und jeden Antragstellenden mindestens 60, höchstens 90 Minuten. 3. Welche allgemeinen und fachbezogenen Sprachkenntnisse sind Voraussetzung für die Erteilung einer Approbation? Nach § 3 Absatz 1 Nummer 5 Bundesärzteordnung kann eine Approbation nur erteilt werden , wenn die Antragstellenden über die für die Ausübung der Berufstätigkeit erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen. Dies wird in Nr. 2.1.9 des o.g. Runderlasses wie folgt konkretisiert: "Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte müssen ihre Patientinnen und Patienten inhaltlich ohne wesentliche Rückfragen verstehen und sich insbesondere so spontan und fließend verständigen können, dass sie in der Lage sind, sorgfältig die Anamnese zu erheben, Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörige über erhobene Befunde sowie eine festgestellte Erkrankung zu informieren, die verschiedenen Aspekte des weiteren Verlaufs darzustellen und Vor- und Nachteile einer geplanten Maßnahme sowie alternativer Behandlungsmöglichkeiten erklären zu können, ohne öfter deutlich erkennbar nach Worten suchen zu müssen. In der Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen sowie Angehörigen anderer Berufe müssen sie sich so klar und detailliert ausdrücken können, dass bei Patientenvorstellungen sowie ärztlichen oder zahnärztlichen Anordnungen und Weisungen Missverständnisse sowie hierauf beruhende Fehldiagnosen, falsche Therapieentscheidungen und Therapiefehler ausgeschlossen sind. Darüber hinaus müssen sie die deutsche Sprache auch schriftlich angemessen beherrschen, um Krankenunterlagen ordnungsgemäß führen und ärztliche oder zahnärztliche Bescheinigungen ausstellen zu können." Soweit die erforderlichen allgemeinen Sprachkenntnisse nicht beispielsweise durch den Abschluss einer ärztlichen Ausbildung in deutscher Sprache als nachgewiesen gelten (siehe Nr. 2.1.9.1 des o.g. Runderlasses), müssen die Antragstellenden auf der durch Vorlage eines entsprechenden Zertifikats nachgewiesenen Grundlage des Niveaus GER B2 über Fachsprachenkenntnisse orientiert am Sprachniveau C1 verfügen. Die für die Berufsausübung erforderlichen fachbezogenen Sprachkenntnisse gelten als nachgewiesen durch Vorlage einer Bescheinigung über einen erfolgreich abgelegten Sprachtest , der nicht länger als drei Jahre zurückliegen darf. Der Ablauf des Sprachtests, in dem vor LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10085 4 allem das Hörverstehen sowie der mündliche und schriftliche Ausdruck – nicht jedoch Fachwissen – überprüft werden sollen, ergibt sich aus der Anlage 3d des o.g. Runderlasses. Danach findet der Fachsprachentest als Einzelüberprüfung statt und umfasst ein simuliertes Ärztin/Arzt-Patientinnen/Patienten-Gespräch (20 Minuten), das Anfertigen einer schriftlichen Information, z.B. eines Arztbriefes (20 Minuten) und ein interkollegiales Gespräch (20 Minuten). Die Ärztekammern sind nach § 3 Absatz 5 Zuständigkeitsverordnung Heilberufe (ZustVO HB) vom 20.5.2008 (SGV. NRW. 2122) für die Überprüfung der Fachsprachkenntnisse zuständig . 4. Welche Angebote gibt es in Nordrhein-Westfalen, mit denen Flüchtlinge sich soweit qualifizieren können, dass sie die fachlichen und sprachlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Approbation erfüllen können? Das mibeg-Institut Medizin hat in Zusammenarbeit mit Kliniken ein Seminarprogramm (Integration durch Qualifizierung und Anerkennung in medizinischen Arbeitsfeldern – IQuaMed) von passgenauen und kostenfreien Kursen entwickelt, mit denen u.a. Ärztinnen und Ärzte aus Drittstaaten auf ihrem Weg zur Anerkennung unterstützt und sowohl sprachlich als auch fachlich qualifiziert werden können. Das Programm IQuaMed wird an zahlreichen Standorten in Nordrhein-Westfalen angeboten und ist Teil des IQ Netzwerks NRW, welches durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Europäischen Sozialfonds gefördert wird. Für die Teilnehmenden fallen keine Seminargebühren an und auch Prüfungsgebühren können übernommen werden. Um in das Programm aufgenommen werden zu können, ist es wichtig, dass die Teilnehmenden in Nordrhein-Westfalen ihre berufliche Anerkennung erlangen wollen. Alle Informationen zu dem Programm IQuaMed und zu beruflichen Wegen im Gesundheitssystem in NRW bekommen Interessierte in dem Informationsseminar „Wege zur Anerkennung in reglementierten Gesundheitsberufen“ des mibeg-Institut Medizin. Darüber hinaus gibt es das Modellprojekt "Empathisch-Interkulturelle Arzt-PatientenKommunikation (EI-AP-K)“ des Universitätsklinikums Essen in Zusammenarbeit mit den Akademischen Lehrkrankenhäusern Stiftung Krankenhaus Bethanien (Moers) sowie dem Alfried Krupp-Krankenhaus (Essen). Zielsetzung des Projektes ist es, eine bessere Verständigung zwischen Patientinnen und Patienten und medizinischen Fachkräften zu erreichen. Das Modellprojekt besteht aus insgesamt vier Säulen: Zwei Säulen enthalten sprachliche Qualifizierungsmaßnahmen mit dem Ziel der Vorbereitung auf die Sprachprüfung, welche u.a. eine Voraussetzung zum Erhalt der Approbation ist. Die dritte Säule enthält Ausbildung von Dozentinnen und Dozenten für empathisch-interkulturelle Ärztin/ArztPatientinnen /Patienten-Kommunikation. Ziel der vierten Säule ist es, die Ergebnisse des EIAP -K in die Ausbildung der Medizinstudierenden an der Universität Duisburg-Essen und am Universitätsklinikum Essen einfließen zu lassen. Ferner gibt es weitere Anbieter z.B. von Sprachkursen. Diese sind allerdings kostenpflichtig. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10085 5 5. Wie sieht die zahlenmäßige Entwicklung bei den Anträgen auf Erteilung einer Approbation für Ärzte aus den Hauptherkunftsländern der Asylbewerber im Jahr 2014 und im laufenden Jahr aus (bitte aufschlüsseln nach Jahr, nach Herkunftsländern sowie nach gestellten Anträgen, positiven und negativen Bescheiden)? Jahr 2014 Jahr 2015 Herkunftsland Anträge Positiver Bescheid Negativer Bescheid Anträge Positiver Bescheid Negativer Bescheid Syrien 95 52 37 65 30 20 Afghanistan 3 0 3 4 0 4 Irak 20 1 16 13 3 9 Eritrea 0 0 0 0 0 0 Anträge, die sich noch in Bearbeitung befinden, oder Antragsrücknahmen bei Wechsel in ein anderes Bundesland wurden lediglich in der ersten Spalte aufgeführt. Grundlage sind die Meldungen der Bezirksregierungen Düsseldorf, Detmold, Köln und Münster. Aufgrund der gegenwärtigen Belastung der Bezirksregierung Arnsberg konnte diese kurzfristig keine zuverlässige Datengrundlage ermitteln. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/10085