LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/10211 13.11.2015 Datum des Originals: 12.11.2015/Ausgegeben: 18.11.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3957 vom 13. Oktober 2015 der Abgeordneten Dirk Wedel und Marcel Hafke FDP Drucksache 16/9978 Gründer-Kurse in Justizvollzugsanstalten als Maßnahme zur Resozialisierung Der Justizminister hat die Kleinen Anfrage 3957 mit Schreiben vom 12. November 2015 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In einem Artikel „Gründer-Kurse im Gefängnis können Straftäter verändern“ berichtet Forum Strafvollzug (2015, 137) über die Ergebnisse einer Studie der Technischen Universität München (TUM) und der Indiana University (USA) (vgl.: Holger Patzelt, Trenton A. Williams and Dean A. Shepherd. Overcoming the Walls That Constrain Us: The Role of Entrepreneurship Education Programs in Prison. Academy of Management Learning & Education, 2014, Vol. 13, No. 4, 587-620; DOI: 10.5465/amle.2013.0094), in deren Rahmen Wirtschaftswissenschaftler untersucht haben, unter welchen Umständen Häftlinge Existenzgründerkurse bis zum Abschluss absolvieren und ob die Auseinandersetzung mit dem Unternehmertum tatsächlich deren Haltung ändert. Auf dieser Grundlage haben die Wissenschaftler Empfehlungen zur Gestaltung solcher Gründer-Kurse entwickelt. Menschen die aus der Haft entlassen werden, hätten aus unterschiedlichen Gründen oftmals Schwierigkeiten einen Job zu finden. Durch die Teilnahme an einem Existenzgründerkurs im Gefängnis werde den Straftätern während und nach der Haft die Möglichkeit geboten, Verantwortung für ihr eigenes Leben zu übernehmen und durch eine unternehmerische Geisteshaltung ihre Einstellung gegenüber ihrer Zukunft und der Gesellschaft positiv zu beeinflussen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10211 2 Diejenigen, die bis zum Schluss an dem Programm teilnahmen, glaubten nicht nur stärker an ihre eigenen Kompetenzen, sondern entwickelten vielmehr auch eine positivere Haltung sowohl gegenüber ihrer Inhaftierung als auch gegenüber ihren Mitmenschen und ihrem gesellschaftlichen Umfeld. 1. Inwieweit teilt die Landesregierung die in der Studie zum Ausdruck kommende Auffassung, dass Gründer-Kurse in Justizvollzugsanstalten einen positiven Beitrag zur Resozialisierung geeigneter Gefangener leisten können? Die Landesregierung ist ausdrücklich der Auffassung, dass Maßnahmen zur Integration der Gefangenen in Arbeit und Ausbildung einen positiven Beitrag zur Resozialisierung und zu der damit verbundenen Reduzierung von Rückfallrisiken leisten können. Die Förderung von Existenzgründungen bzw. entsprechende Gründer-Kurse können dazu folglich ebenfalls beitragen. Die Durchführung solcher Kurse ist aber an viel-fältige Voraussetzungen gebunden – und zwar sowohl auf Seiten der Gefangenen als auch der Kursanbieter. So müssen die Gefangenen über ein ausreichendes Bildungsniveau und – wie die zitierte Studie der Technischen Universität München zeigt – auch über die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung für ihr eigenes Leben verfügen. Angesichts des niedrigen Bildungsniveaus und oftmals langjähriger krimineller Karrieren muss beides im Regelfall zunächst durch konventionelle Behandlungsangebote (z. B. durch Maßnahmen zur Vermittlung sozialer Kompetenzen, durch schulische und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen etc.) erarbeitet werden. Dazu werden im Strafvollzug des Landes NRW vielfältige Maßnahmen angeboten. Zusätzliche Gründer-Kurse müssten angesichts der erforderlichen Spezialkenntnisse zudem von fachkundigem Personal durchgeführt werden, das dem Strafvollzug in der Regel nicht zur Verfügung steht. Die Landesregierung ist insofern