LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/10167 05.11.2015 Datum des Originals: 05.11.2015/Ausgegeben: 10.11.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3947 vom 8. Oktober 2015 des Abgeordneten Gregor Golland CDU Drucksache 16/9953 Gefährdung der Sicherheit durch zurückgekehrte Islamisten – Aktueller Stand der Aus- und Einreisen radikalisierter Muslime Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 3947 mit Schreiben vom 5. November 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Justizminister beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Bundesanwaltschaft hat am 7. Oktober 2015 den 23-jährigen deutschen und marokkanischen Staatsangehörigen Mohamed A., den 25-jährigen deutschen und afghanischen Staatsangehörigen Mustafa P. und den 25-jährigen deutschen, polnischen und libanesischen Staatsangehörigen Fadi Rudolf S. durch Polizeibeamte aus Bonn und Dortmund festnehmen lassen. Den drei Verhafteten wird vorgeworfen sich als Mitglied an der ausländischen terroristischen Vereinigung „Junud al-Sham“ in Syrien beteiligt zu haben. Fadi Rudolf S. soll sich zudem dem IS angeschlossen haben. Die Beschuldigten haben eine Kampfausbildung abgeschlossen und für die Terrororganisationen u.a. Wachdienste geleistet. Ausgereist sind alle im Jahr 2013 und im gleichen Jahr bzw. zu Beginn 2014 wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Rückkehrer gelten in vielen Fällen als besonders gefährlich, sind zum Teil desillusioniert. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10167 2 1. Wie viele Personen sind in diesem Jahr bisher von NRW aus in den so genannten „Heiligen Krieg“ im Nahen Osten gezogen? (Bitte auflisten nach Monat, Ziel der Ausreise, unterstützte Terrororganisation, Geschlecht und Alter der Personen.) Im Jahr 2015 wurden den Sicherheitsbehörden bislang 33 Ausreisefälle1 bekannt. In vier weiteren Fällen liegen unbestätigte Anhaltspunkte für eine jihadistisch motivierte Ausreise in Richtung Naher Osten vor. Unter den 33 Ausgereisten befinden sich 18 weibliche Personen. Zum Zeitpunkt ihrer Ausreise waren zehn Personen jünger als 21 Jahre, 19 Personen im Alter zwischen 21 und 30 Jahren und vier Personen älter als 30 Jahre. Welcher jihadistischen Gruppe sich die ausgereisten Personen anschließen wollten, ist nicht bekannt. Unter Berücksichtigung der Erkenntnisse zu den Ausreisen in den letzten Jahren wird davon ausgegangen, dass der weit überwiegende Teil der Ausgereisten sich um einen Anschluss an den sogenannten „Islamischen Staat“ bemühen wird. Die mit Al-Qaida verbundenen Organisationen üben eine weit geringere Anziehungskraft aus. Zeitlich verteilen sich die Ausreisen wie folgt: 1. Quartal: 9 Personen (7 weiblich), 2. Quartal: 12 Personen (5 weiblich,) 3. Quartal: 10 Personen (5 weiblich), 4. Quartal: 2 Person (1 weiblich). Eine monatsscharfe Auswertung wird hier nicht geführt, da der Zeitpunkt der Ausreise und deren Bekanntwerden oftmals auseinanderfallen. 2. Wie viele bereits ausgereiste Personen sind in 2015 zurückgekehrt? (Bitte auflisten nach Monat, unterstützte Terrororganisation/Land, Geschlecht und Alter der Personen.) Im Jahr 2015 ist bislang eine Personenzahl im einstelligen Bereich zurückgekehrt. Jede weitere Konkretisierung könnte aufgrund der geringen Zahl zu der Identifizierung der Betroffenen führen. 3. Wie viele der Rückkehrer werden tatsächlich überwacht bzw. sind verhaftet worden? Sämtliche aus den Jihadgebieten zurückgekehrten Personen stehen in der Beobachtung der Sicherheitsbehörden. Abhängig vom Ergebnis einer in jedem Einzelfall vorgenommenen Gefährdungseinschätzung werden abgestuft individuelle Maßnahmen gemäß einem standardisierten Handlungskonzepts getroffen. Dies schließt die bundesweite Einstufung der Person ebenso ein, wie Erörterungen im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum und operative Maßnahmen unterschiedlicher Eingriffstiefe im Einzelfall. In allen Fällen mit ausreichender 1 In den vorgenannten Zahlen wurden nicht diejenigen Personen berücksichtigt, die an sogenannten Hilfskonvois teilgenommen haben, sondern ausschließlich diejenigen, bei denen Anhaltspunkte für eine dauerhafte Ausreise in ein Jihadgebiet vorliegen. Grund dafür ist der Umstand, dass bei sog. "Konvoifahrern" regelmäßig nicht zu befürchten ist, dass sie während der kurzen Aufenthalte in den Krisengebieten eine terroristische Ausbildung durchlaufen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10167 3 Erkenntnislage werden strafrechtliche Ermittlungsverfahren betrieben. 17 Rückkehrer sind zurzeit inhaftiert. 4. Wie viele der zurückgekehrten Personen werden konkret durch den Verfassungsschutz als resozialisierbar eingestuft, wie viele nicht? (Bitte auflisten nach Alter und Geschlecht.) Bei einem festgestellten Ausstiegswillen, der sich auch in der Distanzierung von der jihadistischen Ideologie und dem Abbruch aller Kontakte zur islamistischen Szene äußern muss, wird geprüft, ob eine Aufnahme in das Aussteigerprogramm Islamismus möglich ist. Dieses besteht seit Oktober 2014. Die Teilnahme am Aussteigerprogramm ist in der Regel ein mehrjähriger Prozess. 5. Warum haben sich die nun durchgeführten Verhaftungen der Verdächtigen mehr als 1,5 Jahre hinausgezögert bzw. warum war die Verhaftung nun notwendig. Das Ermittlungsverfahren wird von der Generalbundesanwaltschaft geführt. Hierzu können keine Angaben gemacht werden. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/10167