LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/10186 10.11.2015 Datum des Originals: 09.11.2015/Ausgegeben: 13.11.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3948 vom 9. Oktober 2015 der Abgeordneten Kai Abruszat und Henning Höne FDP Drucksache 16/9954 Überlastungsanzeige von Kommunen bei der Flüchtlingsunterbringung – was sagt die Landesregierung? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 3948 mit Schreiben vom 9. November 2015 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Hilfsorganisationen, Ehrenamtliche und Kommunalverwaltungen stoßen offenbar bei der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen mehr und mehr an ihre Grenzen. Ausweislich eines Berichtes der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 9.10.2015 hat der Bürgermeister der Gemeinde Ascheberg (Kreis Coesfeld) im Regierungsbezirk Münster eine sogenannte Überlastungsanzeige an die Bezirksregierung Arnsberg gesandt. Gegenstand und Inhalt dieses behördlichen Schreibens soll auch gewesen sein, „dass Ascheberg bald gezwungen sein könnte, den ersten Bus mit Flüchtlingen abzuweisen.“ Ausweislich des genannten Presseberichts soll die Gemeindeverwaltung wörtlich formuliert haben: „Sollten mir weiterhin Menschen zugewiesen werden, ohne dass ich zuvor erklärt habe, eine Unterkunft bereitstellen zu können, müssen Sie damit rechnen, dass ich die Aufnahme verweigern und Ihnen die Personen zwecks Vermeidung von Obdachlosigkeit wieder zurückschicken werde.“ Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes NRW spricht in dem genannten Pressebericht der FAZ davon, dass „die immer weiter steigende Zahl von Flüchtlingen die Kommunen in eine mittlerweile mehr als dramatische Lage gebracht habe. In den vergangenen drei Monaten habe es Steigerungsraten von 70 Prozent gegeben“. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10186 2 1. Wie beurteilt die Landesregierung die von der Gemeinde Ascheberg an die Bezirksregierung Arnsberg übersandte sogenannte „Überlastungsanzeige“ im Hinblick auf die Unterbringung von Flüchtlingen? Die derzeitige Zugangssituation stellt für Bund, Länder und Kommunen eine große Herausforderung dar. Vom 01.01.2015 bis zum 15.10.2015 wurden laut EASY (ITAnwendung des Bundes zur Erstverteilung der Asylbegehrenden auf die Bundesländer) 126.571 Asylsuchende alleine dem Land Nordrhein-Westfalen zugewiesen, eine Steigerung von rund 300 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum mit 31.713 Asylsuchenden. Tatsächlich suchten im Zeitraum 01.01. bis 15.10.2015 sogar über 200.000 Personen die Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes auf, einschließlich Folgeantragsteller und Asylsuchende, die über die Quote des Königsteiner Schlüssels hinaus NRW aufsuchen und von hier aus in andere Bundesländer weiterverteilt werden müssen. Das Land ist sich darüber bewusst, dass die Kommunen eine große Last bei der Unterbringung der Flüchtlinge und ihrer Integration tragen. Das Land will die Kommunen hierbei unterstützen und insbesondere bei den Kosten nachhaltig entlasten. In den Gesprächen mit den Kommunalen Spitzenverbänden haben sich Land und Kommunale Spitzenverbände über eine auskömmliche Pauschale für das Jahr 2016 in Höhe von 10.000 € pro Flüchtling einschließlich Geduldeter verständigen können, dies aber einvernehmlich unter den Vorbehalt der weiteren Verhandlungen zu einer grundsätzlichen Systemumstellung des FlüAG ab dem Jahr 2017 gestellt. Die Kommunen mit Landesaufnahmeeinrichtungen werden über die Anrechnung auf die kommunale Unterbringungsverpflichtung zusätzlich entlastet. Für die Notunterkünfte, die von Kommunen für das Land errichtet und betrieben werden, haben sich Land und Kommunale Spitzenverbände zudem auf einen weitestgehend unbürokratischen Modus zur Kostenerstattung geeinigt. 2. Welche weiteren Kommunen in Nordrhein-Westfalen haben den zuständigen Behörden des Landes formal bereits derartige „Überlastungsanzeigen“ zugeleitet? Mehrere Kommunen haben gegenüber der Bezirksregierung Arnsberg ihre Schwierigkeiten bei der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen angezeigt. In der Regel wenden sich die Kommunen mit ihren Anliegen mündlich an die Bezirksregierung Arnsberg, um eine Übergangslösung zu vereinbaren. Neben diesen mündlichen Anfragen haben sich auch einige Kommunen mit ihren Anliegen schriftlich an die Bezirksregierung Arnsberg gewandt. Zurzeit liegen insgesamt 19 schriftliche sogenannte „Überlastungsanzeigen“ von den folgenden Kommunen vor: Aldenhoven, Ascheberg, Baesweiler, Brühl, Geseke, Königswinter, Lage, Langenfeld, Leopoldshöhe, Leverkusen, Meschede, Mönchengladbach, Mülheim an der Ruhr, Oberhausen, Rietberg, Steinhagen, Warburg, Wilnsdorf und Witten. 3. Welche Kommunen haben den zuständigen Behörden des Landes für den Fall, dass die Flüchtlingszahlen auf anhaltend hohem Niveau verbleiben, eine sogenannte „Überlastungsanzeige“ angekündigt? Die Verteilung von Flüchtlingen erfolgt auf der Grundlage eines im Flüchtlingsaufnahmegesetz vorgegebenen Verteilungsschlüssels, der die Kommunen gleichmäßig belastet. Aus bilateralen Gesprächen, die die Mitarbeiter der Bezirksregierung Arnsberg mit Kommunalvertretern geführt haben, ist aufgrund aktueller Entwicklungen eine LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10186 3 besondere Belastung von einzelnen Kommunen deutlich geworden. In Einzelfällen ist eine sogenannte „Überlastungsanzeige“ angekündigt worden. Eine Übersicht hierüber führt die Bezirksregierung Arnsberg nicht. 4. Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung konkret, wenn eine Kommune bezüglich der Frage der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen dem Amtshilfeersuchen nicht nachkommt? Das Land selbst unternimmt sehr große Anstrengungen, um die immens gestiegenen Flüchtlingszugänge zu bewältigen. Das Land ist dabei aber angesichts der sprunghaft gestiegenen Flüchtlingszahlen auch auf die Unterstützung der Kommunen in NRW angewiesen. Bei der Inanspruchnahme der Unterstützungsleistung der Kommunen ist das Ministerium für Inneres und Kommunales mit Bedacht vorgegangen. Die jeweils zuständigen Bezirksregierungen haben im Dialog mit der jeweiligen Kommune in ihrem Bezirk einvernehmliche Lösungsmöglichkeiten angestrebt. Sofern eine Kommune sich nicht in der Lage sah, dem Amtshilfeersuchen in der zur Verfügung stehenden Zeit nachzukommen, so fand sich regelmäßig eine andere Kommune, die eine geeignete Unterkunft früher als geplant bereit stellen konnte. Für die von den Kommunen in den geschaffenen Notunterkünften untergebrachten Flüchtlinge erfolgte zudem ab dem ersten Tag eine entsprechende Anrechnung auf die Zuweisungsquote gem. § 3 Absatz 4 FlüAG. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/10186