der Auffassung, dass die Maßnahmen zur Arbeitsmarktintegration von Gefangenen und insbesondere auch Maßnahmen zur beruflichen Orientierung, zu denen auch Gründer-Kurse gezählt werden können, nur in enger Zusammenarbeit mit den originär zuständigen Arbeitsagenturen und Jobcentern und nach Maßgabe der individuellen Voraussetzungen Erfolg versprechend angeboten werden können. Dem Vollzug kommt dabei insbesondere die Aufgabe einer entsprechenden Vorbereitung der Gefangenen mit konventionellen Behandlungsmaßnahmen sowie einer Gestaltung der Entlassungsvorbereitung zu, die die Teilnahme an entsprechenden Angeboten der Bundesagentur für Arbeit ermöglichen können. 2. Inwieweit werden derzeit in den nordrhein-westfälischen Justizvollzugsanstalten Gründer-Kurse angeboten (bitte gegebenenfalls die einzelnen Angebote unter Angabe der Anzahl der Teilnehmer und Abbrecher benennen)? Aus den in der Antwort zu Frage1 genannten Gründen bietet der Strafvollzug des Landes Nordrhein-Westfalen derzeit selbst keine Gründer-Kurse an. Landesweit umgesetzt ist aber ein mit der Bundesagentur für Arbeit abgestimmtes System der beschäftigungsorientierten Entlassungsvorbereitung und Nachsorge für Strafgefangene im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative B5. Angeboten wird dabei ein Übergangsmanagement zur Arbeitsmarktintegration, mit dem geeignete Gefangene schon aus der Haft heraus in Ausbildung oder Arbeit vermittelt werden, was auch die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit beinhalten kann. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10211 3 3. Auf wie viele Personen schätzt die Landesregierung unter Annahme einer dem Durchschnitt bestehender anderer Behandlungsangebote entsprechenden Erfolgsquote das Potential geeigneter Gefangener für einen Gründer-Kurs in Justizvollzugsanstalten? Die Auswertung der Vorläuferprojekte zum derzeitigen Übergangsmanagement ergab, dass sich bisher pro Jahr maximal 9 teilnehmende Gefangene nach der Haft selbstständig machen bzw. selbstständig gemacht haben. Dies entspricht einer Quote von 0,7 % der jeweils Teilnehmenden. Inwieweit sich diese Quote durch die seit April 2015 weiter intensivierte Zusammenarbeit mit Arbeitsagenturen und Jobcentern erhöht und ob sich aus den seitdem auch verstärkt angebotenen Maßnahmen der beruflichen Orientierung auch ein (zusätzlicher) Bedarf an Gründer-Kursen o. ä. ableiten lässt, kann derzeit noch nicht beurteilt werden, sondern muss weiteren Auswertungen vorbehalten bleiben, die für Ende 2018 vorgesehen sind. 4. Wie hoch wären die Kosten, die durch eine Einführung entsprechender Kurse für den geeigneten Personenkreis an den Justizvollzugsanstalten in NRW entstehen würden (bitte im Vergleich zu bestehenden anderen Behandlungsangeboten)? Unter der Voraussetzung, dass entsprechende Kurse durch die Bundesagentur für Arbeit angeboten werden können, würden sich die Kosten für die Justizvollzugsanstalten auf die Zahlung von Ausbildungsvergütungen für die teilnehmenden Gefangenen beschränken und voraussichtlich in Höhe von max. 12,25 € pro Kopf und Teilnahmetag anfallen. 5. In welchem Zeitraum wäre eine Implementierung von Gründer-Kursen als Regelangebot in den Justizvollzugsanstalten in NRW realisierbar? Eine Implementierung von Gründer-Kursen als Regelangebot in der originären Zuständigkeit des Justizvollzuges ist aus den vorgenannten Gründen nicht geplant. Möglichkeiten zur Entwicklung eines entsprechenden Maßnahmeangebotes im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative B5 werden jedoch im Laufe des nächsten Jahres mit der Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit geprüft werden. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/10211